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Neues Glück im kleinen Friseursalon Neues Glück im kleinen Friseursalon - eBook-Ausgabe

Elizabeth Horn
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— Charmanter, lustiger Roman in einem gemütlichen Dorf im Odenwald
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Neues Glück im kleinen Friseursalon — Inhalt

Alle Wege führen nach Engelsbrunn: Ein humorvoller, herzerwärmender Roman im Odenwald für Fans von Manuela Inusa und Jenny Colgan 

„Toll! Wenn du die Kuh Elvira frisieren darfst, dann ist deine Stellung im Ort endgültig gesichert. Dann bist du jetzt so etwas wie ein Promifriseur.“ 

Sie hat keine Ahnung, was sie auf der Flucht vor ihrem alten Leben in den verträumten Ort Engelsbrunn im Odenwald geführt hat. Doch als die junge Friseurin Hanne den gemütlichen 50er-Jahre-Friseursalon am Marktplatz sieht, der zu verpachten ist, kann sie nicht widerstehen. Zwischen liebenswerten, teils kauzigen Dorfbewohnern, einer Kuh auf dem Sprung zur Modelkarriere und nicht zuletzt einem feschen Dorfpolizisten scheint sie ihr Glück zu finden. Vorausgesetzt, die Schrecken der Vergangenheit holen sie in ihrer neuen Heimat nicht ein ...

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 27.02.2025
276 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50835-3
Download Cover
€ 1,99 [D], € 1,99 [A]
Erschienen am 27.02.2025
256 Seiten
EAN 978-3-377-90196-5
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Leseprobe zu „Neues Glück im kleinen Friseursalon“

Kapitel 1

„Mann, Elmar, jetzt hast du die Seiten schon wieder so kurz gemacht!“

„Das sagst du jedes Mal, du Dappschädel. Dann kommst du alle drei Wochen zum Schneiden. Was soll ich denn da machen, wenn nix absoll?“

„Na ja …“

„Siehst du, da fällt dir nix dazu ein. Dann sag halt, du kommst zum Waschen und Legen.“ Der Friseur grinste.

„Odder, Heiner, du kenntst der ja auch mal e schick Dauerwell mache lasse!“, schlug Schorsch, einer der Zaungäste der Aktion, vor und schlug sich lachend auf die Oberschenkel.

»Wenn du mein Geld nicht willst, Elmar, dann sag es [...]

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Kapitel 1

„Mann, Elmar, jetzt hast du die Seiten schon wieder so kurz gemacht!“

„Das sagst du jedes Mal, du Dappschädel. Dann kommst du alle drei Wochen zum Schneiden. Was soll ich denn da machen, wenn nix absoll?“

„Na ja …“

„Siehst du, da fällt dir nix dazu ein. Dann sag halt, du kommst zum Waschen und Legen.“ Der Friseur grinste.

„Odder, Heiner, du kenntst der ja auch mal e schick Dauerwell mache lasse!“, schlug Schorsch, einer der Zaungäste der Aktion, vor und schlug sich lachend auf die Oberschenkel.

„Wenn du mein Geld nicht willst, Elmar, dann sag es nur!“

Heiner, der zu kurz Geschorene, fand den Austausch offenbar gar nicht witzig.

„Ach, komm, Heiner! Sei nicht so empfindlich. Es war ja nicht böse gemeint. Aber ich habe wirklich praktisch nichts abgeschnitten.“

„Schon gut, Elmar. Schon gut!“, lenkte Heiner ein.

Elmar Engel, seit bald vierzig Jahren der Inhaber des Friseursalons Engel, seufzte tief und presste beide Hände in den Rücken. Auf allem Papierkram stand inzwischen Frisörsalon Engel, aber das Neonschild über dem Eingang lautete immer noch Friseursalon Engel.

Das Schild in der schwungvollen Schrift hatte Elmars Vater, Peter Engel, in den 50er-Jahren anbringen lassen. Auch ein Großteil der Einrichtung stammte noch von dieser Modernisierungsmaßnahme, die bei Elmars Großvater, Gustav, fast einen Herzinfarkt verursacht hätte. All diesen „modernen Kram“ hatte der furchtbar gefunden.

Vorher hatte der Laden über zwei Generationen hinweg immer gleich ausgesehen. Der Fünfziger-Jahre-Look hatte nun auch schon wieder ganz schön lange durchgehalten. Diesmal würde kein Engel mehr etwas daran ändern. Elmar ging stramm auf die siebzig zu, und obwohl er seinen Beruf und die meisten seiner Kunden nach wie vor liebte, war es längst Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Sein Rücken tat heute mal wieder alles, um ihn zu überzeugen, dass seine Zeit als Friseurmeister vorüber war.

„Na, Elmar, quält dich der Rücken wieder?“, fragte Roland Schellhaas, genannt Doc, mitfühlend.

Elmar nickte nur matt.

„Und wie soll es nun weitergehen?“

„Die Anzeige im Lokalblättchen hat nichts gebracht. Das Schild im Fenster hängt nun auch schon ewig. Lange halte ich das nicht mehr durch. Aber wenn ich den Laden nicht verpachten oder verkaufen kann, wird es mit meiner Rente ganz schön eng. Das hier war nie eine Goldgrube, obwohl Heiner alle drei Wochen kommt.“ Der Friseur grinste schief und legte seinem Kunden die Hand freundschaftlich auf die Schulter. „Wenn es gar nicht mehr geht und ich niemanden finde, dann werde ich das Haus mit dem Laden verkaufen und mir eine kleine Wohnung suchen müssen. Ich hatte so gehofft, ich könnte wenigstens oben wohnen bleiben. Nun ja, noch geht es ja, und vielleicht geschieht ja ein Wunder.“

„Hoffentlisch dauert des noch! Ich hab echt kaa Lust, mir von irschendwem uf em Kopp rummache zu lasse“, maulte Schorsch und sein Rauhaardackel knurrte dazu.

„Irgendwann wird dir nichts anderes übrigbleiben.“ Elmar seufzte.

Mit dem dicken Echthaarpinsel bürstete er Heiner die letzten losen Haare aus dem Nacken und nahm ihm dann den Umhang ab.

„So, Heiner, fertig. Doc, jetzt bist du dran, oder hast du es eilig, Schorsch?“

„Na! Mei Alt kommt gut emal ohne misch aus. Mach erst den Doc. Vielleicht reißt sich einer en Splitter ei und er wird gebraucht.“

„Ich hab es auch nicht eilig, Elmar. Trink doch erst mal einen Kaffee und setzt dich einen Moment hin“, schlug Doc vor und sah den Friseurmeister besorgt an. Elmar war richtig blass und die tiefen Falten neben seinem Mund waren heute besonders ausgeprägt. Lange würde sein Rücken diesen Beruf ganz eindeutig nicht mehr aushalten.

Elmar nickte dankbar und setzte sich zu seinen Stammkunden.

Der Salon Engel befand sich am Marktplatz eines so kleinen Ortes, dass es fast niemanden gab, den er nicht persönlich kannte. Laufkundschaft verirrte sich nicht hierher. Der Großteil seiner Klientel bestand aus älteren Herren, die schon kamen, solange er denken konnte. Am einen oder anderen hatte er schon als Lehrbub seines Vaters üben dürfen. Nun waren sie alle zusammen alt geworden.

Weibliche Kundinnen verirrten sich auch ab und zu in den Salon. Meist ältere Semester, die zum Waschen und Legen und ab und zu für eine neue Dauerwelle kamen. Bis vor fünf Jahren hatte er noch eine Damenfriseurin beschäftigt. Aber das rechnete sich nun schon lange nicht mehr.

Die jüngeren Leute fuhren in den nächsten größeren Ort zu Salons mit coolen Namen und schicker Aufmachung. Die jungen Männer auch gern mal zum Barber, welche gerade überall wie Pilze aus dem Boden zu schießen schienen.

Als gelernter Herrenfriseur und Meister der alten Schule, beherrschte auch Elmar die Messerrasur perfekt. Für seine älteren Stammgäste gehörte zur Vorbereitung auf ein Familienfest oder andere Feiern eine Rasur von Elmar einfach dazu. Einer seiner ältesten Kunden behauptete immer, er sähe noch so jung aus, weil er sich alle zwei Wochen mit dem Messer rasieren lassen würde. Leider brachte dieses Lob Elmar nicht viel, da der alte Herr keinen Tag jünger aussah als seine 89 Jahre.

Wer würde den wohl barbieren, wenn Elmar wirklich aufhörte? Für diesen Kunden kam eine Fahrt in die nächste Stadt kaum noch infrage. Auch für Frau Bratengeier, die sich gerade mit ihrem Rollator über den Marktplatz quälte, würde es schwierig werden, zu einem anderen Friseur zu kommen.

„Oh, Frau Bratengeier kommt, sicher will sie eine neue Dauerwelle. Ich fürchte, sie muss morgen wiederkommen.“

Die letzten paar Jahre hatte Elmar so wenig zu tun gehabt, dass kein Mensch mehr Termine machte. Man kam einfach herein und schaute, ob es gerade passte.

„Ach was, mach doch der Rosswidda die Wickler und mir schwätze solang noch bissje.“

„Geht das Doc?“

„Ich hab Zeit.“

„Na prima, komm, Heiner, ich kassiere dich schnell ab.“

„Lass mal! Ich bleib auch noch ein bisschen. Doc wollte erzählen, was die auf dem Gewerbegelände in Fürth bauen wollen.“

Vielleicht sollte ich aufhören, Haare zu schneiden und stattdessen Kaffee und Kuchen anbieten, dachte Elmar. Irgendwie war der Salon im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Art Seniorenclub geworden. Selbst Schorschs griesgrämiger Rauhaardackel war schon im Rentenalter.

Wehmütig schaute Elmar in die Runde. Selbst wenn er einen Kollegen fand, der den Salon übernahm, würde es nicht so bleiben wie jetzt. Das ging auch gar nicht, wenn man vernünftig davon leben wollte.

Nicht nur ihm würden die Runden hier fehlen, so viel war sicher.


Kapitel 2

Sie war spontan von der Autobahn abgebogen. Warum gerade da, hätte sie gar nicht sagen können. Nun fuhr sie schon eine ganze Weile im strahlenden Sonnenschein mit offenem Verdeck über Land und das so früh im Jahr.

Weite Täler wechselten mit sanften Hügeln, zartgrüner Laubwald mit weiten Feldern. Ab und zu kam sie durch kleine Ortschaften mit hübschen Fachwerkhäuschen oder auch durch Vororte, die eher Industriegebiete waren. Wenn sie über eine Kuppe kam, boten sich immer wieder unverhofft geradezu zauberhafte Ausblicke. Ländliche Idylle wie aus dem Bilderbuch. Aber besonders das Fahren durch den Wald wirkte Wunder. Das schillernde, eben erst keimende Grün, die tanzenden Sonnenflecken, die kühle, aromatische Luft, die Einsamkeit …

Sie lenkte ihren Wagen in eine Parkbucht neben der kurvigen Straße, machte den Motor aus, legte den Kopf an die Stütze und schloss die Augen.

Scheinbar hatten sich zwei Vögel wegen irgendetwas in der Wolle und schimpften regelrecht aufeinander ein. Der laue Wind ließ die jungen Blättchen ab und zu wispern. Sonst war da nichts.

Es kam ihr vor, als wäre sie auf einem anderen Planeten gelandet. Nichts war so, wie dort, wo sie herkam.

Ob sie wohl endlich weit genug gefahren war?

Über diesen Gedanken war sie scheinbar eingedöst.

Das Tuckern eines Motors weckte sie und ließ ihr Herz vor Schreck rasen. Im Rückspiegel sah sie einen riesigen roten Traktor, der von einem Mann in Latzhose und Karohemd gelenkt wurde. Man hatte den Eindruck, man könnte bequem neben dem Fahrzeug herlaufen. So gemächlich bewegte es sich.

Als er auf ihrer Höhe war, stoppte der Fahrer mitten auf der Fahrbahn, offenbar ohne sich Gedanken über andere Fahrzeuge zu machen – die ja im Moment auch nicht vorhanden waren – und sprach sie in einer Sprache an, die sie noch nie gehört hatte. Die Vokale waren dunkel und irgendwie flossen alle Wörter ineinander. Vielleicht war es eine skandinavische oder slawische Sprache? Nur das Wort „Problem“ hatte sie verstanden. Der Mann lächelte sie aufmunternd an.

„Sorry!“, sagte sie lächelnd. „Do you speak English?“

„No. I no schpick Englisch. Auto okay? Du okay?“, fragte er mit gerunzelter Stirn. Besorgt betrachtete er das mintgrüne schicke Cabrio und seine zarte Fahrerin.

„Everything is okay!“, versicherte diese und hob zur Bekräftigung beide Daumen. Das schien den potenziellen Retter zu überzeugen. Er tippte an seine Mütze und winkte ihr zum Abschied. „Okay. Goodbye and happy day!“, rief er ihr zu und sah ungemein zufrieden aus.

Sie winkte ihm nach und streckte sich. Vielleicht war er ein Saisonarbeiter, der hier in der Landwirtschaft half. Jedenfalls war es nett gewesen, zu fragen, ob sie Hilfe brauchte.

„Happy day!“ Sie schmunzelte. Ja, das wäre mal wieder schön.

Sie musste weiter, wenn sie auch nicht wusste, wohin. Auf alle Fälle hatte sie riesen Hunger. Also fuhr sie wieder los. Bald überholte sie den Traktor und winkte. Der Fahrer nahm seine Mütze ab und schwenkte sie zum Abschied.

Hinter dem Wald führte sie die Straße an eine Kreuzung. Die Orte auf den Wegweisern sagten ihr natürlich alle nichts. Da sie gerade in ihren Englischkenntnissen herumgewühlt hatte, fiel ihr ein Spruch ein, den sie einmal gehört hatte. „If nothing goes right, go left.“ Man konnte das nicht übersetzen, weil „right“ im Englischen zwei Bedeutungen hatte, nämlich „rechts“ aber auch „richtig“. Jedenfalls war es Grund genug, nach links zu fahren. Außerdem hieß der nächste Ort in der Richtung „Engelsbrunn“. Das klang doch vielversprechend.

 

Hinter dem Ortsschild fuhr sie durch ein kleines Neubaugebiet mit einigen schmucken Häuschen mit hübschen Gärten. Der Ortskern bestand aus schmalen Sträßchen, gesäumt von Fachwerkhäusern, die aussahen, als gehörten sie in ein Freilichtmuseum. Einige hatten große Tore, die wohl in Innenhöfe und vielleicht zu Stallungen führten. Jedenfalls roch es auch mitten im Ort an manchen Ecken recht ländlich.

Schließlich gelangte sie an einen ebenfalls von Fachwerkhäusern eingefassten Platz mit einem Brunnen in der Mitte. Offenbar war das der Marktplatz. An der Stirnseite befand sich eine hübsche Kirche aus rotem Sandstein, deren eindrucksvolles Portal von zwei großen Heiligenfiguren flankiert wurde. Da der Platz praktisch verlassen in der Sonne lag, war es kein Problem, einen Parkplatz zu finden.

Sie schloss das automatische Verdeck und stieg aus. Zwei Jungs von etwa neun Jahren standen nebeneinander und bewunderten unverhohlen ihr Cabrio.

„Tag! Geile Karre!“, grüßte der etwas Größere sie.

„Danke! Finde ich auch. Sagt mal, ihr kennt euch hier doch sicher aus. Kann ich den Wagen hier eine Weile stehen lassen? Oder meint ihr, da passiert vielleicht was dran?“

„Also ehrlich! Hier passiert nie irgendwas!“, versicherte der Kleinere. Und das klang nicht wie ein Loblied auf seinen Heimatort. „Wir hängen hier auch noch bisschen rum. Wir passen auf, wenn Sie wollen.“

„Das wäre nett. Was gebe ich euch denn dafür?“

Scheinbar war der Ort doch nicht so verträumt und unschuldig, wie er auf den ersten Blick schien.

„Was? Nein, so haben wir das nicht gemeint. Das ist nur einfach … Service.“

„Vielen Dank, dann. Gibt es hier ein Gasthaus in der Nähe?“

„Ja, den Ochsen. Der ist …“ Der Größere streckte seinen Arm aus, ließ ihn aber wieder sinken. „Wir bringen Sie besser hin!“, verkündete er bestimmt und sein Kumpel nickte zustimmend. So marschierten sie los und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.

Sie begannen den Platz zu umkreisen. Als sie an der Kirche vorbeikamen, blieben die Jungs stehen.

„Das hier ist die Christopherus-Kirche, katholisch. Der Kerl mit dem Bart und dem dicken Baby auf der Schulter, das ist er. Also der Christopherus. Das Baby ist Jesus. Der Christopherus ist Schutzheiliger für …“

„… für Reisende und Verlorengegangene und ganz viel anderes Zeug“, fiel ihm sein Kollege ins Wort, der sich offenbar nicht lumpen lassen wollte.

„Ich bin beeindruckt, und wer ist die Dame gegenüber?“, fragte sie lächelnd.

„Das ist die Maria Magdalena. Die war so was wie dem Jesus seine Freundin. Also als er nicht mehr ein Baby war natürlich.“

„Und ist sie auch eine Schutzpatronin?“

„Ja, auch für alles Mögliche. Viel so Frauenkram. Der Herr Engel sagt, sie ist auch die Schutzpatronin für Friseure. Das passt ja auch. Friseur ist ja auch mehr Frauenkram.“

„Schon. Aber zum Herrn Engel, da kommen fast nur noch alte Männer“, wandte der andere ein. „Mama sagt, dem seine Tage sind gezählt. Ich hoffe, er stirbt nicht.“

„Ach Quatsch! Der macht nur zu, weil er zu alt ist. Aber nett ist er und schneidet einem nicht so einen albernen Kinderpony. Ach ja, für Gefangene ist sie auch noch gut, die Maria Magdalena. Wohl auch für Männer. Ob die auch Serienkiller und so beschützt? Das fände ich irgendwie nicht fair.“

Scheinbar hatten ihre Fremdenführer sie regelrecht vergessen und gerieten in eine Diskussion über dieses heikle Thema. Schutzpatron der Reisenden und Schutzpatronin der Gefangenen und Friseure. Das passte ja alles irgendwie beunruhigend gut.

„Was denken Sie?“

„Bitte?“ Sie war mit ihren Gedanken weit weg gewesen.

„Meinen Sie, eine Schutzheilige beschützt Serienkiller?“

„Oh je! Da fragt ihr mich was. Mit so was kenne ich mich gar nicht aus.“

„Wollen Sie mal rein in die Kirche? Wir könnten beim Küster den Schlüssel holen. Eigentlich war die Kirche immer auf, aber im Winter hat wer das goldene Kreuz geklaut. Das war echt und sicher eine Milliarde wert. Jetzt steht ein anderes drin. Aber kein so cooles.“

„Danke! Ehrlich gesagt würde ich lieber was essen. Ich habe einen Bärenhunger.“

„Okay. Hier entlang.“

So umrundeten sie den Marktplatz weiter und erreichten an der Ecke einen Gasthof. Das Haus war wunderschön saniert und in den Blumenkästen leuchteten samtige Stiefmütterchen. Die geschnitzte Massivholztür war allerdings zu. Ein kleines Messingschild zeigte, dass der Gasthof erst in einer guten Stunde wieder öffnete. Sie stöhnte auf.

„Bis dahin bin ich verhungert.“

„Also, ein Mensch kann je nach Gewicht tagelang ohne Essen überleben“, versicherte ihr einer ihrer Begleiter.

„Das möchte ich aber nicht ausprobieren.“ Sie musste lachen.

„Keine Angst, die Eisdiele hat auf. Die hat tolle Eisbecher“, tröstete sie der Kleinere.

„Gut, dann gibt es einen Eisbecher. Auch nicht schlecht.“

Vor besagter Eisdiele saßen tatsächlich als einzige Menschen weit und breit zwei junge Männer in Radlermontur an einem Tisch und eine ältere Dame stand an dem Fenster, aus dem verkauft wurde und bestellte eine Tüte Eis.

„Kommt mal mit. Ich spendiere euch ein Eis für eure Hilfe.“

„Super!“, freuten sich die beiden und traten an das Fenster.

„Hallo, Frau Lautenschläger!“, grüßten sie die Kundin vor ihnen.

„Na, ihr zwei, investiert ihr euer Taschengeld in ein Eis?“, fragte die freundlich.

„Wir bekommen eins spendiert, weil wir einer verirrten Frau geholfen haben. Der da!“ Mit ausgestrecktem Arm wies der Kleinere auf ihre Gönnerin.

„Na, da haben Sie ja Glück gehabt, dass Sie so gute Fremdenführer gefunden haben!“, sagte die Frau lächelnd und zwinkerte ihr zu, ehe sie mit ihrem Eis fortging.

Als die Jungs auch mit einem Eis versorgt waren, bedankten sie sich höflich und versprachen zu gehen und auf ihr Auto aufzupassen – auf ihr Auto, das ihr genau gegenüber auf der anderen Seite des Marktplatzes stand. Wären sie quer über den Platz gegangen, hätten sie die Eisdiele in einer Minute erreicht. Zur Not hätte sie sicher auch allein hergefunden, aber offenbar war das hier ein Ort, wo jede noch so kleine Abwechslung willkommen war.

Während sie ihren wirklich köstlichen Eisbecher an einem Tisch am Rand des Platzes verzehrte, sah sie die beiden Jungen Eis schleckend mit wichtiger Miene ihr Auto umrunden. Und noch etwas sah sie: Schräg hinter dem Wagen befand sich der Friseursalon Engel, wie die verschnörkelte Neonschrift verkündete. In der großen Fensterfront hing ein rotes Banner mit der Aufschrift: „Provisionsfrei zu verpachten oder zu verkaufen“. Das hatte sie beim Aussteigen gar nicht gesehen.

Ihr Herz begann, schneller zu schlagen, und ihre Hände wurden feucht. „Du spinnst doch!“, schalt sie sich selbst. „Du kannst nicht einfach mitten im Nirgendwo einen Friseursalon pachten.“

In dem Moment kamen die beiden Jungs quer über den Marktplatz geflitzt.

„Wir wollten nur sagen, dass wir jetzt leider heimmüssen. Wir können nicht mehr auf das Auto aufpassen.“

„Macht euch keine Gedanken, Jungs. Vielen Dank. Ich muss jetzt ohnehin weiter.“

Zufrieden trotteten die beiden davon. Sie zahlte und ging auf dem Weg, den sie gekommen war in Richtung Wagen. Vor der Kirche blieb sie noch einmal stehen. Maria Magdalena sah sie mit einem milden Lächeln an. Christopherus hingegen wirkte in seiner gebeugten Haltung eher, als litte er unter massiven Rückenschmerzen. Das war durchaus vorstellbar, denn der kleine Jesus auf seiner Schulter sah eher aus wie ein kleiner Buddha.

War Maria Magdalena nicht auch die Schutzpatronin der „gefallenen Mädchen“, wie es ihre Großmutter wohl ausgedrückt hätte. In dem Sinne fühlte sie sich nicht als gefallen, vielleicht eher als reingefallen.

Eins hatten die Jungs glasklar erkannt: Sie war eine verirrte Frau.

Elizabeth Horn

Über Elizabeth Horn

Biografie

In Alexandria im Bundesstaat Louisiana in den USA geboren, kam Elizabeth Horn mit ihrer Familie vor der Einschulung nach Deutschland. Nach dem Abitur in Darmstadt machte sie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, wo sie auch ihren Mann kennenlernte, Staatsexamen in Germanistik,...

Veranstaltung
Lesung
Freitag, 04. April 2025 in Darmstadt
Zeit:
20:15 Uhr
Ort:
Thalia Darmstadt - Boulevard,
Schuchardstr. 8
64283 Darmstadt
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