Narrentreiben (Hubertus-Hummel-Reihe 4) Narrentreiben (Hubertus-Hummel-Reihe 4) - eBook-Ausgabe
Ein Fall für Hubertus Hummel
Narrentreiben (Hubertus-Hummel-Reihe 4) — Inhalt
Es ist Fasnacht, Schwarzwald und Baar befinden sich im Ausnahmezustand. Da wird der Villinger Bauunternehmer Heinrich Berger am Morgen nach dem Zunftball tot aufgefunden – ausgerechnet am Schwenninger Narrenbrunnen und noch mit seinem Narrohäs bekleidet. Rätselhafte Botschaften lassen vermuten, dass der Mord mit der „fünften Jahreszeit“ in Verbindung stehen könnte, und einige Spuren führen in andere Fasnachtshochburgen. Lehrer Hubertus Hummel und Lokaljournalist Klaus Riesle sind dem Mörder dicht auf den Fersen und tauchen dabei tief in die Schwäbisch-Alemannische Fasnacht ein. Stress pur für Hummel, denn noch dazu ist seine Tochter Martina hochschwanger.
Leseprobe zu „Narrentreiben (Hubertus-Hummel-Reihe 4)“
Hubertus Hummel stakste in strassbesetzten Pumps über den verschneiten Gehweg der Bertholdstraße. Wie schafften es Frauen nur, sich in so etwas fortzubewegen? Außerdem kribbelte seine Haut, die Gummizüge seines Bauchtänzerinnen-Kostüms spannten schmerzhaft und ließen den Bauchansatz noch mehr als sonst hervorquellen. Zu gerne hätte er sich mit den Fingernägeln am ganzen Körper gekratzt, doch der Mantel verhinderte das. Und den ließ er lieber zugeknöpft, sonst hätte ihn der kalte Schwarzwälder Februarwind augenblicklich zu einer Eisskulptur erstarren [...]
Hubertus Hummel stakste in strassbesetzten Pumps über den verschneiten Gehweg der Bertholdstraße. Wie schafften es Frauen nur, sich in so etwas fortzubewegen? Außerdem kribbelte seine Haut, die Gummizüge seines Bauchtänzerinnen-Kostüms spannten schmerzhaft und ließen den Bauchansatz noch mehr als sonst hervorquellen. Zu gerne hätte er sich mit den Fingernägeln am ganzen Körper gekratzt, doch der Mantel verhinderte das. Und den ließ er lieber zugeknöpft, sonst hätte ihn der kalte Schwarzwälder Februarwind augenblicklich zu einer Eisskulptur erstarren lassen.
Auch die schwarze, wuschelige Perücke juckte auf seiner sonst nur spärlich bedeckten Kopfhaut. Wenigstens würde er damit auf dem Fasnetsball kaum erkannt werden – das hoffte er jedenfalls. Denn sein Aufzug war ihm einfach nur peinlich. Daran, dass ihm womöglich im Verlauf des Abends auch einer seiner Schüler über den Weg laufen könnte, wollte Hummel, Studienrat für Deutsch und Gemeinschaftskunde am Villinger Gymnasium am Romäusring, erst gar nicht denken.
„Wie konnte ich mich bloß auf diesen Blödsinn einlassen?“, schimpfte der Mittvierziger vor sich hin. Er hatte mit seinem eleganten Schuhwerk auf dem rutschigen Terrain Mühe, seiner Frau Elke und seiner hochschwangeren Tochter Martina zu folgen. Auch sie wollten sich die Saalfasnet nicht entgehen lassen.
Die beiden kicherten über Hubertus’ Auftritt.
„Didi hätte sich wirklich ein bisschen mehr anstrengen können, dann wäre mir dieser Aufzug erspart geblieben“, ärgerte sich Hubertus, als endlich das hell beleuchtete Foyer der Tonhalle in Sichtweite war.
Im Vorfeld der Wahl zum neuen Villinger Zunftmeister hatte der Studienrat nämlich mit seinem Journalistenfreund Klaus Riesle gewettet. Hubertus hatte auf seinen angehenden Schwiegersohn Dietmar Bäuerle als neuen Obernarro gesetzt. Doch ausgerechnet Klaus, der von Narrozunft so viel verstand wie Hubertus von Frauenkleidung, hatte auf den richtigen Kandidaten getippt: Thomas Stöhrle.
Zur Strafe musste Hubertus nun auf dem Ball der Historischen Narrozunft 1584 e.V. als orientalische Schönheit aufkreuzen.
Zum Glück war er nicht die einzige Person in lächerlicher Aufmachung. Vor dem Foyer warteten bereits weitere seltsame Gestalten mit überdimensionalen Perücken und bemalten Gesichtern auf Einlass.
„Eine Bauchtänzerin braucht nun mal eine vollschlanke Figur“, stichelte Martina, die sich passend zur Aufmachung ihres Vaters als Sindbad der Seefahrer mit weißem Turban verkleidet hatte. Dass Sindbad schwanger war, passte allerdings nicht ganz ins Bild. In vier Wochen sollte es so weit sein.
„Klaus mit seinem Waschbrettbauch hätte in dem Kostüm bestimmt keine so zauberhafte Figur gemacht“, setzte Elke alias Lawrence von Arabien noch einen drauf, als sie den Eingangsbereich passierten. Dort standen zwei Männer der historischen Villinger Bürgermiliz in braunem Gehrock und mit Dreispitzhut Spalier. Bei jedem neuen Ballbesucher schüttelten die Bürgersoldaten ihren Schellenbaum.
Mit seiner Kamera lauerte Klaus Riesle bereits an der Garderobe. Die Wettschuld musste eingelöst werden – und der kleine, schwarzhaarige Lokaljournalist freute sich schon.
„Huberta, du wunderschöne Perle des Orients!“, trällerte er. Klaus, dessen einzige Verkleidung aus einem rotweiß geringelten T-Shirt und einem schief aufgemalten Herz auf der Wange bestand, half seinem Freund aus dem Mantel.
„Seit fünfzehn Jahren versuche ich, so gut es geht, mich vor der Fasnetberichterstattung zu drücken“, sagte er laut. „Aber für so eine Spitzenfrau werfe ich meine Prinzipien gern über Bord.“
„Könntest du vielleicht freundlicherweise etwas weniger Aufhebens machen?“, schnauzte Hubertus ihn an. Doch eigentlich waren seine Sorgen unbegründet, denn im allgemeinen „Narri Narro“ achteten nur wenige auf die orientalische Tänzerin.
Auch wenn Hubertus seine Kostümierung heute albern fand: Auf die Straßenfasnacht freute er sich. Ja, er fieberte ihr sogar entgegen. Und das handbemalte „Narrohäs“, in das er an „Fasnetmentig“ und an „Fasnetzischtig“ schlüpfen wollte, würde er wieder mit Stolz und Würde tragen – so wie schon sein Vater und sein Großvater es getan hatten. Fasnet war schließlich nicht nur Spaß, sondern ein Brauch. Mehr noch: eine Verpflichtung.
„Und jetzt bitte alle mal freundlich lächeln für den Schwarzwälder Kurier“, bat Klaus.
Elke und Martina grinsten in die Kamera. Hubertus verzog sein mit Puder, Rouge und lila Lidschatten überschminktes Gesicht zu einer faltigen Grimasse.
„Sollte das Foto im Kurier erscheinen, verklage ich dich auf Schmerzensgeld“, raunzte er und betrat rasch den Saal. Schließlich konnte das Programm jeden Moment beginnen. Und ein zweites Mal würde er sich keinesfalls in diesem Aufzug ablichten lassen.
Fast wäre er mit Didi Bäuerle zusammengeprallt, der auf seinem Kopf eine weißblaue Ratskappe trug. An der gebogenen Spitze über seiner schweißbesetzten Stirn hing ein Glöckchen. Er war nicht nur Ratsherr bei der Narrozunft, sondern auch Umzugssprecher und Regisseur dieses Zunftballs. Und als solcher wurde von ihm am heutigen Abend ein besonders anspruchsvolles Programm erwartet, denn die geballte Prominenz machte ihre Aufwartung – bis hin zum Ministerpräsidenten. Auch dem hatte die Narrozunft schon eine Ehrenkappe vermacht, obgleich dessen unverkennbar schwäbischer Akzent nicht so recht in den badischen Teil der Doppelstadt Villingen-Schwenningen passte.
Als Didi den Vater seiner Zukünftigen in dem zartblau glänzenden Kostüm sah – das Oberteil mit großen Luftballons ausgestopft –, stutzte er zunächst und musste dann laut lachen.
„Du kannst dir jeglichen Kommentar sparen. Wo sind unsere Plätze?“, fragte Hubertus barsch, denn Didi hatte seiner Familie die heiß begehrten Karten besorgt.
Nun deutete Hummels Schwiegersohn in spe die ungefähre Richtung an und machte dann seinem Ärger Luft: „Könnt ihr euch das vorstellen? In zehn Minuten beginnt das Programm – und vier Akteure fehlen noch. Unter anderem der Fehrenbach, der eigentlich für die Beleuchtung zuständig ist, und drei andere Narros – darunter der Berger, unser Inquisitions-Narro, der überall Verrat wittert. Der wird heute mit dem Narrenbecher für besondere Verdienste geehrt. Das wird er ja kaum verpassen wollen.“
Er schüttelte den Kopf, nahm seine Kappe ab und rieb sich über die blonden Stoppelhaare. „Ich habe es wirklich nur mit Dilettanten zu tun.“
Hummel fühlte sich bei diesen Worten an einen seiner Freunde erinnert – Edelbert Burgbacher, den Regisseur des Zähringer-Theaters. Von dem waren solche Sätze unablässig zu hören.
Für Didi nahte indes Hilfe, denn ein stattlicher Narro lief auf ihn zu. Der Narro war die Hauptfigur der Villinger Fasnet, und seine Kleidung, das sogenannte Häs, kostete ein halbes Vermögen. Nicht jeder konnte sich das leisten, doch viele taten es. Die Lindenholzmaske, die man Scheme nannte, hatte dieser Narro gelüftet, sodass sein verschwitztes Gesicht zu erkennen war.
Bäuerle atmete etwas auf. „Guten Morgen, Graf Zahl, wird Zeit, dass du kommst. Tja, der Weg aus Schwaben ist weit. Jetzt sind wir immerhin acht Narros. Nun aber ab in den Einmarschraum, die anderen warten schon. Peinlich genug, dass du dich hier vor all den Leuten ohne Scheme zeigst.“
Graf Zahl hieß eigentlich Moser und war ein guter Bekannter von Bäuerle und Hummel. Seinen Spitznamen verdankte er einer Figur aus der „Sesamstraße“ und der Tatsache, dass Moser nicht nur ein ausgewiesener Fasnetexperte, sondern auch Mathematiklehrer am Wirtschaftsgymnasium war. Als einer der ganz wenigen Villinger Narros wohnte er in Schwenningen. Man konnte mit jeder Art von mathematischem Rätsel zu ihm kommen – er löste es.
Moser konterte mit einem anderen Spruch. „Tut mir leid, aber du weißt ja, Bäuerle: Die Letzten werden die Ersten sein.“
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