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Impfen (33 Fragen – 33 Antworten 9)

Impfen (33 Fragen – 33 Antworten 9) - eBook-Ausgabe

Jan Leidel
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Impfen (33 Fragen – 33 Antworten 9) — Inhalt

33 Fragen – 33 Antworten: Impfen - das wichtigste Wissen zum Thema

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Während der Corona-Pandemie beobachtet die ganze Welt die fieberhafte Forschung nach einem erlösenden Impfstoff: Kann er überhaupt sicher sein nach so kurzer Zeit? Viele Impfstoffe begleiten die meisten von uns schon seit der frühen Kindheit und dennoch wissen wir kaum etwas darüber: Seit wann gibt es sie? Wie funktionieren sie in unserem Körper? Und welche Risiken bergen sie? Am Ende steht oft eine Entscheidung: impfen oder nicht impfen? Dieses Buch gibt Antworten auf diese und andere wichtige Fragen.

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.03.2021
128 Seiten
EAN 978-3-492-99847-5
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Leseprobe zu „Impfen (33 Fragen – 33 Antworten 9)“

Einleitung

Als ich vom Piper-Verlag gefragt wurde, ob ich ein Buch über das Impfen schreiben wolle, habe ich als jemand, in dessen Leben Impfungen immer eine herausragende Rolle spielten, gerne zugesagt.

Meine Eltern waren beide Ärzte, und schon als Kind erfuhr ich, dass meine Großmutter im Kindbett an der Influenza gestorben war. Infektionen haben mich seitdem eigentlich immer sehr beschäftigt, zumal ich kaum eine ausgelassen habe in dieser Zeit, in der es fast noch keine Möglichkeit eines Schutzes durch Impfung gab. Verstärkt wurde das durch die [...]

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Einleitung

Als ich vom Piper-Verlag gefragt wurde, ob ich ein Buch über das Impfen schreiben wolle, habe ich als jemand, in dessen Leben Impfungen immer eine herausragende Rolle spielten, gerne zugesagt.

Meine Eltern waren beide Ärzte, und schon als Kind erfuhr ich, dass meine Großmutter im Kindbett an der Influenza gestorben war. Infektionen haben mich seitdem eigentlich immer sehr beschäftigt, zumal ich kaum eine ausgelassen habe in dieser Zeit, in der es fast noch keine Möglichkeit eines Schutzes durch Impfung gab. Verstärkt wurde das durch die Tätigkeit meiner Mutter auf einer Infektionsstation während eines Ausbruchs an Kinderlähmung, die ja durchaus nicht nur Kinder befiel. Immer wieder sprach sie mit meinem Vater darüber, dass wieder neue „Eiserne Lungen“ gelaufen seien (diese frühe Möglichkeit künstlicher Beatmung kennt heute kaum noch jemand), als sie am Morgen ihren Dienst angetreten habe.

Zuvor hatte meine Mutter eine Zeit lang im „Amerika-Haus“ gearbeitet und daher noch gute Kontakte in die USA. 1955 bekam sie auf ihren Wunsch hin zwei Portionen eines neu entwickelten Impfstoffs gegen Polio. Und so wurde ich zusammen mit meiner kleinen Schwester auf unserem Küchentisch (der heute noch in meiner Küche steht) mit dem von Jonas Salk entwickelten ersten Impfstoff gegen Polio immunisiert. Ich denke, dass wir sicher zu den ersten Kindern in Deutschland gehörten, die damals gegen diese so schlimme Krankheit geimpft wurden. Heute befindet sich das 1988 von der WHO gestartete Programm zur Ausrottung der Polio im „Endgame“, nachdem im August 2020 feierlich erklärt werden konnte, dass nun auch ganz Afrika frei von Polio-Wildviren sei. Nur in Afghanistan und Pakistan gibt es heute noch wenige Erkrankungen durch Polio-Wildvirus, durch das zuvor in aller Welt unzählige Menschen gelähmt wurden oder starben.

Jahre später begann ich dann wie selbstverständlich mein Medizinstudium. Doch schon wenige Semester später plagten mich Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee sei. Ich absolvierte gerade in der Uniklinik in Gießen mein Praktikum in der Krankenpflege, als ein kleines Mädchen eingeliefert wurde. Es lebte bei seinen Großeltern auf dem Land und hatte sich beim Schaukeln den großen Zeh geklemmt. Etwa 14 Tage später ging es der Kleinen gar nicht gut, und der Hausarzt vermutete einen grippalen Infekt. Dann kam das Wochenende, dem Mädchen ging es noch schlechter, aber die Großeltern wollten den Hausarzt an seinem wohlverdienten Wochenende nicht stören. Doch am Sonntag konnte sie den Mund nicht mehr aufmachen. Vom Kreiskrankenhaus wurde sie sofort zu uns in die Uniklinik gebracht. Unterwegs hatte sie den ersten Atemstillstand, den die Rettungssanitäter zum Glück überbrücken konnten. Die Kleine war an Tetanus erkrankt – Wundstarrkrampf.

Sie wurde in einen künstlichen Schlaf versetzt, bekam ein von Curare – einem Pfeilgift, das die indigenen Völker Südamerikas zum Jagen nutzen – abgeleitetes Medikament zur Muskelerschlaffung und musste künstlich beatmet werden. Knapp vier Wochen lang habe ich gefühlt Tag und Nacht an ihrem Bettchen gesessen, sie versorgt und gepflegt und nach dieser Zeit erleben dürfen, wie sie wieder aufgeweckt wurde und mit Tränen in den Augen „Mama“ zu mir sagte. Das kleine Mädchen hatte überlebt, und diese Erfahrung hat mich so berührt, dass ich beschloss, mein Medizinstudium fortzusetzen.

Ich wurde Arzt für Virologie und Infektionsepidemiologie und sah das Leid, das durch Rötelninfektionen in der Schwangerschaft verursacht wurde; das furchtbare Sterben von Kindern an SSPE, einer Spätfolge von Masern, die Jahre nach der Erkrankung das Gehirn zersetzte; die Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen durch eine chronische Hepatitis B und manch anderes trauriges Schicksal, das wir heute durch Schutzimpfungen vermeiden können.

Als Leiter der Abteilung für Umwelt- und Infektionshygiene am Gesundheitsamt einer Großstadt (Dienstbezeichnung: Seuchenreferent) erlebte ich noch einen letzten schweren Ausbruch von Diphtherie, der zu Panik in der Stadt führte. Nur das Gesundheitsamt impfte damals gegen diese Krankheit, und der Andrang war so groß, dass die Geimpften von der Feuerwehr durch die Fenster des Gebäudes ausgeschleust werden mussten. Es war eine Zeit, in der Schutzimpfungen von den Krankenkassen nicht bezahlt werden durften und daher hauptsächlich direkt in den Gesundheitsämtern im Rahmen von öffentlichen Terminen erfolgten. Ich erinnere mich an die vielen Impfungen gegen Kinderlähmung und Röteln und auch daran, wie sehr man sich schon damals eine Impfung gegen AIDS gewünscht hat.

23 Jahre war ich Mitglied der STIKO. Auch dort sah ich immer wieder, wie segensreich Impfungen sind, wie sorgfältig und mit welch hohem wissenschaftlichen Standard die Empfehlungen der Kommission vorbereitet und beschlossen werden.

 

Ich hoffe, dass ich in diesem Band zeigen kann, wie wertvoll Schutzimpfungen sind und wie dankbar wir für diese Möglichkeit einer effektiven und sehr sicheren Prävention schwerer und ohne Impfungen oftmals tödlicher Krankheiten sein können – und sollten.


1. Wie funktioniert unsere Abwehr, das Immunsystem?

Wir Menschen, aber auch alle Tiere, werden von unzähligen Mikroben als Lebensraum genutzt. Einige davon sind für uns einfach nur harmlos, andere sogar nützlich. Diese haben im Verlauf der Evolution eine Entwicklung vollzogen, die man als „Symbiose“ bezeichnet. Das bedeutet, sie profitieren von uns, aber wir auch von ihnen. Die Gesamtheit dieser eher nützlichen Mikroorganismen wird als „Mikrobiom“ bezeichnet. Und man geht davon aus, dass in und auf uns mindestens noch mal so viele Mikroorganismen leben, wie unser Körper Zellen hat.

Mit diesen fast 40 Billionen Mikroorganismen befasst sich dieser Band allerdings nicht, sondern mit den schädlichen Bakterien, Pilzen und Viren, die bedrohliche Erkrankungen verursachen können. Und da trifft es sich gut, dass Menschen und Tiere im Laufe der Evolution zum Schutz ein „Abwehrsystem“ entwickelt haben, das Immunsystem.

Das Wort „immun“ kommt aus dem Lateinischen. Da bedeutet es „unberührt, frei“. Wir kennen das auch z. B. von unseren Abgeordneten, deren Immunität vom Bundes- oder Landtag aufgehoben werden muss, bevor sie vor ein Gericht gestellt werden dürfen. In der Medizin bedeutet „immun“ so viel wie „geschützt“. Dieser Schutz vor schädlichen Mikroorganismen, in gewissem Maße aber z. B. auch vor bösartig gewordenen Krebszellen, ist dreistufig.

Die erste Hürde gegen das Eindringen von Mikroben bilden eine Reihe von Barrieren, die wie ein natürlicher Schutzwall wirken. Dazu gehören unter anderem die äußere Haut mit ihrem leicht sauren Schutzmantel, die Magenschleimhaut mit der starken Magensäure, die Schleimhäute von Nase und Rachen mit den Flimmerhärchen, die Fremdkörper wieder hinausbewegen, sowie Eiweißstoffe, sogenannte Enzyme, in der Tränenflüssigkeit und im Speichel, die die Zellwand mancher Bakterien zerstören können.

Beim eigentlichen Immunsystem wird ein angeborener Teil (zweite Stufe der Abwehr) von einem erworbenen (dritte und komplexeste Stufe) unterschieden. Die angeborene oder unspezifische Immunität steht mit ihren Zellen und löslichen Enzymen gleichsam bereit, um eingedrungene Schädlinge abzutöten. Das geschieht hauptsächlich durch sogenannte „Fresszellen“, zu denen die sich aus bestimmten Blutzellen, den „Monozyten“, entwickelnden „Makrophagen“ sowie die „neutrophilen Granulozyten“ gehören, die etwas mehr als die Hälfte der „weißen Blutkörperchen“ (Leukozyten) überhaupt ausmachen. Diese Fresszellen können schädliche Mikroorganismen aufnehmen und „verdauen“. Und die „Körnchen“ (Granula) der Granulozyten enthalten chemische Stoffe, die Mikroorganismen ebenfalls abtöten.

Die Riesenmenge an neutrophilen Granulozyten (bei einem Erwachsenen ca. 100 Milliarden pro Tag!) entsteht im Knochenmark. Sie wandern ins Blut und zirkulieren mit dem Blutstrom. Wenn sie ein Signal erhalten, dass irgendwo schädliche Mikroorganismen in den Körper eindringen, verlassen sie an der jeweiligen Stelle den Blutstrom und wandern ins Gewebe, wo sie gemeinsam mit ebenfalls eingewanderten Makrophagen eine „Entzündung“ hervorrufen, die sich durch Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerzen und Funktionseinschränkungen bemerkbar macht. Der sich dabei oft bildende „Eiter“ ist nichts anderes als eine Ansammlung von Leukozyten und bekämpften Bakterien, die durch bestimmte Enzyme mehr oder weniger verflüssigt werden.

Im Gegensatz zum angeborenen Immunsystem, das ab dem Zeitpunkt unserer Geburt direkt mit der Arbeit beginnt, wenn das Eindringen von Krankheitserregern signalisiert wird, braucht die dritte Stufe der Abwehr, die erworbene Immunität, mehr Zeit. Die wichtigsten Zellen dieses Systems sind die Lymphozyten, die ebenfalls zu den Leukozyten gehören. Die Lymphozyten werden außer im Knochenmark noch in den lymphatischen Organen gebildet (Lymphknoten, Milz, Thymusdrüse, Mandeln und wohl auch Blinddarm). Im Knochenmark (engl. bone marrow) werden die Lymphozyten zu B-Zellen, in der Thymusdrüse zu T-Zellen. Die Lymphozyten müssen während ihrer Entwicklung „lernen“, welche Strukturen zu unserem Körper selbst gehören, damit sie diese nicht angreifen, sondern in Ruhe lassen. Auch das geschieht z. B. in der Thymusdrüse. Wenn diese Unterscheidung zwischen „selbst“ und „fremd“ nicht richtig funktioniert (was nur selten der Fall ist), kann es dazu kommen, dass die Lymphozyten fälschlich körpereigene Strukturen angreifen. Man spricht dann von „Autoimmunerkrankungen“.

Wenn die B-Zellen ein Fremdeiweiß (Antigen) erkennen, teilen sie sich und wandeln sich in sogenannte Plasmazellen um, die Antikörper produzieren, mit denen die jeweiligen Antigene unschädlich gemacht werden können. Einige werden auch in „Gedächtniszellen“ umgewandelt, die lange überleben und schnell wieder reagieren können, wenn das gleiche Antigen erneut festgestellt wird.

Die Rolle der T-Lymphozyten ist komplizierter und umfangreicher. Sie sind vor allem für intrazelluläre Antigene „zuständig“. Wenn ein T-Lymphozyt erkennt, dass eine Zelle z. B. durch ein Virus infiziert oder durch eine Mutation verändert ist, kann er diese zerstören (Killerzelle) oder zusätzliche Immunzellen anlocken (Helferzelle). Regulatorische T-Zellen verhindern überschießende Angriffe des Immunsystems auf körpereigene Strukturen. Und andere T-Zellen wandeln sich in T-Gedächtniszellen um und sorgen so ebenfalls für eine langfristige Immunität.

Jan Leidel

Über Jan Leidel

Biografie

Dr. Jan Leidel ist Virologe und Sozialmediziner. Mehr als zwanzig Jahre leitete er das Gesundheitsamt in Köln. Ab 1994 war er außerdem Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, deren Vorsitz er von 2011 bis 2017 innehatte. Leidel lebt mit seiner Frau in Köln und ist Vorsitzender...

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