In Love with a Single Dad (Single Dad's Club 0) - eBook-Ausgabe
Eine Single Dad's Club Novella
— Prequel zur Single Dad’s Serie der USA Today Bestseller-AutorinIn Love with a Single Dad (Single Dad's Club 0) — Inhalt
Die Vorgeschichte zum ersten Band der Single Dad's Club-Reihe
Als Marcus und Cat sich zum ersten Mal begegnen, stellt er sie vor einem Raum voller Menschen bloß. Was ist zwischen den beiden passiert, bevor sie sich sechs Jahre später wiedertreffen?
Alle Bände der Single Dad's Club-Reihe:
Band 0/Novella: In Love with a Single Dad
Band 1: The Deal with the Single Dad
Band 2: A Flirt for the Single Dad
Band 3: Don't Fall for the Single Dad
Leseprobe zu „In Love with a Single Dad (Single Dad's Club 0)“
Kapitel 1
Schon merkwürdig, wenn man seinen Vater in Gesellschaft eines Haufens Fremder zu Grabe trägt. Ich sehe mich um, blicke in die Gesichter derer, die mein Dad als seine Familie auserwählt hatte. Derer, die er über seinen einzigen Sohn gestellt hat.
Mein Dad war kein kompletter Versager. Vinnie Maloneys Vater ist einfach an einem Sonntagnachmittag aus dem Haus seines Sohnes und seiner Frau spaziert, um eine Packung Milch zu kaufen, und nie wieder zurückgekommen. Seine arme Mutter musste drei Jobs annehmen, um ihn satt zu bekommen, als wir noch [...]
Kapitel 1
Schon merkwürdig, wenn man seinen Vater in Gesellschaft eines Haufens Fremder zu Grabe trägt. Ich sehe mich um, blicke in die Gesichter derer, die mein Dad als seine Familie auserwählt hatte. Derer, die er über seinen einzigen Sohn gestellt hat.
Mein Dad war kein kompletter Versager. Vinnie Maloneys Vater ist einfach an einem Sonntagnachmittag aus dem Haus seines Sohnes und seiner Frau spaziert, um eine Packung Milch zu kaufen, und nie wieder zurückgekommen. Seine arme Mutter musste drei Jobs annehmen, um ihn satt zu bekommen, als wir noch Jugendliche waren. Aber mit seinen fast zwei Metern und hundertdreißig Kilo waren Pop Tarts und Sandwiches mit Erdnussbutter für den Kerl lediglich eine Vorspeise.
Dagegen wirkt mein Vater, George Kent, doch wie der reinste Engel, nicht wahr? Oder doch nicht ganz.
George Kent hat meine Mom in der Highschool geschwängert. Soweit ich weiß, waren sie während der gesamten Schulzeit ein Paar. Nach ihrem Abschluss haben sie versucht, ihre Beziehung aufrecht zu erhalten, aber ein Neugeborenes und keine Kohle sind keine gute Kombi. Das konnte nur schiefgehen.
Da sie wusste, dass George Kent nicht ihr Prince Charming war, ermutigte ihn meine Mutter dazu, sie zu verlassen – und das tat er dann auch.
Er zog in eine Stadt namens Climax Cove, fünf Stunden in südlicher Richtung.
George zahlte meiner Mutter einen Monatsunterhalt, der vielleicht nicht so hoch war, wie es der Staat Oregon vorgeschrieben hätte, aber er gab sich immerhin Mühe. Zumindest mehr Mühe als Vinnie Maloneys Vater.
Jeden Sommer fuhr mich meine Mom nach Climax Cove, um acht Wochen bei meinem „Vater“ zu verbringen. Und nach den besagten acht Wochen verließ George sein kleines Nest, in dem ihn alle kannten, um mich zurück nach Portland zu meiner Mutter zu bringen.
Ich starre herunter auf den Sarg, den er selbst gezimmert hat. Die Zeit und die Liebe, die er in jedes Boot gesteckt hat, an dem er je gearbeitet hat, zeigen sich in den schnörkeligen Details dessen, worin sein lebloser Körper nun liegt. Wer entwirft und baut bitte seinen eigenen Sarg? George Kent ist – war – nun mal eine ganz eigene Spezies.
Mit meinen achtundzwanzig Jahren dachte ich, mir bliebe noch mehr Zeit mit ihm. Wofür, weiß ich nicht genau. Um eine engere Bindung zu ihm aufzubauen? Dafür war er nie der Typ. Vielleicht, um noch mehr von seinem Handwerk zu erlernen? All die Sommermonate, die ich in Climax Cove verbracht habe, haben in mir den Wunsch geweckt, alte Boote zu restaurieren. Vielleicht wusste er das, schließlich hat er mir seine Firma vermacht.
Alte Boote wiederherzurichten war die einzige Leidenschaft, die ich mir mit meinem Dad geteilt habe. Meine Begeisterung dafür, aus alten Dingen, an denen der Zahn der Zeit genagt hat, wieder etwas Wunderschönes zu machen, entstand nicht einfach so. Diese Liebe kam durch meinen Vater. Mit fünf Jahren durfte ich Sachen abschleifen. Mit sieben benutzte ich bereits die Kreissäge. Verdammt, ich war schon mit zehn seine rechte Hand und habe ihn von morgens bis abends unterstützt.
Wahrscheinlich hatte mein Dad zu viel Geduld. Viel mehr, als ein Vater mit seinem Kind haben sollte. Er wurde nie wütend, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Nie hat er seine ohnehin sehr leise Stimme erhoben.
Er war ein stiller Kerl, der seine Zeit am liebsten allein auf seinem Boot verbracht und sich abends mit einem Glas Whisky in der Hand den Sonnenuntergang angeschaut hat.
„Dein Vater wäre so stolz zu wissen, dass du sein Vermächtnis übernimmst“, sagt Betty, die Bibliothekarin mittleren Alters, und legt eine Hand auf meinen Arm. In ihren Augen liegt eine Traurigkeit, die eigentlich ich empfinden sollte.
„Danke fürs Kommen, Betty“, erwidere ich und schenke ihr ein Lächeln.
Früher habe ich die Einwohner von Climax Cove immer abgelehnt – und jetzt soll ich mich plötzlich mit ihnen anfreunden. Das wäre jedenfalls von Vorteil, wenn ich tatsächlich hierbleiben und Kent Restoration weiterführen will. Aber mir bleibt ohnehin keine große Wahl. Um ehrlich zu sein, war ich sowieso kurz davor, meinen Vater zu fragen, ob ich für ihn arbeiten kann – und das schon, bevor ich meinen Job verloren habe, weil mein Chef Personal entlassen musste.
„Ich habe dir in der Werkstatt einen Auflauf in den Kühlschrank gestellt. Und Kekse“, sagt Betty.
„Danke.“
Sie lächelt traurig und steigt dann den Hügel hinab. Ihr Rock schwingt dabei hin und her, bis sie ihr Auto erreicht hat. Ich habe mich schon öfter gefragt, ob zwischen ihr und meinem Vater mehr war, als ich bisher wusste. Eines ist jedenfalls sicher: Sie kannte ihn definitiv besser als ich.
Kapitel 2
Mein Vater war vielleicht geduldig und gewissenhaft, aber ordentlich war er nicht.
Ich sortiere gerade die Muttern und Schrauben in die dafür vorgesehenen Fächer ein, während ich übers Handy auf voller Lautstärke The All-American Rejects höre. Es ist zwar eine niedere Tätigkeit, aber wenn ich eins von meiner Mutter geerbt habe, dann ihr zwanghaftes Verhalten. Schon als Teenager war ich der Einzige in meinem gesamten Freundeskreis, der seine T-Shirts in den Schubladen nach Farben sortiert hat. Nicht alles in meinem Leben läuft so organisiert, aber das, was ich unter Kontrolle habe, ist für gewöhnlich ordentlich.
Mein Privatleben gehört nicht dazu, denn das ist im Moment der reinste Scherbenhaufen. Und jetzt, da ich beschlossen habe, nach Climax Cove zu ziehen, hat der wütende Tornado eine unglaubliche Zerstörungskraft angenommen.
Gretchen, meine Pseudo-Freundin, ist stinksauer auf mich. Für mich ist Climax Cove eine Chance, doch noch etwas aus meinem Leben zu machen – für sie gleicht es einer Todesstrafe. Das Kleinstadtleben liegt ihr nicht.
Plötzlich bricht die Musik ab und wird ersetzt durch „Boom Boom Pow“ von den Black Eyed Peas, den Song, den ich für Gretchen eingestellt habe, wenn sie anruft. Ich weiß nicht, ob ihr versteht, was ich damit ausdrücken wollte, also lassen wir das lieber. Jedenfalls sagt es eine Menge über unsere Beziehung aus, schließlich ist es nicht so, als würde gerade „I’m Yours“ von Jason Mraz erklingen.
Ich lehne mich auf dem alten Schreibtischstuhl, auf dem mein Vater nur selten gesessen hat, zurück und wische über das Display.
„Hey“, melde ich mich.
„Marcus, wann kommst du zurück?“, fragt sie aufgeregt, und ich stelle mir bildlich vor, wie sie in ihrem Apartment auf und ab springt, wie sie es immer tut, wenn sie zu viel überschüssige Energie hat.
„Ich werde noch eine Weile hier unten bleiben, bis ich alles in Ordnung gebracht habe. Der Anwalt meines Dads kommt morgen mit dem Papierkram vorbei.“
Dieses Gespräch haben wir schon zweimal geführt, aber sie will einfach nicht wahrhaben, dass sich unsere kurze Affäre von zwei Monaten nun dem Ende zuneigt, weil wir schon bald Stunden voneinander entfernt wohnen werden. Von Portland bis nach Climax Cove ist es nicht unbedingt ein Katzensprung.
„Blake hat gerade einen Gig klargemacht. Sie spielen dieses Wochenende. Du musst unbedingt herkommen.“ Sie hat dieses leichte Jammern in der Stimme, das sich anfühlt, als würde man meine Eier mit einer Rasierklinge bedrohen.
Ich atme laut aus. Unser Freund Blake, von dem ich mir ziemlich sicher bin, dass er auf Gretchen steht, versucht, mit seiner Band groß rauszukommen.
„Das geht leider nicht. Ich habe hier noch viel zu viel zu erledigen.“
Ich weiß genau, was jetzt kommt …
„MARCUUUS“, jammert sie wie ein Kleinkind.
„Wir hatten das Thema doch schon. Geh hin und hab deinen Spaß“, ermutige ich sie, denn ich muss gestehen, dass ich mittlerweile nicht mehr so gern auf Konzerte gehe.
Vor einem halben Jahr hat mein Stiefvater mich zur Rede gestellt, während meine Mom so getan hat, als würde sie nicht zuhören. Er hat mir vorgehalten, dass ich endlich Verantwortung übernehmen müsse. Dass ich erwachsen werden und auf eigenen Beinen stehen müsse. Dass ich nicht für immer und ewig auf dem Werftgelände arbeiten und Boote reparieren könne. Er hatte wohl eine Vorahnung, denn letzten Monat wurde ich gefeuert.
Er und meine Mom wollen, dass ich mehr aus meinem Leben mache. Erst als ich in diesem Büro saß und meine Kündigung erhalten habe, wurde mir bewusst, dass ich das auch will.
„Aber ich vermisse dich“, fährt Gretchen fort und bringt mich zurück in die Gegenwart.
Bestimmt vermisst sie vor allem meinen Schwanz, denn Gretchen liebt nur einen Menschen: sich selbst.
„Dann komm her“, erwidere ich mit einem Grinsen auf den Lippen, denn es macht mir irgendwie Spaß, sie in Verlegenheit zu bringen.
„Ich muss arbeiten.“ Da sie als Kassiererin in einem Supermarkt arbeitet, ist das eine ziemlich schlechte Ausrede.
Sie will nicht herkommen – und eigentlich will ich auch nicht, dass sie es tut. Wir hatten unseren Spaß, aber es war nie etwas Ernstes, und nun ist es eben an der Zeit, dass sich unsere Wege trennen. Es könnte jedoch sein, dass ich der Einzige bin, der das so sieht.
„Du könntest dir auch hier einen Job suchen“, schlage ich vor.
Warum halte ich dieses Gespräch eigentlich am Laufen? Weil du dich in dieser Kleinstadt zu Tode langweilst. Und weil das seit einer Woche das erste Gespräch ist, in dem es nicht darum geht, wie sehr man deinen Dad vermissen wird.
„Marcus, was gibt es denn in dieser Stadt? Eine Bar? Wo soll man da bitte Party machen? Dann müssten wir ja immer mit denselben Leuten abhängen.“
„Wir sind achtundzwanzig Jahre alt, Gretch. Vielleicht ist es an der Zeit, es ein bisschen ruhiger anzugehen.“
Das sollte unsere Beziehung ein für alle Mal beenden. Sie begraben. Tief unter der Erde. Wie meinen Dad.
„Ruhiger angehen?“ Ihr entweicht ein spöttisches Lachen. „Willst du mich etwa heiraten, Marcus? Soll ich Mrs. Kent werden und wir leben im Haus deines Vaters mit unseren zweieinhalb Kindern und unserem Hund? Weiße Gartenzäune sind da unten bestimmt super billig, weil sie truckweise verkauft werden.“ Wieder folgt ein sarkastisches Lachen.
„Willst du mich denn nicht heiraten?“, frage ich mit ernster Stimme und lasse mir nicht anmerken, dass mein Knie wie verrückt wippt, weil ich nur darauf warte, dass sie mich durchschaut. Hoffentlich macht sie gleich Schluss.
Ihr Lachen endet abrupt. „Das kann unmöglich dein Ernst sein.“ Ich erwidere nichts und spüre förmlich, wie sie am anderen Ende der Leitung immer nervöser wird. „Marcus?“, hakt sie irgendwann nach.
„Ich fasse das als ein Nein auf.“
Wieder folgt langes Schweigen, dann höre ich, wie sie tief einatmet. „Dafür bin ich nicht gemacht.“
Gretchen ist kein schlechter Mensch. Ja, sie ist egoistisch und will nur das tun, worauf sie Lust hat, aber sie ist dennoch eine gute Seele, und wir hatten in den letzten Monaten jede Menge Spaß miteinander. Ich will sie nicht verletzten, aber sie muss einsehen, dass sich unsere Wege hier trennen.
Eins habe ich gelernt, seit ich angefangen habe, mich für Frauen zu interessieren: Wenn man sich von ihnen trennt, weinen sie einem nach, idealisieren einen und glauben, man sei der Richtige für sie gewesen. Aber wenn sie Schluss machen, haben sie ein so schlechtes Gewissen, dass sie auf Abstand bleiben. Hey, ich tue ihr und ihrem nächsten Typen nur einen Gefallen. So kann sie wenigstens ihren richtigen Prinzen finden, statt ihre Zeit mit mir zu verplempern.
„Ich verstehe dich“, erwidere ich erleichtert.
„Es tut mir leid, Marcus, aber ich bin nicht dafür bestimmt, deine Frau zu werden.“
„Vielleicht liegt es nur am Tod meines Dads, dass mir bewusst geworden ist, wie kurz das Leben doch ist.“ Ich füge dem Ganzen noch eine extra Portion Schuldgefühl hinzu, um sicherzustellen, dass ich das gewünschte Ergebnis erziele.
„Ja. Und genau deshalb solltest du nicht in einer piefigen Kleinstadt leben. Du solltest zurück nach Portland kommen und mit mir auf Blakes Konzert gehen. Hab Spaß, so lange du noch kannst.“
„Mittlerweile gefällt es mir aber hier unten.“
Nicht wirklich. Sie hat recht – hier gibt es eine einzige Bar, ein Diner, ein kleines Gemeindezentrum und ungefähr hundert Einwohner, die alle irgendwelche Aufläufe und Backwaren vorbeibringen.
„Oh“, erwidert sie enttäuscht.
Wieder folgt Schweigen. Ich trommle mit den Fingern auf der Tischplatte und frage mich, wie lange sie es noch hinauszögern will.
„Vielleicht sollten wir besser eine Pause einlegen?“, schlägt sie vor, und ich stelle mir vor, wie sich ihre leicht schiefen Zähne gerade in ihre rosafarbene Unterlippe bohren.
„Eine Pause?“, frage ich, als wäre diese Vorstellung für mich genauso absurd wie die, in Climax Cove zu bleiben.
„Ich sehe keine andere Möglichkeit. Tut mir leid, Marcus.“
Ich setze einen traurigen Gesichtsausdruck auf. Obwohl sie mich nicht sehen kann, hoffe ich dennoch, dass sie es in meiner Stimme hört. Wie gesagt: Ich will sie nicht verletzen. Ich will die Sache einfach nur beenden.
„Okay“, entgegne ich schlicht.
Sie seufzt. „Dann lasse ich dich mal.“
„Pass auf dich auf“, ist alles, was ich noch sage, denn ich will das Gespräch nicht unnötig in die Länge ziehen.
„Tschüss, Marcus.“
„Tschüss, Gretchen.“
Ich lege auf, und sofort dröhnen wieder The All-American Rejects aus dem winzigen Lautsprecher.
Anscheinend komme ich doch nach meinem Vater: Ich bin Single und lebe jetzt in Climax Cove.
Kapitel 3
Nachdem ich mit dem Anwalt den ganzen Papierkram durchgegangen bin und mit dem Steuerberater meines Vaters einen Termin vereinbart habe, suche ich die einzige Bar in der Stadt auf: Happy Daze Tavern.
Abgesehen von Whisky hat die Minibar meines Dads nicht viel zu bieten, dabei könnte ich jetzt wirklich ein Bier vertragen.
Nachdem mir auf der Main Street ganze zwei Autos begegnet sind, lege ich eine Hand auf den alten Griff und ziehe die Tür auf. Happy Daze ist genauso, wie man sich eine Bar in einer Kleinstadt vorstellt: dunkel, stickig, klein. Das Licht, das von draußen hereinfällt, wird sofort verschluckt, als die Tür zufällt, und es dauert kurz, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben.
„Kent!“, ruft eine Gruppe älterer Herren in der Ecke der Kneipe.
Was ist das hier? Eine Szene aus der Sitcom Cheers? Ja, meine Mom sieht sich gern die Wiederholungen an.
Ich hebe kurz eine Hand zum Gruß und setze mich an den Tresen.
Ein Typ, etwa in meinem Alter, legt mir eine Serviette hin. „Ich habe mich schon gefragt, wann du mal vorbeikommst“, bemerkt er mit einem Lächeln.
Ihn umgibt eine gewisse Aura. Ich glaube, er würde selbst dann noch lächeln, wenn er obdachlos wäre, keinen Cent in der Tasche hätte, abgewetzte Klamotten tragen und in einem Karton wohnen würde.
„Wie bitte?“, frage ich, schlüpfe aus meinem Sweatshirt und lege es auf den freien Hocker neben mir.
„Du bist doch George Kents Sohn, oder nicht?“, fragt er.
Ich nicke.
„Ich bin Theo Murrays Sohn.“ Mit dem Kopf deutet er nach hinten. „Unsere Väter waren befreundet.“
Ich nicke erneut.
„Nun, was kann ich dir bringen?“ Dann schnippt er mit den Fingern. „Warte, lass mich raten.“ Er mustert mich kurz.
Weil ich keine Lust auf Psychospielchen habe, unterbreche ich ihn. „Ich nehme …“
„Ein Miller Lite. Du bist ein Biertrinker.“ Er richtet seinen Zeigefinger wie eine unsichtbare Knarre auf mich.
Bevor ich widersprechen kann, schnappt er sich ein Glas und befüllt es an einem der Zapfhähne.
„Kein Flaschenbier?“, frage ich, denn gezapftes Bier ist eigentlich nicht mein Ding.
Er wirft seinem Dad einen Blick zu und sieht dann wieder mich an. „Nein. Nur gezapftes.“
Kurz verschwindet sein Lächeln, doch er setzt es beinahe umgehend wieder auf. Dann stellt er mir das Bierglas auf die Serviette, und ich werfe einen Fünfer auf die Theke.
Als er von der Kasse zurückkehrt, lehnt er sich an die Theke hinter ihm, auf der das Regal mit den ganzen Flaschen steht.
„Ich bin übrigens Dane. Dane Murray.“ Er macht einen Schritt nach vorn und streckt mir seine Hand hin.
„Marcus.“ Als ich ihm die Hand schüttle, setzt er wieder dieses Dauergrinsen auf.
„Also, Marcus.“ Er stützt die verschränkten Unterarme auf den Tresen. „Ich will Deidra Hinkle ganz dringend an die Wäsche, und wenn ich ihr ein paar Geheimnisse über dich verrate, lässt sie mich heute Abend vielleicht endlich ran.“ Er zwinkert, und ich mustere ihn skeptisch.
Leichte Bartstoppeln, hellbraunes Haar, das in alle Richtungen steht. Breite Schultern. Es kann unmöglich sein, dass der Kerl noch zur Highschool geht. Und ist es nicht sowieso illegal, unter achtzehn Alkohol auszuschenken?
„Geheimnisse? Ihr an die Wäsche? Sind wir hier in einer Bar oder in einer Highschool-Cafeteria?“
Lachend lässt er den Kopf in den Nacken fallen, bevor er mit der flachen Hand auf den Tresen schlägt und dann den Zeigefinger auf mich richtet.
„Na ja, ich kann dich noch nicht richtig einschätzen, deshalb wollte ich mich vorsichtig herantasten.“ Er beugt sich weiter über den Tresen. „Ich will Deidra Hinkle schon seit Jahren vögeln. Sie ist einfach viel zu anständig, obwohl sie eigentlich zu den bösen Mädchen gehören will. Wir machen einen winzigen Schritt nach dem anderen.“ Er zuckt mit den Schultern.
„Und?“
Auf seinem Gesicht breitet sich ein verschwörerisches Lächeln aus. „Alle in dieser Stadt reden nur noch über George Kents Sohn. Wird er die Werkstatt verkaufen? Wie ist er so drauf? Vielleicht lässt sie mich ja endlich ran, wenn ich ihr die Antworten liefere.“
Meint der Typ das wirklich ernst?
„Ich weiß, das klingt total kindisch, aber irgendwie macht mir die Jagd auch Spaß, weißt du? Und zwar jedes verdammte Mal.“ Er schüttelt den Kopf, als würde er sich selbst nicht verstehen.
„Nun, ich habe mich noch nicht entschieden.“
Das ist gelogen. Ich bin ihm und dieser Stadt rein gar nichts schuldig. Ich weigere mich, nach ihren engstirnigen Regeln zu spielen und mich sofort zu öffnen. Und wenn ich tatsächlich hierherziehen sollte, muss es nicht jeder sofort wissen. Ich werde Boote reparieren, und vielleicht wirft die Firma eines Tages so viel Geld ab, dass ich sie in eine größere Stadt umsiedeln kann.
Dane verengt die Augen zu Schlitzen. Er analysiert mich schon wieder. „Okay, aber mir sagst du es zuerst, ja?“
Ich starre ihn an. „Klar“, erwidere ich, weil es das ist, was er hören will.
„Dane!“, ertönt eine dröhnende Männerstimme von hinten.
„Bin gleich wieder da.“ Er klopft auf den Tresen und verschwindet.
Ich beobachte ihn. Der Mann sagt irgendetwas zu ihm, und er schüttelt daraufhin den Kopf. Hoffentlich reden sie nicht über mich. Auf den Scheiß habe ich echt keine Lust.
Kurz darauf kommt er zurück, nimmt mein mittlerweile leeres Bierglas und füllt es nach.
„Was machst du heute Abend noch?“, fragt er.
Muss er nicht Gläser spülen oder so? Ich lasse den Blick über die leeren Tische und Hocker schweifen. Wohl eher nicht.
„Ich gehe wieder nach Hause.“
Keine Ahnung, warum ich ihm das überhaupt erzähle.
„Langweilig. Komm, wir gehen aus. Ich fahre später in den Nachbarort. Da gibt es diesen einen Club.“
Ich trinke einen großen Schluck von meinem Bier. „Du meinst eine Diskothek?“ Dann stelle ich das Glas ab und denke nach.
„Du weißt schon … Wo man die ganze Nacht eng mit den Ladys tanzt und hofft, dass ihnen gefällt, was sie fühlen?“ Er zwinkert.
„In der Hoffnung, ihnen an die Wäsche zu dürfen“, erwidere ich trocken, und er legt den Kopf schief. „Ich weiß, was ein Club ist. Ich stamme aus Portland. Oder hat diese Info noch nicht die Runde gemacht?“ Jetzt kommt meine Arschlochseite zum Vorschein. Mit jeder Sekunde, die ich in dieser Stadt verbringe, werde ich meinem Vater immer ähnlicher.
„Sorry. Portland.“ Es klingt, als würde es ihm Qualen bereiten, dieses Wort auszusprechen. „Aus der Großstadt, was?“
Ich könnte jetzt mit dem Argument kommen, dass wir immerhin mehr als eine Ampel haben, aber das lasse ich lieber.
„So habe ich das nicht gemeint.“ Ich fahre mir durch das Gesicht und greife nach meinem Glas.
Während ich den Rest meines Biers leere, fällt plötzlich Licht in die dunkle Bar. Ich drehe mich zur Tür, und herein kommt eine Blondine mit schwingendem Haar. Sie geht an mir vorbei und steuert auf die alten Herren in der Ecke zu. Dann beugt sie sich herunter und gibt dem Mann, der sich eben mit Dane unterhalten hat, einen Kuss auf die Wange. Er lächelt sie an, während sie auch noch die anderen Männer mit Umarmungen und Wangenküsschen begrüßt.
Sie ist süß, und da ich schon ein paar Bier intus habe, fällt es mir schwer, nicht auf schmutzige Gedanken zu kommen.
Sie geht hinter die Bar. „Raus hier, Sara.“ Dane deutet auf die schmale Öffnung, durch die sie eben gekommen ist.
Doch sie ignoriert ihn, nimmt sich ein Schnapsglas, gießt sich einen Kurzen ein und leert ihn in einem Zug.
„Fuck, Sara.“ Dane lässt mich stehen und reißt ihr die Flasche aus er Hand.
Als sie die Augen verdreht, verschwindet die Anziehung, die ich sofort gespürt habe, während sie zur Tür hereingekommen ist. Das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann, ist Gretchen Nummer zwei.
Er wendet sich mir zu. „Und, was sagst du? Gehst du nachher zur Essensausgabe für die Veteranen? Oder kommst du mit mir in den Club?“ Er wackelt mit den Augenbrauen.
„Du gehst heute Abend aus?“, fragt Sara – wer auch immer sie ist – nun wesentlich interessierter.
„Genau. Ich gehe aus. Du nicht.“ Dane funkelt sie böse an und hält ihrem Blick kurz stand. Irgendetwas ist da zwischen ihnen, doch ich weiß nicht, was. Aber irgendetwas verbindet sie.
„Du bist mein Bruder, Dane, nicht mein Vater.“ Kurz schiebt sie schmollend die Unterlippe vor, bevor sie fortfährt. „Außerdem brauche ich mal eine Auszeit. Was glaubst du, warum ich hier bin?“
Angewidert schüttelt Dane den Kopf. Während die beiden weiter diskutieren, überlege ich, was ich tun soll. Ich könnte einfach zu Hause bleiben und die Antennen ausrichten, damit ich mir wenigstens die Nachrichten anschauen kann. Und dabei könnte ich eine Tiefkühlpizza essen – wie gestern Abend auch schon. Oder ich entfliehe meinem Frust und meiner Melancholie und hänge mit einem Typen ab, der vielleicht ein Freund werden könnte, wenn ich hierbleibe.
„Ich bin dabei“, verkünde ich.
Sara steuert auf mich zu, beugt sich über den Tresen und legt ihre Brüste darauf ab, als stünden sie auf der Speisekarte. „Hm … du bist George Kents Sohn, stimmt’s?“
„Lass ihn in Ruhe, Sara“, knurrt Dane, doch sie schenkt ihm keinerlei Beachtung.
Stattdessen mustert sie mich durchdringend. „Oh, das wird lustig heute Abend.“ Mit einem Zeigefinger streicht sie über meinen Arm.
Mein Blick fällt auf Dane. Auch wenn wir noch lange keine Freunde sind, gehört es sich nicht, die Schwester eines Kumpels zu vögeln. Außerdem habe ich genug von Frauen, die nur auf Spaß aus sind, bis er allen gehörig vergangen ist. Und Sara gehört definitiv zu den Frauen, die man am Ende des Abends entweder nach Hause tragen oder deren Kotze man aus dem Auto kratzen muss.
Vielen Dank, aber ich verzichte.
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