In Eiseskälte - eBook-Ausgabe
Die Achttausender im Winter
„Faszinierend und oftmals auch unbegreifbar ist diese Leidenschaft.“ - Tiroler Tageszeitung
In Eiseskälte — Inhalt
Seine erste Winterbegehung der Shisha Pangma im Jahr 2005 war ein Meilenstein der Alpingeschichte. 2006 gelang ihm die erste Süd-Nord-Traverse des Mount Everest im Alleingang, und in der Wintersaison 2011/2012 folgten seine beiden bisher größten Erfolge: die erste Winterbegehung des Makalu und des Gasherbrum II im Alpinstil. Doch im Gegensatz zu anderen Profibergsteigern sammelt Simone Moro keine Achttausender: „Ich träume davon, etwas Neues zu machen. Abenteuer sind der Motor meines Alpinismus.“ Jetzt schildert der Extrembergsteiger erstmals für ein deutschsprachiges Publikum die Höhen und Tiefen im Leben eines Ausnahmebergsteigers und seine leidenschaftliche Suche nach den letzten großen Herausforderungen des modernen Höhenbergsteigens.
Leseprobe zu „In Eiseskälte“
Ständig drückte ich mich vor dem Schreiben, immer hatte ich eine Menge zu tun, familiäre Verpflichtungen, Reisen, Projekte, Expeditionen und das Training. All dies erforderte Arbeit, Aufmerksamkeit und Energie und lieferte mir so ein unangreifbares Alibi dafür, dass ich keinesfalls eine Pause einlegen konnte, um mich an den Schreibtisch zu setzen und mit dem Schreiben zu beginnen; um meine Erinnerungen in Worte zu fassen, um mir vergangene Momente, Wochen, Monate und Jahre in der vertikalen Welt, all das, wovon ich seit meiner Kindheit geträumt habe, [...]
Ständig drückte ich mich vor dem Schreiben, immer hatte ich eine Menge zu tun, familiäre Verpflichtungen, Reisen, Projekte, Expeditionen und das Training. All dies erforderte Arbeit, Aufmerksamkeit und Energie und lieferte mir so ein unangreifbares Alibi dafür, dass ich keinesfalls eine Pause einlegen konnte, um mich an den Schreibtisch zu setzen und mit dem Schreiben zu beginnen; um meine Erinnerungen in Worte zu fassen, um mir vergangene Momente, Wochen, Monate und Jahre in der vertikalen Welt, all das, wovon ich seit meiner Kindheit geträumt habe, ins Gedächtnis zu rufen. Vierundvierzig alpinistische Expeditionen und vierundvierzig Jahre hätten sich in ebenso vielen Büchern oder zumindest in einer schönen Sammlung von Artikeln widerspiegeln können (und müssen); stattdessen floh ich nach meiner ersten Erfahrung als Autor – 2003 erschien mein erstes Buch in Italien* – jeweils im letzten Moment vor dieser Aufgabe, denn in Aktion zu sein oder dem Verleger mündlich etwas zu erzählen lag mir eindeutig mehr.
Das Schreiben hätte für meinen Geist und meine gut trainierten, kräftigen Muskeln eine allzu statische Tätigkeit, eine erzwungene Pause bedeutet. Gleichzeitig wollte ich diese Aufgabe aber auch nicht an andere abgeben, etwa indem ich mich mit jemandem ausführlich unterhalten und diese Person die Gespräche dann in geschriebene Seiten verwandelt hätte. Nein, Bücher habe ich mir – wie die Aufsätze in der Schule – noch von niemandem schreiben lassen, genau wie ich den Alpinismus und meinen Weg völlig allein und selbstständig verfolgt habe. Folglich begann ich nie mit meinem zweiten Buch, es wollte einfach nicht entstehen. Ich häufte weiterhin Erfahrungen, Reisen und Begehungen an, verschob das Schreiben jedoch immer auf einen ruhigen Moment, der – so hoffte ich insgeheim – nie kommen würde.
Diesmal aber habe ich mir diese Aufgabe – genau wie das tägliche Training und die häuslichen Pflichten – selbst auferlegt. „Setz dich hin und schreibe!“ Zehn Minuten Flucht ins Internet, dann ein Klick auf „Logout“, auch die Flucht ins Internet ist beendet. „Jetzt bleib sitzen und schreib, verdammt noch mal! Mann, wie öde!“
Ja, aber was schreibe ich denn nun? Ich muss doch wohl nicht alles von Anfang an erzählen und zwanzig Expeditionsjahre Revue passieren lassen! Gleichzeitig weiß ich aber, dass ich unglaublich viele Erfahrungen gesammelt habe, gerade weil ich nie Pause gemacht habe. Ich habe viele, zu viele Tage, Fakten, Anekdoten vergessen, die mir niemals wieder einfallen würden, wenn ich einfach nur dem Faden der Erinnerung folgte. Nein, ich muss eine andere Lösung finden! Ich brauche ein Thema, einen roten Faden, etwas, was mich begeistert, damit es in meinem Gedächtnis hell wird und mich die Stunden, die ich von jetzt an an der Tastatur verbringen werde, nicht zu sehr belasten.
In vierzig Tagen werde ich zum Nanga Parbat aufbrechen, und mein Terminkalender ist bis dahin randvoll. Ich denke, dass ich erst dort, in der Umgebung, die ich am meisten liebe, die nötige Konzentration zum Schreiben aufbringen werde. Als ich meinem Verleger von dem Plan erzähle, hält er mir entgegen, dass dies „fast unmöglich“ sei. Und schon habe ich das Schlüsselwort, das Thema für mein Buch gefunden: das „Unmögliche“ oder vielmehr das „fast Unmögliche“. Es ist fast unmöglich, davon zu träumen, ein Profibergsteiger zu werden. Aber ich sage mir, dass ich nicht meinen ganzen Traum von Anfang an erzählen kann, wenigstens diesmal nicht! Also erzähle ich von etwas anderem „fast Unmöglichen“, das einen direkten Bezug zu mir hat, das mich immer angezogen hat, das mich von Anfang an über die höchsten, kältesten und schönsten Wände und Berge der Erde getrieben hat. Ich werde vom Winteralpinismus erzählen, von meinen Winterbegehungen der Achttausender.
Im Grunde genommen ist mir, auch wenn ich mich nicht mehr im Detail an den langen Marathon aus vertikalen Erfahrungen von 1992 bis heute erinnere, sonnenklar, dass der Winter die Jahreszeit ist, die mich bekannt gemacht hat. Mir gefällt die Idee, von dieser Form des Alpinismus zu erzählen, während ich in eine weitere Expedition im Winter involviert bin.
Ganz schön verrückt! Ich riskiere es, ein Buch zu schreiben, das schon veraltet ist, genau wie Kletterführer, Straßenkarten oder Restaurantführer für Italien. Ich schreibe über eine Welt, die sich in ständiger Entwicklung und Veränderung befindet, genauso wie ich selbst. Das, was ich tun will, wird im Grunde eine Momentaufnahme eines Lebensausschnitts sein, mit Zooms auf begeisternde, eisige Momente, in denen ich mich ungeheuer lebendig gefühlt habe.
Okay, es geht los (o Mann, ich Idiot!) …
Nanga Parbat, 4. Januar 2012
BASISLAGER NANGA PARBAT, 4230 METER
TEMPERATUR: –13 °C
Endlich sind wir im Basislager angekommen. Ende Oktober hatte ich Träger hierhergeschickt, um eine rechteckige Steinmauer errichten zu lassen, innerhalb deren wir unser Zelt aufbauen wollten. Die Mauer haben wir heute vorgefunden, und sie ist sehr gut gebaut. Die Leute hier sind wirklich phantastisch.
Morgen werden wir auf Erkundungstour gehen: Wir haben vor, die Wand aus größerer Nähe in Augenschein zu nehmen und auf den Flanken des Ganalo Peak weiter aufzusteigen. Heute ist jedoch der erste Erholungstag. Wir sind im Basislager geblieben und haben ein zweites Zelt aufgebaut. Es soll als Vorratslager und Schlafzelt für die beiden Köche und den Sirdar dienen, den Chef der Sherpas.
Während wir arbeiteten, löste sich eine gigantische Lawine aus dem oberen Teil des Mazenograts, des längsten Gebirgskamms der Welt, der im Westen des Nanga-Parbat-Gipfels nach unten zieht. Wir hatten das Glück, diese Naturgewalt aus der Nähe zu sehen. Der Schneestaub erreichte uns fast fünf Minuten nach dem Lawinenabgang: Es schien zu schneien.
Selbstverständlich habe ich nicht vergessen, dass mein Sohn Jonas heute zwei Jahre alt wird. Wir haben geskypt, es war ein lustiges Gespräch.
WIE ICH DEN WINTERALPINIMUS
FÜR MICH ENTDECKTE
CERRO MIRADOR UND ACONCAGUA
Meine lange Reise und meine Entwicklung als Bergsteiger – das, was man allgemein „Karriere“ nennt – begann mit dem Winteralpinismus, und zwar schon mit meiner zweiten Expedition. Damals war ich 25 Jahre alt. Man schrieb das Jahr 1993, und ich hatte mich auf eine der schwierigsten Wände der Welt fokussiert, die Südwand des Aconcagua, des höchsten Gipfels des amerikanischen Kontinents, der fast 7000 Meter erreicht. Im Alpinstil mitten im Winter erlebten Lorenzo Mazzoleni aus Lecco und ich – es hätte noch ein dritter Kamerad dabei sein sollen, aber er hatte mit dem Aufstieg noch nicht einmal beginnen können – in dieser riesigen Wand, die immer im Schatten lag, ein wunderbares, magisches und fast dramatisches Abenteuer.
In meinem ersten Buch, „Cometa sull’Annapurna“, habe ich im Detail über diese fünf Tage berichtet: zwei 25-Jährige in einer der größten Wände der Welt, in völliger Einsamkeit und Unabhängigkeit. Auf 2000 Höhenmetern im Aufstieg überwanden wir alle technischen Schwierigkeiten, dann aber steckten wir einige endlos erscheinende Tage bei dichtem Schneetreiben auf mehr als 6000 Metern fest – eine weiße Falle, in der wir hätten umkommen können, denn bei diesen Bedingungen gab es keinerlei Fluchtweg. Es folgte ein dramatischer Überlebenskampf, bei einer Sichtweite gegen null und mit äußerst wenig Sicherungsmaterial, um die zwei Kilometer Abgrund zu überwinden. Wir ließen uns alles Mögliche einfallen, um die zahllosen Stände einzurichten, an die wir bei der nicht enden wollenden Abseilerei unsere Hoffnung und unser Leben hängten. Schließlich schafften wir es doch. Wie Roboter kamen wir erschöpft und von den überstandenen Gefahren entkräftet am Fuß der Wand an und konnten es kaum glauben. Sofort schnallten wir, fast ohne ein Wort zu sagen, die Skier an.
Wir wussten, dass uns, obwohl wir eigentlich schon keine Energie mehr hatten, noch vierzig Kilometer bei extremen Temperaturen und in der Dunkelheit bevorstanden. Die ganze Nacht spurten wir in Richtung Tal und versuchten uns zwischen einem Windstoß und dem nächsten zu orientieren. Wir wussten genau, dass die Rettung erst nahe war, wenn wir die Straße zwischen Argentinien und Chile erreicht hatten – dort, wo unser Abenteuer begonnen hatte. Es gab keine Alternative und folglich keinen Platz für Schwäche oder andere Entscheidungen. Das Einzige, was wir zu tun hatten, war, uns immer weiterzubewegen. Wie zwei von Jägern gehetzte Tiere erreichten wir nach zwei Tagen ununterbrochenen Abstiegs die Ortschaft Puente del Inca auf 2700 Metern. Diese zwanzig Häuser samt einem Hotel erschienen uns als der schönste, sicherste und erstrebenswerteste Ort der Welt. Wir waren gerettet. Wir aßen, tranken und ruhten uns einige Tage aus, aber wir wollten nicht nach Hause zurückkehren, ohne irgendein Ergebnis vorweisen zu können; außerdem hatten wir noch Zeit und Energie für einen zweiten Versuch.
Damals gab es niemanden, der Winterexpeditionen auf den Aconcagua organisierte, und noch heute macht das kaum jemand. Wir würden also die Einzigen sein, die einen neuen Versuch starteten. Wir wussten, dass wir uns nach diesen langen Tagen in der Wand gut akklimatisiert hatten. Zudem hatten wir vor der Südwand des Aconcagua eine neue Route auf den gegenüberliegenden, 6089 Meter hohen Cerro Mirador erschlossen. Wir hatten sogar auf dem Gipfel übernachtet. Wenn man jene Nacht und die weiteren Nächte, die wir in der Wand feststeckten, zusammenzählte, kam man auf fast eine Woche, die wir in großer Höhe verbracht hatten.
Diese Erkenntnis brachte uns dazu, einen letzten Versuch zu unternehmen. Wir entschieden jedoch, die andere Seite des Bergs auf dem Normalweg in Angriff zu nehmen, denn es war uns bewusst, dass dort im Winter rein gar nichts „normal“ sein und der Aufstieg – bei peitschendem Wind und extremen Temperaturen – in jedem Fall sehr anstrengend werden würde. Wir setzten auf Geschwindigkeit und Leichtigkeit und vertrauten auf unser Blut, das inzwischen reich an roten Blutkörperchen sein musste, sowie auf unsere erprobte und harmonische Zusammenarbeit. Wir verließen Puente del Inca auf Skiern und stiegen direkt ins Basislager am Plaza Mulas an: eine gehörige Strecke, die man im Sommer normalerweise in zwei Tagen zurücklegt, indem man für den Materialtransport Maultiere einsetzt. In diesem Fall waren wir selbst – mit unseren schweren Rucksäcken auf dem Rücken – die Maultiere. Bei unserer Ankunft im Basislager wurden wir von einem wunderbaren Sonnenuntergang empfangen, der die Westseite der Wand, die Seite, die wir besteigen wollten, feuerrot leuchten ließ.
Wir brachen früh auf, ohne Biwakausrüstung, nur mit Sicherungsmaterial. Unser Plan war, so schnell wie möglich aufzusteigen und eine Route durch die schneebedeckte Wand zu finden. Die Schwierigkeiten sind bekanntlich gering, im Winter muss man jedoch immer mit Steigeisen gehen und darauf achten, dass man nicht von den Windböen erfasst wird. Diese treten plötzlich auf und legen sich genauso schnell wieder, um einer scheinbaren Ruhe Platz zu machen.
In nur dreizehn Stunden erreichten wir mitten im Winter den Gipfel auf 6962 Meter Höhe, den höchsten Punkt Süd- und Nordamerikas. Wir blieben etwa eine Viertelstunde dort, vielleicht auch ein bisschen länger. Diesen Moment wollten wir genießen, unsere erste Winterbegehung von Bedeutung, die uns völlig allein gelungen war! Vielleicht war es genau dieser Moment, in dem ich die Schönheit des Winteralpinismus entdeckte und meine Freude daran wahrnahm. Es war ein starkes, nicht zu leugnendes Gefühl, eine ganz andere Art des Kletterns zu genießen, bei der ich auf einem schon bekannten Berg eine neue Faszination und neue Schwierigkeiten entdecken durfte – einfach nur, indem ich in einer anderen Jahreszeit aufbrach.
Wenn man dort oben allein ist, kann man diese Gipfel und Panoramen mit einem zeitlosen Blick umfassen, der von der Wahrnehmung und Sichtweise anderer Bergsteiger unbeeinflusst ist – frei von ihren Spuren, ihren Geräuschen, ihrer Ausrüstung. Man wird sich bewusst, aus freiem Willen Teil einer rauen Welt zu sein, die jeglicher Bequemlichkeit und zugleich jeder Selbstverständlichkeit entbehrt, in der alles einen Sinn, einen Wert bekommt.
Am selben Abend und in derselben Nacht stiegen wir direkt zum Basislager ab und genossen die eisige Luft, die so rein und klar war, dass wir die Lichter von Santiago de Chile in 200 Kilometer Entfernung schimmern sehen konnten. In jener Nacht sank die Temperatur auf minus 46 Grad Celsius, aber ich kann mich nicht daran erinnern, unter dieser Kälte gelitten zu haben. Ich erinnere mich nur an schöne, angenehme Dinge, sowohl beim Auf- als auch beim Abstieg, und zusätzlich an die Freundschaft, die ich mit Lorenzo erleben durfte, sowie an die Menschen, denen wir in diesen zwei Monaten in Argentinien im Rahmen der Expedition begegneten.
Es war die zweite Expedition meines Lebens, und ich brachte zwei Winterbegehungen mit nach Hause: den Cerro Mirador und den Aconcagua, aber auch die Erkenntnis, dass mir die Kälte und der Winter verdammt gut gefielen. Vielleicht ahnte ich schon damals, dass mich diese Art von Alpinismus beständig locken und ich mir wünschen würde, mein Leben, meinen Alltag darauf auszurichten, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages sogar ein Buch über meine Winterkarriere schreiben würde!
Zweifelsohne muss man bei dieser Art von Expeditionen genau auf jedes kleine Detail achten, um nicht nur lebend, sondern auch heil nach Hause zurückzukehren, ohne schreckliche Erfrierungen zu erleiden, die in Amputationen enden. Es handelt sich um wohlbekannte Risiken, die auch in günstigeren Jahreszeiten auftreten können, die aber bei jeder Winterbegehung sehr gegenwärtig sind, wo auch immer diese durchgeführt wird, ob in den Alpen oder am Everest. Deshalb muss sich jeder Einzelne rigoros, ja fast besessen an bestimmte Verhaltensregeln halten und Kontrollen durchführen, egal ob das die Ankunftszeit auf dem Gipfel betrifft, die ständige Überwachung der Geschwindigkeit oder Aktionen und Phasen am Berg, die auf gar keinen Fall aufgeschoben werden dürfen. Zudem müssen alle Entscheidungen unbedingt nach dem Verstand gefällt werden und nicht nach dem Gefühl oder aus einem Impuls heraus, denn diese sind oft vom Wunsch nach Erfolg und von Ehrgeiz verzerrt. Wenn man um jeden Preis siegen will, rettet man sich manchmal nur um Haaresbreite. Im schlimmsten Fall stirbt man.
Am Berg – vor allem in extremer Höhe – muss man nicht so sehr auf die anderen, sondern in sich hineinschauen, auf sich hören. In der Höhe gibt es keine starken und weniger starken Personen, sondern nur solche, denen es an diesem speziellen Tag gut oder schlecht geht. Ich könnte eine lange Liste von Hochgebirgs- und Expeditionsunfällen erstellen, die vorhersehbar waren, sowie von anderen Unfällen, bei denen das Schicksal die Hauptrolle spielte. Aber ich denke, dass der größere Anteil in die erste Kategorie fällt.
Bergsteigen bedeutet jedoch auch eine praktisch perfekte Form von Freiheit. Es ist nicht nur ein Sport, sondern vor allem auch eine Möglichkeit des Ausbruchs, der persönlichen Entdeckungsreise, der Erkundung, von Abenteuer und Kontemplation. Jeder kann das Bergsteigen also so ausüben, wie er will, auch indem er „Fehler“ macht und scheinbar unlogische Entscheidungen trifft, jedoch immer unter der Voraussetzung, dass diese Entscheidungen keine anderen Menschen in etwas mit hineinziehen, was sie gar nicht wollen, oder mit ins Unglück reißen. Ich bin es leid, Urteile oder Bewertungen abzugeben: Es existiert keine absolute Wahrheit, keine „richtige“ Ethik, keine „wahre“ Art des Bergsteigens. Auch ich bin manchmal – und das war sicherlich ein Fehler – in die Falle getappt und habe Definitionen geliefert. Rückfällig will ich nun wirklich nicht werden. Das ist auch der Grund, warum ich von meinen Winterbegehungen auf eine sehr persönliche Art und Weise erzähle, als wären sie mein Gesicht oder mein Personalausweis. Es gibt kein Besser oder Schlechter, Richtig oder Falsch. Jeder hat seine eigene Ansicht und das Recht, sie zu erzählen.
Über den Winteralpinismus zu sprechen bedeutet für mich nicht, Urteile über andere Arten der Begehung in anderen Jahreszeiten abzugeben. Bergsteiger haben seit jeher die Tendenz, einander zu zerfleischen, oft nur wegen Nichtigkeiten oder weil sie sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Ich hoffe, die Härte des Winters hebt diese Tendenz bei mir sowohl in den Bergen als auch in diesem Buch auf.
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