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Immer die Erotik von den Weibern

Immer die Erotik von den Weibern

Karl Valentin
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Liebesklamauk und andere Herzensangelegenheiten

„Sehr komisch - oft aber auch bitterernst.“ - Echt Bayern

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Immer die Erotik von den Weibern — Inhalt

Karl Valentin, der geniale Sprachkünstler und begnadete Humorist, rief nicht nur beim Publikum große Begeisterung hervor – auch bei den Frauen war er sehr erfolgreich. Dabei entpuppt er sich in seinen Texten nicht unbedingt als Gentleman, wie die Textsammlung zum Thema „Karl Valentin und die Frauen“ von Herausgeber Gunter Fette zeigt. Herzzerreißende Liebesschwüre wechseln sich hier mit bitterbösen Schimpftiraden ab. Letztendlich wird aber doch eines deutlich: Ohne die Frauen wäre er verloren gewesen. Oder um es mit Karl Valentin zu sagen: »Drum bleiben wir halt bei´nander. Sie ist doch a guate Sau.«

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 01.03.2016
Herausgegeben von: Gunter Fette
272 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-30829-8
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Leseprobe zu „Immer die Erotik von den Weibern“

Eine Einführung zu „Karl Valentin
und die Frauen“
von Gunter Fette
Karl Valentins Verhältnis zu den Frauen ist durch vielfache Widersprüche gekennzeichnet – und von einer großen Dramatik.

Dass Karl Valentin der „ holden Weiblichkeit “ durchaus zugetan war, hat er schon ziemlich früh gezeigt, als er sich mit 17 Jahren in das junge hübsche Dienstmädchen seiner Eltern verliebt hat, was dann nicht ohne Folgen blieb : 1905, als Karl Valentin 23 Jahre war, kam die Tochter Gisela und im Jahr 1910 die zweite Tochter Bertl zur Welt. Dass diese Beziehung auf eine [...]

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Eine Einführung zu „Karl Valentin
und die Frauen“
von Gunter Fette
Karl Valentins Verhältnis zu den Frauen ist durch vielfache Widersprüche gekennzeichnet – und von einer großen Dramatik.

Dass Karl Valentin der „ holden Weiblichkeit “ durchaus zugetan war, hat er schon ziemlich früh gezeigt, als er sich mit 17 Jahren in das junge hübsche Dienstmädchen seiner Eltern verliebt hat, was dann nicht ohne Folgen blieb : 1905, als Karl Valentin 23 Jahre war, kam die Tochter Gisela und im Jahr 1910 die zweite Tochter Bertl zur Welt. Dass diese Beziehung auf eine tiefe Liebe gegründet war, belegt ein Gedicht, das Karl Valentin als 20-jähriger an jene Gisela Royes im Hause seiner Eltern gerichtet hatte. Auf mit Vergissmeinnicht umrankten Briefbogen beschwor er ihre erste gemeinsame Liebe als die glücklichste und weiter :

»Wenn wir traumverloren saßen,
so auf laubumschlung’ner Bank
und an Deinen süßen Lippen
ich den Weg zur Liebe fand !
Und du sahst mir in die Augen,
sprachst dabei „ ich liebe Dich ! “
O dieses Wörtlein bleibt bewahret
in meinem Herzen ewiglich.
und sollten wir mal scheiden müssen
und brechen unsere Liebelei,
so ist mein größtes Glück auf Erden
und meine Lebenslust vorbei.«

( So berichtet Alfons Schweiggert in seinem Buch „ Karl Valentin und die Frauen “ ).

Als Karl Valentin dann 1911 auf der Bühne die junge Soubrette Elisabeth Wellano entdeckt und ihr eine künstlerische Zusammenarbeit anbietet, hat er sich allerdings auch gleich in sie verliebt. Heiraten tut er aber – zur gleichen Zeit – die Mutter seiner beiden Töchter. Als er dies der anfänglich seinem Liebeswerben widerstrebenden, schließlich aber auch ihrerseits in Liebe zu ihm entflammenden Elisabeth lapidar auf den Kopf zu sagt, ist das ein Schock für sie. Die intensive Beziehung Karl Valentins zu der „ geliebten Lisi “, die nun als „ Liesl Karlstadt “ seine Bühnenpartnerin wird, setzt sich jedoch fort. So gibt es im Leben Karl Valentins nun zwei Frauen nebeneinander, die beide gleichermaßen unentbehrlich, ja lebensnotwendig für ihn sind und bleiben. In dieser Situation mit den beiden Frauen und zwischen ihnen die Balance zu halten, erforderte von allen Beteiligten wohl übermenschliches Verständnis und Einfühlungsvermögen, was Karl Valentin allerdings manchmal wohl abging. So etwa, als er seiner Ehefrau ansinnt, die Kostüme für seine Bühnenpartnerin zu schneidern und „ das Fräulein “, wie er Liesl Karlstadt in der Öffentlichkeit immer nannte, zum Maßnehmen zu sich nach Hause kommen ließ. Dann krachte es eben doch manchmal ganz gehörig. Als die beiden Frauen einmal in aller Öffentlichkeit aneinander geraten, ist es Karl Valentin selbst peinlich und um die Situation zu retten, erklärt er den Passanten, die die handgreifliche Szene neugierig verfolgen, kurzerhand, dass es sich um Proben für Filmaufnahmen handelt. Als Liesl Karlstadt schließlich er­­kennt, dass Karl Valentin niemals für sie seine Familie aufgeben wird und sie sich auf Liebesbeziehungen zu anderen Männer einlässt, insbesondere zu Josef Kolb, mit dem sie sich dann auch verlobt, tut Karl Valentin alles, um dies zu verhindern – und ist tief gekränkt. Dies hindert ihn allerdings nicht, sich seinerseits – neben den dauerhaften Beziehungen zu seiner Ehefrau und Liesl Karlstadt – immer wieder auf mehr oder weniger intensive Affären mit weiteren Frauen einzulassen.

Karl Valentin behandelt Liesl Karlstadt nicht selten auch richtig grob und rücksichtlos, um ihr andererseits aber herzzerreißende Liebesbriefe zu schreiben und für sie den Mond und die Sterne anzusingen. So etwa in einem Brief vom 16. 08. 1915 „ Meiner heißgeliebten kleinen Lisi “ mit dem Gedicht

„ Die Dämmerung sinkt hernieder
vom hohen Himmelsraum
und hüllt die Erde wieder
in einen süßen Traum
leis flüstert in ihr Schweigen
ein Lied vom Himmelszelt
Du bist mein Glück, mein Eigen
mein Himmel, meine Welt.

Es glüh’n die gold’nen Sterne
in wunderbarer Kraft
und schauen aus der Ferne
gar innig durch die Nacht
und ihre Köpfchen neigen
die Blumen auf dem Feld
Du bist mein Glück, mein Eigen
mein Himmel, meine Welt.

Mir ist als ob mich grüßte
aus sternenklaren Höh’n
und wundersam mich küsste
Dein Bildnis zauberschön
Im Traum seh’ ich Dich neigen
die Augen glanzerhellt
Du bist mein Glück, mein Eigen
mein Himmel, meine Welt.“

Zwanzig Jahre später schreibt Karl Valentin am 2. 10. 1935 immer noch an „ meine liebe liebe Li “

„Wie sehr Du mit nicht ans, sondern ins Herz gewachsen bist, wirst Du wohl nie erfassen können. Ohne Dir ist die Welt für mich völlig inhaltlos.“

Die Briefe setzen sich fort an „ Meine liebe liebe Li “, „ Liebe gute einzige Liesi “, „ Liebe, Liebe LiLiLi “ ( 1936 ). Ab ca. 1938 wird daraus dann zwar die „ Liebe Liesi “, nachdem es nun doch zu einem gewissen Bruch zwischen dem Liebes- und Bühnenpaar gekommen ist und Karl Valentin nimmt sich eine neue Bühnenpartnerin, Annemarie Fischer, mit der er natürlich auch ein intensives und einige Jahre dauerndes Liebesverhältnis beginnt. Aber der letzte schrift­liche Gruß, den Karl Valentin – wohl schon in der Vor­ahnung seines baldigen Todes – an Liesl Karlstadt ge­­schrieben hat, ist dann wieder eine Liebeserklärung aus tiefster Seele, wie sie am Ende des Kapitels zu Liesl Karl­stadt abgedruckt ist.

Wenn Karl Valentin in einer 1943 entstandenen Notiz über sein Verhältnis zu Frauen geschrieben hat

„ Ich bin ein Mensch, der allen Liebesklamauk, wie Eifersucht, Bocken, Liebesschwüre usw. nicht verträgt, weder bei der Frau noch bei einer Freundin. Ich bin als Vorstadtpflanze aufgewachsen und als Gentleman den Frauen gegenüber in hinterster Reihe gestanden … Ich bin kein direkter Rüpel, aber die Brennnessel unter den Liebesblumen.“

so mag dies im Allgemeinen für seinen Umgang mit Frauen stimmen. Auf seine Beziehung zu Liesl Karlstadt trifft diese Beschreibung aber sicher nicht zu.

Dies alles beschreibt aber nur das persönliche, private intime Verhältnis Karl Valentins zu den Frauen. In seinen Texten, Auftritten und Filmen bringt er dagegen ein durch­weg negatives Frauenbild, vor allem bei Ehefrauen und der Institution der Ehe überhaupt, zum Ausdruck. Seine Darstellungen dazu sind manchmal geradezu bös­artig. So antwortet z. B. im Film „ Beim Nervenarzt “ ( 1936 ) der Patient auf die Frage des Arztes, ob er sonstwie leidend sei : „ Jawohl, verheiratet “. In dem Dialog über einen Hausverkauf gibt der Hausbesitzer auf die Frage des Kaufinteressenten, ob Ungeziefer im Haus sei, die Antwort : „ Nein ich bin noch Junggeselle “. Hochzeiten werden von ihm als „ sonstige Unglücksfälle “ apostrophiert. In seinem Text „ Der zufriedene Ehemann “ von 1911 lässt er den Mann seine Ehefrau nach 13 Ehejahren auf das Übelste beschimpfen

„Sie, des war früher mal ein nettes Mädel
jetzt ein Wauwau
jetzt ein Wauwau
schön ist sie nicht, des kann ich nicht grad sagen
aber saudumm
des alte Trumm“

und es endet mit der resignierenden Erklärung des Ehemanns

„Drum bleib’n wir halt bei’nander
Sie ist doch a guate Sau.“

Zu dieser Zeit dauerte übrigens die Beziehung Karl ­Valentins zu seiner nun angetrauten Ehefrau auch gerade 13 Jahre !

Im „ Ritter Unkenstein “ reagierte Recke Heinrich auf den Hinweis, dass seine Frau doch schon zehn Jahre tot ist, er­­staunt, dass sie ihm nichts davon gesagt hat und er hat nun die Erklärung, warum er sie so lange nicht gesehen hat. Vermisst hat er sie in diesen zehn Jahren offensichtlich nicht.

Bei der Suche des Ehemanns nach der verlegten Brille redet die Ehefrau „ nur saudumm daher “. Das tun die Frauen bei Karl Valentin in den Dialogen überhaupt ­meistens „ mit ihrem saudummen Kopf “ bis hin zum Nerv tötenden Blödsinn. Während der Ehemann in „ Der Hasenbraten “ ganz sachlich und logisch zwingend argumentiert, dass er eine zu heiße Suppe nicht essen kann und den völlig normalen Wunsch äußert, von seiner Frau eine Suppe serviert zu bekommen, die nicht zu heiß und nicht zu kalt ist, verheddert sich diese in ihrer Verteidigung völlig und will zum Schluss nur noch „ auf und davon “.

Auch dass Frauen immer nicht wissen, was sie wollen, hat Karl Valentin in einer Dialogszene unter diesem Titel als typisch weibliche Eigenschaft festgehalten, an deren Wirrnis und Unlogik man als Mann nur verzweifeln kann. Frauen sind dementsprechend in seinen Dialogen nur „ a blöd’s Frauenzimmer “. Nur selten ist der Ehemann „ ein Rindvieh “, wie im „ Wiesnbummel “ beim Lukashauen oder ein „ saudummer Hanswurst “ wie in der „ Heirats-Annonce “, in der eine „ einsame Witwe zum 2. Mail ihr Glück in der Ehe sucht “.

Auch die weibliche erotische Anziehungskraft wird von Karl Valentin nicht positiv dargestellt ( obwohl er ihr in seinem privaten Leben durchaus oft verfallen ist, wie eingangs beschrieben ).

Als am Schluss des Films „ Donner, Blitz und Sonnenschein “ die Ehefrau von ihrem Mann einen Kuss haben will, weil doch nun alles gut ausgegangen ist, mault dieser nur missmutig vor sich hin „ immer die Erotik von den Weibern “.

Auch die weibliche Eitelkeit um ihre Schönheit kommentiert Karl Valentin mit einer bösen Satire auf die alte Mutter, die ihren verlorenen letzten Zahn bitter beweint und lässt den Sohn dazu sagen, dass sie mit ihren fast 80 Jahren „ jetzt endlich aufhören sollt mit ihrer verfluchten Eitelkeit ! “ In dem in der Nachkriegszeit entstandenen Dialog „ Das Nichts “ meint Karl Valentin zu der von der Frau beklagten Situation, dass man aufgrund der Stromknappheit im Schlafzimmer kein Licht brennen darf und deshalb der junge Ehemann von seiner schönen jungen Frau gar nichts hat, weil er sie nicht anschauen kann, nur lapidar, dass er dann ja auch eine hässliche heiraten kann, weil in der Finsternis ja „ alle Kühe schwarz sind “.

Wenn Karl Valentin in „ Teppichklopfen “ zwei Weibspersonen im Stiegenhaus mit übelsten Beschimpfungen ( „ du Drecksau, du dreckerte “ ) über sich herfallen und sich gegenseitig die Haare ausreißen lässt, so zeugt auch dies nicht gerade von einem freundlichen Frauenbild.

Die Ehe selbst lässt Karl Valentin von seinen Ehemännern nur als eine leidvolle, höchst lästige Bindung und Einschränkung der männlichen Freiheit darstellen. Auf die weibliche Reklamation gegenüber den Mannsbildern, dass sie zwar Liebe wollen, aber nicht heiraten, lässt Karl Valentin den Bürgermeister in dem Film „ Donner, Blitz und Sonnenschein “ antworten : „ Das ist ja das Schöne an der Liebe : wenn’s einen nicht mehr freut, kann man aufhören. Aber verheiratet – das bleibt. “ Im „ Wiesnbummel “ ist der verheiratete Benedikt, der von seiner Ehefrau nicht ins Hippodrom gelassen wird, wo er junge Madln mit schönen Wadln sehen wollte, ganz neidisch auf den Fessel­ballon, der ihm auskommt und nun wieder frei ist. Das Schnürl, das ihn festgehalten hat, ist durchtrennt und der verheiratete Benedikt vergleicht die Ehemänner mit kleinen Fesselballons, die durch ein Schnürl festgehalten werden – die Ehe. Dass die „ Silberhochzeit “ mit einer ­def­tigen Schlägerei unter den Gästen endet mit der resignierenden Feststellung des Ehemanns, dass jedes Mal auf seiner Silberhochzeit gerauft wird, ist natürlich auch nicht gerade ein Loblied auf die Ehe.

In der Szene „ Beim Taucher auf der Oktoberwiese “, wo Karl Valentin die Ehefrau ins Tauchbecken fallen lässt, lehnt der Ehemann das freundliche Angebot des Tauchers, sie gegen ein geringes Trinkgeld wieder herauszuholen, vehement ab und bietet ihm stattdessen hundert Mark, wenn er sie drin lässt. Zum Zeitpunkt dieser Aufnahmen im Jahr 1928 war Karl Valentin 17 Jahre verheiratet.

Die beste Darstellung seiner Sicht des Ehe-Alltags ist Karl Valentin aber wohl in der Bühnenszene » Der Theater­besuch « gelungen, wo in gut 20 Minuten nahezu alle Widrigkeiten ehelicher Zweisamkeit dargeboten werden. Der unaufhörliche Streit über alles und jedes endet mit der verzweifelten Frage der Ehefrau, ob es wohl bei anderen Leuten auch so zugeht, worauf der Ehemann ohne Zögern die klare Antwort hat : „Genauso – die sag’n ’s bloß ned“.

Karl Valentins Verhältnis zu den Frauen war also offensichtlich sehr zwiespältig : er hat Frauen inniglich geliebt und er hatte neben seinen festen Beziehungen zu seiner Ehefrau und zu Liesl Karlstadt zusätzliche Affären – und sie waren ihm verhasst. Er hat Frauen – lebensnotwendig – gebraucht als Stütze für alle Lebenslagen, wie in dem bekannten Bild der Fotografin Lotte Jacobi sinnbildlich festgehalten ist, wo sich Karl Valentin mit dem Ellen­bogen auf dem Kopf von Liesl Karlstadt stützt ( – was aber genauso auf seine Ehefrau zutraf – ), aber er fühlte sich durch die Bindungen an eine Frau, insbesondere durch die Ehe, in seiner Freiheit eingeengt – und er wollte doch frei sein und davon fliegen können wie ein Luftballon, wollte „ aufhören können, wenn’s einen nicht mehr freut “. Und doch blieb er ein Leben lang – rund 50 Jahre – bei seiner Ehefrau und hätte sich niemals von ihr getrennt, obwohl sie ihm das wohl manchmal resignierend angeboten hat.

Karl Valentin war in seinem Verhältnis zu Frauen wohl lebenslang ein Zerrissener.

Alfons Schweiggert, der sich mit vielen Veröffentlichungen als ein profunder Kenner Karl Valentins ausgewiesen hat, kommt in seinem Buch „ Karl Valentin und die Frauen “ zu dem Resümee, dass die wichtigste Geliebte für Karl Valentin aber wahrscheinlich sein Publikum war. In seiner Zuwendung und Zustimmung fühlte er sich geborgen. Als ihm dies nach Kriegsende versagt wurde, sich sein Publikum von ihm abwandte und nichts mehr von ihm wissen und hören wollte, war ihm seine Lebensbasis ver­loren und Karl Valentin starb deshalb letztlich wohl an gebrochenem Herzen. Seine körperliche Erkrankung war nur ein Vorwand des Schicksals, wie der mit Karl Valentin eng befreundete Schriftsteller Ernst Hofrichter einst äußerte.
Gunter Fette, München 2015

I. Die Liebe
[Ich bin ein Mensch, …]
1943
Ich bin ein Mensch, der allem Liebesklamauk, wie Eifersucht, bocken, Liebesschwüren u. s. w … nicht verträgt, weder bei der Frau, noch bei einer Freundin. Ich bin als Vorstadtpflanze aufgewachsen und als Gentleman den Frauen gegenüber in hinterster Reihe gestanden. Ich habe auch nie Bildung mit dem Löffel gegessen, nur mit der Messerspitze. Ich bin kein direkter Rüpel, aber die Brennes­sel unter den Liebesblumen.
Motto : Was ein Häkchen werden will, krümmt sich bei Zeiten, natürlich habe ich mich auch sofort gekrümt, bis heute und jetzt bin ich ein alter Haken, der sich unmöglich noch grad biegen lässt[.]
Und mutlos, wie eine Memme bin ich oft dem Blick oder einem Wort einer schönen Frau feige von dannen geflüchtet.
Meine Jugendstreiche
Herzens Lust
Damals war das Gigerltum große Mode.
„ Gigerl sein,
Das ist fein,
Gigerl kann nicht jeder sein ! “
sang die ganze Welt und trug weite Hosen, spitze Schuhe, kurzes Sakko, Knopfstieferl, hohe Eckenkragen, dicken Stock, steifen Hut mit flacher Krempe, Zickzackfrisur – und wie die Alten sungen, so zwitscherten die Jungen. Pickfein schlichen wir Auer alle Sonntage zur Tanzmusi beim „ Stadtwirt “, zum Linksumadrahn und zur „ Frassähs “. Ich kann es mit Sicherheit behaupten, daß die damaligen Tänze mehr Leben in die Bude brachten, als das heutige Tango-, Foxtrott- und Rumba-Gewerkel. Ein Glück, daß ich damals jung war und es heute nicht mehr zu sein brauche.
Mein erstes Schäferstündchen freilich habe ich verschlafen. Als ich sechzehn Jahre alt war, hatte ich ein Verhältnis mit einem Mädchen in genau dem gleichen Alter und weil wir zusammen zweiunddreißig Lenze zählten, glaubte ich bereits längst majorenn zu sein. Wir wählten zu unserem mitternächtige[n] Rendezvous einen Möbelwagen.
„ Und milde sang die Nachtigall
Ein Liedchen in die Nacht :
Die Liebe, ja die Liebe
Ist einen Himmelsmacht. “
Aber ehe sie wieder’ ausgesungen hatte, lagen wir schon in Morpheus Armen und als am frühen Morgen die Hähne krähten und unser Fuhrmann den Möbelwagen anspannte, fuhr er uns Siebenschläfer ahnungslos zum Hof hinaus. Nun war aber der polternde Möbelwagen beileibe keine Luxusequipage und rüttelte uns schnellstens wach. Allmählich dämmerte es mir, in welch peinliche Situation wir gekommen waren. In der Entenbachstraße bei der Isarbrücke, wo heute das Müllersche Volksbad steht, ließ ich meine Angebetete zum Möbelwagen hinaus und bald kroch ich hinterher. Ob uns jemand gesehen hat, weiß ich nicht. Denn wir haben beide unsere Augen nicht vom Boden weggebracht, als wir jedes einzeln der heimatlichen Klause zuschlichen, sosehr schämten wir uns.
Immerhin, gänzlich unempfänglich für weibliche Reize war ich durch diese Jugendsünde keineswegs geworden. Im Hause meines Meisters Hallhuber mußten wir Lehrlinge alle Tage Brennholz machen in seinem Keller. Neben unserem Hause war eine Drogerie mit großer Kundschaft. Und wenn wir Lehrlinge zum Kellerfenster hinaus gen Himmel schauen wollten, wie das Wetter wird, stand oft gerade irgend ein dummes Frauenzimmer auf dem eisernen Rost davor und versperrte uns die ganze Aussicht, sodaß wir den Himmel ganz vergaßen.
Einst liebte ich ein Mädchen und auch das Gegenteil war der Fall : sie liebte mich wieder. Aber nicht etwa weil ich eine so ausgesprochene Schönheit gewesen wäre, sondern weil ich so ein Gaudibursch war. Sie schwärmte für jede Viecherei. So bald sie mich nur sah, lachte sie schon. Und was ich auch mit ihr anfangen mochte – sie lachte immer. Gelacht hat sie sogar, als ich ihr einmal ihren neuen Strohhut so unsanft auf einen Kleiderhaken stülpte, daß der ganze Kopf hinausflog und das ganze Prachtstück zerfetzte. Kurzum, sie verstand Spaß, wenn es auch eine Sachbeschädigung war. Dennoch habe ich sie nicht geheiratet und kurz darauf ging sie mit einem Kapellmeister in die Schweiz durch, sodaß ich mir ein anderes Mädchen zum Lachen suchen mußte.
Geheiratet habe ich dann trotzdem. Und wenn meine gute Frau nicht so oft über mich gelacht hätte, hätte sie weiß Gott nichts von mir gehabt ! Als wir einmal in Starnberg dem „ Nordexpress “ entstiegen waren, ging ich schnell noch einmal zu unserem Abteil zurück und schaute zum Fenster hinein. Mein Weib frug mich : „ Was ist los ? “ „ Nichts ist los, ich habe nur vorsichtshalber in das Coupé hineingeschaut, ob ich auch wirklich ausgestiegen bin ! “
Schon seit meiner Kindheit, als ich zehn Jahre alt war, hatte ich für dicke Frauen etwas übrig. Warum, weiß ich nicht. Wenn mich meine Onkel und Tanten im Scherz fragten : „ No, Valentin, wen heiratest denn du einmal ? “, gab ich prompt zur Antwort zurück, › eine ganz dicke Frau ! ‹ Diese Leidenschaft ist mir glücklicherweise geblieben, denn noch heute nach fünfzig Jahren habe ich den gleichen Geschmack. Für mich geht die Schönheit einer Frau erst mit zwei Zentnern an. – Es ist mir neulich passiert, daß ich einer Dame, die ich näher zu kennen glaubte, ziemlich frech auf offener Straße mit flacher Hand auf das Rückgebäude klopfte, wozu ich meinte „ Grüß Gott Frau N. ! “ Aber irren ist menschlich. Es war nämlich leider gar nicht die Frau N., sondern mir eine gänzlich Unbekannte. Sie sah nur von rückwärts der Frau N. so ähnlich wie ein Ei dem andern. Natürlich habe ich mich tausendmal entschuldigt. Aber wer glaubt einem in solchem Fall schon die Verwechslung ? Und wenn ich Ihnen versichere, daß mir das Ganze schrecklich peinlich war, werden Sie wenigstens nicht daran zweifeln ?
Dafür habe ich ein anderes Mal zum Fasching mich mit einem buchstäblichen undurchdringlichen Keuschheitspanzer umgürtet. Es hatte geheißen : „ Der Maskenball der Kammerspiele findet im Deutschen Theater statt – die originellste Maske erhält eine Prämie von Hundert Mark ! “
Dieses Geld spürte ich schon in meiner Brusttasche : denn das originellste Maskenkostüm hatte ich – einen Taucheranzug. Als Taucher ist doch sicher noch niemand auf den Maskenball gegangen. Und ich ging. Aber es wurde eine Enttäuschung.
Was für eine Arbeit es ist, einen Taucheranzug anzuziehen, das weiß nur ein Taucher. Eine volle Stunde arbeiteten zwei Personen an mir, bis der Taucheranzug, der aus einem Stück gearbeitet ist, endlich saß. Zum Halsloch muß der ganze Körper bis auf’ den Kopf hineingesteckt werden und als dies geschehen war, setzte man mir den Helm auf, der mit einem Schraubenschlüssel an den Metallring des Halsauslaufes befestigt wurde. Man hängte mir noch verschiedene schwere Luftapparate um, zog mir außerdem noch dreißig Pfund schwere Bleisohlenschuhe an und ich stand fix und fertig als Tiefseetaucher [in] der Garderobe des Deutschen Theaters. Im dritten Stock !
Daß wir zum Anziehen eine Garderobe im dritten Stock wählten, war an sich schon eine Viecherei. Ich wette, Sie würden heute noch gerne fünf Mark pro Person bezahlen, wenn sie nur diesem Lustspiel, betitelt „ Der Taucher im Stiegenhaus “ zusehen könnten. So wie ich im Innern des Anzuges geflucht habe, so sehr haben meine beiden Begleiter in der Außenwelt gelacht.
Glücklich kam ich ins Parterre, stieß an allen Ecken und Enden an und war – endlich – im Tanzsaal angekommen. Aber welch ein Malheur ! Die Polonaise, deren Krönung die Maskenprämierung bildete, war schon längst vorbei; man tanzte bereits den dritten Walzer. Aber daß ich in meiner zwei Zentner schweren Rüstung im Walzertempo dahinschwebte, konnte kein Mensch von mir verlangen.
Tieftraurig und in Schweiß gebadet, verließ ich mit meinen beiden Führern den Tanzsaal. Aber nun kommt erst das Denkwürdige an der ganzen Geschichte. Sonst hat ein Tauche[r] immer in die Tiefe zu steigen. Ich aber mußte hingegen in die Höhe und zwar hatte ich wieder die unter dem Dach gelegene Garderobe zu erklimmen.
Kein Mensch, nicht einmal ich selber, hat daran ge­­dacht, daß ich mich doch ebenso gut im Erdgeschoß hätte ausziehen können. Aber dieser gute Gedanke kam mir erst, als wir bereits glücklich im dritten Stock wieder angelangt waren.
Und nun dauerte es abermals eine gute halbe Stunde, bis man mich unter Aufbietung der allerletzten Kraft­reserven, unter Ächzen, Stöhnen und Schimpfen aus dem Gummischlund herausgeschält hatte. Erschöpft, zerknittert und ermattet saß ich da, schnappte nach Luft und in meinem Innern brach sich die Überzeugung Bahn, daß ein Taucher nur ins Wasser gehört, aber nicht in einen Ballsaal.

Erinnerung an die Erste Liebe



Hier ! Du mein liebend Herzlein,
Nimm mein Bild, bewahr es auf !
Denn die Stunden sind gezählet,
Wo unsre Lieb’ muß hören auf !
Doch zwei gute, edle Freunde
Bleiben wir, wenn Du es willst.
Wenn Dich auch mit wahrem Kosen
Andres Liebesherz umhüllt.
Wenn Du Deine Blicke so
Auf die Vergangenheiten lenkst,
Glaub ich, daß in schwersten Zeiten
Du auch meiner noch gedenkst !
Denn die erste Liebe wird doch,
Sprichwörtlich ist’s ja bekannt,
Als die beste ja gezeichnet,
Als die glücklichste genannt !
Wenn wir traumverloren saßen,
So auf laubumschlungner Bank
Und an Deinen süßen Lippen
Ich den Weg zur Liebe fand !
Und Du sahst mir in die Augen,
Sprachst dabei : › Ich liebe Dich ! ‹
O dieses Wörtlein bleibt bewahret
In meinem Herzen ewiglich.
Und sollten wir mal scheiden müssen
Und brechen unsere Liebelei,
So ist mein Größtes Glück auf Erden
Und meine Lebenslust vorbei.

Gedichtet und Dir gewidmet von
Deinem Dich liebenden VALENTIN.
( Ich heiße von jetzt an und für immer :
Karl Valentin – Münchner Original-Humorist )
München, den 5. August 1902.

Über Karl Valentin

Biografie

Karl Valentin, geboren am 4. Juni 1882 in München, hatte nach dem Besuch einer Varietéschule 1908 erste öffentliche Erfolge mit selbstverfassten Monologen und Couplets. 1911 heiratete Valentin die Mutter seiner zwei Töchter, Gisela Royes. Ab 1915 trat er regelmäßig mit seiner Bühnenpartnerin Liesl...

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