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LiES. Das zweite Buch LiES. Das zweite Buch - eBook-Ausgabe

Literatur in Einfacher Sprache

— Inklusion durch Erzählen in Einfacher Sprache

„Hier wird Literatur in ihrer Geformtheit ein Politikum, weil sie für alle ist und gleichzeitig große Themen verhandelt.“ - Logbuch

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LiES. Das zweite Buch — Inhalt

Literarische Inklusion: Der 2. Erzählungsband in einfacher Sprache

Dass Literatur nicht kompliziert oder wortgewaltig sein muss, hat die erste Sammlung von Geschichten in einfacher Sprache gezeigt. Und dass wir alle etwas lernen können, wenn wir uns auf diese besondere Art zu erzählen einlassen. Hauke Hückstädt hat das Experiment fortgesetzt. Immer mit dem unbedingten Wunsch, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollen, einen Zugang zur Literatur zu finden.

Die zwölf neuen Geschichten  eröffnen mit ihrer sprachlichen Einfachheit ungeahnte Weite und Tiefe. Ein Lesevergnügen für alle!

Von: Ferda Ataman, Christoph Biermann, Paul Bokowski, Elisa Diallo, Saskia Hennig von Lange, Miku Sophie Kühmel, Kristof Magnusson, Annette Pehnt, Tonio Schachinger, Sasha Marianna Salzmann, Julia Schoch, Wolfgang Schorlau

€ 20,00 [D], € 20,60 [A]
Erschienen am 23.02.2023
Herausgegeben von: Hauke Hückstädt
256 Seiten, Hardcover
EAN 978-3-492-07221-2
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€ 19,99 [D], € 19,99 [A]
Erschienen am 23.02.2023
Herausgegeben von: Hauke Hückstädt
288 Seiten
EAN 978-3-492-60426-0
Download Cover

Leseprobe zu „LiES. Das zweite Buch“

Amerika! – 
Von Elisa Diallo

Vor einigen Jahren habe ich eine Einladung nach New York bekommen.

Es war für die Arbeit.

Ich lebte damals in Paris, wo ich aufgewachsen bin.

In Amerika war ich vorher noch nie.

New York kannte ich nur von Filmen und vom Fernsehen.

Über die Einladung und die Reise freute ich mich.

Stolz war ich auch, und ich erzählte meinem Vater davon.

Mein Vater sagte:

In New York lebt der Cousin Hassimiou.

Wenn du dahin reist, musst du ihn besuchen.

„Cousins“ und „Cousinen“ nennt mein Vater alle Menschen, die aus demselben Dorf kommen wie er.

Aus dem [...]

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Amerika! – 
Von Elisa Diallo

Vor einigen Jahren habe ich eine Einladung nach New York bekommen.

Es war für die Arbeit.

Ich lebte damals in Paris, wo ich aufgewachsen bin.

In Amerika war ich vorher noch nie.

New York kannte ich nur von Filmen und vom Fernsehen.

Über die Einladung und die Reise freute ich mich.

Stolz war ich auch, und ich erzählte meinem Vater davon.

Mein Vater sagte:

In New York lebt der Cousin Hassimiou.

Wenn du dahin reist, musst du ihn besuchen.

„Cousins“ und „Cousinen“ nennt mein Vater alle Menschen, die aus demselben Dorf kommen wie er.

Aus dem Dorf in Guinea, in West-Afrika, wo er geboren ist.

Ich selber war noch nie in diesem Dorf.

Ich antwortete meinem Vater:

Hassimiou kenne ich aber doch überhaupt nicht!

Aber doch, sicher kennst du Hassimiou, sagte mein Vater und schaute streng dabei.

Der Cousin Hassimiou hat uns mal besucht, erzählte er.

Er hat bei uns auf dem Sofa geschlafen.

In unserem Wohnzimmer. Er blieb tagelang.

Erinnerst du dich jetzt?, fragte mein Vater.

Aber das war lange her.

Ich war damals noch ein Kind, ich konnte mich nicht erinnern.

Vielleicht auch deshalb nicht, weil Hassimiou nicht der einzige Cousin war, der uns besucht und bei uns auf der Couch geschlafen hatte.

Papa hat viele Verwandte, und die reisen alle viel.

Von den vielen Besuchen konnte ich mich hauptsächlich an das Durcheinander erinnern, in unserer kleinen Wohnung.

Das Sofa war aufgeklappt, und irgendein Cousin, irgendeine Cousine lächelte mich an, als ich in der Früh ins Wohnzimmer reintapste.

Im Schlafanzug noch. Bevor der Tag anfing.

Meine Mutter schimpfte über das Durcheinander.

Mir gefiel das Durcheinander.

Es fühlte sich ein bisschen so an, als wären auch wir auf der Reise.

Mit den Cousins und Cousinen sprach mein Vater in der Sprache seines Dorfes.

Es war die Sprache seiner Eltern.

Die Sprache, die auch die Cousins und Cousinen alle sprachen.

Ihre Geheimsprache.

Mir hatte mein Vater die Sprache seiner Eltern nicht beigebracht.

Ich konnte nur Französisch.

Mein Vater meinte, dass das genug war.

Ich aber wollte insgeheim seine Sprache lernen.

Denn ich wünschte mir auch eine Geheimsprache.

Stattdessen musste ich mich langweilen, wenn mein Vater in der Sprache sprach, die ich nicht verstand.

Nicht nur wenn die Cousins und Cousinen zu Besuch waren, sprach er in seiner Geheimsprache.

Sondern oft auch am Telefon, mit anderen Verwandten.

Er telefonierte dann immer sehr lange.

Ich langweilte mich und träumte mich weg, bis er fertig war.

Mein Vater ließ nicht locker wegen des Besuchs in New York.

Er drohte mir fast und sagte streng:

Wenn du den Cousin Hassimiou nicht anrufst, werde ich das tun.

Ich mache das schon, antwortete ich.

Ich werde Hassimiou eine E-Mail schreiben.

Wir werden zusammen in New York einen Kaffee trinken.

Aber nur kurz.

Danach werde ich mir in Ruhe New York ansehen.

Ich schrieb dem Cousin Hassimiou eine E-Mail.

Er antwortete sofort.

Er schrieb zurück, dass er sich über meinen Besuch freute und dass er mich in New York vom Flughafen abholen würde.

Ich wäre lieber mit einem Taxi zum Hotel gefahren.

Mit so einem gelben Taxi wie im Fernsehen.

Aber das traute ich mich nicht zu antworten.

Ich schrieb Danke zurück, wir sehen uns also am Flughafen.

Meine Flugnummer und meine Ankunftszeit schrieb ich auch noch dazu.


Dann flog ich.

 

Ich freute mich sehr auf New York.

Die Fifth Avenue. Times Square. Broadway.

Die Freiheitsstatue.

New York war doch die Stadt, wo alle willkommen sind.

 

Trotzdem hatte ich ein bisschen Angst im Flugzeug.

Sie werden mich befragen, fürchtete ich.

Mich stundenlang beäugen und befragen.

Ich fühlte mich verdächtig.

So fühlen sich viele Menschen aus Afrika, wenn sie reisen.

Ich selbst komme nicht aus Afrika, aber mein Vater schon.

Und das sieht man mir an.

Vielleicht muss ich am Ende sogar zurück, dachte ich noch im Flugzeug.

Von New York werde ich nur den Flughafen sehen, wenn sie mich zurückschicken.

Die weißen, kühlen Fliesen am Boden des Flughafens.

Eine solche Geschichte hatte ich schon mal gehört.

Vielleicht von meinem Vater.

Vielleicht war einem seiner Verwandten so etwas schon mal passiert.

Der Flug dauerte sechs Stunden.

Sechs Stunden lang hatte ich Angst.

 

Aber am Flughafen ließen die Sicherheitsleute mich durch. Ganz selbstverständlich.

Sie befragten mich ganz und gar nicht.

Nach der Kontrolle holte ich meinen Koffer ab.

Auch das ging schnell.

Kurz danach stand ich vor einer Glastür.

Hinter der Tür standen viele Menschen.

Die meisten hielten Schilder mit Namen drauf.

Namen der Personen, auf die sie warteten.

Die sie abholen wollten.

Manche hatten aber auch nur ein Lächeln dabei.

Alle warteten auf jemanden.

Einer dieser Menschen wartete auf mich.

Das war der Cousin Hassimiou, und ich sah ihn sofort.

Die Tür öffnete sich, und er sah mich auch.

Er war klein. Seine schwarze Lederjacke war zu groß für seine schmalen Schultern, für seine dünnen Arme.

Er lachte mich an, und ich lachte auch.

Ich war froh, ihn erkannt zu haben.

 

Wir küssten uns auf die Wangen, einmal rechts, einmal links, dann fuhren wir los.

Im Auto schaute ich aus dem Fenster. Ich war aufgeregt. Ich war in New York!

Aber die Aussicht auf der Schnellstraße war enttäuschend. Die Stadt war nicht so beeindruckend, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Häuser fand ich klein. Es waren kaum Menschen zu sehen. Die Straßen waren schmutzig und außerdem kaputt. Wie verletzt. Voller Löcher. Mit dem Auto holperten wir von Loch zu Loch. Ich fragte Hassimiou, ob das normal sei, aber er lachte nur und sagte: Amerika ist das reichste Land der Welt, aber die Straßen hier sind schlimmer als in Guinea!

 

Während ich aus dem Fenster schaute, erzählte Hassimiou.

Er erzählte viel, den ganzen Weg lang.

Er erzählte von den Tagen, als er bei uns gewohnt hatte, in Paris.

Ich log und sagte, dass ich mich gut daran erinnern konnte.

Als er bei uns auf dem Sofa schlief.

Dann erzählte er, dass er damals am liebsten geblieben wäre.

Nicht bei uns auf dem Sofa, sondern in Paris, wo sein Onkel, also mein Vater, lebte.

Der Onkel, so nannte Hassimiou meinen Vater stets beim Erzählen.

Er war ein Vorbild für die Jüngeren aus Guinea.

Der Onkel war in die Welt gegangen und hatte studiert.

Er hatte eine gute Arbeit und eine Familie, und das in Paris.

In Europa.

 

Das wollten alle Cousins und Cousinen auch, die noch in Guinea lebten. Hassimiou hatte auch studiert, er hatte Zeugnisse und Diplome, er hatte große Pläne.

Aber in Paris durfte er nicht bleiben.

Deshalb war er in Amerika gelandet. In New York.

Hier durfte er bleiben. Hier lebte er inzwischen schon seit über zehn Jahren. Er sagte, dass er nicht zurückgehen würde. Nach Guinea.

Er würde nie zurückgehen.

In New York fühlte er sich frei.

Ich fragte nicht nach.

Ich fragte nicht warum.

Ich konnte mir vorstellen, warum.

 

Nach ihm waren viele Cousins und Cousinen nach New York gekommen, erzählte Hassimiou weiter.

Es war immer die gleiche Geschichte:

Die Cousins und Cousinen in Guinea hatten studiert, sie wollten nach Paris gehen, um dort zu arbeiten.

Dazu brauchten sie die Erlaubnis vom französischen Staat.

Genauer gesagt: ein Visum.

Das Visum mussten sie bei der französischen Botschaft in Guinea beantragen.

In dieser Botschaft arbeiten Franzosen.

Sie kümmern sich um Dinge, die für Franzosen in Guinea wichtig sind.

Und um Dinge, die für Menschen wichtig sind, die aus Guinea nach Frankreich wollen. Zum Beispiel ein Visum.

Das taten sie also alle, ein Cousin nach der anderen Cousine.

Sie machten einen Termin bei der französischen Botschaft.

Sie sammelten alle Papiere, die sie für das Visum brauchten:

ihre Geburtsurkunde, also der Beweis, dass sie geboren wurden.

Der Beweis, dass es sie wirklich gab.

Sie sammelten auch ihre Diplome.

Sie ließen außerdem den Onkel in Paris einen Brief schreiben.

In dem Brief erklärte er, dass er sich um die Cousins und Cousinen kümmern würde, falls sie in Paris keine Arbeit finden würden.

Sie sammelten noch mehr Unterlagen, als nötig war.

Sie sammelten so viele Unterlagen, wie sie nur konnten.

Die Unterlagen waren Beweise.

Damit wollten sie zeigen, wie gut, wie fleißig sie waren und dass sie es verdienten, in Paris zu arbeiten.

Dann warteten sie lange.

Sie warteten und warteten, warteten und warteten.

Sie beklagten sich nicht über das lange Warten, weil sie auch zeigen wollten, wie geduldig sie waren.

 

Aber zu allen Cousins und Cousinen sagte der französische Staat, also die Mitarbeiter in der französischen Botschaft:

Nein. Ihr bekommt kein Visum, um in Paris zu arbeiten.

Es war dem französischen Staat egal, wie viele Diplome sie hatten.

Es war dem französischen Staat egal, dass sie fleißig waren und dass in Paris ein genauso fleißiger Onkel auf sie wartete.

Und dass sie so lange so geduldig gewartet hatten: Das war auch egal.

 

Die Cousins und Cousinen wollten aber unbedingt weg aus Guinea und raus in die Welt.

Deshalb versuchten sie bei der amerikanischen Botschaft, ein Visum zu bekommen.

Dort zeigten sie ihre Diplome.

Dort erklärten sie ihre Pläne.

Dort bekamen sie ein Visum.

 

Mittlerweile lebten viele meiner Cousins und Cousinen in New York.

Ich würde sie alle kennenlernen, sagte Hassimiou.

Die ganze Familie in New York.

 

So viel Zeit hatte ich nicht.

Ich hatte die Arbeit, und ich wollte New York sehen.

Aber ich sagte nichts.

 

Wir fuhren weiter.

Es dauerte ungefähr eine Stunde vom Flughafen bis nach Manhattan.

Wir fuhren über eine Brücke.

Hassimiou zeigte mit der Hand nach links und sagte: Dort liegt Manhattan. Ich sah einen Wald von sehr hohen, schlanken Gebäuden, die im Sonnenlicht glänzten.

New York!

New York, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Dann zeigte Hassimiou nach rechts und sagte:

Dort ist die Bronx. Dort wohnen wir alle.

Die Cousins, die Cousinen und ich.

Die Bronx ist ein Teil von New York, so wie Manhattan.

Über die Bronx hatte ich aber Schlechtes gehört. Schlimme Dinge.

Ich fragte meinen Cousin, ob es nicht gefährlich sei, in der Bronx zu wohnen.

Er lachte noch einmal.

Die Bronx ist sehr groß, sagte er dann.

Es gibt schöne Teile und Teile, die nicht schön sind.

Aber das ist in Manhattan auch so.

In der Bronx gibt es eine Universität, sagte er noch.

Dort war er selbst Lehrer. Lehrer für Mathematik.

Die Bronx ist ein schöner Ort zum Leben, erklärte er weiter, aber ich kann meine Studenten nicht gut leiden.

Warum, fragte ich.

Sie sind faul, antwortete er.

Sie haben nicht gelernt, fleißig zu sein.

In Guinea sind die Schüler allesamt viel fleißiger als die Studenten hier, in New York.

Vielleicht, weil die Schüler in Guinea wissen, dass sie viele Diplome und viele Papiere brauchen, um später ein Visum zu bekommen.

Herausgeber Hauke Hückstädt im Interview

Für den Leiter eines Literaturhaus ist es auf den ersten Blick nicht gerade naheliegend, sich mit Einfacher Sprache zu beschäftigen, wenn man doch klassischerweise mit anspruchsvoller und entsprechend komplexer Literatur zu tun hat. Wie kamen Sie und ihr Team darauf?

Am Beginn war eine Frage. Die Stabstelle für Inklusion der Stadt Frankfurt, mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration im Rücken, kam zu uns und fragte: Literatur mit weniger Barrieren, was fällt dem Literaturhaus Frankfurt dazu ein? Und da wir nicht dafür bekannt sind, die Ghettoisierung der Literatur, die Parzellierung der Genres, Sparten und Publika voranzutreiben, wussten wir schnell, was wirklich dringend fehlt.

Welche gesellschaftlichen Gruppen sind es, denen mit Einfacher Sprache ein Zugang zur Teilhabe am literarischen Geschehen eröffnet werden muss?

Wir haben versucht, uns mit dieser Fragestellung den Weg nicht zu verstellen. Das Ziel ist einzig, so wenig Menschen wie möglich auszuschließen. Also keine harte Tür. Bildungsfern, bildungsnah, alt, jung, fit oder gebrechlich, blind oder taub, hochbegabt oder tiefenbegabt, Vielleser oder Youtube-Watcher, Feuilleton oder Twitter, Internat oder Palliativstation, Feinkost oder Supermarkt. All diese Zuschreibungen und Besitzstandsstempel sollen einmal außer Kraft treten. Statistisch wissen wir, jeder vierte Mensch in Deutschland kann nicht besonders gut lesen, jeder zwölfte ist auf Einfache Sprache angewiesen.

Was haben Sie es geschafft, so viele namhafte Schriftstellerinnen und Schriftsteller dazu zu bringen, sich auf das Schreiben in Einfacher Sprache einzulassen?

Das war leicht. Künstler wissen, dass die Kunst am Ende ist, wenn sie nichts mehr probiert, nichts wagt, wenn sie sagt: Wir sind fertig. Literatur für ganz Viele? Gab es nie, brauchen wir nicht! Alle, die dabei sind, waren sofort dabei. Alle hatten Lust auf einen Aufbruch, auf das Auflösen von Abgrenzungen, auf Lesergewinnung statt Leservertreibung. Wir können doch nicht jährlich einen millionenfachen Leserschwund bejammern und gleichzeitig hinnehmen, dass es für 20 Millionen Menschen quasi kein literarisches Textangebot von angesagten Gegenwartsautoren gibt. Und hier ist jetzt ein Verlag, der das verlagsübergreifend auch so sieht, und mit Autoren vorstellt, die bei Suhrkamp, Hanser, S. Fischer, Matthes und Seitz und Rowohlt zuhause sind.

Gibt es etwas, das sich in Einfacher Sprache besser ausdrücken lässt?

Alles ist gekürzt um Längen besser, schrieb einmal der Dichter Arne Rautenberg. „Ich liebe dich!“ kann bei sehr vielen Gelegenheiten passender sein als ein Klopstock-Zitat oder rührseliges Rumgeeiere! Oder um ein Beispiel aus dem Buch zu nehmen: Julia Schoch hat sehr berührend, sehr einfach und zum Verlieben nummerisch über Liebe und Schmorgurken geschrieben.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für Literatur in Einfacher Sprache?

Es gibt über 20 Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum, die nicht gut lesen können. Spricht man da im Marketing von „Potential“? Für mich ist es das Desiderat der kommenden Jahrzehnte. Bei Enzensberger hieße das, die Lücke, die der Teufel lässt. Eine Lücke, die wir schließen können.

Wie haben sie gemeinsam definiert, was mit Einfacher Sprache gemeint ist?

Wir haben die Autoren versammelt und sie haben nach einem Tag Arbeit, auch zusammen mit einer Fachlektorin für Einfache Sprache, eigene Regeln aufgestellt. Dieses knappe Dutzend Regeln kommt von keiner Behörde. Die Regeln gehorchen nicht den strengen Kriterien der Einfachen oder gar Leichten Sprache. Aber sie sind ein Gerüst, hinter dem nunmehr viele wundergute Texte entstehen.

Sie lauten wie folgt:

10 Regeln für Literatur in Einfacher Sprache

1. In den Texten können wir erfinden.

2. Wir schreiben Texte von 20 Minuten Vorleselänge. (Diese Regel galt für die öffentliche Lesung, nicht jedoch für die gedruckten Texte.)

3. Wir benutzen einfache Wörter.

4. Wir schreiben einfache Sätze.

5. Wenn wir Sprachbilder verwenden, erläutern wir diese.

6. Wir vermeiden Zeitsprünge.

7. Wir erzählen aus nur einer Perspektive.

8. Wir gliedern unser Textbild anschaulich.

9. Möglichst wenige Hauptwörter!

10. Möglichst viele Verben!

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„Hier wird Literatur in ihrer Geformtheit ein Politikum, weil sie für alle ist und gleichzeitig große Themen verhandelt.“

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