Klimawandel (33 Fragen – 33 Antworten 1) — Inhalt
Sind wir noch zu retten?
Kein Thema beherrscht so sehr die aktuelle Debatte wie der Klimawandel. Kein Wunder: Dürre und Hitzesommer häufen sich inzwischen auch in unseren Breiten. Extreme Wetterphänomene nehmen zu, die Polgebiete schmelzen, und die Folgen für Ernährung und Gesundheit beunruhigen die Menschen. Die Klimakrise, lange abstraktes Thema für Fachleute, klopft an unsere Türen. Doch schon die Frage, ob es überhaupt einen menschengemachten Klimawandel gibt, schürt Emotionen, und die Erreichung der Klimaziele rückt in immer weitere Ferne. Dieses Buch erklärt, was der Klimawandel für uns alle bedeutet, wer ein Interesse daran hat, Klimaschutz zu verzögern, wozu die Staaten sich verpflichtet haben, wie die Wirtschaft gefordert ist – und was wir selbst tun können, ganz konkret.
Leseprobe zu „Klimawandel (33 Fragen – 33 Antworten 1)“
Einleitung
UN-Generalsekretär António Guterres nennt ihn „die größte Herausforderung unserer Geschichte“: Der Klimawandel bewegt inzwischen weltweit die Gemüter, er verursacht Krisen und Konferenzen, er stellt das Wetter auf den Kopf und unsere Lebensweise infrage.
Die Veränderungen in unserer Atmosphäre, auf den Kontinenten und in den Ozeanen waren lange nur eine theoretische Möglichkeit und Stoff für wissenschaftliche Debatten. Heute ist die Erwärmung mit teilweise drastischen Auswirkungen bei uns angekommen. Aber „Klimawandel“ beschreibt mehr als eine [...]
Einleitung
UN-Generalsekretär António Guterres nennt ihn „die größte Herausforderung unserer Geschichte“: Der Klimawandel bewegt inzwischen weltweit die Gemüter, er verursacht Krisen und Konferenzen, er stellt das Wetter auf den Kopf und unsere Lebensweise infrage.
Die Veränderungen in unserer Atmosphäre, auf den Kontinenten und in den Ozeanen waren lange nur eine theoretische Möglichkeit und Stoff für wissenschaftliche Debatten. Heute ist die Erwärmung mit teilweise drastischen Auswirkungen bei uns angekommen. Aber „Klimawandel“ beschreibt mehr als eine chemisch-physikalische Reaktion. Wer eine Katastrophe verhindern will, muss tief in die Grundlagen unserer modernen Gesellschaften eingreifen, deren Erfolgsrezept für Wohlstand und Gerechtigkeit bisher zu großen Teilen auf der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas beruht. Wer dieses System ändern will, provoziert Fragen.
33 davon sind hier mit ihren Antworten zusammengefasst. Sie sollen helfen, dieses komplexe Thema zu verstehen und eigene Entscheidungen treffen zu können. Sie sollen auch helfen, Mythen zu überpüfen, Ängste zu beseitigen und falschen Informationen zu widersprechen. Um dem Klimawandel zu begegnen, braucht es eine Menge Entscheidungen auf der ökonomischen, sozialen und politischen Ebene. Wer diese Entscheidungen fällt oder sie kritisiert, braucht das Wissen um die Hintergründe und die Konsequenzen unseres Handelns – und unseres Nichthandelns.
Bei der Arbeit an diesem Buch haben mir viele Menschen geholfen: Martin Janik vom Piper Verlag mit seinem Vertrauen, Steffen Geier mit rigorosem Lektorat und Fact-Checking. Christiane Textor von der deutschen IPCC-Koordinierungsstelle war von unschätzbarem Wert bei wissenschaftlichen Detailfragen.
Zu dem Thema erscheinen immer schneller umfangreiche neue Studien. Ich habe großen Wert darauf gelegt, Zahlen und Fakten aktuell und korrekt zu zitieren und am Ende weiterführende Literatur zu empfehlen. Mögliche Fehler gehen aber selbstverständlich nur auf meine Rechnung.
Meinen Kolleginnen und Kollegen in der tageszeitung bin ich dankbar, dass sie mir seit vielen Jahren für die Berichterstattung zum Klima den Rücken frei halten. Und meine Familie erträgt es schon lange vorbildlich, wenn ich wieder mal mit Verweis auf den Klimaschutz versuche, Urlaubsflüge zu hintertreiben.
1.
Warum ist der Klimawandel ein Problem?
„Die Grundlagen der Klimawissenschaft sind eigentlich ganz einfach und waren es schon immer“, schreibt der US-Klimaforscher Michael E. Mann. „Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre fängt die Wärme ein, und wir fügen der Atmosphäre stetig mehr Kohlenstoffdioxid hinzu. Der Rest sind Details.“
Klimawandel und Treibhauseffekt sind natürliche Phänomene. Zum Problem für das Leben auf der Erde werden sie, weil sie nach geologischen Maßstäben sehr schnell ablaufen. Der Treibhauseffekt sorgt dafür, dass ein Teil der Wärmestrahlung, die von der Sonne auf der Erde landet, nicht ins All reflektiert wird, sondern die Erde erwärmt. Ohne den Treibhauseffekt wäre die Erde ein kalter Steinbrocken von minus 18 Grad Celsius. Diesen Effekt durch Spurengase wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid (auch Kohlendioxid oder CO2) und Methan hat der schwedische Physiker und Chemiker Svante Arrhenius bereits 1896 beschrieben. Das „Treibhaus“ wird immer dichter, die Temperatur steigt.
Der Grund dafür sind in erster Linie Gase, die aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas und durch das Abholzen der Wälder in die Atmosphäre gelangen. Auch wenn die meisten Aerosole (kleine Partikel in der Luft) dem Treibhauseffekt ein wenig zuwiderarbeiten und die Temperaturen leicht senken – vor allem CO2 ist nach der einhelligen Ansicht der Wissenschaftler der Hauptverursacher für die zunehmende Erwärmung der Erde und für andere Veränderungen wie die Versauerung der Ozeane. Kohle, Öl und Gas werden als fossile Brennstoffe bezeichnet, weil sie sich aus Kohlenstoff bilden, der vor Millionen von Jahren als abgestorbene Pflanzen oder Tiere unter der Erde eingelagert wurde. Der Kohlenstoff aus diesen Lebewesen wird nun durch die Verbrennung in Kraftwerken und Motoren in die Atmosphäre entlassen – wo er sich nur langsam abbaut: Bis zu 40 Prozent des CO2 können etwa 2000 Jahre in der Atmosphäre verbleiben.
Aus fossilen Brennstoffen und Landnutzung entstanden 2018 nach Zahlen des Forschungsverbunds „Global Carbon Project“ und der UNO etwa 41,5 Milliarden Tonnen CO2. Rechnet man alle Treibhausgase zusammen, kommt man auf etwa 54 Milliarden Tonnen. Diese vergleichsweise geringen Mengen an Treibhausgasen verändern die Atmosphäre, während die etwa acht Mal so hohen natürlichen CO2-Quellen die Bilanz nicht beeinflussen – sie werden von natürlichen Kreisläufen schnell wieder ausgeglichen. Dort sind Aufnahme und Abgabe von Kohlendioxid etwa durch Pflanzen in einem Gleichgewicht, sie gelten als CO2-neutral. Land und Ozeane „schlucken“ etwa die Hälfte des menschengemachten CO2, der Rest jedoch treibt die Erwärmung an.
Der Begriff „Klimawandel“ in der politischen und wissenschaftlichen Debatte ist verkürzt. Er bezeichnet fast immer den menschengemachten („anthropogenen“) Klimawandel. Das Erdklima ist schon immer Schwankungen unterworfen: Es gab lange Phasen, in denen die CO2-Konzentration mehr als doppelt so hoch war wie heute, dann Eiszeiten, deren letzte auf der Nordkugel erst vor etwa 12 000 Jahren endete. Damals lagen die Temperaturen um circa 5 Grad Celsius höher, ein Wert, der heute zu den Horrorszenarien der Klimawissenschaften gehört. Aber am Ende der Eiszeit ließ sich das Klima für diesen Prozess mehrere Tausend Jahre Zeit. Heute droht uns eine solche Erwärmung innerhalb eines Jahrhunderts.
Die Wissenschaft ist sich heute sicher, dass der ökologische Fußabdruck des Menschen für den aktuellen Klimawandel verantwortlich ist. Wichtig ist nicht nur die absolute Erwärmung von einer weltweiten Durchschnittstemperatur von heute 15 Grad Celsius, sondern das Tempo: Tiere und Pflanzen etwa können sich an eine so schnelle Veränderung der Lebensbedingungen wie Temperatur, Niederschlag, Blühzeiten von Pflanzen nur sehr schwer anpassen. Während ein Wald bei langsamen Veränderungen „wandern“ kann, überfordert ihn eine relativ schnelle Zunahme der Temperatur.
Die Folgen, die bereits zu sehen sind und noch kommen werden, sind gewaltig. Tausende von Forscherinnen und Forschern haben sie über die letzten Jahrzehnte in der größten Untersuchung zusammengetragen, die die Wissenschaft je unternommen hat. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC, oft auch „Weltklimarat“ genannt) hat in inzwischen fünf umfangreichen Berichten und vielen Sonderreports den Stand der Forschung veröffentlicht.
Demnach verändert der menschengemachte Klimawandel tief greifend die physikalische und chemische Beschaffenheit der globalen Atmosphäre, der Ozeane, der Landmassen und der Eisgebiete unseres Planeten. Die Temperaturen sind im Schnitt um 1 Grad Celsius seit dem Beginn der Industrialisierung gestiegen, in der Arktis schon um mehr als 2 Grad. Der CO2-Anteil in der Luft ist so hoch wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht mehr. Die Meere werden wärmer, ihr Pegel ist im 20. Jahrhundert um knapp zwanzig Zentimeter gestiegen, bis 2100 kann insgesamt mehr als ein Meter Anstieg drohen. Die Ozeane werden durch die vermehrte Aufnahme von CO2 saurer. Das erschwert die Bildung von Kalkskeletten und bedroht Korallenbänke und andere Lebewesen, die ein wichtiger Teil des Nahrungsnetzes sind. Fast alle Eisgebiete der Erde haben zu schmelzen begonnen, die Gletscher auf den Bergen, das Eis der Arktis, die Permafrostböden.
Die Erwärmung des Erdsystems verändert Niederschläge, Wettermuster und Nahrungsketten, Zyklen von Niederschlag und Trockenheit. Zusammenhänge zwischen Tierwanderungen und Pflanzenblüte und die Anpassung von Menschen, Tieren und Pflanzen an Winde, Niederschläge, Wärme oder Eisbildung, die über Jahrtausende eingespielt sind, geraten aus den Fugen. „Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig“, urteilt der IPCC in seinem aktuellen Report, „und seit den 1950er-Jahren sind viele der beobachteten Veränderungen beispiellos über Jahrzehnte bis Jahrtausende.“
Fazit: Der menschengemachte Klimawandel ist für die Ökosysteme der Erde ein Problem, weil er die seit Jahrtausenden eingespielten Zusammenhänge zwischen Atmosphäre, Meeren und Landmassen so schnell und nachhaltig verändert, dass er die Lebensbedingungen von Pflanzen, Tieren und Menschen aus dem Gleichgewicht bringt.
2.
Verändert sich das Klima überall gleich?
Die politisch bedeutsame globale Mitteltemperatur ist eine theoretische Größe. Denn die Wärme auf der Erde schwankt regional sehr unterschiedlich, je nach Breitengrad, Jahreszeit, Höhe, klimatischer und geografischer Bedingungen etc. Der Anstieg ihres Mittelwerts soll nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 „gegenüber dem vorindustriellen Niveau“ bis 2100 „deutlich unter 2 Grad Celsius“ bleiben, die Staaten wollen „Anstrengungen unternehmen, die Erhöhung auf 1,5 Grad zu begrenzen“. Diese politischen Aussagen sind in einigen Punkten unscharf.
Zunächst gibt es auch wegen fehlender Daten keine allgemeine Definition, was das „vorindustrielle Niveau“ der weltweiten Temperatur ist. Die meisten Studien nehmen dafür einen Durchschnitt der Messungen von 1850 bis 1900. Die wichtigsten Datensätze stammen aus der USA und aus Großbritannien, sie messen seit 1880 beziehungsweise 1850 die Temperaturen an Land und an der Oberfläche des Meeres. Die globale Durchschnittstemperatur zwischen 1951 und 1980 beträgt demnach 14 Grad Celsius. Gegenüber dem „vorindustriellem Niveau“ hat sich die mittlere Temperatur laut UN-Weltklimarat um etwa 1 Grad Celsius (0,8 bis 1,2 Grad) erhöht.
Aber, wie das Sprichwort sagt: „Man kann auch in einem See ertrinken, der im Durchschnitt einen halben Meter tief ist.“ Denn bei der Erwärmung gibt es regional große Unterschiede. Am deutlichsten zeigt sich der Erwärmungseffekt in der Arktis, wo im Schnitt bereits mehr als 2 Grad Erwärmung gemessen werden. Und eine Erhitzung um 3 bis 5 Grad im Winter bis Mitte des Jahrhunderts gilt dort als sicher. Mit gravierenden Folgen, wie die UNO warnt: Das Eis rund um den Nordpol wird bei jetzigen Trends zur Mitte des Jahrhunderts im Sommer verschwinden, die Fläche des tiefgefrorenen Permafrostbodens etwa um die Hälfte abnehmen und zusätzliches im Boden gespeichertes Methan freisetzen – das wiederum den Klimawandel weiter anfeuert.
Auch die Antarktis bereitet den Forschern zunehmend Sorgen. Dort liegt im westlichen Teil an der ehemaligen US-Polarstation Byrd Station einer der sich am schnellsten erwärmenden Punkte der Erde: Zwischen 1958 und 2010 nahm die Durchschnittstemperatur um 2,4 Grad Celsius zu. Die riesigen Gletscher der West-Antarktis haben wegen des wärmeren Meerwassers begonnen, schneller ins Meer zu fließen – zwar immer noch langsam, aber unaufhaltsam. Auch der östliche Teil des eisigen Kontinents, der lange als stabil galt, zeigt nach jüngsten Studien Anzeichen von Instabilität. Immer wieder lösen sich spektakulär riesige Eisberge von den Eisschelfs und treiben ins Meer, 2017 ein Eisstück namens A-68 von der doppelten Größe Luxemburgs. Anders als bei arktischem See-Eis, das bereits im Wasser schwimmt, trägt die Schmelze der Gletscher direkt zur Erhöhung der Meeresspiegel bei.
In den bewohnten Gebieten warnt der IPCC vor verschiedenen Auswirkungen, je nach Lage und Verwundbarkeit: Auf fast allen Kontinenten drohen vor allem wirtschaftliche Schäden durch mehr Überschwemmungen und durch Dürren sowie Gesundheitsgefahren durch Hitzewellen. In Afrika etwa kommt die Bedrohung für ganze Ernten hinzu, in Australien das Absterben der Korallenriffe. Asien fürchtet einen Mangel an Nahrung und Süß- beziehungsweise Trinkwasser, Nordamerika großflächige Waldbrände und die Bedrohung seiner Küsten. In Mittel- und Südamerika wächst außerdem die Angst vor immer neuen Krankheiten, während die kleinen Inselstaaten in der Südsee ihre Küstenregionen verlieren werden.
Die allgemeine Erwärmung trifft auf Trends, die ihre Effekte noch vergrößern oder abbremsen können. Der Meeresspiegel steigt, aber Unterschiede in Meeresströmungen, Winden und der Geografie der Küsten können vor Ort ganz andere Bedingungen bilden: In weiten Teilen Skandinaviens etwa sinkt der Meeresspiegel, weil sich die Landmassen immer noch seit der letzten Eiszeit heben.
Gibt es auch Orte, an denen es kühler wird? Auf den Messkarten der Meteorologen sind das meist Messfehler – mit einer Ausnahme: ein Gebiet im nördlichen Atlantik widersetzt sich hartnäckig dem allgemeinen Trend zur Erwärmung. In dem Meeresabschnitt südwestlich von Grönland zeigt sich sogar eine leichte Abkühlung. Der Grund dafür ist nach Überzeugung der Forscher aber paradoxerweise die globale Erwärmung: Weil sich die große Meeresströmung im Nordatlantik, der Golfstrom, abschwächt, transportiert er weniger Wärme nach Norden. Immer mehr Schmelzwasser aus Grönland verdünnt das salzige Meereswasser und verlangsamt die Zirkulation des Wassers zusätzlich.
Diese Beispiele zeigen: Klimawandel bedeutet nicht, dass es einfach überall ein bisschen wärmer wird. Es bedeutet, dass sich Regionen ganz unterschiedlich entwickeln, dass sich das Land stärker erwärmt als das Meer, die Arktis stärker als der Rest der Welt. Was in manchen Regionen noch in die normale Schwankungsbreite der allgemeinen Temperatur fällt, kann in anderen Gegenden tief greifende Prozesse auslösen, die das natürliche Gleichgewicht aus dem Tritt bringen. Klar ist allerdings, dass diese Veränderung praktisch alle Ecken und Enden der Erde erreicht hat.
Fazit: Das Klima verändert sich überall auf der Welt anders. Je nach örtlichen Besonderheiten kann die Mitteltemperatur deutlich überschritten werden und können die Folgen schon heute gravierend sein.
3.
Können wir den Klimawandel zurückdrehen oder uns anpassen?
Es ist eine dieser kaum beachteten Aussagen in den Berichten des Weltklimarats IPCC, die ein leichtes Gruseln hervorrufen können: Was würde passieren, wenn heute alle menschlichen CO2-Emissionen stoppen würden? Antwort: Das Problem würde sich nicht mehr vergrößern, aber auch nicht verschwinden. Es gäbe eine „nahezu konstante Temperatur über viele Jahrhunderte“, schreiben die Forscher.
Das zeigt: Den menschengemachten Klimawandel können wir nicht mehr zurückdrehen. Er ist bei „für unsere Gesellschaft relevanten Zeitskalen“ irreversibel in der Erdgeschichte angelegt. Anders als in politischen Entscheidungen, die sich rückgängig machen lassen, anders als klassische Umweltprobleme wie verschmutzte Gewässer oder abgeholzte Wälder hat die Veränderung der Atmosphäre und des Kohlenstoffkreislaufs bereits jetzt Prozesse angestoßen, die von selbst weiterlaufen – und sich teilweise in „positiven Feedbacks“ (zu Deutsch: Teufelskreisen) selbst verstärken. Das geschieht zum Beispiel bereits beim Abtauen des Eisschildes von Grönland oder dem Auftauen der Permafrostböden in der Arktis, die große Mengen von Treibhausgasen freisetzen.
Wie gravierend die Veränderungen aber sein werden, hängt von den nächsten Jahren ab. Alle Modelle der Wissenschaftler zeigen, dass die globalen Emissionen zwischen 2020 und 2030 etwa um die Hälfte sinken müssen, damit wir weltweit überhaupt noch eine Chance haben, den Klimawandel auf 2 oder gar 1,5 Grad in 2100 zu begrenzen. Die Kurve wäre deutlich flacher, die Anstrengungen vor uns deutlich geringer, wenn mit der Reduktion der Emissionen vor einem oder zwei Jahrzehnten begonnen worden wäre. Wenn also nach der UN-Umweltkonferenz 1992 in Rio, nach der Konferenz von Kyoto 1997, nach dem Klimagipfel von Kopenhagen 2009 oder dem erfolgreichen Abschluss des Pariser Abkommens 2015 die Emissionen gesunken wären. Das sind sie aber nicht.
Können wir uns dann nicht einfach an steigende Temperaturen anpassen, wie es die Menschheit seit Jahrtausenden tut? Ja und nein – auch hier kommt es darauf an, wie schnell und wie weit sich die Erderhitzung entwickelt. Und vor allem darauf, welche Maßnahmen vor Ort sinnvoll und machbar sind.
Anpassung ist neben der CO2-Minderung zum beherrschenden Thema der UN-Konferenzen und der globalen Klimapolitik geworden. Dabei geht es einerseits darum, verwundbaren Ländern und Gemeinschaften zu helfen: Wie lassen sich Felder effizienter bewässern, wenn es trockener wird? Wo ist es sinnvoll, Deiche gegen den steigenden Meeresspiegel zu bauen? Wie bereiten sich Städte auf höhere Temperaturen und stärkeren Niederschlag vor? Ein UN-Report schätzt den jährlichen Bedarf zur Finanzierung dafür im Jahr 2030 auf irgendwo zwischen 140 und 300 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Für die Anpassung an den Klimawandel und zur Vermeidung von Emissionen haben die Industriestaaten den armen Ländern ab 2020 Unterstützung in Höhe von jährlich 100 Milliarden Dollar versprochen.
Manche Beobachter argumentieren, die Weltgemeinschaft solle sich auf die Anpassung konzentrieren und den Kampf gegen die CO2-Emissionen hintanstellen. Doch es wird kaum möglich sein, sich langfristig an die Folgen einer ungebremsten Erderhitzung anzupassen. Solange die Ausschläge im Klima- und Wettersystem noch gering sind, mag das teilweise gelingen – vor allem für Länder, die so reich sind, dass sie wie in Miami Beach ihre Straßen und Häuser einfach höherlegen.
Doch andere Berichte legen nahe, dass etwa in Bangladesch durch eine Erhöhung des Meeresspiegels um einen Meter die Heimat von 20 Millionen Menschen gefährdet wird. Auch der Verlust der Gletscher etwa im Himalaja oder in den Anden als Süßwasserreserve für ganze Regionen ist nicht wirklich zu kompensieren. Und schließlich ist es schon logisch schwer zu argumentieren, es sei besser, die Folgen von Schäden zu bekämpfen, als deren Ursache zu beseitigen. Das wäre, als würde man bei einem Rohrbruch nur das Wasser aufwischen, aber nicht den Hahn abdrehen.
Fazit: Das CO2 in der Atmosphäre wird noch jahrhundertelang die Temperaturen mindestens so hoch halten wie derzeit. Eine komplette Anpassung an einen schnell fortschreitenden Klimawandel ist kaum möglich.
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