Know Your Flow Know Your Flow - eBook-Ausgabe
Unseren Zyklus verstehen für ein gutes Körpergefühl und besseren Sex
„Zwei große Pluspunkte: Menstruierende fern der hetero cis Frau werden sprachlich und thematisch zu jeder Zeit inkludiert. Und auch die individuellen Körper- und Lebensrealitäten werden bei jedem noch so kleinen Tipp betont.“ - Missy Magazine
Know Your Flow — Inhalt
Der Wegweiser für Zyklus, Sex und Achtsamkeit
Mit dem Zyklus verbinden viele Frauen und Menstruierende Stress. Schon in der Pubertät ärgerten wir uns mit Verhütungsexperimenten, Stimmungsschwankungen und Periodenschmerzen herum und auch im Erwachsenenalter sind wir davor nicht unbedingt gefeit.
Wie frei können wir unsere Sexualität überhaupt (er-)leben, wenn der eigene Unterleib wie ein störanfälliges Mysterium scheint? Und wie können wir diese Wahrnehmung ändern? Indem wir unseren Zyklus lesen lernen und darüber reden, sagt Rena Föhr. Dieses Buch ist so überraschend wie die erste Periode – allerdings auf die denkbar angenehmste Art.
Leseprobe zu „Know Your Flow“
Menarche
Am zwölften Nikolaustag meines Lebens fand ich die größte Überraschung nicht in meinem Stiefel, sondern in meiner Unterhose. Das ist nun mehr als 20 Jahre her, aber ich sehe es heute noch so genau vor mir, als würde ich auf ein Foto blicken. Ich stand im blassen Wintersonnenlicht unseres Dachbadezimmers, wollte eigentlich nur kurz pinkeln gehen – und zuckte zusammen.
Dass ich mich so genau an das Datum erinnere, liegt zu einem kleinen Teil sicher daran, dass ich Adventsbräuche und Süßigkeiten liebe und den 6. Dezember unweigerlich damit verbinde. [...]
Menarche
Am zwölften Nikolaustag meines Lebens fand ich die größte Überraschung nicht in meinem Stiefel, sondern in meiner Unterhose. Das ist nun mehr als 20 Jahre her, aber ich sehe es heute noch so genau vor mir, als würde ich auf ein Foto blicken. Ich stand im blassen Wintersonnenlicht unseres Dachbadezimmers, wollte eigentlich nur kurz pinkeln gehen – und zuckte zusammen.
Dass ich mich so genau an das Datum erinnere, liegt zu einem kleinen Teil sicher daran, dass ich Adventsbräuche und Süßigkeiten liebe und den 6. Dezember unweigerlich damit verbinde. Meinen Stiefel hatte ich wie immer vor die Tür gestellt – sicher war er auch an jenem Nikolaustag gut gefüllt. Doch vor allem erinnere ich mich an das Datum, weil die wahre Überraschung des Tages so bedeutend für mich war. Nur ein kleiner Blutfleck – und gleichzeitig nichts Geringeres als meine erste Menstruation.
Euphorische Ehrfurcht ergriff mich. Aus der Bravo hatte ich erfahren, dass manche Mädchen bereits mit neun Jahren ihre erste Periode bekommen – und um ehrlich zu sein, hatte ich seitdem sehnsüchtig darauf gewartet. Warum? Schwer zu sagen. Zum einen habe ich eine große Schwester, die mit acht Jahren Altersvorsprung unglaublich reif und cool auf mich wirkte. Alles, was mit Älterwerden zu tun hatte, hieß auch, mehr wie sie zu sein. Zum anderen begeisterten mich neue Erlebnisse und Abenteuer seit jeher, und dazu zählte auch die Entwicklung meines Körpers.
Meine Mutter hatte mich gut vorbereitet. Die Box mit Binden hatte ich daher mit einem Griff zur Hand. Zum ersten Mal klebte ich mir nun eine eigene frische Einlage in den Slip. Feierlich fühlte sich das an. Nach einem neuen Lebensabschnitt. Mir hallte im Kopf wider, was ich in Büchern gelesen und von Erwachsenen gehört hatte: Die Periode bedeutet, dass man Kinder kriegen kann.
Fruchtbarkeit. Schwangerschaft. Ich wusste, was nun theoretisch biologisch möglich war. Praktisch war es denkbar weit weg für mich. Trotzdem fühlte ich die Schwere und den Sog der Veränderung. Theoretisch könnte mein Körper … das, was Frauenkörper eben können. In mindestens einem Aufklärungsbuch hatte ich gelesen: Wenn du deine Tage bekommst, wirst du vom Mädchen zur Frau. War ich jetzt eine Frau? Ich fühlte mich eindeutig weiblich, ja, aber ich war elf. Sechstklässlerin. Schon den Gedanken an Zungenküsse fand ich seltsam. Und trotzdem: Irgendwie hing das ja alles zusammen. Frausein. Menstruieren. Fortpflanzung. Sex. O Gott! Ich musste unbedingt meiner besten Freundin davon erzählen.
Weitere vier Jahrzehnte Jahre früher, auf der anderen Seite der Welt, in den Llanos Orientales Kolumbiens, ging ein Mädchen zum Fluss, um Wäsche zu waschen. Carmela war 14, sie liebte die mächtige Strömung und verbrachte täglich einige Zeit damit, auf den glatten Steinen umherzuspringen und die Füße ins Wasser zu halten, bevor sie schließlich mit ihrer Arbeit begann. Bis zu dem Tag, an dem sich das Wasser plötzlich verdunkelte. Wie Tinte breitete sich die dunkle Flüssigkeit im Wasser aus. Tinte, die aus ihrem Körper rann. Sie fühlte Angst, Angst vor dem Biss eines giftigen Tieres, Panik zu sterben. Sie begann zu weinen, die einzige Reaktion, zu der sie fähig war. Der Rest ihres Körpers war vor Todesangst wie paralysiert.
Am Ufer saß währenddessen Miguel, ein entfernter Verwandter Carmelas. Schon immer hatte er sich am liebsten am Rand aufgehalten, als Kind wie auch jetzt, mit Anfang 20. Er war ein Beobachter, der es genoss, auf die monumentalen Berge und Flüsse zu blicken. Er war es, der Carmela aus der Erstarrung holte, er war es, der ihr half, die Körbe voll nasser Kleidung nach Hause zu tragen. Er war es auch, der es trotz seiner wahrhaft spärlichen Kenntnisse des Themas schaffte, ihr zu erklären, dass das, was passierte, normal war. Als Carmela mit Miguel in der Haustür erschien und ihre Mutter den Blutfleck zwischen ihren Beinen sah, stellte sie keine Fragen. Sie riss Carmela zu Boden und griff nach dem Seil, das zum Anbinden des Viehs diente, schlug damit zu, wieder und wieder, während sie schrie: „Verdammte Schlampe!“
Im Hier und Jetzt sitzen Carmela und ich am Flussufer, wenige Kilometer vom damaligen Geschehen entfernt. Wir essen Kekse und trinken Wein. Sie erzählt Geschichten aus ihrem Leben, ich erzähle von Reisen und journalistischen Projekten. Das findet sie interessant. Aber, sagt sie wenig später, sie wünsche sich auch Urenkel. Ich muss lachen, ihr Enkel lacht mit. Wenig später wird er mein Ehemann sein. Wir blicken auf die Strömung. Dann stürzen wir uns wieder ins Wasser.
Untenrum unklar
Auch wenn die Geschichten von meiner Schwiegeroma und mir nicht unterschiedlicher sein könnten, haben sie doch eines gemeinsam: Der Menstruationszyklus, sichtbar geworden durch die erste Blutung, wird unweigerlich mit Sexualität assoziiert. Im Fall Carmelas mit einem fatalen Missverständnis – der Verwechslung von erster Periode und Entjungferung.[1] In meinem Fall gab es zwar keine direkte Verbindung mit Sex als Akt, aber mit Fruchtbarkeit und Fortpflanzung.
Aus heutiger Sicht finde ich es ein bisschen schade, dass das meine erste und einzige Assoziation war. Überraschend ist es allerdings nicht: Wie die meisten von uns hatte ich bei meiner ersten Menstruation keine Ahnung, welch vielfältige Rolle der Zyklus in unserem Leben spielt. Ich wusste nicht, dass dieser Kreislauf ein wichtiger Bestandteil unserer Gesundheit ist, dass dahinter der Mechanismus des weiblichen Körpers steckt, essenzielle Hormone zu produzieren. Ich wusste erst recht nicht, dass ein natürlicher Zyklus einen starken und – mit genug Wissen – klar nachvollziehbaren Einfluss auf Stimmung, Bedürfnis nach Kommunikation oder Rückzug, Leistungsfähigkeit, Konzentration, Lust und Sexualität hat.
Es ist ein wenig paradox: Auf der einen Seite wird der Zusammenhang zwischen Zyklus und Sexualität überbetont, vor allem, wenn es um das Thema Fruchtbarkeit geht. Der Zyklus wirkt von Beginn an bedrohlich, denn er birgt die „Gefahr“ einer möglichen Schwangerschaft, die es durch Verhütung – meist hormonelle – zu vermeiden gilt. Das ändert sich für manche Menstruierende erst Jahre oder gar Jahrzehnte später, wenn die einst gefürchteten fruchtbaren Tage identifiziert werden müssen, weil sie schwanger werden möchten. Wenn es nicht so schnell klappt wie gedacht, entsteht wieder Stress. Viele Menschen stellen in dieser Situation fest, dass ihnen in Bezug auf den Zyklus viel Angst, aber wenig ernsthaftes Wissen vermittelt wurde.
Auf der anderen Seite gibt es Verbindungen von Zyklus und Sexualität, über die erstaunlich wenig gesprochen wird. Wer lernt schon im Sexualkundeunterricht, wie die verschiedenen Zyklusphasen die Libido, körperliches Empfinden und sexuelle Vorlieben beeinflussen? Oder wie sich die vaginale Feuchtigkeit während des Zyklus verändert und welch vielfältige Möglichkeiten es für Sex während der Periode gibt?
Ich bin überzeugt, dass sowohl unser Menstruationszyklus als auch unsere Sexualität zu unserer Identität gehören. Und dass unser Umgang mit beidem unser Wohlbefinden stark beeinflusst – im Guten wie im Schlechten. Außerdem sehe ich in meiner Tätigkeit als Zyklus- und Sexualberaterin, dass sich unser (Un-)Wissen über den Zyklus deutlich darauf auswirkt, wie Menschen ihre Sexualität wahrnehmen und ausleben. Sicherlich ist der Menstruationszyklus nicht der einzige Faktor, und dennoch: Es ist schwierig, sich beim Sex zu entspannen, wenn man die zyklischen Ereignisse – die Periode, aber auch vaginalen „Ausfluss“ beziehungsweise Zervixschleim und Schwankungen in Lust und Feuchtigkeit – unangenehm findet oder nicht einordnen kann. Dazu kommt die Verantwortung für die Verhütung oder das Entstehen einer Schwangerschaft, die gerade im heterosexuellen Kontext meistens auf die Person mit Uterus (und Zyklus) zurückfällt.
Ich beobachte seit Jahren, wie viel Neugier, aber auch Verunsicherung die Themen Zyklus und Sexualität auslösen. Schon oft haben mir Klient*innen erzählt, wie skeptisch sie dem, was da in ihrem Körper – gerade im Intimbereich – geschieht, gegenüberstehen und wie ihnen das nicht nur die Entdeckung ihres Zyklus erschwert, sondern auch den Spaß im Bett mindert. „Ich habe eine komische Beziehung zu Vulva, Vagina und allem, was da so herausfließt“, fasste es eine zusammen. Doch sie hatte – wie immer mehr Frauen – Lust, diese Beziehung zu verändern und alte Scham durch Wissen zu ersetzen. Einige Klient*innen berichten mir Wochen oder Monate später, wie die Zyklusbeobachtung das Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Weiblichkeit verändert hat. Manche von ihnen kommen auch gemeinsam mit ihren Partner*innen zum Beratungsgespräch und blühen regelrecht auf, wenn auch die Person ohne Zyklus Empathie und Interesse zeigt.
Wenn ich in etablierten Medien und auf meinen eigenen Kanälen über diese Themen schreibe, finden sich neben Zuspruch und Fragen auch zuverlässig Kommentare von Hater*innen unter den Texten. Unter einem Artikel auf Spiegel Online[i], der beschrieb, wie mein Partner und ich einen gleichberechtigten Umgang mit Verhütung suchten und fanden, erntete ich zahlreiche Variationen von „Was für ein Scheiß, einfach die Pille nehmen und fertig“. Äußere ich mich öffentlich zu Menstruationsblut oder Zervixschleim, werden die Kommentare gerne mit Kotz-Emojis versehen. Heute sehe ich das als Bestätigung dafür, wie wichtig Aufklärung ist, doch das war nicht immer so. Sprüche, Mythen und Tabus haben auch bei mir lange für Scham und Verunsicherung gesorgt. Mein Perioden-Enthusiasmus hielt jedenfalls nicht lange an.
Einen Tag nach der ersten Blutung hatte ich Sportunterricht. Meine beste Freundin Carina und ich liefen uns nebeneinander in der Mehrzweckhalle warm. „Übrigens habe ich jetzt meine Tage!“, rief ich atemlos, gleichermaßen den Emotionen und dem Joggen geschuldet. Carina lief stumm weiter. Vielleicht hatte sie mich nicht gehört. „Hast du auch schon deine Tage?“, versuchte ich es noch einmal. „Ja“, sagte sie schließlich, ihre Augen fest auf das graue Linoleum geheftet. Auf einmal schämte ich mich für meine herausposaunte Bemerkung. Und irgendwie auch für meine Menstruation. Zum ersten, aber sicher nicht zum letzten Mal.
Wenig später las ich in der Bravo Girl! in der Rubrik „Peinlich, peinlich!“ die Einsendung einer Leserin, der eine Binde aus der Tasche gefallen war – vor den Augen ihres Schwarms. Sie schämte sich, weil er das „total eklig“ fand – dabei war das Produkt sogar originalverpackt. Ich fragte mich zwar kurz, ob nicht eher die Reaktion des Jungen peinlich war, achtete aber vorsichtshalber künftig darauf, meine Periodenprodukte diskret und sicher zu verstauen. Immerhin schien die Menstruation ein Thema zu sein, von dem die meisten Leute nichts hören oder sehen wollten.
In Biologie lernten wir in Bezug auf den Zyklus zwar, dass wir uns vor einer Schwangerschaft schützen mussten, aber nicht, wie man erkennt, wann man überhaupt fruchtbar ist. Auch sagte uns niemand, dass es unterschiedliche Zyklusphasen gibt, die sich auf unsere Stimmung auswirken, und dass ein achtsamer Umgang mit alldem das Leben erheblich erleichtert.
Die Pubertät, mein erstes Jahrzehnt mit Periode und sexueller Aktivität, gestaltete sich bald als ein Durcheinander aus Neugier, Entdeckung, Scham und Verunsicherung. Ein Gedankenkarussell durch den Intimbereich: Ist es normal, fast jeden Tag Schleim in der Unterhose zu haben? Soll ich meine Schamhaare rasieren? Stinken Muschis wirklich nach Fisch (wie Jens aus der Parallelklasse behauptet)? Was mache ich gegen Regelschmerzen? Macht die Pille meine Brüste größer? Warum werde ich so wenig feucht? Wie komme ich beim Sex zum Orgasmus?
Es war nicht alles schlecht. Ich machte auch gute, spannende Erfahrungen, vor allem, je mehr sich die Teenagerjahre Richtung Zwanziger neigten. Doch es war mehr Trial & Error als eine auf Wissen basierende Herangehensweise. Das galt auch für die Verhütung, genauer gesagt für die Pille. Ich verband sie mit Verantwortung, Coolness und dem lang ersehnten Erwachsensein. Nicht cool fand ich, dass sich kurz nach Beginn der Einnahme meine Stimmung schlagartig verschlechterte. In den folgenden Jahren wurden mir verschiedene Präparate verschrieben, die mich – immerhin – zuverlässig vor einer Schwangerschaft schützten. Eines davon besonders effektiv, weil mir auch jegliche Lust verging. Die anderen hatten Zwischenblutungen, vaginale Trockenheit und Pilzinfektionen im Angebot. Bei Unterbrechungen merkte ich zwar, dass ich mich mit natürlichem Zyklus besser fühlte, doch einen endgültigen Weg ohne synthetische Hormone sah ich erst Jahre später.
Dass mein zweites zyklisches Jahrzehnt – also meine Zwanziger – von einem besseren Körpergefühl und damit auch immer erfüllterem Sexleben geprägt waren, verdanke ich meiner Cousine und einer Zufallsentdeckung. „Ich mache NFP“, erzählte sie mir, als ich kurz vor dem Abi stand und wir über Sex und Verhütung quatschten. Auf meine ratlose Nachfrage erklärte sie, die Abkürzung stehe für natürliche Familienplanung. Nur plante meine abenteuerlustige, 21-jährige, studierende Cousine eben keinen Nachwuchs, sondern die Vermeidung von ebenjenem durch die Beobachtung ihrer Aufwachtemperatur und ihres Zervixschleims. Dadurch konnte sie ihre fruchtbaren und unfruchtbaren Phasen voneinander abgrenzen und verwendete mit ihrem damaligen Freund nur für einen Teil des Zyklus Kondome.
Meine anfänglichen Vorurteile lösten sich auf, als ich das Grundlagenbuch des dahinterstehenden Forschungsteams las und erfuhr, dass hinter der Methode wissenschaftlich belegte Tatsachen stehen.[ii] Mit 21 wagte ich mich erstmals selbst daran – und kann mein Leben seitdem in ein Davor und ein Danach einteilen. Ich erlebte eine Offenbarung nach der anderen: Meine Vagina – beziehungsweise mein Zervixschleim – zeigte mir in Echtzeit, in welcher Zyklusphase ich mich befand! Ich konnte bei Erregung sehr wohl feucht werden, aber in manchen Zyklusphasen fiel es mir schwerer als in anderen, und das war normal! Ich konnte meinen Eisprung anhand der Signale, die mir mein Körper sendete, nicht nur herannahen sehen, sondern ihn auch im Nachhinein sicher bestätigen! Ich war schlichtweg begeistert. Endlich verstand ich meine Lust und war nicht mehr auf hormonelle Verhütung angewiesen, um mich sicher zu fühlen. (Aber auf Kondome, denn der Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionen war mir immer wichtig.) Ich schlief mit Männern und Frauen in und aus verschiedenen Ländern. Dabei begegnete ich den Lieben meines Lebens: Meinem jetzigen Mann – und mir selbst.
Erst jetzt, im dritten Jahrzehnt mit Zyklus, wird Schwangerwerden zu einer konkreten Idee, die schon ein paar Menschen in meinem Umfeld betrifft. Bei manchen ist es entspannt, bei anderen entsteht Druck, weil es nicht so schnell klappt wie gedacht. Wieder werden Zyklus und Zykluswissen zu wichtigen Faktoren: Nur, wer seine fruchtbaren Tage zuverlässig erkennt, kann sie optimal nutzen, statt womöglich daran vorbeizurechnen. Wer die Temperatur auswertet, erkennt außerdem, ob überhaupt Eisprünge stattfinden und ob die anschließende Lutealphase, also die Phase zwischen Eisprung und der nächsten Periode, lang genug für eine Einnistung ist.
Doch egal, ob mit oder ohne Kinderwunsch: Die Dreißiger sind auch das Lebensjahrzehnt, in dem wir mehr hinterfragen und für unsere Bedürfnisse einstehen – nicht nur, aber auch in Bezug auf unseren Zyklus. Wir nehmen nicht mehr hin, dass man Regelschmerzen „nun mal aushalten muss“. Wir wollen flexibler arbeiten, statt uns mit Krämpfen auf dem Bürostuhl zu krümmen. Aktivist*innen unterschiedlichen Alters fordern Aufklärung zu Krankheiten wie Endometriose und besseren Zugang zu Periodenprodukten und Verhütungsmitteln. Wir sprechen offener über unsere Sexualität und über den Sexismus, der sie uns nicht mehr vermiesen soll. Wir haben verstanden, wie schädlich Tabus und Unwissenheit sind. Wir stellen Fragen und suchen Antworten.
Einigen davon möchte ich mich in diesem Buch annähern. Wie beeinflusst das Zyklustabu unser Verhältnis zu unserem Körper – vor allem zu Vulva und Vagina – und zu unserer Sexualität? Wie wirken sich Unwissen und Scham auf Lebensbereiche wie den Arbeitsplatz und gynäkologische Versorgung aus? Wie können wir einen neuen Umgang mit Zyklus und Sexualität finden – individuell und in der Gesellschaft? Und: Was könnte entstehen, wenn wir ihn finden? Ich suche die Antworten anhand meiner eigenen Biografie, in Gesprächen mit Freund*innen und Familie, bei Expert*innen, in Wissenschaft und Literatur. Ich habe keine endgültigen Wahrheiten, ich will und kann nicht für alle sprechen, doch ich möchte anregen, sich den vermeintlichen Tabuthemen anders zu nähern. Neugierig und achtsam.
Denn: Viele Fragen und Probleme würden sich erübrigen, wenn wir besser über die zyklischen Zusammenhänge Bescheid wüssten. Der Zyklus ist nicht dafür da, uns das Leben schwer zu machen, sondern unsere Gesundheit zu erhalten – und uns anzuzeigen, wie es gerade um sie steht. Je besser wir diese Körperzeichen lesen können, desto mehr wird er vom Störfaktor zum Kompass. Wir lernen, mit normalen Schwankungen achtsam umzugehen, aber auch, gesundheitliche Warnzeichen zu erkennen und Diagnostik und Behandlung einzufordern.
Dasselbe gilt für die Sexualität: Wenn wir unseren Zyklus verstehen, können wir das Thema Verhütung wirklich frei angehen – und haben mehr nebenwirkungsfreie Methoden zur Auswahl. Wir erkennen, wie es um unsere Fruchtbarkeit und Eisprünge steht. Wir können einordnen, wie Lust, Feuchtigkeit und Vorlieben zyklisch variieren, und es kommunizieren, statt uns zu schämen oder uns selbst zu verurteilen. Klar ist allerdings auch: Für einen neuen Umgang mit Zyklus und Sex braucht es nicht nur individuelle Reflexion, sondern auch gesellschaftliche Veränderung. Deshalb werden in diesem Buch auch die Kontexte, in denen wir uns bewegen, beleuchtet – zum Beispiel Schulbildung, Beziehungen, Gesundheitssystem und Arbeitsplatz.
Sexualität gehört zu uns allen, von der Geburt bis zum Tod. Der Menstruationszyklus beschäftigt etwa die Hälfte aller Menschen mehrere Jahrzehnte lang. Das sollte Grund genug sein, einen gesunden Umgang mit diesen Themen anzustreben.
Ich schreibe dieses Buch für alle, die sich mit ihrem Körper (und ihrem Zyklus) wohlfühlen und ihn genießen wollen. Für alle, die nicht nur an sich selbst denken, sondern auch an ihre Freund*innen, Partner*innen, Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen. An Menschen im gleichen Haushalt und auf anderen Kontinenten. Für alle, die sich das Gleiche wünschen wie ich: eine empathische Gesellschaft, in der sich niemand für den eigenen Körper schämt.
Da du diese Zeilen liest, gehörst du vermutlich dazu. Dieses Buch soll dich inspirieren, dich zum Hinterfragen anregen. Dir Ideen geben, Tipps und die Freiheit, stets zu prüfen, was zu dir persönlich passt. Denn niemand, auch nicht dieses Buch, weiß das am Ende besser als du selbst.
Ich vermute, dass deine Erfahrung meiner in einigen Aspekten ähnelt – schließlich sind wir von gesellschaftlichen Sichtweisen auf den Menstruationszyklus, Körper und Sexualität geprägt. In manchen Punkten werden sie sich naturgemäß auch unterscheiden – wir sind unterschiedlichen Menschen begegnet, haben an unterschiedlichen Orten gelebt und unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Jedenfalls hoffe ich, dass du dir aus diesem Buch viel mitnehmen kannst – als Rückblick, Ausblick, als Leitfaden oder zur Horizonterweiterung.
Noch ein Hinweis zur Sprache, der mir am Herzen liegt: Nicht alle Frauen menstruieren, und nicht alle Menschen, die menstruieren, sind Frauen. Ich versuche, dies sprachlich abzubilden, in dem ich teilweise die Begriffe „Menschen“, „Menstruierende“ oder „Menschen mit Zyklus“ nutze. An einigen Stellen spreche ich aber auch von Frauen und Mädchen. Erstens, wenn ich Quellen zitiere – Studien, Texte oder Interviews. Bislang ist der Menstruationszyklus fast ausschließlich an cis Frauen erforscht worden. Bei Studien zu Verhütung und Sexualität wird meist in Männer und Frauen eingeteilt, womit in dem Fall cisgeschlechtliche Personen gemeint sind – also Menschen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Wir wissen nicht, wie die Zahlen und Ergebnisse für trans, inter* oder nichtbinäre Menschen aussehen – sie wurden bislang kaum erhoben. Zudem spreche ich manchmal von Frauen und Mädchen beziehungsweise Männern und Jungen, wenn es um gesellschaftliche Annahmen und stereotype Rollenbilder geht. Bisweilen nutze ich auch doppelte Nennungen wie „viele Frauen und Menschen mit Zyklus“. Denn der Menstruationszyklus betrifft nicht nur, aber überwiegend Frauen. Und das wiederum beeinflusst, wie mit dem Thema umgegangen wird.
Ich hoffe, dass du dich in diesem Buch gesehen und willkommen fühlst – ob du dich weiblich, männlich, nichtbinär oder ganz anders definierst. Und auch wenn du keinen Menstruationszyklus hast. Denn dann kannst du Menstruierenden ein wertvoller Ally (Verbündete*r) sein. Lies in dem Fall bitte großzügig darüber hinweg, wenn ich von „deinem Zyklus“ oder „deiner Periode“ spreche – so wie ich es tue, wenn ich Bücher über Penisse und männliche Sexualität lese.
Und jetzt: Let’s get to know your flow.
[1] Wie problematisch dieser Begriff ist, dass es beim ersten penetrativen Sex nicht bluten muss und dass das Hymen die Vagina nicht vollständig verschließt – all das würde ich selbst erst als Erwachsene lernen.
[i] Föhr, Rena (2018). Gemeinsam mehr Spaß. Spiegel Online, 9. Oktober. Abrufbar unter www.spiegel.de/gesundheit/sex/pille-kondome-sensiplan-diaphragma-verhuetung-geht-beide-an-a-1228991.html
[ii] Arbeitsgruppe NFP (2021): Natürlich und sicher, Trias Verlag.
„Zwei große Pluspunkte: Menstruierende fern der hetero cis Frau werden sprachlich und thematisch zu jeder Zeit inkludiert. Und auch die individuellen Körper- und Lebensrealitäten werden bei jedem noch so kleinen Tipp betont.“
„Sie hat einen Ratgeber geschrieben, der uns Frauen sensibilisieren soll, besser mit dem Rhythmus unseres Körpers zu leben.“
„So, wie ich mir Aufklärungsunterricht gewünscht hätte — es hinterlässt ein gutes Gefühl und ermutigt zu einem selbstbewussten Umgang mit dem eigenen Zyklus.“
„Ein wichtiges Buch für jede Bibliothek mit Büchern zu Frauenthemen und Sexualität.“
„Rena Föhr hilft Ihnen dabei, den Zyklus besser zu verstehen.“
„Ein empfehlenswerter Wegweiser für Zyklus, Sex und Achtsamkeit.“
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