

Karl Karl - eBook-Ausgabe
Roman
— Das schillernde Genie Karl Lagerfeld als Held eines facettenreichen, gefühlvollen RomansKarl — Inhalt
Freigeist, Genie und Workaholic: Karl Lagerfeld war schon zu seinen Lebzeiten eine Legende. Sein Leben voller Widersprüche, Glamour und Mode bietet den perfekten Stoff für einen Roman.
In „Karl“ verarbeitet Michael Wallner die gefühlvollen, dramatischen, aber auch humorvollen Schlüsselmomente im Leben Karl Lagerfelds zu einer bewegenden, faszinierenden und überraschenden Lektüre.
„Ich bin immer der gleiche dumme Hamburger Junge. Als Kind war ich wahnsinnig selbstgefällig. Heute bin ich mir selbst gegenüber gleichgültig, ironisch, distanziert. Ich kann über mich selbst lachen.“ Karl Lagerfeld
Eine Katze? In seinem Haus? Karl Lagerfeld kann selbst kaum glauben, dass er dazu Ja gesagt hat. Doch Choupette gehört seiner aktuellen Muse, dem Männermodel Baptiste – und was tut man nicht alles für die Inspiration. Womit Karl nicht gerechnet hat: Choupette wächst ihm ans Herz. Seit dem Verlust von Jacques de Bascher, seiner großen Liebe, lebt Karl zurückgezogen, umgeben nur von Büchern und seinen Erinnerungen. An die kapriziöse Mutter. An den Freund und Rivalen Yves Saint-Laurent. An Martine, die ihn seit Jahrzehnten als Leiterin seines Ateliers begleitet. Erst dem Gast auf vier Pfoten scheint zu gelingen, woran alle anderen gescheitert sind: Karl aus seiner selbstgewählten Isolation herauszulocken …
„Es ist nicht so, dass ich mich gut finde, aber es könnte schlimmer sein.“ Karl Lagerfeld
Karl Otto Lagerfeld (1933 - 2019) war als Modeschöpfer, Designer, Fotograf und Kostümbildner weltberühmt, sein Look - mit Vatermörder, weiß gepudertem Zopf und Sonnenbrille - ikonisch, seine Schlagfertigkeit legendär.
„Ich bin sehr auf dem Boden geblieben. Nur nicht auf dieser Welt.“ Karl Lagerfeld
Leseprobe zu „Karl“
Kapitel 1
Davos, Schweiz, März 2010
Schnee, Schnee, statt Sonne Schnee. Auf zweitausend Metern blies der Schneesturm Karl entgegen. Die Kälte schnitt wie mit Messern. Er keuchte gegen die Elemente an. Rundum das Nichts, das weiße, wirbelnde Nichts. Blind umhüllt von flockiger Pracht, lief er hinein in die gleichgültig bedrohliche Landschaft, gegen den Wind, gegen die Kälte. Karl war über siebzig, trotzdem fühlte er sich dem Schneetreiben gewachsen. Er empfand weder Furcht noch Wut noch Schwäche.
Ein Blick zurück, dort lag Davos. Ein unbekanntes Gefühl, die [...]
Kapitel 1
Davos, Schweiz, März 2010
Schnee, Schnee, statt Sonne Schnee. Auf zweitausend Metern blies der Schneesturm Karl entgegen. Die Kälte schnitt wie mit Messern. Er keuchte gegen die Elemente an. Rundum das Nichts, das weiße, wirbelnde Nichts. Blind umhüllt von flockiger Pracht, lief er hinein in die gleichgültig bedrohliche Landschaft, gegen den Wind, gegen die Kälte. Karl war über siebzig, trotzdem fühlte er sich dem Schneetreiben gewachsen. Er empfand weder Furcht noch Wut noch Schwäche.
Ein Blick zurück, dort lag Davos. Ein unbekanntes Gefühl, die Berührung mit Mächten, in deren Umarmung Vernichtung lag, ließ ihn weitermarschieren. Doch der Wind haute wie mit Sensen und riss Karl zu Boden. Da lag er, die Schneeschuhe von sich gestreckt.
Und plötzlich hörte der Wind auf. „Urschweigen“, murmelte Karl. „Nicht eine Vogelstimme.“ In seinem ganzen Leben hatte er nie solche Stille gehört. Schneetreiben, Unfugtreiben, Unvernunft, dachte er und bekämpfte beginnende Unklarheit auf unklare, fieberhafte Art. Er empfand Freiheit, absolute Freiheit. Wenn er verschwand, bedeckt von der weißen Macht, wäre der Tod, dem er im Augenblick näher war, als er wusste, ein grandioser Abgang. Die Freiheit, die Karl in Anspruch nahm, die Instanz, die er anerkannte – war das Ich. Das Leben hatte mit ihm begonnen und würde mit ihm enden. Sobald es vorbei war, war das Ganze vorbei: die Welt, das Haus Chanel, der weiß gepuderte Zopf, die Sonnenbrille. Mit seinem Tod würde es nichts mehr davon geben.
Er blickte an sich hinunter. Der Unterleib war schon zugeschneit, nur der Oberkörper im Anorak von Yamamoto ragte noch aus dem weißen Leichentuch hervor. Vielleicht würde man ihn erst in Jahrtausenden finden, so wie diesen Mann im Eis. Allerdings würde man ihn, Karl, sofort erkennen, da die Sonnenbrille nicht verweste. Er richtete die Augen in die Höhe. Der Himmel graute, oder war das schon die Dämmerung? Ein unvergesslicher Anblick.
Ein Wildhüter fand ihn eine Stunde später, als er den dunklen Fleck im Schnee für das Aas eines Wildschweins hielt. Man brachte den stark unterkühlten alten Mann in die Hochgebirgsklinik, wo seine vitalen Werte stabilisiert wurden. Karl ließ alles über sich ergehen. Die Fragen der Ärzte, warum er das Wagnis eingegangen war, sich bei diesem Wetter von Davos zu entfernen, beantwortete er nicht. Sein weißes Haar mit dem Trockenshampoo hob sich kaum vom Weiß des Kissens ab.
Das Wetter war besser geworden. Blasses Blau zeigte sich zwischen schleierdünnen Wolken. Die Natur meinte es gut mit Karl, und eine Art von Rührung ergriff ihn. Was er da draußen im Schnee geträumt hatte, war am Verblassen. Was er gedacht hatte, verstand er schon nicht mehr. Es verschwand endgültig, als er den Telefonanruf erhielt.
Mit mehrstündiger Verspätung hatte Baptiste von Karls Abenteuer im Schnee erfahren.
Mit zwanzig Jahren war Baptiste Giabiconi das erfolgreichste Männermodel der Welt. Er entschuldigte sich bei Karl. „Ich hatte den ganzen Tag Fotoaufnahmen.“
„Es ist alles in Ordnung.“
„Aber ich war nicht für dich da.“
„Was hättest du von Paris aus schon für mich tun können?“
„Ich komme zu dir!“, rief Baptiste.
„Rede keinen Unsinn. Die behalten mich ein paar Tage hier, dann nehme ich den nächsten Flieger.“
„Nein, ich komme!“
„Musst du nicht nach Los Angeles?“
„Nicht so wichtig.“
„Wann ist das genau, Baptiste?“
„Übermorgen.“
Karl setzte sich auf. „Du fliegst gefälligst nach L. A., mein Bester.“
„Der Auftrag dauert fünf Wochen. Ich kann unmöglich fünf Wochen lang von dir fort sein, während du …“
„Ich habe noch nie, aus welchem Grund auch immer, eine berufliche Vereinbarung abgesagt. Noch kein einziges Mal. Nicht als mein Vater starb, nicht als meine Mutter gestorben ist, noch nicht einmal, als Jacques seine HIV-Diagnose bekam. An diesem Tag habe ich eine Fotoserie im Bois de Boulogne geschossen. Das nennt man Professionalität, die ich auch von dir erwarte. Du fliegst nach Amerika, ich kuriere mich aus, und in fünf Wochen sehen wir uns wieder.“
Sekundenlang blieb es still.
„Mit trotzigem Schweigen erreichst du bei mir nichts“, sagte Karl.
„Da ist noch etwas anderes. Ich habe eine Katze.“
„Ich weiß.“
„Sie heißt Choupette.“
„Niedlich.“
„Sonst, wenn ich auswärts arbeite, hat meine Nachbarin auf sie aufgepasst. Aber die Frau muss ins Krankenhaus zu ihrem krebskranken Mann. Sie kann sich diesmal nicht um die Katze kümmern. Da dachte ich …“
„Ja?“
„Dein Haus ist so groß. Choupette würde dich bestimmt nicht stören. Sie ist ganz lieb und verschmust.“
„Nichts, was man als verschmust bezeichnen könnte, hat jemals in meinem Haus gewohnt.“
Man hörte ein Seufzen. „Ich habe es mir schon gedacht.“
„Baptiste, ich hatte noch nie ein Haustier. Mein Vater hat den Hund, der mich als Kind gebissen hatte, erschossen. Im Übrigen glaube ich nicht an das Konzept, Haustiere zu halten. Wildtiere sind in Ordnung, weil sie dem Gleichgewicht der Natur dienen. Ohne den Wolf würde das Reh großen Schaden anrichten. Aber Haustiere sind nur dazu da, damit verwitwete Rentnerinnen sich nicht so einsam fühlen. Haustiere scheißen auf die Straße, sie bellen zu den unmöglichsten Zeiten …“
„Choupette bellt nicht“, warf Baptiste ein.
„Katzen zerkratzen Möbel, besonders die wertvollen.“
„Ich habe verstanden“, gab Baptiste nach. „Ich hätte es nicht ansprechen sollen. Du hast gerade genug mit dir selbst zu tun.“
Dieser Satz gab Karl einen Stich. Sein Palais hatte tausend Quadratmeter; was würde eine kleine Katze auf tausend Quadratmetern schon anstellen können? Und sollte sie wirklich einem Polstermöbel zu Leibe rücken, so bekäme der Dekorateur von Chanel eben etwas zu tun.
„Natürlich kann Choupette vorübergehend bei mir bleiben“, sagte Karl sonnig. „Am besten, du gibst sie Martine. Die weiß bestimmt, was man für eine Katze vorbereiten muss. Sie soll mir Choupette nach Hause bringen.“
„Bist du sicher?“
„Mach keine große Sache daraus.“
„Martine braucht für Choupette nichts zu besorgen!“, rief Baptiste erleichtert. „Ich gebe ihr alles mit, den Fressnapf, den Kratzbaum, das Katzenklo …“
„Keine überflüssigen Details.“
„Du bist ein Schatz!“
„Ein Schatz … war ich noch nie“, entgegnete Karl indigniert.
Nachdem sie aufgelegt hatten, ließ er den Kopf zurücksinken. Eine fremde Katze würde durch seine Räume in der Rue de l’Université streunen, sie würde miauen und ihre Notdurft in Karls Haus verrichten. Das konnte ja etwas werden!
Paris, drei Tage später
Karl betrat sein Palais wie ein Dieb in der Nacht. Die Reiseverspätungen hatten sich multipliziert. Der Arzt, der die Visite unnötig ausgedehnt hatte, der Hubschrauber, der demzufolge verspätet abhob und die Linienmaschine in Zürich verpasste. Das dämliche Warten in einer V. I. P.-Lounge, samt Belästigung durch namenlose V. I. P. s. Dann der wackelige Flug! Man hätte dem Kapitän für dieses erbärmliche Gezuckel die Lizenz entziehen müssen. Der Chauffeur, der es nicht rechtzeitig durch den Pariser Abendverkehr geschafft hatte, weshalb Karl ein Taxi nehmen musste.
Als er endlich vor seinem Haus abgesetzt wurde, fühlte Karl eine unbekannte Nervosität. Sonst empfand er bei jeder Heimkehr Erleichterung, dem dummen Treiben der Welt entflohen zu sein, und die Vorfreude auf lieb gewonnene Rituale: das Bad mit der Essenz aus Mandelöl und wilder Zitrone, das Menü vom Ritz, die Umarmung seiner Bücher mit den Augen.
Diesmal tippte er ängstlich den Sicherheitscode ein, erschrak über den Lärm, den die Tür machte, tat vorsichtige erste Schritte im Foyer. Es brannte Licht, natürlich, Martine war ja gerade noch hier gewesen.
„Länger kann ich nicht bleiben“, hatte sie am Telefon gesagt.
„Gehen Sie nur“, antwortete Karl. „In einer halben Stunde bin ich zu Hause.“
„Man kann ein Tier in einem fremden Haus nicht allein lassen.“
„Nicht mal eine halbe Stunde?“
„Choupette ängstigt sich.“
„Ich ängstige mich, wenn ich daran denke, dass dort eine Bestie auf mich wartet.“
„Choupette ist …“ Martine unterbrach sich.
„Ja? Was ist Choupette?“, rief Karl, alarmiert durch ihr Schweigen. „Heraus mit der Sprache! Was ist Choupette?“
„Kompliziert“, antwortete Martine. „Nein, kapriziös, nein, eher maliziös, könnte man sagen.“
„Das Maliziöse wird ihr sofort abgewöhnt“, entgegnete Karl. „Sperren Sie sie irgendwo ein, wo sie keinen Schaden anrichtet. Wenn ich komme, lasse ich sie raus.“
„Das ist kein guter Einstieg für ein Tier in fremder Umgebung.“
„Guter Einstieg?“ Karl lachte grimmig. „Bin ich die Heilsarmee? Sie soll froh sein, dass sie ein Dach überm Kopf hat.“
„Ich habe ein paar Dosen Katzenfutter auf die Anrichte gestellt.“
„Merci, Martine.“
„Und den Dosenöffner, weil ich annehme, Sie wissen sonst nicht, wo der zu finden ist.“
„Noch einmal merci, Martine.“
Keine halbe Stunde später schlich Karl Lagerfeld durch sein Haus wie ein Einbrecher. In Räumen, in denen es nicht hell genug war, drehte er jedes verfügbare Licht auf. Das Palais wirkte verlassen, doch er spürte die fremde Existenz in seinem Heim mit jeder Faser.
„Wo bist du?“, rief er, zuerst verhalten, von Zimmer zu Zimmer schleichend. „Wo bist du?!“, wiederholte er immer lauter. „Komm heraus und begrüße mich! Du bist nur eine Katze, ich bin der Hausherr. Ich finde es unwürdig, Haustiere zu halten. Ich würde mir niemals freiwillig ein Tier zulegen, da dann jeder sofort wüsste: Karl Lagerfeld ist einsam. Ich bin nicht einsam. Wo bist du?“
Er hatte übersehen, dass Choupette schon eine Weile hinter ihm saß, auf seinem Sessel. Niemand anders durfte in seinem Sessel sitzen, und tatsächlich hatte es auch noch nie jemand gewagt. Die Katze saß aufrecht da wie eine Sphinx und betrachtete den Mann, dessen Haar eine ähnliche Farbe hatte wie ihr Fell. Choupette war eine französische Birma-Katze, langhaariger als gewöhnliche Exemplare, geboren in Fontaine-sous-Préaux unter dem Züchtungsnamen Guimauve du Blues Daphnée.
Sie streckte sich und legte sich in Karls Sessel lang hin. Aus großen, ernsten blauen Augen musterte sie den Fremden. Durch das leise Geräusch fuhr er herum, seine Augenbrauen zuckten hoch, er trat einen Schritt zurück.
„Im ganzen Haus gibt es keinen unpassenderen Platz für dich als diesen“, sagte er in gehörigem Abstand.
Choupette hob den Kopf.
„Augenblicklich verlässt du meinen Sessel.“ Er wartete, nichts geschah. „Ich habe nicht die Absicht, dich herunterzuheben, doch wenn du nicht gehorchst, werde ich es tun.“
Choupette bewegte den Schwanz ein wenig.
Karl wagte sich näher. „Dieser Sessel stammt aus dem Jahr 1928, das ist Schweizer Art déco. Ich habe ihn in Bern gekauft. Es ist mir gelungen, den Originalbezug zu erhalten. Ich gehe davon aus, dass du gerade auf diesen meinen rotsamtenen Sessel haarst. Du schlägst deine Krallen in einen fast hundertjährigen Stoff. Das ist inakzeptabel.“ Noch ein Schritt. „Runter mit dir. Hörst du, Choupette?“
Als er sie zum ersten Mal beim Namen rief, zeigte die Katze einen Anflug von Interesse.
„Mau“, machte sie. Weiter nichts. Nicht etwa Miau oder ein klägliches Miiiauuu. Es war ein Statement, eine Feststellung, ein kurzes, unmissverständliches „Mau“.
Karl versuchte es im Guten. „Du verstehst mich also? Umso besser. Choupette, verlasse meinen Sessel“, befahl er.
Nachdenklich betrachtete sie den sonderbaren Menschen mit dem hohen, weißen Kragen, dem hauteng sitzenden schwarzen Anzug, den schwarzen Handschuhen und den ungewöhnlich vielen glitzernden Ringen an den Fingern. Choupette blieb liegen.
Karl fiel ein, dass man bei Tieren mit der Aussicht auf Futter am meisten erreichte. „Ich habe etwas für dich“, lockte er. „Etwas Leckeres, in der Küche, komm, wir sehen uns das mal an.“
Er tat, als liefe er in die Küche, und drehte sich um. Choupette hatte sich nicht gerührt.
„Wie du willst.“ Missmutig verließ er den Salon. „Ich mache jetzt eine dieser verdammten Dosen auf“, murmelte er. „Ich klatsche den Fraß in den Napf und stelle ihn auf den Boden, wo sich eine Katze aufzuhalten hat. Dann kommt sie bestimmt runter von ihrem Thron.“ Er unterbrach sich. Ihr Thron? Dass er solch einen Gedanken überhaupt fassen konnte! „Das wird nie dein Thron. Niemals!“
Er fand Dosen und Öffner auf der Anrichte. Drei Geschmacksrichtungen standen zur Auswahl, Thunfisch, Lachs, Ente. Wenn ich eine Katze aus Birma wäre, wofür würde ich mich entscheiden? Er griff zur Lachsdose. Die Handhabung des Dosenöffners fiel ihm schwer, es gelang ihm nicht, bis zum Lachs vorzudringen. Bei der Ente hatte er mehr Erfolg, rümpfte die Nase über den Geruch und nahm einen Löffel. Mit abgewandtem Kopf holte er das Zeug aus der Büchse und … Wo war der Napf? Hatte Baptiste nicht versichert, die gesamte Grundausrüstung zu bringen? Oder sollte Martine vergessen haben, Choupettes Fressnapf bereitzustellen?
Da stand Karl, mit der unangenehm riechenden Entenpampe auf dem Silberlöffel, und wusste nicht, wo er sie abladen sollte. Den Löffel angewidert balancierend, öffnete er Oberschränke, fand nichts als das Teeservice Marie-Antoinettes, das er bei Sotheby’s ersteigert hatte, griff genervt nach einem Dessertteller und klatschte den Brei darauf. Das sah nicht appetitlich aus; Karl drückte das Zeug ein wenig zurecht. Mit der königlich angerichteten Ente betrat er den Salon.
Choupette war verschwunden.
Karl stellte den Teller auf den Boden und eilte zum Sessel. Seine Befürchtung bewahrheitete sich: Das Vieh haarte! Auf dem roten Bezug entdeckte er lange, weiße Haare. Augenblicklich musste der Schaden behoben werden! Dazu brauchte er seine besondere Bürste, mit der er sonst Flusen von Anzügen entfernte. Karl stürzte die Treppe in den Ankleideraum hoch. Dort lag die Bürste gut sichtbar bereit und …
Dort lauerte sie. Frech stand Choupette zwischen Karl und seiner Bürste.
„Du bist tot“, flüsterte er. „Wenn du es weiterhin so treibst in meinem Haus, bist du tot. Geh hinunter, da steht Ente für dich. Friss und lass mich zu meiner Bürste. Ich muss den Sessel von deinen Haaren befreien.“
„Mau“, war die Antwort.
„Was soll das heißen? Magst du Ente nicht?“ Seine Haltung entspannte sich etwas. „Ich kann es dir nicht verdenken.“
„Mau.“ Choupette machte kehrt und gab den Weg frei.
Karl griff zur Bürste und folgte ihr.
Unten angelangt, hatte er Gelegenheit, die Geschmackssicherheit der Katze zu bestaunen. Sie lief zum Teller Marie-Antoinettes, schnupperte und wandte sich indigniert ab.
„In diesem Punkt sind wir einer Meinung.“ Karl ließ die Bürste über den Sesselbezug tanzen. „Aber was mache ich jetzt mit dir? In meinem Haus soll niemand hungern.“
Gelassen kam Choupette näher. „Mau?“
„Ja, ich bin auch hungrig. Ich habe …“ Er überlegte. „Genau genommen habe ich seit dem Frühstück in der Schweiz nichts mehr gegessen. Wer würde das Zeug im Flugzeug wohl hinunterbekommen?“
Als Karl mit der Bürste zurücktrat, war Choupette mit einem Sprung wieder auf dem Sessel. Er wollte sie tadeln, wollte Regeln festlegen, doch er lächelte.
„Du magst Art déco, wie mir scheint. Mir geht es genauso. Oben in der Bibliothek habe ich noch andere außergewöhnliche Stücke. Aber davon später, jetzt wollen wir erst einmal das Ritz bemühen.“ Er griff zum Telefon. „Es ist das Einfachste, wenn du das isst, was ich esse“, sagte er über die Schulter. „Das spart die Handhabung des Dosenöffners.“ Er drückte die Kurzwahl. „Stell bloß nichts an, während ich telefoniere.“ Er drohte ihr mit dem Hörer.
Choupette nahm das als Aufforderung, den Sessel zu verlassen und zu ihm zu kommen. Zu seinen Füßen blickte sie hoch.
„Schöne Augen hast du ja, das muss man dir lassen. … Hallo? … Lagerfeld. Wie schnell können Sie hier sein? Wir sind sehr hungrig.“ Er beugte sich vor. „Sind wir doch, richtig? … Ja, für zwei ähm … Personen. Zweimal den Thon rouge sauvage.“ Ein Seitenblick zu Choupette. „Der Thunfisch aus dem Ritz wird dir schmecken. … Einmal mit Spaghetti. Und anschließend das Bœuf de race Normande. Dazu Salat und Purée de pommes de terre. … Nein, nichts Süßes, danke. … Gut, wir erwarten Sie. Danke.“ Er legte auf.
Karl ging vor Choupette in die Hocke. „Das Püree kannst du weglassen, wenn du es nicht magst.“ Behutsam hob er die Hand. „Ich esse abends sonst nicht so schwer, aber es war ein langer, anstrengender Tag, und du sollst …“, vorsichtig senkte er die Hand, „… du sollst ein Willkommensmenü kriegen.“ Er streichelte die Katze mit dem silbrig weißen Haar. „Bienvenue, ich bin Karl.“
„Mrrrrr“, antwortete Choupette.
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