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Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle

Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle - eBook-Ausgabe

Alexandra Kilian
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Ein Selbstversuch in 100 Kontaktanzeigen

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Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle — Inhalt

100 schräge Erlebnisse mit Kontaktanzeigen und Online-Profilen.

Der „jung gebliebene Akademiker“ heißt Horst, wohnt bei Mama und unterrichtet freies Klöppeln an der Volkshochschule in Wunsiedel. Die „sexy Juristin“ studiert im 32. Semester und riecht nur deshalb so streng, weil die fünf Mitbewohner ihrer Drei-Zimmer-Kommune das warme Wasser aufgebraucht haben. Hinter blumigen Kontaktanzeigen und verlockenden Online-Profilen verbergen sich oft wahre Juwelen – ein Sammelsurium sympathischer Neurotiker!

€ 3,99 [D], € 3,99 [A]
Erschienen am 03.04.2017
256 Seiten
EAN 978-3-492-98261-0
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Leseprobe zu „Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle“

ALLEM ANFANG WOHNT KEiN ZAUBER INNE


MANN OHNE GRILL TRIFFT


„Sven“, „Lars“ und „Ölle“. So hießen sie, die Möbel in der heilen Mittelstandswelt Süddeutschlands, in der ich aufgewachsen bin. Einfamilienhaus, Wallfahrtskirche, jeden Sonntag Rinderroulade mit Knödeln. Die Orte um unser Dorf herum hatten so klangvolle Namen, wie „Oed“, „Au“ oder schlicht „Wiese 1“. In der latent inzestuösen Enge meiner oberbayerischen Heimat war die Singlebörse Nr. 1 das Dorffest. Dating war hier unbekannt. Man traf sich auf dem Platz, trank Bier aus großen Krügen, und wenn man [...]

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ALLEM ANFANG WOHNT KEiN ZAUBER INNE


MANN OHNE GRILL TRIFFT


„Sven“, „Lars“ und „Ölle“. So hießen sie, die Möbel in der heilen Mittelstandswelt Süddeutschlands, in der ich aufgewachsen bin. Einfamilienhaus, Wallfahrtskirche, jeden Sonntag Rinderroulade mit Knödeln. Die Orte um unser Dorf herum hatten so klangvolle Namen, wie „Oed“, „Au“ oder schlicht „Wiese 1“. In der latent inzestuösen Enge meiner oberbayerischen Heimat war die Singlebörse Nr. 1 das Dorffest. Dating war hier unbekannt. Man traf sich auf dem Platz, trank Bier aus großen Krügen, und wenn man genug getrunken hatte, griff man nach der Banknachbarin und war dann ein Leben lang verheiratet.
In meiner neuen Heimat Berlin heißt das Dorffest Zitty und ist ein Stadtmagazin. „Der Michael“ springt mir gleich ins Auge. Nein, ich suche nicht nach Männern. Und „Michael“ ist auch kein Möbelstück aus dem Hause Ikea. Obwohl, vielleicht ja doch? Michael ist Toilettensklave. Als „Lebendtoilette Michael“ bietet er alles an, was eine Toilette kann. Ja, alles. Kostenlos. „K.f.I. “ – keine finanziellen Interessen. Und wenn man auf die Nase drückt, spült er?
Dann gibt es da noch „Horst, 55 (aber jünger aussehend)“, der nach „einem Studenten (bis 30)“ sucht, der ihn (gegen Taschengeld) ›gefühlvoll von hinten …‹
Ich blättere um und freue mich zum ersten Mal, dass ich schon über 30 bin.
Erst jetzt erkenne ich, wo ich mich befinde. Die Rubrik nennt sich „Harte Welle“. Und ich wurde gerade unter ihr begraben. Ich wühle mich durch zwei Seiten Freaks und das, was man in meinem Dorf „pervers“ nennt und hier, na ja, sagen wir „lebendige Szenekultur“. Ich nenne sie „F-D-P-Fraktion“: Freaks, Deppen, Perverse.
Heute Abend bin ich in der realen Welt eingeladen. Zur Grillparty bei einer Kollegin in Kreuzberg.
„Biste nich von hier, wa?“
Das ist auf dieser Party hier so der Standardspruch, wenn ich einen Satz sage, in dem ein „r“ vorkommt. Das rolle ich scheinbar ein bisschen. Oder auch ein bisschen viel. Am schnellsten verrate ich mich, wenn jemand wissen will, was ich in Berlin mache. „ Ich absolvierrrre gerrrrade das jurrrristische RRRReferrrrendarrrriat“, so klingt das dann in Berliner Ohren.
„Biste nich von hier, wa?“ – „Nee, bin ich nicht.“
Eigentlich sollte ich auf dieser Party ja eine Frau kennenlernen, aber die ist wohl noch nicht hier. Dabei ist es dringend mal wieder Zeit für eine Freundin, denke ich mit einem Glas Wodka Bull in der Hand und schaue in die Runde. Muss ja nicht gleich eine für immer sein. Bei den Juristinnen habe ich mich schon mal umgesehen. Aber die sind alle so furchtbar kompetent. Und ein Rechthabenwoller in der Familie reicht eigentlich.
Gleich mal vorweg: Der Dating-Crack bin ich nicht gerade. Beim Online-Dating bin ich ungefähr das, was Reiner Calmund in der 400-Meter-Staffel der Hürdenläufer ist. Irgendwas zwischen „the Biggest Loser“ und „der Schwiegerschreck“. Eigentlich ist diese moderne Liebeswelt etwas ziemlich Armseliges, denke ich. Geht das nur mir so? Die Kreuzberger Altbauwohnung füllt sich langsam mit schönen Menschen …
„Komm, ich stelle sie dir vor“, reißt mich Kollegin Sarah mit dem „Ich-habe-alles-im-Griff“-Lächeln aus meinen Gedanken. Gott, Verkupplungen sind so scheiße, denke ich und klammere mich im Geiste an der Bar fest.
„Welche ist es denn?“, frage ich leise. „Die Blonde mit den großen Brüsten “, schnarrt mich jemand von der Seite an. Alle wissen Bescheid. Nur ich nicht. Na toll.
Dann sehe ich sie.
Ach, die Hunziker ist auch hier?, schießt es mir durch den Kopf. Groß, blond. In der Tat. Auf die Brüste zu starren schaffe ich leider nicht. Noch nicht. Die knallblauen Augen lenken zu sehr ab.
Die Hunziker heißt Alexandra, und sympathisch ist sie auch. Auf den ersten Blick vielleicht etwas zu sehr Schicki-Micki-Perlhuhn-Fraktion für meinen Geschmack. Typ: Hannoveraner Hochadel. Doch das rückt in den Hintergrund, als sie zu reden anfängt: von deutscher Geschichte, ihrer Arbeit als Redakteurin und von sich. Sie ist solo. Schon seit sechs Jahren. Das ist auffällig lang. Haltbarkeitsdauer überschritten?, frage ich mich. Für eine hübsche junge Frau ist das eigentlich kein Zustand.
Während ich mit ihr rede, geht es mir kurzzeitig wie Raj, dem indischen Austauschstudenten aus der Sitcom The Big Bang Theory. Sobald eine Frau vor ihm steht, bekommt er keinen Ton mehr heraus – außer, er säuft sich vorher mutig. Bei Alexandra müsste er sich ins Halbkoma getrunken haben. Immerhin, ein paar Worte schaffe ich noch.
„Sag mal, sechs Jahre ohne Freund, heißt das auch sechs Jahre ohne Sex?“ – „Milosz!“, sagt sie und schiebt noch ein entrüstetes „Frechdachs“ hinterher. „Und bei dir? Bist doch auch solo.“ – „Hey, und mich darf man das fragen, ja?“ – „Ja.“ – „Ich lerne viele Frauen kennen, ja.“ – „Ach.“ – „Ja.“ – „Na ja, unter euch Referendaren scheint das ja auch ganz gut zu funktionieren … Wie ich hörte, hattest du gerade erst was mit einer Kollegin, die hier auch auf der Party ist“, sagt sie. – „Echt?“, frage ich, im Geiste Sarah erwürgend, „wer sagt denn so was?“ – „Ist klar. Also jedenfalls käme so was bei mir nicht infrage“, sagt sie, „halbe Sachen sind nichts für mich – entweder ganz oder gar nicht.“ – „Na, mit der Einstellung wird’s aber auch nicht leichter, wieder jemanden zu finden“, sage ich. – „Den Richtigen findet man wahrscheinlich nur mit der richtigen Einstellung“, sagt sie. – „Und wenn ich dir jetzt einfach erzählen würde, ich sei auf der Suche nach der Frau fürs Leben?“, frage ich. – „Dann würde ich jetzt natürlich noch drauf reinfallen, Milosz.“ – „Ja, stimmt, ich hätte es einfach tun sollen.“ – „Nee, authentisch bleiben ist immer besser. “
Ja – und immer unwirksamer. Die hat doch keine Ahnung, denke ich und sauge am Wodka. Beziehungsweise sollte sie sich überhaupt erst mal selbst auf ein Date oder zumindest einen Flirt einlassen, bevor sie mich vollquatscht – laut Sarah ist sie da ja völlig, sagen wir, unbedarft. Oder sollte ich tatsächlich mit folgendem, authentischen Steckbrief auf die Suche nach der Frau fürs Leben gehen?


Mann mit Grill


Leben
Erst Kuhdorf mit 4000 Einwohnern im Chiemgau. Dann Dorf mit zwei Millionen (München). Jetzt: Berlin-Friedrichshain. Alter Ostbezirk. In einer Zeitung war mal folgende Beschreibung des Viertels zu lesen: eine interessante Mischung aus Touristen, Studenten und Drogenopfern.


Arbeit
Ein Jahr McDonald’s Traunstein. Zwei Jahre Versicherungsvertreter. Jetzt Jura-Knecht, Möchtegernschriftsteller, Teilzeitrevoluzzer und Liebestheoretiker.


Liebe
Zwei oder drei „1 Jahr + x “-Beziehungen. Urlaubsflirts in Osteuropa (nein, nicht dafür bezahlt).


Frauen sind toll. Aber eine allein und für immer? Dafür gibt es zu viele spannende Menschen in Berlin. Vielleicht später. Ich will erst mal „nette Bekanntschaften“ machen. Krampfhaft nach der perfekten Frau suchen bringt sowieso nichts.


Bisherige Kennenlernorte
Bierbänke auf dem Dorffest. Bierbänke auf dem Oktoberfest. Bierbänke im Biergarten. Unter Bierbänken.


Größter Vermögensbesitz
Ein rostiger weißer Golf III mit 75 PS, der während der Fahrt gerne ausgeht.


Weltanschauliche Überzeugungen
Bin der Albtraum-Mann von Alexandra.
Will die Idee der Erwerbsarbeit überwinden …
… und nebenbei die eigene bürgerliche Existenz ( sowie die Aussicht auf eine Erbschaft) durch das Schreiben von Büchern zerstören.


Größte Lebenslüge
Na gut, der Golf ist auf Mama zugelassen.


Wie wohl der Steckbrief von Alexandra aussähe? Ich werde mir ihre Suche nach „dem Richtigen“ jedenfalls nicht entgehen lassen – ihre Nummer hab ich mir schon mal gesichert. Obwohl: Die lässt doch sowieso keinen an sich ran …


FRAU OHNE KOHLE


Kann sich bitte einfach jemand auf mich drauflegen. Geht das. Nur kurz, nur nackt. Gut, am besten schon für länger. So ein paar Jahre, wenn’s geht. Ach was, für immer. Nicht das mit dem Drauflegen jetzt, aber das mit dem da sein. Sechs Jahre ist es her, dass ich das erlebt habe. Zu intensiv, zu stark war die Liebe zu meinem ersten Freund. Und zu groß der Bruch, der dann kam. Seitdem: Arbeit, Familie, Freunde, Sport, Arbeit, Familie, Freunde, Sport … Das ist schön, zweifellos. Aber eben nicht alles.
„Wo bleibt denn jetzt der Prinz mit seinem scheiß Gaul?“, steht auf einer Postkarte an meiner Badezimmertür. Die übrigens meine Mutter da hingeklebt hat. Klar, so ein Lord Langweilig würde sich vorzüglich zu Fürstenberg-Porzellan und Fliegergroßvater-Besuch an der Kaffeetafel der Eltern machen. Und weder Vater noch Bruder – Oberstarzt und Offiziersjurist der Reserve – müssten weiterhin mit der Dienst-Schrotflinte im Anschlag für Ordnung in meinem nicht vorhandenen Liebesleben sorgen.
Nachdem ich Milosz kennengelernt habe, weiß ich, dass ich was ändern muss. Nicht, weil er was für mich wäre. Nein. Dafür waren mir die Fragen zu doof und die Blicke zu selten im Gesicht. Und auf Sarahs „Linda-de- Mol“-Verkupplungsaktionen reagiere ich grundsätzlich allergisch. Aber vielleicht sollte ich mich doch einfach mal auf dieses ganze Daten einlassen, um jemanden zu finden. Milosz scheint das ja Spaß zu machen. Auch, wenn es nicht immer funktioniert – wie bei mir. Aber neugierig, wie er das so anstellt mit dem Daten, bin ich ja schon. Vielleicht sollte ich mich hin und wieder mit ihm treffen, ihn ausfragen? Reine Recherche natürlich, ist klar. Meine Nummer hat er ja jetzt, dann kann er sich ja melden. So ganz unsympathisch ist er ja auch nicht, der Milosz. Und er hat ja auch recht. Wird Zeit, dass ich mich mal wieder etwas öffne.


Ein Blick auf Finya.de – und ich entscheide mich gegen die Suche über Online-Portale. Ziemlich abartig, wie das da abläuft. „ Stimmungsindikator “, Lieblingsmarken, Ranglisten der „attraktivsten Mitglieder“, Sofortsuche, „wenn’s mal schnell gehen soll“ und „MatchClick-Wörter“. Fehlen nur noch „So fotografiere ich mich am liebsten nackt“, Penisgröße und „MatchFick-Wörter“. Und das „Ein Klick = Hunderte Treffer“ schreckt dann auch eher ab. Ich will keine 100 Treffer. Mir reicht einer.
Warum dann also nicht traditionell, so wie ich es mag, wie ich erzogen wurde – per Gesuch in einer Zeitung. Die gab es früher, die gibt es heute, das kann sich doch nur bewährt haben. Und ich gebe zu, neugierig, wer hinter diesen Texten steckt, war ich schon immer. Ich erinnere mich da an einen Schnipsel aus der Welt am Sonntag, den ich ein halbes Jahr mit mir herumgeschleppt habe. „ Prinz möchte dich auf sein Gut in den Süden entführen“ oder so ähnlich stand da geschrieben. So viel zu Lord Langweilig. Aber: Echte Prinzen gibt es nicht. Höchstens Foffis. Und nach Süddeutschland will ich auch nicht. Berlin ist die Stadt, in die ich mich verliebt habe. Fehlt nur noch jemand, mit dem ich sie einatmen kann.


Nur die Liebe zahlt




„Traummann in Spitzenposition, aus renommierter Akademiker-Familie stammend, 38, 1,92 Meter. Ein begehrter junger Mann … beruflich international ausgerichtet, der gelernt hat, Verantwortung zu übernehmen – in jeder Hinsicht. Seine Interessen sind breit gefächert, er pflegt einen kultivierten Lebensstil, ist musikalisch, liebt Puccini und Verdi, Wandern (bis zum Gipfel) … mediterrane Küche, ein stilvolles Ambiente, Sonnenaufgänge und Sport … tendiert eher zu einem guten Buch als zur Disco. Sind Sie die stilvolle junge › Lady ‹, intelligent und begeisterungsfähig, mit ebenfalls gutem Background, dann sind Sie Ihrem Glück jetzt ganz, ganz nahe.“


Ganz nah, ja. Nur einen Afternoon Tea im Kempinski am Ku’damm und 1500 Euro entfernt. Denn der „Traummann“ hat seine Anzeige über eine internationale Ehe- und Partnervermittlungsagentur schalten lassen. Über eine der bekanntesten in Deutschland. In überregionalen Qualitätszeitungen grinst einem die Chefin des Ladens unter der Rubrik „Kennenlernen“ mit glänzend dunkler Mähne und strahlend weißen Beißerchen entgegen.
Ich schreibe ihr eine Mail, stelle mich vor. Einen Tag später ruft sie an. Ob wir uns denn nicht mal in Ruhe zusammensetzen wollen, sie würde mich gern kennenlernen, sagt sie. Ah ja, „kennenlernen“. Machen wir. Und verabreden uns für den nächsten Sonntag im Fünf-Sterne-Haus nahe Berlins historischem Prachtboulevard.
Als ich die Lobby betrete, sitzt die Chefin schon parat. Im beigen Kostüm mit passendem Perlenohrringbehang nippt sie am Wasserglas und begutachtet meine Ankunft über ihre schmale Brille hinweg. Wohlwollend, offenbar. Sie springt auf und begrüßt mich mit einem sahnigen „Wie schön, dass es geklappt hat“ im Flötenton. Ich nehme im Ohrensessel neben ihr Platz. Nachdem die ersten Floskeln ausgetauscht sind, will sie mehr von mir wissen.
Und kaum beginne ich, dieser Fremden mein Innerstes auszubreiten, hat sie schon ihren Platin-Kuli gezückt und schreibt fleißig mit. Zwischendurch hebt sie immer wieder ihren Kopf und sagt Dinge wie: „Aber Sie sind doch bestimmt auch romantisch“ oder „Und neben der Oper mögen Sie doch sicher auch Kunst, oder?!“ Und noch während ich antworte, setzt sie fleißig ein Häkchen nach dem anderen auf ihr Papier. So entsteht innerhalb von vielleicht zehn Minuten ein Bild von mir, das sie als „Exposé“ bezeichnet. Das kannte ich bislang zwar nur von der Wohnungssuche, aber gut.
Als wir schließlich mit der Datenerhebung durch sind, erklärt mir die Chefin, wen sie denn so alles „im Pool“ habe. Da sei der Italiener aus Luzern, mit dem breitesten Lächeln, das sie je gesehen habe, der sei ja sehr wählerisch, aber ich würde ganz bestimmt in sein Raster passen. Und sie habe ja auch viele, viele Prominente unter ihren Kunden, ach, ich würde mich ja so gut im Rampenlicht machen, ein neuer Haarschnitt hier, ein bisschen mehr Schminke da … Und schon sei ich der geborene Celebrity. Sie habe auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich dann mal ihren Namen vor der Presse fallen lassen würde, so oft schaue sie in Bunte und Co. und
ärgere sich, dass niemand wisse, wer Fußballer X mit Friseurin Y zusammengebracht habe.
Und falls das nichts für mich sei, ja, dann habe sie da auch noch den Professor aus München. Der sei zwar schon ein bisschen älter, aber geistig noch topfit. Und der wünsche sich eine unter 30-Jährige, so wie ich es sei, die könnte sich dann Kinder von ihm machen lassen. Und, na ja, was seien schon 30 Jahre Altersunterschied bei einem derart intelligenten Mann. Überhaupt, die ganzen Prominenten, die hätten sogenannte VIP-Verträge mit ihr und dürften die Exposés der neuen Frauen immer als Erste sehen. Ach ja, sie könne mir bestimmt einige interessante Männer vorstellen, ob mit Haus an der Côte d’Azur oder in den Schweizer Bergen, ja, ja. Und so flötet sie vor sich hin, während sie fast beiläufig ein weiteres Blatt Papier aus ihrer lammledergefütterten Ringbuchmappe zieht.
„Persönliche Vereinbarung“ steht da drauf. Und: „Der Auftraggeber beauftragt das Institut, ihn bei der Wahl eines passenden Partners zu unterstützen.“ Und unter Punkt sechs steht dann: „Für die oben genannten Tätigkeiten des Instituts zahlt der Auftraggeber ein einmaliges Honorar in Höhe von 3781,51 Euro. Plus Umsatzsteuer 718,49 Euro, Gesamtbetrag 4499,00 Euro.“
Ein Schnäppchen quasi. Als die Chefin der Agentur meinen durchaus irritierten Blick bemerkt, streicht sie augenblicklich die Zahlen auf dem Papier durch und sagt: „Ach, Sie sind ja so eine Süße, wissen Sie, ich mache Ihnen ein besonderes Angebot. Meinen ›Teenie-Vertrag‹.“ Sie wolle nur sagenhafte 1500 Euro von mir. Das sei im Vergleich zu ihren VIP-Kunden, die bis zu 30 000 Euro zahlen – oder auch zu dem Ehepaar aus dem Penthouse an der Alster, das gerade seine Tochter über sie vermitteln lassen wolle –, ja verschwindend wenig. Ich reagiere immer noch nicht. In Gedanken freue ich mich über meine Eltern. Die wollten mich noch nie prostituieren.
Ja, weiter könne sie jetzt aber wirklich nicht runtergehen, sagt die Agenturchefin, irgendwie müsse sie sich ja finanzieren. Als ich zaghaft nach dem „jungen Mann, der Puccini und Verdi liebt,“ – wegen dem ich mich eigentlich gemeldet hatte – frage, sagt sie: „Ach, ja, der Marco, hm, ja, das ist ein toller Mann. Aber, hm, ja, den habe ich gerade erst vermittelt, also der ist raus.“
Ja, ich dann auch. Eine Woche später bekomme ich eine E-Mail. „Sehr geehrte Frau Kilian, gern würde ich zu Ihrem persönlichen Glück beitragen. Vielleicht kommen wir irgendwann doch noch zusammen. Herzliche Grüße. “
Guten Gewissens schaue ich nach „normalen“ Männern.

Über Alexandra Kilian

Biografie

Alexandra Kilian, geboren 1985, arbeitet als Redakteurin für Stadtleben, Reportage und Stil in der Welt/Welt am Sonntag und Berliner Morgenpost. Seit 2016 lebt sie in London und ist als UK-Korrespondentin für die Funke Mediengruppe, den Feinschmecker (Jalag), B-EAT, SALON (Gruner + Jahr) und die...

Über Milosz Matuschek

Biografie

Milosz Matuschek, geboren 1980, ist freier Journalist, Essayist und Autor. Er bloggt über moderne Liebe und Dating.

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