Liebesnöter Liebesnöter - eBook-Ausgabe
Roman
„Eine spannende Story plus Lebenshilfe.“ - Freundin
Liebesnöter — Inhalt
Diese Augen auf dem Porträt sind seine Augen. Ella ist wie vom Blitz getroffen: Moritz’ Augen! Auf die war ihre Zwillingsschwester Inka damals hereingefallen – und hatte es mit ihrem Leben bezahlt. Seitdem ist Moritz wie vom Erdboden verschluckt. Doch wenn er einer schwedischen Malerin Modell gesessen hat, dann muss er noch am Leben sein. Neugier und Abenteuerlust flackern in Ella auf – und sie steigt spontan in einen Flieger nach Stockholm, um Moritz zur Rede zu stellen. Im Hotel angekommen, erliegt Ella aber erst einmal dem Charme des unwiderstehlichen Franzosen Roger… Liebe, Eifersucht und eine gesalzene Portion schwarzer Humor – der neue Roman aus der Feder der Bestsellerautorin Gaby Hauptmann!
Leseprobe zu „Liebesnöter“
Für
Doris, Gerd, Hanjo, Joe, Lesley und Tom und Hans Trümper
Abi 77
We’re older but not wiser,
For in our hearts the dreams are still the same
Dienstag
Der dicke Pinselstrich war ihr zu schwer, die Bilder zu düster, die Motive zu freudlos. Es passte irgendwie zu der Welt da draußen, dem Sprühregen vor den hohen Galeriefenstern und überhaupt zu ihrer Stimmung. Ella fragte sich, warum sie sich zu dieser Vernissage hatte überreden lassen. Sie kannte die Künstlerin nicht, sie wollte nichts kaufen, und eigentlich wartete sie nur auf Ben. Und das schon seit einer [...]
Für
Doris, Gerd, Hanjo, Joe, Lesley und Tom und Hans Trümper
Abi 77
We’re older but not wiser,
For in our hearts the dreams are still the same
Dienstag
Der dicke Pinselstrich war ihr zu schwer, die Bilder zu düster, die Motive zu freudlos. Es passte irgendwie zu der Welt da draußen, dem Sprühregen vor den hohen Galeriefenstern und überhaupt zu ihrer Stimmung. Ella fragte sich, warum sie sich zu dieser Vernissage hatte überreden lassen. Sie kannte die Künstlerin nicht, sie wollte nichts kaufen, und eigentlich wartete sie nur auf Ben. Und das schon seit einer halben Stunde.
Ella ließ ihren Blick über die anderen Gäste schweifen. Die üblichen Verdächtigen. Die einen, die ihren erhabenen Kunstverstand schon über die entsprechende Kleidung ausdrückten, die anderen, die wirklich an den Gemälden interessiert waren und weniger an der Marke des Sekts und der Qualität der Canapés. Und schließlich die Hobbymaler, die in Grüppchen vor einem Bild standen und leidenschaftlich diskutierten. Dazu gehörte normalerweise auch Ben. Er suchte immer das Gespräch mit dem Künstler, war brennend an dem Wie und Warum, der Technik und dem Impuls zu einem Werk interessiert. Doch heute war die Künstlerin nicht anwesend, ein schweres Unwetter hatte ihren Flug von Stockholm verhindert.
Ella überlegte, ob sie Ben darüber informieren sollte – vielleicht wollte er dann ja gar nicht mehr kommen, und sie könnte ihren Aufenthalt hier drastisch abkürzen? Sie war den ganzen Tag von einem Termin zum anderen gehetzt, war hundemüde und sehnte sich nach einem heißen Bad. Vielleicht würde es ihm ja reichen, wenn sie ihm einfach von ihren Eindrücken erzählte? Ella ging die Bilder ab, die sie noch nicht gesehen hatte, und trank dabei ihr Glas aus. Auch hier herrschten Düsternis und der breite Pinselstrich, fast schon wie mit dem Spachtel aufgetragen. Naturmotive, mystische Irrlichter, Wasser und Wälder. Die Bilder waren Ella unheimlich, unbestimmte Erinnerungen kamen hoch, schnell ging sie weiter. Die Gemälde auf der Rückseite der Stellwände hatten dagegen einen völlig anderen Charakter: abstrakter, bunt, farbig, heiter. Mädchen tanzten mit Blumenkränzen im Haar, die Sonne flirrte, man konnte ihr Lachen hören.
Gute-Laune-Bilder, dachte Ella. So etwas bräuchte sie eigentlich in ihrem Büro als Antidepressivum, wenn ihr mal wieder alles auf die Nerven ging. Sie zog ihr Handy heraus, um Ben anzurufen, und sah, dass er es auch schon versucht hatte. Offensichtlich hatte sie im Stimmengewirr das Läuten überhört. Ben teilte ihr per Mailbox mit, dass es im Büro eine Verzögerung gebe und er leider nicht kommen könne. Typisch Ben. Nie klappte eine Verabredung. Langsam nervte sie das wirklich. Nur ihm zuliebe war sie überhaupt hierhergekommen, und jetzt stand sie alleine da. Ärgerlich stellte sie ihr Sektglas ab. Nur keine schlechte Laune, versuchte sie sich beim Hinausgehen aufzumuntern, und wählte den menschenleersten Weg entlang einer Portraitreihe in Richtung Ausgang. Freu dich auf ein duftendes Bad, auf eine Auszeit, auf den gemütlichen Abend mit allem, was du dir selbst Gutes tun kannst. Sie hatte sich schon fast selbst von ihrer guten Laune überzeugt, da sah sie ihn. Sie sah ihn aus dem Augenwinkel, und eigentlich war es, als sähe er sie. Sie blieb stehen und hatte plötzlich das Gefühl, völlig alleine in dem Raum zu sein. Nur er und sie. Sie traute sich kaum, den Kopf nach ihm zu drehen, aus Angst, etwas zu sehen, was sie nicht sehen wollte. Was sie lieber nicht wissen wollte. Gleichzeitig fühlte sie, dass es dafür schon zu spät war. Sie schloss die Augen und trat auf das Bild zu. Dann zählte sie bis fünf und öffnete die Augen. Es war nicht wirklich er, eher das, was die Malerin in ihm gesehen hat. Große, braune, aufmerksame Augen, eine steile Unmutsfalte an der Nasenwurzel, einen leicht spöttischen Mund. Der Rest ging unter in breiten Pinselstrichen, die die Konturen des Gesichtes nur erahnen ließen. Trotzdem fuhr es Ella durch Mark und Bein. Sie schaute sich um, ob jemand ihr körperliches Erschrecken bemerkt hatte. Aber niemand schien Notiz von ihr zu nehmen. Sie trat einige Schritte zurück, betrachtete nun auch die anderen Portraits. Frauen, Männer, Mädchen – alle litten an diesem schweren Pinselstrich. Und trotzdem sah man immer ein Gesicht, mehr noch, man sah den Menschen dahinter.
Ella zwang sich zum Weitergehen, um das Bild im Kopf loszuwerden. Dann kehrte sie noch einmal um und versuchte, sein Portrait ganz nüchtern zu betrachten. Aber wieder packte es sie. Egal, wie sehr sie sich davon distanzieren wollte, es war schon da, ganz nah an ihr dran. Ihre Gänsehaut sagte ihr, dass er es war: Moritz. Eindeutig älter, aber das spielte keine Rolle. Es waren seine Augen, sein Mund. Und vor allem war es sein Blick, dieser Blick, der immer alles an sich ziehen wollte, der rätselhaft war und zugleich Vertrauen schenkte. Und schon wieder sahen diese Augen sie an und ließen sie einfach nicht los.
Als Ella zur Ausstellungstheke zurückging, spürte sie, dass er ihr nachschaute. Sie kaufte einen Katalog der Künstlerin. Aufgewühlt ging sie ein letztes Mal zu dem Portrait und fotografierte es mit ihrem Smartphone. Sie würde das Foto nicht anschauen können, das wusste sie schon jetzt. Alleine der Gedanke daran gruselte sie.
Es kam alles zurück. Vierzehn Jahre waren wie ein Tag. Die Angst, das Ziehen im Bauch, der quälende Gedanke, das Ereignis, das ihre Schulzeit so grauenhaft beendet hatte: der Tod von Inka, ihrer Zwillingsschwester.
Ella verließ die Galerie und wusste erst mal nicht, wohin. Wo hatte sie nur ihren Wagen geparkt? Als sie endlich hinter dem Lenkrad saß, zitterte sie am ganzen Körper, und es war ihr speiübel. Wo sollte sie hin? Mit wem konnte sie über dieses Bild, die ganze Geschichte sprechen?
Ihre Eltern waren damals durch die Hölle gegangen, sie konnte diese Wunde mit so einem Verdacht nicht wieder aufreißen. Und ihre beste Freundin Steffi war gerade für einige Wochen in Amerika, die fiel also auch aus. Und Ben? Er kannte den Fall, aber würde er ihr Glauben schenken? Bei einem abstrakten Portrait?
Ella ließ sich im Autositz zurücksinken und schloss die Augen. Die Bilder, die ihr durch den Kopf gingen, waren zu mächtig. Alles stürmte wieder auf sie ein. Ihre ausgelassene Abifeier am See. Sie hatten das große Bootshaus gemietet, überall hingen bunte Lampions, ein Lagerfeuer brannte, Musik dröhnte, und alle waren ausgelassen, feierten die neu gewonnene Freiheit, das Gefühl, es geschafft zu haben. Der Start ins Leben, keine Lehrer mehr, keine Zwänge mehr, keine Eltern mehr, „school’s out for summer“, so skandierten sie, „school’s out forever“. Die Aufbruchstimmung war gigantisch. Alkohol und Drogen taten ein Übriges, sie wussten kaum, wohin mit ihren Kräften, ihrem Überschwang, ihrer Leidenschaft. Achtundzwanzig junge Männer und junge Frauen machten die Nacht zum Tag.
Irgendwann zog sich der Erste aus und sprang nackt und mit viel Getöse ins Wasser, die anderen folgten ihm prompt. Das Wasser sah zwar unheimlich dunkel aus, aber es war warm und nicht besonders tief, sie planschten wie die Kinder, spritzten sich gegenseitig an, zogen sich unter Wasser, es war eine große Kinderei. Ella balgte sich mit Tom herum, einem Jungen aus ihrer Klasse, den sie schon immer gern gemocht hatte, und sie war nicht abgeneigt, heute Nacht mehr daraus zu machen. So bemerkte sie das lange Holzboot nicht, das von Moritz ins Wasser geschoben wurde, und sie wusste auch nicht, dass Inka mit ihm hinaus auf den See fuhr. Irgendwie hatte es niemand wirklich mitbekommen, weil alle viel zu sehr miteinander beschäftigt waren und Ella eben vor allem mit Tom. Erst als sie sich wieder um das Lagerfeuer kümmern mussten und Holz und getrocknetes Schilf suchten, fiel ihr auf, dass Inka nicht dabei war. Aber auch da dachte sie sich noch nichts. Das Lagerfeuer loderte auf, sie rückten alle näher zusammen und trockneten ihre nassen Körper. Die lodernden Flammen tauchten ihre nackte Haut in ein weiches, magisches Rot, und während die Flaschen kreisten, sangen und tanzten sie und glaubten, eins mit der Natur zu sein: rein, frei und ganz sie selbst.
Ella verschwand mit Tom hinter dem Bootshaus, das intensive Streicheln am Lagerfeuer verlangte nach mehr, und da die ersten Vögel zu singen anfingen, war klar, dass der anbrechende Morgen der besonderen Stimmung ein Ende machen würde. Sie hörte den Ruf, obwohl sie Toms Keuchen im Ohr hatte und selbst nichts anderes wollte als die Explosion in ihrem Kopf. Aber sie nahm Tom bei den Schultern. „Hör auf“, sagte sie. „Da stimmt was nicht!“
Überrascht hielt er inne und sah ihr ins Gesicht.
„Nicht gut?“
Sie schüttelte nur den Kopf, dann löste sie sich von ihm.
„Sie rufen Inkas Namen!“
„Dann lass sie doch!“ Tom wollte wieder in sie hinein, es auch zu Ende bringen.
„Nein, da ist was passiert!“ Ella schob ihn weg, bückte sich nach ihrem nassen T-Shirt, wickelte es sich um den Bauch und lief los. Am Lagerfeuer standen einige ihrer Freunde und redeten aufgeregt durcheinander.
„Da bist du ja!“, rief Ludger. „Inka ist wieder da“, rief er den anderen zu.
„Ich bin Ella!“
„Dann ist es Inka“, sagte er, und Schweigen breitete sich aus, dass es Ella die Körperhaare aufstellte.
„Was ist denn los?“
Kerstin, die Abitursbeste, rief: „Einer muss losfahren, den Krankenwagen alarmieren.“
„Das ist zu spät“, hörte Ella eine leise Stimme aus der Runde.
„Zu spät? Was? Wofür?“ Mit aufgerissenen Augen packte sie Ludger am Arm. „Was ist zu spät, Ludger, was ist los?“ Ella spürte es wieder, jedes Härchen richtete sich auf, ihre Hände hielten das Lenkrad krampfhaft umklammert, sie sah alles noch einmal vor sich, jede Einzelheit. Sie öffnete die Augen. Ihr Puls raste, und die Wagenscheiben waren von ihrem Atem beschlagen.
„O Gott“, sagte sie und fasste sich an die Stirn. Inka, wie sie tot im seichten Wasser lag, das gekenterte Boot und Moritz, von dem jede Spur fehlte.
Tagelang wurden das Wasser und die schilfreiche Umgebung nach ihm abgesucht, keiner wusste, was passiert war. War es ein Unfall? Und wenn ja, wo war Moritz abgeblieben? War er auch tot? Waren sie ertrunken, als sie sich liebten?
Erst nach der Obduktion kam die Polizei mit der schaurigen Wahrheit in Ellas Elternhaus, in dem jedes Lachen erstickt, jedes Gefühl gestorben war. Inka war unter Wasser gedrückt worden. Die Blutergüsse am Hals bewiesen es – Inka hatte gekämpft, sich gewehrt und dann doch zu viel Wasser in die Lungen bekommen.
Ein Fahndungsbefehl ging raus. Die Eltern von Moritz standen bei der Beerdigung ganz hinten. Keiner konnte zu ihnen hinschauen, und Ella fand es mutig, dass sie überhaupt gekommen waren. Aber auch sie konnte nicht zu ihnen gehen.
Doch Moritz’ Vater wollte es nicht wahrhaben, er holte Spezialisten, die im Wasser und im Schilf weiter nach seinem Sohn suchen sollten. Falls er tot irgendwo im Wasser trieb, wollte er ihn wenigstens beerdigen können, sagte Moritz’ Vater. Er musste Gewissheit haben. Aber Ella wusste, dass es ihm nicht nur um seinen Sohn ging, es ging ihm auch um seine Karriere. Die Wahl zum Landrat stand an, und Hermann Springer hatte gute Chancen. Er hatte einen Teil seines Lebens als erfolgreicher Geschäftsmann verbracht, die von ihm aufgebaute Firma sehr gut verkaufen können und war dann in die Politik eingestiegen. Er war jemand, wie man in der Kreisstadt sagte. Wenig später gewann er die Wahl, aber Moritz blieb verschwunden.
Ella wischte mit der Handfläche über die beschlagene Windschutzscheibe. Es schmierte, und sie sah weniger als zuvor. Wie dumm, dass Steffi ausgerechnet jetzt nicht da war. Sie hatte ihr damals Tag und Nacht zur Seite gestanden. Ohne sie hätte sie das Ganze wahrscheinlich überhaupt nicht überlebt. Steffi hatte ihr in stundenlangen Gesprächen zugehört und Trost gespendet, und wenn es auf die Frage nach dem Warum auch keine Antwort gab, so hatte das aufrichtige Mitgefühl doch gutgetan.
Ella nahm ihren Ärmel zur Hilfe. Schon besser. Zumindest konnte sie jetzt wieder etwas erkennen. Sie musste mit jemandem darüber reden. Sie musste zu Ben. Egal, was ihn heute im Büro hielt – sie hatte Vorrang. Dieses eine Mal war sie wichtig, nur sie.
Als hätte er es gespürt, hatte Ben ihr in dem Moment, als sie ihn anrufen wollte, eine SMS geschickt. Er sei nun auf dem Weg nach Hause und ziemlich erschlagen. Ob sie trotzdem noch kommen wolle?
Heute kannst du mich nicht abhalten, dachte Ella nur. Müde Männer sind zwar abtörnend, aber heute brauche ich eine starke Schulter, jemanden, der mich in den Arm nimmt, mir sagt, dass alles nicht wahr ist. Sie parkte nach hinten aus und hätte fast einen Laternenmast gerammt, weil sie durch das beschlagene Rückfenster nichts sah. Entnervt ließ sie alle vier Fenster nach unten gleiten. Regen und kalter Nebel waren immer noch besser als ein totaler Blindflug. Der Luftzug half, die Scheiben wurden langsam klar, und Ella fuhr los, noch immer wie betäubt.
Ben hatte sich eben ein Bier geholt und stand fragend vor ihr. Mit seinen fast zwei Metern sah er aus wie eine kleinere Ausgabe der Klitschko-Brüder. Breit und massig, nur sehr viel weniger Muskeln. Ben war mal Mehrkämpfer gewesen, hatte seinen Abschied vom Sport allerdings sehr wörtlich genommen: Seither brachte ihn Ella kaum noch zu einem Spaziergang. Wenn sie sich bewegen wollte, trabte sie meist alleine los.
„So, du glaubst also, das sei Moritz, obwohl das Bild sehr modern ist?“
Ella lehnte am Türrahmen, noch immer im Mantel.
„Es ist Moritz! Da bin ich mir ganz sicher!“
„Und wie soll das alles Sinn machen?“
Ben kickte den Verschluss auf und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. „Magst du auch eins?“, fragte er.
Ella schüttelte den Kopf. „Das weiß ich doch auch nicht“, sagte sie leise.
„Aber er ist doch ertrunken. Das hast du mir damals erzählt!“
„Er ist verschwunden!“, berichtigte Ella. „Ob ertrunken, wusste ja keiner, weiß noch immer keiner. Jedenfalls haben ihn ganze Suchmannschaften weder im See noch im Schilf oder sonst wo gefunden.“
„Aber dieser See ist ja auch sehr verzweigt und nicht so ganz ohne mit seinen tiefen, kalten Stellen. Kraterseen können durchaus gefährlich sein.“
„Ja, gut, aber wir waren ja auf der anderen Seeseite. Dort ist er flach und völlig harmlos.“
„Harmlos …“
Ben ging ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa plumpsen.
„Ben.“ Ella folgte ihm zögerlich und setzte sich neben ihn. „Ich brauch dich jetzt. Mir geht es nicht gut. Alles ist wieder da, ich habe vorhin im Auto jedes Detail vor mir gesehen!“
Er sah sie an, dann zog er sie zu sich und fuhr ihr mit seiner Hand übers Haar. „Wir werden dieses Moritz-Gespenst wieder vertreiben, und wenn er nicht gehen will, dann bekommt er es mit mir zu tun!“
Das Portrait verfolgte Ella die ganze Nacht und ließ sie keinen Schlaf finden. Sie hatte ihren Kopf auf Bens starke Schulter gelegt, das beruhigte sie, obwohl er längst im Tiefschlaf war. Glaubte er ihr eigentlich? Sie hatte ihm das Foto gezeigt, aber weil er Moritz nie gesehen hatte, war es für ihn nur ein abstraktes Bild.
Sollte sie zu Moritz’ Eltern gehen? Sie stellte sich das vor … nach vierzehn Jahren. Sie selbst war inzwischen vierunddreißig, arbeitete für eine Immobilienfirma, maklerte, vermietete und verkaufte Wohnungen. Ihr Leben war gesettelt. Hermann Springer war inzwischen im Landtag, strahlte und prahlte, seine Frau dagegen war immer weniger geworden. Sollte sie dieser Frau das Herz zusätzlich schwermachen? Sie hatte ihr einziges Kind verloren und kam, so hörte man, einfach nicht darüber hinweg. Vor allem nicht über die Ungewissheit.
Ella schlief der linke Arm ein. Sie musste sich drehen, aber damit würde sie ihre sichere Bastion aufgeben. Sie entschied sich trotzdem dafür, und Ben, der es im Schlaf gespürt haben musste, drehte sich gleich mit.
Sie konnte mit Ben nicht reden, zumindest nicht vernünftig. Steffi war auf diese Entfernung auch keine Stütze. Mailen? Skypen? Zu unpersönlich. Sie musste die Emotionen des anderen spüren, sie brauchte jemanden, der hier mit ihr fieberte. Um sechs in der Frühe schlief sie endlich ein, nur um eine Stunde später von Bens Wecker aus dem Schlaf gerissen zu werden. Sie spürte, wie er sich an sie drängte, und dachte, dass ein bisschen Morgensex gegen die ständigen Grübeleien gut sein könnte. Aber sie kam von den Gedanken nicht los – und dachte plötzlich: ganz genau wie damals mit Tom. Plötzlich spürst du, dass irgendetwas passiert, sich irgendetwas zusammenbraut, vor dem du nicht fliehen kannst.
Mittwoch
Ben stand schon an der Kaffeemaschine, als sie hinunterkam, und schob ihr einen fertigen Cappuccino hin.
„Du glaubst das wirklich“, sagte er und strich sich zwei Locken aus der Stirn. Das war sein Dilemma. Er wollte keine Locken, aber wenn die Haare etwas zu lang wurden, begannen sie sich zu kräuseln.
„Das hat nichts mit Glauben zu tun“, entgegnete sie. „Ich weiß es!“
Er kratzte sich am Kinn.
„Du bist eine schöne Frau“, sagte er unvermittelt.
Ella nickte. Das wurde ihr oft gesagt, dabei stimmte es nicht wirklich. Ihr Gesicht war asymmetrisch, ihre Augen lagen zu tief, aber irgendetwas in ihrem Gesicht schien die Menschen anzuziehen.
„Deine Rehaugen und dein voller Mund. Du schmollst immer, und man weiß nicht, warum“, fuhr Ben nachdenklich fort.
„Im Moment schmolle ich, weil du mir nicht glauben willst.“
Ben lachte. „Du schmollst nie. Das ist nur so ein Hingucker. Man glaubt das. Und es hat etwas Kindliches, vielleicht zieht das die Kerle an. Und dann wollen sie dir alle unbedingt eine Wohnung abkaufen, um zu zeigen, was für tolle Hechte sie sind.“
„Ist doch gut, davon lebe ich.“
Ben nickte. „Ja, aber es stimmt nicht. Vorspiegelung falscher Tatsachen. Du bist überhaupt nicht die Schwache, in Wirklichkeit überlegst du nämlich seit heute Nacht, ob du diesen Kerl suchen sollst.“
In dem Moment, als er es sagte, wusste Ella, dass er recht hatte. Er hatte erfasst, was sie sich noch nicht eingestehen wollte. Sie musste ihn suchen. Sie musste Moritz finden.
Der Tag brachte nur Absagen. Jeder Kunde hatte was zu nörgeln, und wenn ihm eine Wohnung gefiel, dann wollte er handeln. Ella kannte jede Facette ihrer Arbeit. Die einen versuchten heimlich den Eigentümer herauszufinden, um das Geschäft hinter ihrem Rücken abschließen zu können. Andere warteten bis zur letzten Sekunde und täuschten vor dem Notar einen entschlossenen Rückzieher vor, um den Makler zu erpressen und zu weiteren finanziellen Zugeständnissen zu zwingen. Es wird immer ekelhafter, dachte Ella, aber eigentlich war ihr das heute egal. Wichtig war nur, dass ihr Ben seine Begleitung zugesichert hatte. Ja, sie würden nach Stockholm fliegen und diese Künstlerin ausfindig machen. Im Katalog stand keine Adresse von Inger Larsson, und das Internet gab ebenfalls keine Adresse preis. Auf Facebook war sie nicht. Eine zurückgezogene, scheue Frau, so stand es auf Englisch in einem kurzen Artikel über sie zu lesen, aber mehr auch nicht – keine weiteren Angaben, kein Bild. Sie hatte mit der deutschen Galeristin telefoniert, aber auch die konnte nicht weiterhelfen. Inger Larsson sei von der schwedischen Kollegin sehr empfohlen worden, und da sie öfter mal einen Austausch hatten, habe sie sich über deren Biografie nicht weiter informiert. Sie wusste nur das, was man über seine ausstellenden Künstler im Normalfall wusste.
„Eine spannende Story plus Lebenshilfe.“
„Liebe, Eifersucht und schwarzer Humor stecken in diesem einmaligen Roman von Gaby Hauptmann.“
„Nicht nur ungeheuer spannend, sondern auch von prickelnder Leichtigkeit und dazu noch unerhört erotisch, wie schon der Name verrät: Liebesnöter. (...) Ein Buch voller psychologischer Raffinesse und zwillingshafter Verwirrung.“
„Eine Gaby Hauptmann, die für Spannung, Erotik und Unterhaltung sorgt, von der ersten bis zur letzten Zeile.“
„Hier verbinden sich Nervenkitzel und Romanze zur Geschichte einer Frau, die sich neu entdeckt. [...] Daumen hoch!“
„Süffig, mit dem ihr eigenen Witz und einer Prise schwarzen Humors, erzählt die Erfolgsautorin diese spannende Liebesgeschichte mit Krimielementen.“
„Federleichte Sommerlektüre.“
„Eine spannende Story plus Lebenshilfe.“
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