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Mord bei Schietwetter Mord bei Schietwetter - eBook-Ausgabe

Manuela Sanne
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Nordsee-Krimi

— Humorvoll-spannender Krimi um einen ermittelnden Strickclub an der Nordseeküste
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€ 15,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 30.05.2025 Bald verfügbar Das Buch kann 30 Tage vor dem Erscheinungstermin vorbestellt werden. Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
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Mord bei Schietwetter — Inhalt

Ein Mord in der Wollstuuv erschüttert den Küstenort Norddeich – und der Strickzirkel ermittelt. Für Fans von Tatjana Kruse, Leonie Kramer und Richard Osman 

„Sefa nahm das Taschentuch dankbar an und nickte. In Derks graublauen Augen las sie Mitgefühl, erkannte aber gleichzeitig den entschlossenen Zug um seinen Mund. Als ehemaliger Kriminalkommissar vergeudete er keine Energie mit Jammern und Wehklagen. Er befand sich im Ermittlermodus.“ 

In Norddeich ist die Welt noch in Ordnung – davon ist Sefa Pannkok überzeugt und genießt mit ihrem Kater den Ruhestand im ostfriesischen Küstendorf ihrer Kindheit. Doch mit den behaglichen Tagen zwischen Lesen und Stricken ist es jäh vorbei, als ihre Freundin Conni umgebracht wird. Die nette Inhaberin eines Woll-Lädchens war zusammen mit drei anderen Damen und dem pensionierten Kriminalkommissar Derk Mitglied in Sefas Strickzirkel. Ab sofort ruhen die Nadeln, denn Ermittlungen gehen vor! 

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erscheint am 30.05.2025
248 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50856-8
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erscheint am 30.05.2025
256 Seiten
EAN 978-3-377-90219-1
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Leseprobe zu „Mord bei Schietwetter“

Prolog

Bislang läuft alles glatt. Über eine Woche ist vergangen und die Kripo hat nicht angeklopft. Meine Anspannung lässt allmählich nach. Ich habe Strickliesel zwar falsch eingeschätzt, aber sie war wenigstens dämlich genug, Stillschweigen zu bewahren. Jetzt stellt sie keine Bedrohung mehr dar. Sie wird für immer die Klappe halten, dafür habe ich gesorgt. Ich hatte Glück mit dem Wetter, kein Mensch unterwegs. Wie einfach es war, die Alte mit einem ihrer potthässlichen Schals zu erdrosseln. Ein bisschen zappeln, strampeln, röcheln, fertig. Faszinierend [...]

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Prolog

Bislang läuft alles glatt. Über eine Woche ist vergangen und die Kripo hat nicht angeklopft. Meine Anspannung lässt allmählich nach. Ich habe Strickliesel zwar falsch eingeschätzt, aber sie war wenigstens dämlich genug, Stillschweigen zu bewahren. Jetzt stellt sie keine Bedrohung mehr dar. Sie wird für immer die Klappe halten, dafür habe ich gesorgt. Ich hatte Glück mit dem Wetter, kein Mensch unterwegs. Wie einfach es war, die Alte mit einem ihrer potthässlichen Schals zu erdrosseln. Ein bisschen zappeln, strampeln, röcheln, fertig. Faszinierend … und kein großes Ding eigentlich. Alle sonstigen Spuren, die zu mir führen könnten, habe ich ebenfalls beseitigt. Also Schwamm drüber und aufs nächste Opfer fokussieren. Mit einer wertvollen Erkenntnis: Bei Bedarf lassen sich kleine Fehler durch Sterbehilfe korrigieren.


Zwei Jahre zuvor

Mein lieber Hannes,

nun trennen uns dreihundert Kilometer. Da ich Dich nicht mehr jeden Tag besuchen kann, werde ich Dir Briefe schreiben. Wohl kaum täglich, aber regelmäßig, das verspreche ich Dir.

Ein Jahr liegt Dein plötzlicher Herztod nun schon zurück. Meine Güte, ich hätte wahrhaft niemals gedacht, dass mich etwas mehr erschüttern könnte als das. Aber es gab wenigstens noch meine Arbeit in der Bücherei, die mir Ablenkung verschaffte – bis ich in den Ruhestand entlassen wurde. Danach fiel ich in ein tiefes Loch. Noch nicht mal Momo konnte mich aufheitern. Im Gegenteil, er wurde genauso trübsinnig wie ich, fraß wie ein Spatz und schnurrte nicht mehr. Die Tierärztin versicherte, er sei bei bester Gesundheit. Vermutlich färbte meine Schwermut auf den armen alten Kater ab.

Zum Glück meldete sich kurz darauf Edith, eine frühere Schulfreundin. Wir hatten ewig nichts voneinander gehört, aber von da an telefonierten wir häufig. Als sie erzählte, dass Lüttje seine Einliegerwohnung vermiete, wusste ich auf einmal, was zu tun war.

Ja, ich bin nach Ostfriesland zurückgekehrt! Die Zeit, die uns noch bleibt, werden Momo und ich in meiner alten Heimat verbringen – gar nicht weit entfernt von meinem Elternhaus, das vor über fünfzig Jahren wegen unseres Umzugs verkauft wurde. Sechsundfünfzig Jahre, um genau zu sein. Richtig heimisch fühle ich mich in Norddeich – oder Noorddiek, wie man hier sagt – noch nicht, was vielleicht daran liegt, dass manche Leute oostfreesk snacken. Meine Eltern haben früher fast nur Hochdeutsch mit mir gesprochen, weil das in der Schule so verlangt wurde. Ich kann noch ein paar Brocken Platt, aber du würdest kein Wort verstehen. Tatsächlich geht es mir meist genauso. Na ja, das wird schon mit der Zeit.

Du fragst Dich bestimmt, wer Lüttje ist – oder habe ich Dir von ihm erzählt? Ich weiß es nicht mehr. So nannten wir früher Derk Frerichs, einen Nachbarsjungen und Klassenkameraden. Aus ihm wurde ein Kriminalkommissar. Er hat sich schon früh pensionieren lassen und dafür einen Abschlag vom Ruhegehalt in Kauf genommen. Deswegen vermietet er wohl auch die Wohnung, nachdem sie länger leer stand. Ich hatte meinen Vermieter als schmächtiges Kerlchen mit kieksiger Stimme in Erinnerung, aber im Gegensatz zu früher finde ich ihn heute recht ansehnlich. Bevor Du Dich nun eifersüchtig im Grabe umdrehst: Einem Vergleich mit Dir hält Lüttje natürlich keinesfalls stand!

Er hat seine Frau früh verloren und sich alleine um die Tochter gekümmert. Bis zu ihrer Heirat wohnte sie in der Wohnung, in der ich jetzt bin. Line ist beruflich in Lüttjes Fußstapfen getreten, was dieser gern und mit reichlich väterlichem Stolz erzählt. Außerdem hat sie ihn vor fünfzehn Jahren zum Opa von Lilli gemacht. Mir geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie eng verbunden die Familie ist – vermischt mit einem Tropfen Wehmut, weil Dir und mir das Glück von Kindern und Enkelkindern versagt blieb.

Doch es ist, wie es ist, und ich glaube, hier werde ich in aller Seelenruhe und Zufriedenheit leben. Langweilig wird mir nicht, ich habe meine komplette Büchersammlung mitgenommen. Auch einsam werde ich nicht sein. Edith hat mich mit drei netten Damen in Kontakt gebracht. Jeden Samstagnachmittag treffen wir uns zur Teetied um drei Uhr in meiner Wohnstube. Dann stricken wir und klönen, bis Gunda sagt: „De Treckpott is güüst“, also die Teekanne ist leer.

Unser Strickzirkel bereitet mir wirklich Freude. Gunda, Conni und Rita sind ein paar Jährchen jünger als Edith und ich, vielleicht blühe ich durch sie auf meine alten Tage noch einmal auf. Apropos blühen: Frische Blumen wirst Du weiterhin jede Woche bekommen. Frau Moltke von der Friedhofsgärtnerei hat mir zugesichert, sich darum zu kümmern. Da man ja nie wissen kann, wird Dein Neffe gelegentlich nachschauen, ob sie ihr Versprechen auch wirklich hält.

Jammerschade, dass Du keine Seebestattung wolltest. Sonst wärst Du mir hier an der Küste nun ganz nah. Aber ich verstehe es, als Hannoveraner lag Dir die Liebe zum Meer nicht im Blut.

Ich sende Dir Gröötjes und trage Dich immer in meinem Herzen!

Deine Dich liebende

Sefa

 

1

„Mäh!“

Momo machte einen Buckel und fauchte mehrmals, doch das Schaf ignorierte die Warnung. Unbeeindruckt kam es näher, weshalb Momo als der Klügere nachgab. So schnell die arthritischen Gelenke des Katers es zuließen, räumte er seinen Aussichtsplatz auf der Fensterbank. Früher wäre er anmutig heruntergesprungen und federnd gelandet. Aber er war schon lange kein geschmeidiger junger Hüpfer mehr. Wenig elegant plumpste er auf die Holzdielen und huschte unter den blauen Sessel, in dem Sefa saß. Es war ihr gemütlicher Lieblingssessel und sie hatte eben erst darin Platz genommen, um vor dem Eintrudeln ihrer Freundinnen noch ein paar Seiten zu lesen.

„Momo, du bist und bleibst eine Bangbüx. Allmählich solltest du wissen, dass Gerti harmlos ist. Sie tut dir nichts.“

Gerti hatte inzwischen das Fenster erreicht, das zum Stoßlüften weit geöffnet war. Sie blökte noch einmal und glotzte erwartungsvoll in die Wohnstube.

Mit einem resignierten Seufzer legte Sefa ihr Buch beiseite. „Na, Gerti, du willst eine Möhre, nehme ich an? Aber heute gibt es wirklich nur eine. Zu viel Gemüse bekommt dir nicht.“

Als Sefa aufstand, hörte sie ihre Kniegelenke knirschen. Von Anmut, Geschmeidigkeit und Eleganz konnte auch bei ihr keine Rede mehr sein. Kein Wunder, waren der rote Kater und sie doch fast gleichaltrig. Momo war kürzlich vierzehn geworden, Sefa siebzig. Angeblich alterten Katzen im ersten Lebensjahr um fünfzehn, im zweiten und dritten Jahr um jeweils sechs und danach um je vier Menschenjahre – also kam die Rechnung ungefähr hin.

Bei Schafen verhielt es sich bestimmt ähnlich, überlegte Sefa, während sie in die Küche ging. Gertis genaues Alter kannte sie nicht, aber zweifellos waren sie und ihre beiden Artgenossinnen Flocke und Plüsch steinalt. Außer ihnen hatte Derk noch mehrere zerrupfte Legehennen und einen klapprigen Hahn bei sich aufgenommen. „Weißt du, wir beide passen wirklich gut auf Derks Gnadenhof“, ließ sie den Kater an ihren Gedanken teilhaben, nachdem sie in die Wohnstube zurückgekehrt war. Er schien sich keinen Millimeter bewegt zu haben, starr vor Angst kauerte er unter dem Sessel. „Aber uns muss er nicht durchfüttern, Bangbüx. Außerdem zahlen wir Miete.“

Sefa hatte eine knackig frische Bundmöhre in Stücke geschnitten und auch das Möhrenkraut mitgenommen. Mit diesem wedelte sie nun, was das Schaf dazu animierte, eine Serie von Mähs und Möhs auszustoßen. Die vorfreudigen Laute endeten abrupt, als sie Gerti das Grünzeug vors Maul hielt. Mit seinen langen, schiefen Zähnen schnappte das Schaf danach, zermalmte das Kraut grob und schlang es herunter. Als Nächstes wanderten die Möhrenstücke in den Magen. Genau genommen in den Pansen, wie Derk neulich erklärt hatte. Schafe besaßen als Wiederkäuer mehrere Mägen. Die erste Station war der Pansen.

Nachdem Gerti alles vertilgt hatte, blökte sie erneut. Schließlich dämmerte ihr, dass es keinen Nachschlag geben würde, und sie zog ab. Sefa schloss das Fenster, damit die Stube nicht noch mehr auskühlte. Draußen war es ziemlich frisch, und die düsteren Wolkengebilde am Himmel verhießen wenig Gutes. Gleich würde es wieder pladdern. Sie blieb noch ein Weilchen stehen und sah Gerti hinterher, die auf die Wiese hinter dem Haus zurücktrottete, wo Flocke und Plüsch grasten. Sefa liebte den Ausblick ins Grüne. Derks großes, rundum von hohen Hecken umgebenes Anwesen lag nicht weit entfernt vom Lintelermarscher Deich. Dahinter erstreckten sich saftig grüne Weiden, gesäumt von schmalen Schilfgürteln.

Vor dem touristischen Aufblühen der Küstenregion rund um Norden hatte Norddeich zu Lintelermarsch gehört. Seit Anfang der Siebzigerjahre verhielt es sich umgekehrt. Denn während Norddeich zum staatlich anerkannten Nordseebad aufgestiegen war, hatte Lintelermarsch immer mehr an Bedeutung verloren. Vereinzelte Häuser, weit verstreute Höfe, jede Menge Ackerland und Viehweiden – das war im Grunde alles. Es gab keine Unterkünfte für Urlaubsgäste, abgesehen von einigen Ferienwohnungen in einem ehemaligen Gulfhof. Wenn Auswärtige sich hierher verirrten, waren sie fast immer falsch abgebogen. Sie wollten dann meist zu den Inselfliegern, einem kleinen Flugplatz in der Nähe. Von dort wurden in der Saison Juist, Wangerooge und andere ostfriesische Inseln angeflogen. Manche kamen auch bei Ausflügen ins Marschland oder auf der Suche nach dem roten Holzpfahl De Roo-Paal, der die alten Deichgrenzen von Ostermarsch und Lintelermarsch markierte, hier vorbei.

In ihre Betrachtungen versunken hatte Sefa nicht auf die Zeit geachtet, nun warf sie einen Blick auf die Uhr. Schon zwanzig vor drei – es lohnte sich kaum mehr, den Krimi noch einmal aufzuschlagen. Edith stand für gewöhnlich eine Viertelstunde zu früh auf der Matte, Gunda und Rita schellten um Punkt drei Uhr und Derk kam, wenn alle da waren, innerhalb der nächsten fünf Minuten herunter.

Aus unerfindlichen Gründen hatte der Mann es sich im vergangenen Winter in den Kopf gesetzt, stricken zu lernen. Sefa konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn er besaß keinerlei Talent. Über einen Schal und ein Paar Handwärmer war er bisher nicht hinausgekommen, weil er ständig Maschen aufribbeln musste. Dennoch ließ er sich nicht entmutigen und erschien zu jedem Treffen, sodass der Strickzirkel mit ihm nun ein halbes Dutzend Mitglieder zählte.

Conni war meistens die Letzte. Sie schloss ihr Wollgeschäft samstags schon um zwei Uhr, aber die Kundschaft ignorierte das gern. Außerdem bezahlten viele mit Münzen, weshalb der Kassenabschluss länger dauern konnte. Darum gesellte Conni sich in der Regel mit einiger Verspätung zu ihnen.

 

Um viertel nach vier war der Strickzirkel immer noch nicht komplett: Conni fehlte nach wie vor. Rita schien mit ihrer Geduld am Ende zu sein, so nervös rutschte sie auf ihrem Stuhl herum. Sie wohnte in Aurich, war über Conni zum Strickzirkel gestoßen und mit fünfzig Jahren die Jüngste im Bunde. Eine rothaarige Powerfrau mit üppigen Rundungen, glücklich verheiratet, Mutter von Zwillingsmädchen im Teenageralter. Eine Strickfluencerin, wie sie es nannte. Mit ihrem Instagram-Account und dem Etsy-Shop Ritas Maschen verdiente sie wesentlich mehr als ein Taschengeld. Angewiesen war sie darauf ebenso wenig wie auf die Einkünfte als Urlaubsvertretung und Aushilfe in Connis Wollstuuv. Ihr Mann Ole, ein renommierter Kardiologe, konnte die Familie problemlos allein ernähren. Aber Rita war nicht der Typ Frau, die sich mit der Rolle als treusorgendes Eheanhängsel und Mutter zufriedengab. Außerdem gönnte sie sich gerne ab und zu was, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu wollen.

„Wo steckt sie denn nur?“, schimpfte Rita und startete den dritten Versuch, Conni telefonisch zu erreichen. Den Grund für ihre Ungeduld kannten alle. Rita hatte freudestrahlend erzählt, die vegane Wolle in den Trendfarben Erdbeere und Caramel, die sie in der Wollstuuv bestellt hätte, sei nach langen Lieferschwierigkeiten endlich angekommen und Conni würde sie heute mitbringen.

Aus Rücksicht auf Rita, die ohne ihre Wolle nicht anfangen konnte, hatte bisher niemand das Strickzeug hervorgeholt. Stattdessen saßen sie gemeinsam am Tisch, tranken Tee und klönten. Hauptthema war – neben Connis Verspätung – das nasse und kalte Wetter. Gunda nahm es zum Anlass, im schönsten ostfriesischen Platt zu klagen: „Wat`n Schietweer weer, regn`t unnert Döör dör.“

Was für ein Schietwetter wieder, es regnet unter der Tür durch, übersetzte Sefa in Gedanken, während sie laut fragte: „Was hast du gesagt?“

Gunda verfiel gern komplett ins Platt, was es zu verhindern galt. Inzwischen verstand Sefa vieles, wenn sie sich anstrengte – aber dazu hatte sie an Stricknachmittagen keine Lust.

„Das Wetter. Es ist normal für diese Jahreszeit, sind die Vorboten der Schafskälte“, erläuterte Derk.

„Du büst `n olen Klookschieter.“ Gunda zwinkerte Sefa zu: „Was Klookschieter heißt, wirst du wohl wissen? Sonst kannst du Derk fragen, der weiß alles.“

„Und das natürlich immer besser“, konterte Derk. Dann dozierte er grinsend: „Eine ältere männliche Person mit bemerkenswert vollem, silbergrauem Haar und einem gepflegtem Bart, die ihre Meinung penetrant belehrend äußert, womit sie den Anschein erweckt, bestimmte Angelegenheiten besser beurteilen zu können als eine gewisse nur unwesentlich jüngere Plattsnackerin.“

Sefa kicherte, Gunda ebenfalls, und Edith sagte amüsiert: „Lüttje, ich muss dich korrigieren. Vor der Schafskälte kommen die fünf Eisheiligen und den Regen bringt uns eine von ihnen, die Nasse Sophie.“

Rita äußerte sich nicht dazu. Sie blickte auf ihre smarte Uhr, die neben der Zeit alle erdenklichen Vitalfunktionen wie Puls, Blutdruck und Blutzucker anzeigte. Anschließend versuchte sie noch einmal, Conni anzurufen. Zwischen ihren sorgfältig modellierten Augenbrauen bildeten sich zwei senkrechte Falten. „Eben sprang noch die Mailbox an, jetzt tut sich gar nichts mehr.“

„Akku leer?“, überlegte Gunda.

Derk schüttelte den Kopf. „Für die Mailbox spielt die Stromversorgung keine Rolle. Die Rufumleitung muss nur aktiviert sein.“

„Eben war sie aktiviert – und jetzt ist sie es nicht mehr. Allmählich mache ich mir Sorgen.“

Sefa konnte Ritas Unruhe nachvollziehen. Wenn Conni keine Zeit für die Strickzirkel-Treffen hatte, was in den letzten Monaten häufiger der Fall gewesen war, sagte sie ab. „Auf dem Festnetz hast du es auch versucht?“, vergewisserte Sefa sich.

„Im Laden und zu Hause, aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter.“

„Vielleicht ist sie ins Norderlicht gerufen worden. Mit ihrer Mutter kann’s jeden Tag zu Ende gehen.“ Gunda rutschte abermals ins Platt ab. „Dat wür en wohrliche Erlösung, so wiet as de Demenz vordrungen is.“ Nach einer kleinen Pause, in der sie schwer seufzte, folgte der muntere Ausruf: „Oh, ich glaub, Silke hat Wochenenddienst, die könnt’ ich fragen!“ Ohne lange zu fackeln, rief Gunda im Seniorenheim Norderlicht an. Sie ließ sich mit ihrer Tochter Silke verbinden, die dort als Altenpflegerin arbeitete, und brachte zwei Dinge in Erfahrung: Der Zustand von Frau Else Taaks war unverändert und Conni hatte ihre Mutter heute nicht besucht.

In Sefas guter Stube herrschte nachdenkliche Stille. Rita schien nicht mehr die Einzige zu sein, die sich Gedanken machte. Edith nahm die Brille ab, um ihre Augentropfen einzuträufeln, die sie immer mit sich führte. Sie litt unter chronischer Augentrockenheit, bedingt durch eine erhebliche Sehschwäche. Wenn sie die Tropfen vergaß, half auch die Brille nicht, da ihre Augen dann tränten und unangenehm brannten. Edith blinzelte ein paarmal, damit sich die Feuchtigkeit gleichmäßig verteilte. Danach setzte sie die Brille wieder auf und brach das Schweigen. „Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Mir wäre wohler, wenn wir uns vergewissern, dass es Conni gut geht“, sagte sie in ernstem Ton.

„Der Meinung bin ich auch“, pflichte Rita Edith bei. „Vielleicht ist sie unglücklich gestürzt und kann keine Hilfe rufen. Diese kleine Stufe neben der Kasse ist eine echte Falle. Ich bin da schon zweimal böse drüber gestolpert.“

„Alles Mögliche könnt’ passiert sein. Ein Schlaganfall, Herzinfarkt, Kreislaufkollaps …“ Gunda holte Luft und fuhr fort: „Koma, allergischer Schock …“

„Also wirklich, musst du immer den Teufel an die Wand malen?“, unterbrach Edith Gundas Horrorszenarien. „Conni ist kerngesund. Ich wüsste nicht, dass sie in den letzten Jahren auch nur ein einziges Mal krank gewesen wäre. Oder hast du sie mal aus Krankheitsgründen im Laden vertreten, Rita?“ Als Rita verneinte, wandte Edith sich an Derk. „Was meinst du? Derk? Wo willst …?“

„Bin sofort wieder da.“ Derk zog im Aufstehen sein Handy aus der Hosentasche, durchquerte mit langen Schritten das Zimmer und verschwand in der Diele.

Sefa und ihre drei Freundinnen schauten ihm verwundert hinterher. Kurz darauf hörten sie ihn leise reden. Doch nicht einmal Edith, die zwar schlecht sehen konnte, deren Ohren aber umso besser funktionierten, verstand ein Wort. Sie horchte eine Minute lang angestrengt. „Ausgerechnet jetzt muss er telefonieren!“, grummelte sie und erhielt sofort Zustimmung von Gunda, die kopfschüttelnd sagte: „ Mannslüü.“

Vor lauter Aufregung schien sie des Hochdeutschen nicht mehr mächtig zu sein. Mannslüü bedeutete Mannsleute, wusste Sefa und verzichtete auf eine Nachfrage.

Als Derk sein Gespräch kurz darauf beendet hatte, fragte Gunda sauertöpfisch: „Dat hätt’ nich warten könn’, bis wir wissen, wat mit Conni is?“

„Nein.“ Derk nahm wieder seinen Platz zwischen Sefa und Rita ein, bevor er fortfuhr: „Denn es ging um Conni. In deiner Aufzählung, liebe Gunda, fehlten die Verkehrsunfälle.“

Die leicht getönte Tagescreme und der Hauch von Rouge auf Ritas Wangen konnten kaum verdecken, dass ihr Gesicht blasser wurde. Gunda riss die Augen weit auf.

Edith bekam Schnappatmung und keuchte: „Grundgütiger!“

Nur Sefa blieb ruhig. In einem so unaufgeregten Ton würde auch ein sachlicher Mensch wie Derk keine Hiobsbotschaft verkünden, dessen war sie sich sicher – und sie lag richtig. Als Derk bemerkte, dass seine Worte missverstanden worden waren, gab er schnell Entwarnung.

„Nein, nein, keine Sorge, diesen Punkt können wir ausschließen. Wie ich eben in Erfahrung gebracht habe, gab es heute keinen Unfall mit Verletzten in Norden.“

Obgleich dies eine gute Nachricht war, fielen die Reaktionen nur verhalten erleichtert aus. Gunda, Rita und Edith starrten abwechselnd auf ihre Uhren und den leeren Platz am Tisch. Während Derk konzentriert nachdachte, gut zu erkennen am Stirnrunzeln, fasste Sefa einen Entschluss. Es war fast fünf und sie hielt es für unwahrscheinlich, dass Conni jetzt noch dazustoßen würde, kurz bevor die Ersten sich verabschiedeten. Rita und Gunda brachen für gewöhnlich gegen halb sechs auf, weil sie zum Abendbrot daheim sein wollten. An Derk gerichtet sagte sie: „Lasst uns lieber mal nach dem Rechten sehen. Wir passen doch alle in dein Auto?“

Ungeachtet der zahlreichen Gebrechen, die Gunda angeblich quälten, kam sie erstaunlich flink auf die Beine. Sefa wusste, dass sie sich für ihre fünfundsechzig in Wahrheit bester Gesundheit erfreute, abgesehen von der Körperfülle. Sie war leicht adipös, mit steigender Tendenz, weshalb die Hausärztin ihr mehr Bewegung und weniger Süßes empfahl. Aber Gunda strickte nicht nur gern, sie backte auch fast täglich. In der Woche Rosinenstuten, den man hier in Ostfriesland Krintstuut nannte, und am Wochenende zusätzlich Ostfriesentorte. Vor allem die Torte war eine Kalorienbombe, mit mehreren Sahneschichten und reichlich rumgetränkten Rosinen. Mit ihren Backwerken versorgte Gunda großzügig den Verwandten- und Freundeskreis, für sie selbst fiel jedoch auch immer einiges ab.

„Jo, dat geiht mit de Flosse, nu man to“, rief Gunda und eilte voraus.

Manuela Sanne

Über Manuela Sanne

Biografie

Manuela Sanne wuchs in Höxter an der Weser auf. Sie lebt mit Kind, Kegel und zwei Katern in Wuppertal. Dort arbeitete sie 30 Jahre als Buchhändlerin, bevor sie mit dem Schreiben begann. Nach Kinderbüchern und Liebesromanen (Viola Sanden) verbindet sie nun als Autorin humorvoller Nordsee-Krimis drei...

Veranstaltung
Premiere
Donnerstag, 05. Juni 2025 in Wuppertal
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Buchhandlung Nettesheim,
Hauptstraße 17
42349 Wuppertal
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Lesung
Mittwoch, 11. Juni 2025 in Wermelskirchen
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Buchhandlung Marabu,
Telegrafenstr. 44
42929 Wermelskirchen
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Lesung
Montag, 16. Juni 2025 in Bergisch Gladbach/ Schildgen
Zeit:
17:00 Uhr
Ort:
Wallamore,
Nittumer Weg 5
51467 Bergisch Gladbach/ Schildgen
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Lesung
Samstag, 28. Juni 2025 in Köln
Zeit:
15:00 Uhr
Ort:
Strickschule & Wolle Köln,
Longericher Str. 175
50739 Köln
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Lesung
Freitag, 11. Juli 2025 in Solingen Ohligs
Zeit:
18:30 Uhr
Ort:
Himmerl Garn & Zwirn,
Sauerbreystr. 26
42697 Solingen Ohligs
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Lesung
Donnerstag, 17. Juli 2025 in Wuppertal
Zeit:
20:00 Uhr
Ort:
Glücksbuchladen,
Friedrichstr. 52
42105 Wuppertal
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Lesung
Mittwoch, 10. September 2025 in Wuppertal
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Nikodemuskirche,
Teschensudberger Str. 12
42349 Wuppertal
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Lesung
Freitag, 12. September 2025 in Wuppertal
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
Buchhandlung Jürgensen,
Vohwinkeler Str. 1
42329 Wuppertal
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Lesung
Donnerstag, 25. September 2025 in Hückeswagen
Zeit:
18:00 Uhr
Ort:
Stadtbibliothek Hückeswagen,
Friedrichstr. 18-20
42499 Hückeswagen
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