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Joyful

Joyful - eBook-Ausgabe

Ingrid Fetell Lee
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Wie Sie Ihre Wohlfühlumgebung gestalten und glücklich leben

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Joyful — Inhalt

Das Glück der schönen Dinge

Warum liebt jeder Mensch das rote Glühen eines Sonnenuntergangs? Weshalb zaubern uns blühende Bäume, blauer Himmel oder das Gefühl von feinem Sand unter den Füßen ein Lächeln ins Gesicht? Ist das alles bloß Zufall? Keineswegs, sagt die Designerin Ingrid Fetell Lee, denn die Materialien, Farben und Formen, die uns jeden Tag umgeben, beeinflussen tatsächlich unsere Gefühlswelt. In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie diese Erkenntnis für sich nutzen, Ihre Wahrnehmung schärfen und die Dinge um sich herum gestalten können. Mit diesen Tricks leben Sie ein gesünderes und glücklicheres Leben!


„Joyful ist ein unerschöpflicher und spannender Leitfaden dafür, was das Leben schön macht.“Arianna Huffington


€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erschienen am 02.03.2020
Übersetzt von: Viola Krauß
368 Seiten
EAN 978-3-492-99647-1
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Leseprobe zu „Joyful“

Ohne Gefühl gibt es keine Schönheit. Diana Vreeland


Einleitung

Ich stand vor einem Gremium aus Professoren und war wahnsinnig nervös. Die Männer setzten eine ernste Miene auf, während sie die kleine Ansammlung von Objekten begutachteten, die hinter mir ausgestellt waren – eine seesternförmige Lampe, ein Teetassen-Set mit rundem Boden, ein Trio von Hockern, die aus geschichtetem, gefärbtem Schaumstoff gefertigt waren –, und ich fragte mich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, meine vielversprechende Laufbahn in der Markenentwicklung für ein Aufbaustudium [...]

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Ohne Gefühl gibt es keine Schönheit. Diana Vreeland


Einleitung

Ich stand vor einem Gremium aus Professoren und war wahnsinnig nervös. Die Männer setzten eine ernste Miene auf, während sie die kleine Ansammlung von Objekten begutachteten, die hinter mir ausgestellt waren – eine seesternförmige Lampe, ein Teetassen-Set mit rundem Boden, ein Trio von Hockern, die aus geschichtetem, gefärbtem Schaumstoff gefertigt waren –, und ich fragte mich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, meine vielversprechende Laufbahn in der Markenentwicklung für ein Aufbaustudium in Design aufzugeben. Nach langem Schweigen brach einer der Professoren schließlich das Eis. „Ihre Arbeit löst ein Gefühl der Freude in mir aus“, sagte er. Die anderen nickten.

Plötzlich lächelten sie alle. Eine Woge der Erleichterung durchströmte mich. Ich hatte die erste Prüfung meines Industriedesign-Studiengangs am Pratt Institute bestanden. Allerdings wich meine Erleichterung bald der Verwirrung. Freude war ein Gefühl und somit flüchtig und schwer definierbar. Nichts, was wir sehen oder anfassen können. Wie können solch einfache Gegenstände – Tasse, Lampe und Hocker – also Freude in uns hervorrufen? Ich versuchte, den Professoren eine Erklärung zu entlocken, doch sie gestikulierten und drucksten nur herum. „Das tun sie eben einfach“, hieß es. Ich dankte ihnen, aber während ich meine Sachen für die Sommerferien zusammenpackte, ging mir diese Frage nicht mehr aus dem Kopf.

Wie können materielle Gegenstände ein immaterielles Gefühl von Freude in uns hervorrufen?

Die Antwort schien zunächst eindeutig: Können sie gar nicht. Klar bereiten sie uns manchmal ein gewisses Vergnügen, doch ich hatte stets den Eindruck, dass es sich dabei um einen oberflächlichen, bedeutungslosen Quell der Freude handelt. Keines der Bücher über Glück und Zufriedenheit, die ich im Lauf der Jahre zurate gezogen hatte, legte jemals nahe, dass sich die Freude in meinen Kleider- oder Küchenschränken versteckt hielt. Vielmehr waren sich unzählige Experten darüber einig, dass die wirklich wichtige Art von Freude nicht im Außen, sondern in unserem Innern zu finden ist. Dieser Blickwinkel hat seine Wurzeln in uralten philosophischen Traditionen. So legt die Lehre des Buddha nahe, dass sich Zufriedenheit dann einstellt, wenn wir uns nicht länger an die irdischen Dinge klammern. Die Stoiker des antiken Griechenlands hatten ganz ähnliche Ratschläge parat, sie empfahlen Verzicht und die strenge Beherrschung der Gedanken. Und auch die heutige Psychologie begrüßt diese Besinnung auf sich selbst. Ihr zufolge lässt sich ein glückliches Leben dann erreichen, wenn wir den Blick auf die Welt und unseren Platz darin verändern. Überall wird davon ausgegangen, dass der Geist über die Materie triumphiert, nicht umgekehrt – angefangen bei Mantras und Meditation bis hin zu Therapie und der Veränderung unserer Gewohnheiten.

In den Wochen und Monaten nach meiner Prüfung stieß ich allerdings sehr wohl auf Momente, in denen die Menschen echte Freude im Materiellen fanden. Ob es sich dabei um die Betrachtung eines Lieblingsgemäldes im Museum oder das Bauen einer Sandburg am Strand handelte – die Leute lächelten und lachten und waren ganz im Augenblick versunken. Auch im Angesicht des pfirsichfarbenen Lichts der untergehenden Sonne und des zotteligen Hunds mit den gelben Galoschen lächelten sie. Und Freude schienen sie nicht nur in der sie umgebenden Welt zu entdecken. Viele gaben sich sogar große Mühe, ihre nähere Umgebung erfreulicher zu machen. Sie hegten Rosengärten, steckten Kerzen in Geburtstagskuchen und hängten an den Feiertagen Lichterketten auf. Warum sollten die Menschen das alles tun, wenn es sich rein gar nicht auf ihr Glücksempfinden auswirkt?

Allmählich tauchen Forschungsarbeiten auf, die einen klaren Zusammenhang zwischen unserer Umgebung und unserer seelischen Gesundheit sehen. Solche Studien haben zum Beispiel ergeben, dass die Menschen, die in sonnigen Räumlichkeiten arbeiten,[i] besser schlafen und mehr lachen als ihre Kollegen in schwach beleuchteten Büros und dass Blumen nicht nur für eine bessere Stimmung, sondern auch für eine bessere Gedächtnisleistung sorgen.[ii] Als ich mich immer tiefer in diese Forschungsergebnisse grub, wurde die Freude allmählich weniger amorph und abstrakt und dafür greifbarer und realer. Ich hatte nicht mehr länger den Eindruck, sie sei schwer erreichbar, die Frucht jahrelanger Selbstbeobachtung oder eiserner Disziplin. Stattdessen begann ich, die Welt als Reservoir an Positivität zu begreifen, derer ich mich jederzeit bedienen kann. Ich stellte fest, dass manche Orte von einer Art Frohmut umgeben sind – ein helles Eckcafé, ein Fachgeschäft für Garne, ein Straßenzug mit Sandsteinhäusern, aus deren Blumenkästen Blüten hervorquellen –, und ich änderte schrittweise meine Gewohnheiten, um sie häufiger aufzusuchen. An schlechten Tagen fühlte ich mich nun nicht mehr länger überfordert und hilflos, sondern sah zu, dass ich kleine Dinge aufspürte, die mich garantiert aufheitern würden. Ich begann, das Gelernte in mein Zuhause zu integrieren, und verspürte zunehmend ein freudiges Kribbeln, wenn ich abends die Wohnungstür aufschloss. Mit der Zeit wurde mir klar, dass die vorherrschende Meinung beim Thema Freude falsch war.

Freude aufzuspüren ist überhaupt nicht schwer. Wir sind von ihr umgeben.

Diese befreiende Erkenntnis veränderte mein Leben. Als ich immer mehr Menschen daran teilhaben ließ, stellte ich fest, dass viele den Drang verspürten, sich in ihrer Umgebung um Freude zu bemühen, dass man ihnen aber das Gefühl vermittelte, das sei vollkommener Unsinn. Eine Frau erzählte mir, dass ein Strauß frischer Blumen bei ihr tagelang für gute Stimmung sorgte. Jedoch hielt sie das für unnötigen Luxus und gönnte sich deshalb nur zu besonderen Gelegenheiten einen. Es war ihr niemals in den Sinn gekommen, dass sie sich für die Kosten einer einzigen ihrer wöchentlichen Therapiestunden ein Jahr lang alle zwei Wochen einen Blumenstrauß würde leisten können. Eine andere schilderte, wie sie nach dem Neuanstrich ihr Wohnzimmer betrat und „aaaah“ dachte – sich derart befreit und leicht fühlte, dass sie sich wunderte, wieso sie das nicht schon viel früher angegangen hatte. Ich erkannte, dass wir alle dazu neigen, in unserer Umgebung nach Freude zu streben, uns jedoch beigebracht worden ist, diesen Instinkt zu ignorieren. Was würde wohl passieren, wenn wir ihn wiedererweckten?

Ich musste genauer wissen, wie die physische Welt unsere Gefühle beeinflusst und weshalb manche Dinge ein Gefühl der Freude in uns auslösen. Ich begann, sämtliche Bekannte sowie ziemlich viele Fremde auf der Straße zu fragen, welche Gegenstände oder Orte sie mit Freude in Verbindung brachten. Einiges war sehr speziell und ganz persönlich: „die Küche meiner Großmutter“, „ein signiertes Grateful-Dead-Poster“, „das Kanu von unserem früheren Ferienhaus am Lake Michigan“. Manches war geprägt von einer bestimmten Kultur oder Erziehung, wie Lieblingsspeisen oder Sportvereine. Anderes hingegen hatte weder kulturellen noch persönlichen Ursprung. So erzählte mir eine Freundin von einem Nachmittag im Sommer, als sie auf dem Nachhauseweg von einem Regenguss überrascht wurde. Sie und ein paar andere, die ohne Schirm unterwegs gewesen waren, suchten Schutz unter einer Markise und stellten Vermutungen auf, wie lange das Gewitter wohl dauern würde. Nach einigen Minuten hörte es auf, und die Leute wagten sich wieder auf den Gehweg hinaus, als ein Mann plötzlich rief: „Da, schaut mal!“ Am Himmel wölbte sich ein prächtiger Regenbogen, direkt über dem Empire State Building. Die Leute machten Halt und blickten nach oben, ihre nasse Kleidung klebte ihnen am Körper, und sie hatten alle ein dickes Grinsen im Gesicht.

Von dieser Geschichte hörte ich endlose Versionen. Es war kalt oder dunstig, es waren Freunde oder Fremde, und der Regenbogen wölbte sich über einem Konzert oder einem Berggipfel oder einem Segelboot. Regenbogen brachten den Menschen anscheinend immer und überall Freude. Ich fing an, mir solche Dinge aufzuschreiben, die ich wieder und wieder zu hören bekam. Beachpartys und Feuerwerke, Schwimmbecken und Baumhäuser, Heißluftballons und Wackelaugen und Eisbecher mit bunten Streuseln. Diese Freuden kennen weder Alter noch Geschlecht noch ethnische Herkunft. Sie lösen dieses gute Gefühl nicht nur in ein paar wenigen, sondern in nahezu allen Menschen aus. Ich sammelte Bilder von ihnen und pinnte sie an die Wand meines Ateliers. Jeden Tag nahm ich mir ein paar Minuten Zeit, neue Bilder hinzuzufügen, Kategorien zu bilden und nach Mustern zu suchen.

Eines Tages, als ich wieder einmal die Bilder studierte, machte es klick. Ich sah Lollis, Pompons und Tupfen, und dann dämmerte es mir: Sie besaßen alle eine runde Form. Leuchtende Quilts gesellten sich zu Gemälden von Matisse und regenbogenfarbigen Bonbons: Sie alle hatten richtig satte Farben. Das Bild der Fensterrose einer Kathedrale stellte mich zunächst vor ein Rätsel, doch als ich es neben eine Schneeflocke und eine Sonnenblume legte, leuchtete es mir ein: Sie alle besaßen eine symmetrische Sternenform. Als ich das in seiner Gesamtheit vor mir auf dem Tisch liegen sah, wurde mir klar, dass das Gefühl der Freude flüchtig und geheimnisvoll sein mag, dass wir jedoch mittels greifbarer, physischer Merkmale Zugang zu ihm haben. Genauer gesagt handelte es sich dabei um das, was Designer die Ästhetik nennen – die Eigenschaften, die Optik und Haptik eines Gegenstands ausmachen –, was ein Gefühl der Freude in uns hervorruft.

Bis zum damaligen Zeitpunkt war Ästhetik für mich etwas rein Dekoratives gewesen, fast schon albern und belanglos. Für das Aufbaustudium Design hatte ich mich entschieden, weil ich Dinge gestalten wollte, die das Leben der Menschen verbesserten. Ich war besessen davon, ergonomische, funktionale und umweltfreundliche Produkte zu entwickeln. Und obgleich mir die Kurse zu Farbigkeit und Textur, Form und Bewegung Spaß machten, behandelte ich diese Komponenten als Extras und nicht als das Wesentliche. In unserer Kultur ist diese Einstellung weitverbreitet. Wir legen zwar einigermaßen viel Wert auf Ästhetik, dürfen aber nicht zu viel Wert darauf legen oder uns um unser Erscheinungsbild bemühen. Ansonsten laufen wir Gefahr, zu oberflächlich oder substanzlos zu erscheinen. Wie oft haben Sie einer stilsicheren Freundin ein Kompliment gemacht, nur um sie entgegnen zu hören: „Ach, das alte Zeug? Ich hab einfach irgendwas zusammengewürfelt.“ Doch wenn ich die Ästhetik meiner Atelierwand begutachtete, wurde mir klar, dass sie viel mehr als einen dekorativen Zweck erfüllte. Sie berührte mich tief in meiner Seele.

Zusammengefasst konnte ich zehn Gesichtspunkte einer Ästhetik der Freude feststellen. Jeder Einzelne von ihnen lässt eine eigenständige Verbindung zwischen dem Gefühl von Freude und den greifbaren Eigenschaften der äußeren Welt erkennen:

Energie: kräftige Farben und strahlendes Licht
Fülle: Üppigkeit, Vielfalt, Buntheit
Freiheit: Natur, Wildheit, Weite
Harmonie: Ausgewogenheit, Symmetrie, freies Fließen
Spiel: Kreise, Kugeln, Blasenformen
Überraschung: Kontraste und Macken
Erhabenheit: Erhöhung, Leichtigkeit, Transzendenz
Magie: unsichtbare Kräfte und Trugbilder
Festlichkeit: Synchronität, Glitzern, explodierende Formen
Erneuerung: Blüten, Ausdehnung, Kurven

Wie hängen diese ästhetischen Gesichtspunkte und unsere Gefühlswelt zusammen? Und warum erzeugen ausgerechnet diese Merkmale ein Gefühl der Freude?

Diese Fragen brachten mich auf eine Reise, die mich an einige der fröhlichsten Orte der Welt führte. Auf den folgenden Seiten werden wir eine Baumhauspension besuchen sowie eine von Farbe verwandelte Stadt, eine Wohnung, die den Alterungsprozess verhindern soll, und eine ausschließlich aus Kreisen geformte Villa. Wir werden Naturwunder wie das Öffnen der Kirschbaumknospen in Japan bestaunen und menschengemachte Wunder wie das Steigenlassen Hunderter Heißluftballons in der Wüste von Albuquerque. Unterwegs werden Sie von den neuesten Erkenntnissen der Psychologie und der Neurowissenschaft erfahren, die erklären helfen, warum jene Orte und Erfahrungen die Macht besitzen, Freude in uns auszulösen.

Letzten Endes geht es bei Joyful jedoch nicht darum, Freude in den abgelegensten Winkeln dieser Erde zu suchen. Nein, genau da, wo Sie gerade sind, sollen Sie mehr Freude finden. Auf den folgenden Seiten werden Sie gefeierte Künstler und Designer kennenlernen – Architekten, Raumgestalter, Farbexperten, Gärtner, Quilt-Näherinnen, Heimwerker, Floristen und sogar einen Künstler, der mit Ballons arbeitet – und hinter ihr Geheimnis kommen, wie sie Freude in fast allen Bereichen der physischen Welt aufspüren und erschaffen. Auch Menschen, die Freude in ihrem Zuhause und ihrem Viertel hervorbringen – in Landhäuschen und Wohnmobilen, Wohnzimmern und Büronischen, Gehwegen und Erholungsgebieten –, werden Sie begegnen, damit Sie sehen, wie kleine Veränderungen gewöhnlichen Gegenständen und Orten ungemeine Freude einflößen können.

Eine ganze Welt der Freude liegt zu Ihren Füßen. Sie brauchen keine Technik zu erlernen, sich keine Selbstdisziplin aufzuerlegen. Die einzige Voraussetzung besitzen Sie bereits: die Offenheit dafür, die Freude, von der Sie umgeben sind, ausfindig zu machen.

* * *

In den Jahren, als ich als Designdirektorin bei dem renommierten Innovationsunternehmen IDEO und im Privatbereich tätig war und außerdem den Design-Blog The Aesthetics of Joy kuratierte, konnte ich miterleben, wie Ästhetik die Einstellung und das Verhalten der Menschen umgekrempelt hat. Sie verrät uns, warum in manchen Restaurants und Geschäften rege Betriebsamkeit, in anderen hingegen gähnende Leere herrscht. Mit ihrer Hilfe können wir dahinterkommen, warum eine Umgebung in den Menschen Angst und Rivalität auslöst, während es in einer anderen gesellig und tolerant zugeht. Überlegen Sie mal, wie die Leute sich in der sterilen Kabine eines Flugzeugs verhalten, wie wegen des Neigungsgrads einer Rückenlehne Streit ausbricht und mit den Ellbogen um den Platz auf der Armlehne gerangelt wird. Und vergleichen Sie das dann damit, wie sich die Leute in der lockeren Atmosphäre eines Musikfestivals verhalten. Umgeben von pulsierender Musik und schillernder Deko teilt man sich Essen und Trinken, macht auf der überfüllten Wiese Platz für die Neuankömmlinge und tanzt mit wildfremden Menschen. Die Ästhetik der Freude besitzt eine solche Kraft, dass sie unser Unbewusstes direkt anspricht und das Beste in uns zum Vorschein bringt, ohne dass wir es überhaupt bemerken.

Woher wissen Sie, ob Ihr Umfeld fröhlich ist oder nicht? Einen genauen Maßstab dafür gibt es nicht, aber denken Sie doch einmal über die folgenden Fragen nach:

Wie oft lachen Sie?
Wann haben Sie das letzte Mal tiefe, grenzenlose Freude verspürt?
Welche Gefühle kommen in Ihnen hoch, wenn Sie abends Ihr Zuhause betreten? Und wenn Sie jedes Ihrer Zimmer betreten?
Wie sehr weiß Ihre Lebensgefährtin/Ihr Lebensgefährte oder Ihre Familie Freude zu schätzen?
Wer sind die fröhlichsten Menschen in Ihrem Leben? Wie oft sehen Sie diese?
Wie oft bereitet Ihnen die Arbeit Freude?
Engagiert sich das Unternehmen, für das Sie tätig sind, für ein fröhliches Umfeld, ist ihm das gleichgültig, oder arbeitet es sogar dagegen an? Wie kommt es dort an, wenn man in lautes Gelächter ausbricht?
Welche Beschäftigungen machen Ihnen die größte Freude? Wie oft gehen Sie ihnen nach? Können Sie ihnen zu Hause oder in der Nähe Ihres Zuhauses nachgehen?
Wie viel Freude lässt sich in Ihrer Stadt oder Gemeinde entdecken? Und in Ihrer direkten Nachbarschaft?
Was sind Ihre „Wohlfühlorte“? Liegen manche davon innerhalb eines Radius von zehn Kilometern?

Jedem Menschen ist die Fähigkeit, sich zu freuen, angeboren. Und wie die Zündflamme eines alten Gasherds brennt sie in Ihrem Innern selbst dann noch, wenn Sie die Kochplatten längere Zeit nicht verwendet haben. Was Sie hier in Händen halten, ist der Schlüssel dazu, wie Sie diese Flammen der Freude neu entfachen. Er verheißt radikale Veränderungen Ihrer Sichtweise der Sie umgebenden Welt. Diesem Buch liegt der Gedanke zugrunde, dass wir die Freude nicht nur irgendwo entdecken. Wir können sie genauso gut selbst kreieren, für uns selbst und für unser Umfeld.

Betrachten Sie dieses Buch als eine Art „Glückshelfer“, mit dem Sie in Ihrem Nahbereich mehr Freude ausfindig machen und auskosten lernen und verstehen, weshalb gewisse Dinge und Orte Sie innerlich zum Leuchten bringen. Auch als Maßnahmenpalette kann es Ihnen dienen, mit deren Hilfe Sie in Ihrem Leben Freude kreieren und gestalten können. Die Kapitel bauen aufeinander auf, daher ist es wohl am sinnvollsten, wenn Sie sie in der richtigen Reihenfolge lesen. Lassen Sie sich aber bitte nicht davon abhalten, zu einer Ästhetik zu springen, von der Sie sich magisch angezogen fühlen. Blättern Sie danach nur gerne wieder zurück, um zu schauen, was Ihnen entgangen ist.

Wahrscheinlich werden Sie feststellen, dass manche ästhetischen Prinzipien Sie mehr ansprechen als andere. Wenn Sie zum Beispiel die Natur lieben, werden Sie sich vom Prinzip der Freiheit vermutlich am meisten angezogen fühlen. Falls Sie Höhenangst haben, liegen Ihnen einige Aspekte der Erhabenheit wahrscheinlich nicht. Zudem werden Sie womöglich feststellen, dass die Ästhetik, mit der Sie sich am wohlsten fühlen, je nach Aufenthaltsort und Lebensphase variiert. Ein trostloses Büro verträgt Energie, wohingegen ein hektisches Familiendomizil von Harmonie profitiert. Wenn die Kinder dann aus dem Haus sind, ist es möglich, dass jenes Familiendomizil nun einer spielerischen Ästhetik bedarf, damit es sich wieder lebendig anfühlt.

Die verschiedenen Ästhetik-Prinzipien dürfen Sie ruhig beliebig kombinieren und nebeneinander verwenden, damit Sie etwas erschaffen, das Ihnen ganz persönlich Freude macht. Dabei sind keine bestimmten Regeln zu beachten. Als Orientierungshilfe werde ich Sie aber wissen lassen, welche Prinzipien sich besonders gut ergänzen und welche sich eher nicht so gut miteinander vertragen. In manchen Kapiteln nehme ich zwar Bezug auf bestimmte Produkte, die den ästhetischen Prinzipien Leben einhauchen können, aber Sie müssen sich rein gar nichts Teures kaufen, um einen Raum in einen freudvollen Ort zu verwandeln. Das letzte Kapitel beinhaltet schließlich ein Toolkit, also einen Werkzeugkasten voller Anleitungen und Arbeitsblätter, die Ihnen dabei helfen, die Gedanken dieses Buchs auf Ihre eigenen Räumlichkeiten und Ihr eigenes Leben zu übertragen.

Nur allzu oft bewegen wir uns durch die physische Welt, als handelte es sich dabei um ein Bühnenbild, eine stumme Kulisse für unseren Alltag. Dabei wimmelt es in dieser Welt in Wahrheit nur von Inspirationsquellen, Anlässen zum Staunen und Sichfreuen. Ich hoffe, dieses Buch wird Sie dazu befähigen, mehr dieser Gelegenheiten in Ihrer Umgebung zu entdecken und zu ergreifen. Freude vermag in kleinen Augenblicken große Veränderungen zu entfachen. Ein verrücktes Outfit kann jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern, was diesen Menschen wiederum dazu veranlasst, einer Fremden etwas Gutes zu tun, der es gerade nicht so gut geht. Mögen die freudvollen Gesten auch noch so winzig sein, mit der Zeit summieren sie sich, und ehe wir uns versehen, sind nicht nur ein paar Menschen glücklicher geworden, sondern die ganze Welt.

 

[i] Boubekri, M. et al.: Impact of Windows and Daylight Exposure on Overall Health and Sleep Quality of Office Workers: A Case-Control Pilot Study. In: Journal of Clinical Sleep Medicine, Band 10, Nr. 6, S. 603 – 11 (2014). Zadeh, R. S. et al.: The Impact of Windows and Daylight on Acute-Care Nurses’ Physiological, Psychological, and Behavioral Health. In: HERD: Health Environments Research & Design Journal, Band 7, Nr. 4, S. 35 – 61 (2014).

[ii] Haviland-Jonesetal, J.: An Environmental Approach to Positive Emotion: Flowers. In: Evolutionary Psychology, Band 3, Nr. 1 (2005).

Ingrid Fetell Lee

Über Ingrid Fetell Lee

Biografie

Ingrid Fetell Lee ist Designerin und Gründerin. Sie schreibt als Expertin für Design für New York Times, Wired und CBCs Spark und war Design Director bei IDEO und Gründungsmitglied des Products of Design Programms an der School of Visual Arts in New York City. Ihr TED-Talk aus dem Jahr 2018 wurde...

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