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Mitternachtssonne über Alaska Mitternachtssonne über Alaska

Mitternachtssonne über Alaska Mitternachtssonne über Alaska - eBook-Ausgabe

Dieter Kreutzkamp
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Im Kajak westwärts zum Beringmeer

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Mitternachtssonne über Alaska — Inhalt

Auf drei großen Flüssen Alaskas bis ans Ende der Welt. Abenteuerliche 5000 Kilometer legt Dieter Kreutzkamp im Kajak auf dem Yukon, dem Kuskokwim und dem Noatak River zurück. Sein Ziel: das Beringmeer, jene legendäre Nahtstelle zwischen Ost und West. Hier verläuft die Datumsgrenze. Hier kamen vor mehr als 10.000 Jahren die ersten Menschen auf den amerikanischen Kontinent. Kreutzkamp begibt sich auf die Spuren von Klondike-Goldsuchern und Forschungsreisenden. Trifft auf Lachsfischer, weiße Trapper, Yup'ik-Inuit, Karibuherden und Grizzlybären. Bezwingt Stromschnellen und sintflutartige Regenmassen. Und lässt uns so an der Faszination des Nordlands teilhaben.

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 14.09.2015
304 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40565-2
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€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 14.09.2015
304 Seiten
EAN 978-3-492-96973-4
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Leseprobe zu „Mitternachtssonne über Alaska “

Prolog: Der Umweg ins Herz Alaskas

Alles, was schieflaufen konnte, war danebengegangen. Ich saß im südafrikanischen Kapstadt fest!

Das Containerschiff, das meinen Lkw nach einer Trans-Afrika-Expedition nach Südamerika bringen sollte, war plötzlich ausgefallen. Verschiffungsalternativen ließen sich kurzfristig nicht auftreiben. Was tun?! Vielleicht etwas ganz Verrücktes, Spontanes … etwas, das mir seit einer ganzen Weile im Kopf herumschwirrte. Ich wollte wieder einmal im Boot quer durch Alaska paddeln. Nun packte ich die Gelegenheit beim Schopfe …

Alaska [...]

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Prolog: Der Umweg ins Herz Alaskas

Alles, was schieflaufen konnte, war danebengegangen. Ich saß im südafrikanischen Kapstadt fest!

Das Containerschiff, das meinen Lkw nach einer Trans-Afrika-Expedition nach Südamerika bringen sollte, war plötzlich ausgefallen. Verschiffungsalternativen ließen sich kurzfristig nicht auftreiben. Was tun?! Vielleicht etwas ganz Verrücktes, Spontanes … etwas, das mir seit einer ganzen Weile im Kopf herumschwirrte. Ich wollte wieder einmal im Boot quer durch Alaska paddeln. Nun packte ich die Gelegenheit beim Schopfe …

Alaska ist für mich wie eine zweite Heimat. Ich hatte dort gelebt und lange Kanutouren zum Beringmeer unternommen. Eine weitere Reise zu der Schnittstelle zwischen Russland und Amerika war sowieso geplant.

Ich stellte meinen Lkw in Namibia unter und flog von Windhoek über Johannesburg, Dubai und Seattle nach Vancouver in Kanada. Ein Greyhoundbus brachte mich über Nacht ins Okanagan Valley, wo seit Jahren ein Pickup-Camper auf mich wartet. Herrlich! Ich brauchte mich nur in den Truck zu setzen, den Zündschlüssel zu drehen, und die Welt gehörte mir!

Mein Zwischenziel lag 6000 Kilometer entfernt in Zentralalaska. Eigentlich war Frühling … aber ich fuhr ja in die Eisbox Amerikas. Während ich dem Alaska Highway nordwärts folgte, bewegte ich mich wie mit einer Zeitmaschine zurück in den nur unwillig weichenden Winter.

Doch als ich Anfang Juni Fairbanks im Herzen Alaskas erreichte, schien die Sonne dort sogar noch um Mitternacht. Beste Bedingungen, meinen in Kapstadt geschmiedeten Plan in die Tat umzusetzen: anderthalbtausend Kilometer von der Mitte Alaskas bis zum Beringmeer zu paddeln.

Pionierland am Polarkreis

Spitze Zungen behaupten, Fairbanks habe seine eigenen vier Jahreszeiten: Juni, Juli, August und Winter. Neun Monate lang hat die Kälte Zentralalaska fest im Griff, während der übrigen drei Monate zieht der Sommer alle Register.

Während ich um Mitternacht versuchte, Schlaf zu finden, donnerten schwere Harleys im Schein der tief stehenden Sonne auf dem Johansen Expressway an mir vorbei. Zur Zeit des Sommerintermezzos spielt die Natur verrückt. Und manch anderer auch: Kaum ein Biker trägt einen Sturzhelm. Um dem Gefühl von grenzenloser Freiheit noch einen draufzusetzen, tauschen die meisten den moderaten Harley-Auspuff gegen brüllend laute Edelstahlrohre. Schalldämpfer sind überflüssiger Ballast!

Ich blinzelte durch die Jalousie meines Pickup-Campers über den Walmart-Parkplatz, auf dem die Besatzungen von zwei Dutzend Motorhomes und Pickup-Campern übernachteten.

Alaska ist anders. Einerseits das entlegene Anhängsel im hohen Nordwesten des amerikanischen Kontinents, aber zugleich auch 49. Staat der USA und somit Magnet für Aussteiger, Naturfreaks und Abenteurer aus den lower 48, den südlichen US-Bundestaaten. Vor allem, seitdem man dem Alaska Highway die Krallen gestutzt und ihn durchgehend in ein breites Asphaltband verwandelt hat.

Im Sommer dreht Alaska auf; auch nach Mitternacht war im Walmart-Einkaufszentrum noch Shopping angesagt. Auf den Parkbänken am Chena River-Ufer lümmelten ein paar Burschen, die Flasche hochprozentigen booze in Packpapier verborgen. Während die vorbeifahrenden Autos über die noch offenen Frostaufbrüche des letzten Winters polterten, schlurfte ein gebeugter Mann auf Krücken in die Mecca Bar, an deren Fenstern aufgeregt rote Lämpchen flackerten.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht sackte die Sonne kurz unter den Horizont. Drei Stunden später stach sie mir bereits wieder in die Augen. Ich blinzelte, rappelte mich hoch und warf einen Blick auf meine „Kuskokwim-Notizen“. Was man in Kapstadt durchaus als Schnapsidee bezeichnen konnte, hatte mittlerweile konkrete Züge angenommen. Ein mail plane von Wright Air Service, eins dieser Postflugzeuge, die entlegene Buschdörfer mit Briefen, Paketen und auch sonst dem Nötigsten versorgen, würde mich morgen um 14 Uhr von Fairbanks in die winzige Wildnissiedlung Lake Minchumina am Rande des Denali National Park bringen. An klaren Tagen würde ich von dort die schneebedeckten Riesen der Alaska Range sehen.

Ich kannte die Wildnis nordwestlich des Mount McKinley gut, hatte dort zwei Jahre gelebt, war im Winter mit Schlittenhunden und im Sommer mit Kanu und Kajak in der Wildnis unterwegs gewesen. Eine Wildnis, die noch vor 150 Jahren ausschließlich von den Minkhotanas bewohnt worden war. Lake people, „Seemenschen“, wie dieser Athabasken-Stamm sich selbst bezeichnete. Dann drangen die ersten Weißen in ihr Gebiet vor; Trapper und Goldsucher. Es dauerte noch bis Ende der 1920er-Jahre, bis das erste Flugzeug den Lake Minchumina erreichte. Erst der Bau des Alaska Highway während des Zweiten Weltkriegs und die militärische Sicherung Alaskas gegen japanische Angriffe brachten nennenswerte Veränderungen an den Lake Minchumina; Fluglandebahn und ein Flugleitsystem wurden gebaut. Die technische Weiterentwicklung machte Letzteres überflüssig, doch die Landebahn blieb. Heute lebt nur noch gut ein Dutzend Menschen im Ort Lake Minchumina. Eine davon ist unsere Freundin Carol.

Fluss der Superlative

Von den 32 längsten Flüssen der USA fließen acht durch Alaska. Und der längste aller amerikanischen Ströme, die noch ungezähmt und frei von Staustufen und Dämmen durchs Land fließen, ist der Kuskokwim River. Natürlich steht er ein wenig im Schatten des legendären Yukon, doch eines haben beide gemein: Sie durchtrennen die Mitte Alaskas und münden nicht allzu weit voneinander entfernt zwischen dem 60. und 63. Breitengrad ins Beringmeer. Auf den Kuskokwim hatte ich es jetzt abgesehen.

Ich liebe es, fast geräuschlos im Rhythmus des Paddelschlags die Wildnis zu durchstreifen. Gemeinsam mit Juliana, meiner Frau, hatte ich zahlreiche Flüsse in Nordamerika bereist: Mehrere Sommer lang waren wir auf dem Churchill River zur Hudson Bay unterwegs, später im Kielwasser des Pelzhändlers Alexander Mackenzie zum Nordpolarmeer – eine Kanureise von nonstop 88 Tagen. Vor nicht allzu langer Zeit paddelte ich 2600 Kilometer im Seekajak durch die Inside Passage der nordamerikanischen Westküste von Alaska bis Vancouver.

Und nun der Kuskokwim.

Was reizte mich an diesem Fluss? Ich hatte ihn noch nie befahren, und ich wusste, dass sein Oberlauf – der North Fork – durch menschenleere Wildnis führt. Ab der Siedlung Medfra trägt er offiziell den Namen Kuskokwim. Jetzt bereits ein mächtiger Strom, ist er die Lebenslinie für einige indigene Völker Alaskas, die Athabasken und Yup’ik. Nach insgesamt 1500 Kilometern mündet der Kuskokwim bei Bethel ins Beringmeer.

Nach dem Flop mit der Verschiffung hatte ich mit unserer Freundin Carol per E-Mail Kontakt aufgenommen. Seit Jahren lebt sie in der Mitte Alaskas am Lake Minchumina. Viele gemeinsame Erlebnisse und Abenteuer verbinden uns. Sie war es, die mich vor Jahren „auf den Hund“, genau genommen den alaskischen Husky, gebracht hatte. Am Ende zog ich mit einem zwölfköpfigen Schlittenhundeteam 5000 Kilometer durch Alaska. Später war ich mit Carol im Faltboot vom Lake Minchumina aus über Kantishna und Tanana River zum Yukon gepaddelt. Das Boot wartete bei ihr auf neue Abenteuer …

Als ich noch in Kapstadt war, hatte mein Plan so ausgesehen: Rund 500 Kilometer würde Carol mich zur Buschsiedlung McGrath begleiten. Später sollte Juliana von Deutschland dorthin fliegen, um die letzten 1000 Kilometer bis zum Beringmeer gemeinsam mit mir zurückzulegen.

Weit schwieriger aber war es, von Lake Minchumina aus an den Oberlauf des Kuskokwim, den North Fork, heranzukommen. Es existieren weder Straßen noch Wanderpfade. Ich erwog, ein Wasserflugzeug zu chartern, das auf dem Fluss oder einem der angrenzenden Seen landen könnte. Was allerdings ein tiefes Loch ins Reisebudget reißen würde.

Eine andere Idee war verlockender. Wir könnten das Faltboot während der letzten Wintertage mit Motorschlitten über die gefrorene Tundra zum Quellwasser des North Fork Kuskokwim schaffen lassen. Dort würde es bis zum Sommer auf den Beginn unserer Paddeltour warten.

All diese Ideen flitzten atemberaubend schnell im E-Mail-Format zwischen Alaska, Deutschland und Südafrika hin und her. Bis eines Tages Carol schrieb: „Meine Trapperfreunde warnen wegen der Bären! Hungrig und neugierig wie sie nach dem Winterschlaf sind, ist das empfindliche Kajak für sie ein gefundenes Fressen.“ Was im Klartext hieß: „Meister Petz wird das Faltboot mit Zähnen und Krallen zu Kleinholz machen!“

Der Winter in Alaska näherte sich bereits dem Ende. Doch ohne Schnee und demzufolge ohne Motorschlitten gab es keine preisgünstige Transportmöglichkeit fürs Boot. Wir mussten uns entscheiden.

„Lass uns mein Kanu nehmen. Fiberglas ist für Bären weniger verlockend“, las ich eines Tages in Carols E-Mail.

Dabei blieb es. Tom Green, Carols Nachbar, Trapper und Blockhüttenbauer, hängte das Kanu hinter seinen Motorschlitten und schleppte es auf einem Wintertrail zum Startpunkt unseres Kuskokwim-Abenteuers.

Der Wintertrail war im Juni natürlich verschwunden, doch die Schlittenkufen hatten über die Jahre auch auf dem Boden Spuren hinterlassen. Schwer beladen würden wir ihnen folgen und uns durch knietiefe Tundra schlagen. Zum Glück war das Wetter stabil; trocken und sonnig. Das sollte sich bald ändern …

Die Ankunft des Postflugzeugs

Ein Taxi brachte mich zum Fairbanks Airport. Noch immer schien die Sonne auf Zentralalaska. Der Fahrer hatte die Fensterscheibe heruntergedreht, kühler Wind strich mir übers Gesicht, während wir auf die University Avenue South abbogen, die zu den Hangars auf der Rückseite des International Airport führt. Hier befinden sich die Bush Airlines, die das Herz Alaskas mit ihrem Service am Schlagen erhalten. Die in ihren kleinen ein- und zweimotorigen Maschinen im Winter neben Passagieren genauso selbstverständlich Schlittenhunde wie im Sommer Ölfässer oder Baumaterialien transportieren.

Bruce, etwa vierzig Jahre alt, vor einem Jahr beim Militär ausgeschieden, jobbte jetzt als Taxifahrer. Von meinem Flugziel Lake Minchumina hatte er noch nie gehört.

Mit den „Alaskanern“ ist das so eine Sache: Die wenigsten sind hier geboren. Viele kommen mit dem Militär, dessen Präsenz in Alaska unübersehbar ist. Andere ziehen wegen guter Jobperspektiven hierher, darunter auch schwarze US-Bürger und viele Immigranten aus Asien und Mexiko. Der „Lockruf des Geldes“, die jährliche Ausschüttung der Öldollars aus dem Alaska Permanent Fund in Höhe von mehr als 1000 Dollar pro Person, sorgt für zusätzliche Anreize. Und so wächst die Bevölkerung Alaskas, vor allem im Großraum Anchorage, mit einem Anflug von Humor auch als „Vorort von Seattle“ bezeichnet. Denn Seattle und der nahe gelegene Hafen Bellingham sind seit dem Klondike-Goldrausch wichtigste Sprungbretter für Alaska.

Leute wie Bruce werden in Alaska umworben. McDonald’s bietet für Alaskas aktive Soldaten und Veteranen zehn Prozent Preisnachlass auf alles in seiner Frittenbude. Auch andere Anbieter locken mit Rabatten. Aber im Busch Alaskas zu leben, kann Bruce sich nicht vorstellen.

Er half mir, das Gepäck zum Schalter zu tragen. Native Americans waren im Warteraum in der Mehrheit, ich sah nur wenige Weiße.

Pünktlich um 14 Uhr zündete der Pilot die beiden Motoren der orange-weißen Piper Navajo. Außer mir war nur ein Passagier an Bord. Der rückwärtige Teil der Flugkabine war bis unter das Dach mit Strohballen für Schlittenhunde vollgestopft.

Die Motoren brüllten, die Piper Navajo vibrierte, beschleunigte und hob ab. Ein Gespräch mit meinem Nachbarn war jetzt unmöglich. Ich lehnte den Kopf gegen das Fenster und sah, wie die Randgebiete von Fairbanks fast nahtlos in Tundra übergingen. Spektakuläre Berge sucht man hier vergebens. Aber auch die Hügel Zentralalaskas lagen jetzt in düsterem Grau. Mit einem Mal war das Wetter umgeschwenkt, die Wolken hingen tief. Darunter huschten Seen, kleine Flüsse, hier ein Stück Tundra, dort Taiga unter mir vorbei. Eben noch hatte mein Nachbar mit dem Handy gespielt, jetzt schlief er. Vor mir in der Kanzel sah ich die Hände des Piloten über Schalter und Tasten gleiten. Der Himmel über mir und das Land unten waren nun noch grauer geworden. Noch immer flogen wir über Tundra und Wälder. Seit einer halben Stunde hatte ich keine Straße mehr gesehen. Und in der Richtung, in die wir jetzt flogen, lagen die nächsten Straßen jenseits des Beringmeeres in Sibirien oder Japan. In seinen Ausmaßen, der Einsamkeit und Weite, seinem extremen Klima, seiner geologischen Unruhe, seiner wilden Topografie mit eisbepackten Riesen, Vulkanen, schier endlosen Tundren und stillen Wäldern fordert Alaska die Menschen immer wieder heraus.

Aber deswegen war ich ja zurückgekommen.

Das Grau unter mir war jetzt fast schwarz, denn hier hatte unlängst das Beaver Log Lakes Fire gewütet. Mit apokalyptischer Wucht war das Flammenmeer auf Lake Minchumina zugewalzt. „Jetzt liegt alles in Gottes Hand“, hatte Carol mir damals gemailt. Doch der hatte ein Einsehen und nur wenige Hundert Meter vor ihrem Blockhaus das 260 Quadratkilometer große Buschfeuer gestoppt. 150 firefighters hatten zu diesem Zeitpunkt Quartier am See bezogen.

Das Dröhnen unserer Maschine hatte sich verändert; Landeanflug. Die Ufer des Lake Minchumina huschten unter mir hinweg. Der Pilot flog eine Kontrollschleife und stellte sicher, dass kein Elch die Runway kreuzte. Einen Moment lang schüttelte sich die Piper Navajo, als die Räder den Schotterboden berührten. Dann brüllten die Motoren auf, und die Maschine stand.

Die Ankunft des Postflugzeugs war wie immer ein besonderes Ereignis. Mit einem Lächeln, „breit wie der Yukon“, begrüßte Carol mich. Tom Green lud sperrige Güter auf sein Quad, ein vierrädriges, extrem geländegängiges Fahrzeug, hier four wheeler genannt. Seine Frau Penny überwachte das Ausladen der übrigen Fracht. Lisa, die postmistress des kleinen staatlichen Postamts, nahm Briefe und Pakete entgegen. Alle waren gut drauf, scherzten. Kurz tauchte Ray Wildrick auf, neben dessen Trapperhütte am Kuskokwim unser Kanu für die erste Flussetappe wartete. Wir schüttelten uns die Hände.

Binnen weniger Minuten war ich wieder drin im Leben Busch-Alaskas. Carol hatte bereits ein an sie adressiertes Päckchen geöffnet und verzehrte genüsslich Weintrauben. „So leben wir“, schmunzelte sie mit einer ausladenden Handbewegung, „und das nicht schlecht!“ Kürzlich hatte sie ein paar Pfund Bärenfleisch an Freunde in Fairbanks geschickt, die sich nun mit Obst revanchierten. Carol nennt das bartering, Tauschhandel.

Ich schnappte meinen schweren Rucksack und folgte ihr in das kleine Dorfmuseum, einen Nebenraum im Postgebäude. Adlerfedern und ausgestopfte Vögel lagen hier neben gebleichten Tierschädeln von Marder und Bär. Ich sah Felle von Wölfen und Bibern. Ein farbenfroher Gobelin mit Schlittenhundmotiven schmückte die Wand. Zettel mit Carols von harter Arbeit ungelenk gewordener Handschrift erläuterten die Exponate. In einer Kladde, die als Gästebuch dient, hatten Kinder dankbare Grüße hinterlassen.

Das Museum ging auf Carols Initiative zurück. „Jeder hier im Ort packt mit an“, erklärte sie, als wir in die neben der Post liegende Bücherei gingen. So wie ein paar andere Gemeindemitglieder bringt auch sie sich ehrenamtlich als Bibliothekarin ein. „Wir sind gut ausgestattet“, sagte sie. „Die Regierung tut einiges, um uns im Busch bei Laune zu halten.“ Carol tippte mit dem Zeigefinger auf zwei Stapel neu angeschaffter Bücher: „Die Nachfrage ist vor allem im Winter groß. Auch die Bill & Melinda Gates Foundation engagiert sich für Alaska; beim Bau von Museen ebenso wie bei der Finanzierung von Internetverbindungen für entlegene Siedlungen.“ Diese hier nutzte ich gleich und schickte Juliana eine Nachricht: „Glatte Landung in Lake Minchumina.“

„Ich zeige dir jetzt dein Boot“, schon zog Carol mich am Arm in einen Nebenraum. Die Zeit, die mein Pouch-Faltboot seit den letzten Abenteuern in Carols Blockhaus auf meine Rückkehr gewartet hatte, war offenbar spurlos an ihm vorübergegangen. Was nicht selbstverständlich war, denn gegen scharfe Mäusezähne und hungrige Bären ist kein Kraut gewachsen.

Bis zum Einsatz des Faltbootes waren es noch einige Wochen hin. Sobald Carol und ich nach der ersten Etappe in McGrath eintrafen, würde Steve, der Sohn von Penny und Tom Green, mein Kajak mit seinem Flugzeug dorthin bringen und anschließend Carol zurück zum Lake Minchumina fliegen.

Die Organisation dieses Abenteuers war wesentlich komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Und da wir durch die vielen notwendig gewordenen Flüge eine Menge Geld in die Hand genommen hatten, musste sie präzise sein.

„Wie die Glieder eines Reißverschlusses, bei dem ein Zahn zuverlässig in den anderen hakt“, meinte Carol. Wobei die Flüge wie der Transport der beiden Boote zu ihrem jeweiligen Einsatzort die leichtere Aufgabe waren. Weitaus schwieriger würde es sein, die übrige Logistik zu stemmen, nämlich zu organisieren, wo welche Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände wann zu sein hatten.

„Den Proviant für die erste Bootsetappe bis McGrath hat Tom Green in einer 55-gallon drum zusammen mit dem Kanu über den Schnee zum North Fork Kuskokwim geschleppt“, hatte mir Carol vor Wochen gemailt. Natürlich waren das nur lange haltbare Lebensmittel gewesen. Bärensicher verstaut zudem, denn an einem knapp ein Meter hohen soliden 200-Liter-Metallfass würde sich auch Meister Petz die Zähne ausbeißen.

So weit so gut. Aber in McGrath begann meine zweite Bootsetappe mit Juliana, die vermutlich zwanzig Tage dauern würde. Multipliziert mit zwei Personen bei drei Mahlzeiten pro Tag ergab das 120 Mahlzeiten allein für die Fahrt von McGrath zum Beringmeer. Zu den Grundmahlzeiten kamen noch Notrationen sowie Getränke wie Tee, Kaffee und Kakao. Nicht zu vergessen das knusprige Graubrot, das Juliana auf meine Bitte hin aus Deutschland mitbringen würde.

Lebensmittel sind in Buschsiedlungen nur begrenzt erhältlich, vor allem aber teuer. Bereits in Südkanada hatte ich mit dem Einkauf begonnen und auf so manchem Campingplatz stundenlang Frühstücksmüsli und Trailfood mit Nüssen und Früchten gemixt. Gute und ausgewogene Nahrung ist wichtig. Nicht nur um den Bauch bei Laune zu halten, sondern auch um der Stimmung bei einem Durchhänger einen Kick zu geben.

Mehrere „Fresspakete“ hatte ich bereits zur Aufbewahrung bei Bekannten nach McGrath geschickt. Für den ersten Teil des Abenteuers, die Portage vom Lake Minchumina zum North Fork, waren zwei weitere per Post an Carol gegangen. Darin auch Leckereien und frische Lebensmittel, die nicht per Motorschlitten transportiert werden konnten.


Dieter Kreutzkamp

Über Dieter Kreutzkamp

Biografie

Dieter Kreutzkamp, Jahrgang 1946, ist als Abenteurer, Autor und Fotograf eine feste Größe in der Globetrotter-Szene. Seit den Siebzigerjahren hat er unzählige Reisen in alle Welt unternommen, vor allem nach Kanada und Alaska. Über seine Reiseerfahrungen schrieb der fundierte Kenner vieler Länder...

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