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New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2)New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2)

New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2) New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2) - eBook-Ausgabe

K. Elly de Wulf
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Roman

— Berührende Sports-Romance zwischen einem Quarterback und seiner Jugendliebe
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New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2) — Inhalt

Second-Chance-Liebesgeschichte zwischen einem Footballstar und einem Skater-Girl. Für alle Leser:innen von Sportsromance 

„Ihre Fingerspitzen tanzen wie Schmetterlinge über meine Wangen und ihr Atem streift meine Lippen. Dieser Moment ist kostbarer als jedes gewonnene Spiel meiner Karriere, selbst der Super Bowl kann sich nicht damit messen.“ 

Patric Hastings, einst ein gefeierter Quarterback, versucht sein Comeback bei den Eagles. Schon immer ordnete er dem dem Sport alles unter, vor allem seine Liebesbeziehungen litten darunter. Dann steht plötzlich Tamzin vor ihm. Seine Jugendliebe, der er einst das Herz brach und die er dennoch nie vergessen konnte. Patric versucht sie zurückzugewinnen, muss aber feststellen, dass Tamzin seit der Trennung etwas vor ihm verbirgt: den gemeinsamen Sohn, Tom. Nun muss er sich entscheiden, ob er für den Erfolg alles opfert oder lieber der Mann sein will, der er immer sein wollte. 

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erschienen am 01.08.2024
324 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50715-8
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€ 2,49 [D], € 2,49 [A]
Erschienen am 01.08.2024
336 Seiten
EAN 978-3-377-90045-6
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Leseprobe zu „New Haven Eagles – Zurück zu Dir (Sweet Quarterbacks 2)“

Patric

Der Geruchsmix aus Pausenbroten, Linoleum, Kreide und Malfarben erwischt mich eiskalt, wie ein gegnerischer Defensive End, wenn er unsere Tackles überlistet hat. Die zweiflüglige Tür fällt hinter uns zu, und irgendwie komme ich mir gefangen vor, was definitiv nicht an den beiden Securitys am Eingang der Grundschule liegt, sondern vielmehr an all den vergrabenen Erinnerungen, die mit voller Wucht an die Oberfläche drängen.

„Wie süß“, sagt Danysha.

Sie arbeitet im Social-Media-Team der Eagles und begleitet die Spieler zu Fantreffen oder macht witzige [...]

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Patric

Der Geruchsmix aus Pausenbroten, Linoleum, Kreide und Malfarben erwischt mich eiskalt, wie ein gegnerischer Defensive End, wenn er unsere Tackles überlistet hat. Die zweiflüglige Tür fällt hinter uns zu, und irgendwie komme ich mir gefangen vor, was definitiv nicht an den beiden Securitys am Eingang der Grundschule liegt, sondern vielmehr an all den vergrabenen Erinnerungen, die mit voller Wucht an die Oberfläche drängen.

„Wie süß“, sagt Danysha.

Sie arbeitet im Social-Media-Team der Eagles und begleitet die Spieler zu Fantreffen oder macht witzige Kurzinterviews mit uns. Sie deutet auf die vielen Zeichnungen an den Wänden, die allesamt etwas mit Football zu tun haben. Bälle, Helme, ja sogar Torpfosten sind darauf zu sehen. Auf dem einen oder anderen meine ich sogar, das reichlich verunglückte Logo der Eagles erkennen zu können. Eltern finden so was bestimmt total niedlich.

Ich hingegen checke die Uhrzeit und hoffe, die nächsten fünfundvierzig Minuten irgendwie über die Bühne zu bekommen.

Zum Glück hat die Pressestelle entschieden, dass Jonah mich begleiten soll. Mein Kumpel wird die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn er ist seit Neuestem unser Star Number one, was wohl an der Liebeserklärung an seine Freundin Layna liegen mag, die er vor laufenden Fernsehkameras in einem bis unters Dach ausverkauften Stadion zum Besten gegeben hat. Vielleicht liegt es auch an dem viral gegangenen Video, in dem er einen Schwarzbären tackelt, der besagte Freundin angegriffen hat. Wer weiß das schon?

„Die ganze Schule ist im Eagles-Fieber“, trällert Mrs. Santos neben mir. Die Schulleiterin, die uns vor der Tür in Empfang genommen hat, ist genau so, wie man sie sich als Kind wünscht – freundlich und herzlich. Nicht so ein grauhaariger Gremlin wie Mr. Archibald, der betont weggesehen hat, wenn ich als Kind von meinen Mitschülern drangsaliert wurde. Man nennt so was gemeinhin den Fluch der erfolgreichen Eltern. Was nützt es einem, wenn dein Vater am Vortag dreihundert Yards für drei Touchdowns geworfen hat, wenn du kopfüber im Mülleimer steckst?

Ich zwinge mir ein Grinsen aufs Gesicht und nicke Mrs. Santos zu. Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig. Auf Grundschulen, vollgestopft mit kreischenden Kindern, würde ich hingegen gern verzichten. Dann doch lieber ein Seniorenheim oder ein Veteranenverein, da kann man wenigstens fachsimpeln.

„Auf dem Pausenhof haben wir alles aufgebaut. Ich bin noch immer fassungslos, dass unsere Schule ausgewählt wurde. Die Kinder sind seit Tagen aus dem Häuschen.“ Mrs. Santos geleitet uns verwaiste Flure entlang, die von Dutzenden hüfthoch angebrachten Spinden gesäumt werden, zu einer weiteren zweiflügligen Tür, hinter welcher das Grauen lauert. Das Kreischen ist bereits jetzt ohrenbetäubend laut, und ich ärgere mich, dass ich keine Ohrstöpsel mitgenommen habe.

„Ich bin so aufgeregt“, ruft Mrs. Santos und fächert sich mit den Händen Luft zu.

Ihre überschwängliche Freude steckt weder mich noch Jonah an, denn als ich ihm einen Seitenblick zuwerfe, ist er reichlich blass um die Nase und sieht ganz danach aus, als würde er lieber wieder einen Schwarzbären tackeln, als durch diese Tür zu spazieren.

„Ich gehe mal vor.“ Danysha schlüpft zur Tür hinaus, woraufhin der Lärmpegel rapide absinkt. Er ist jetzt nicht mehr ohrenbetäubend, sondern bloß noch Ich verstehe mein eigenes Wort nicht-Level. Der schrille Pfiff einer Trillerpfeife lässt Ruhe einkehren.

Herrlich, was für eine Wohltat.

Bevor ich etwas sagen kann, stößt Mrs. Santos die Tür auf. Es gibt kein Zurück mehr. Ich lege Jonah die Hand auf die Schulter und schiebe ihn vor mir her. Auf dem Spielfeld bildet er schließlich auch einen menschlichen Schutzwall, um die gegnerischen Guards davon abzuhalten, meinen Wurf zu verhindern. Jetzt kann er beweisen, wie gut er wirklich ist. Diese Gegner sind nämlich ein ganz anderes Kaliber.

„Kinder! Bitte begrüßt Jonah Chapman und Patric Hastings von den New Haven Eagles!“, verkündet Mrs. Santos euphorisch und klatscht frenetisch in die Hände. Einige andere Lehrer stimmen mit ein, doch die Kinder stehen allesamt mit weit aufgerissenen Augen und Mündern vor uns und geben keinen Mucks von sich.

Ich werte das mal als gutes Zeichen, trete hinter Jonah hervor und winke freundlich lächelnd in die Runde. „Vielen Dank, dass wir hier sein dürfen. Hallo, Kids!“

„Hast du wirklich einen Bären umgehauen?“, fragt ein Mädchen, das mir kaum bis zur Hüfte reicht und sieht an Jonah hinauf, als wäre er ein Mammutbaum.

Jonah kniet sich vor sie hin, was die Anspannung der Kinder zu lösen scheint, denn im Nu scharen sie sich um ihn.

„Also, ich erzähle euch mal, was da mit diesem Bären passiert ist …“, setzt Jonah an.

„Mein Dad sagt, der war Fake“, plärrt ein Junge mit flammend roten Haaren dazwischen.

„War er nicht!“, schimpft das Mädchen.

„Wie heißt du?“, will Jonah wissen.

„Kassandra“, erwidert sie und dreht einen ihrer langen Zöpfe zwischen den Fingern.

„Also, das war so“, beginnt Jonah, und ich sehe ihm dabei zu, wie er der kleinen Kassandra und all den anderen Kindern davon erzählt, wie er Layna vor dem Bären beschützt hat.

Absolut jeder, auch der kleine rothaarige Störenfried, lauscht seinen Worten voller Bewunderung.

Obwohl, nicht alle. Am Rand des großen Innenhofs, gute zwanzig Meter von uns entfernt, sitzt ein Junge allein auf der Schaukel und sieht sehnsuchtsvoll zu uns herüber. Langsam, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, gehe ich zu ihm und setze mich auf die Schaukel neben ihm. Kurz habe ich Angst, dass die Ketten mein Gewicht nicht aushalten, doch sie sind robuster, als es den Anschein erweckt.

„Hey, ich bin Patric. Willst du dir nicht auch die Geschichte mit dem Bären anhören? Die ist echt spannend.“

Er schüttelt den Kopf und lässt ihn traurig hängen. Sein Haar ist wie meines dunkelbraun mit hellen Spitzen, da er wohl während der Sommerferien viel Zeit draußen verbracht hat.

„Ich darf nicht. Meine Mom hat den Zettel nicht unterschrieben“, murmelt er und schnieft, während er die Beine lustlos baumeln lässt.

„Deine Mom mag wohl kein Football, was?“, hake ich vorsichtig nach und ahne, dass es sich bei der Dame um eine dieser überfürsorglichen Helikoptermütter handelt.

„Sie hasst es. Mein Grandpa hätte es mir erlaubt, aber er ist mit Grandma in Florida. Mit ihm sehe ich immer heimlich Spiele an“, offenbart er und grinst. „Ich fand dich richtig gut in Miami.“

Überrascht, dass er sich daran noch erinnert, mustere ich ihn und habe das Gefühl, ihn von irgendwoher zu kennen. Da ist etwas an ihm, was mir vertraut vorkommt, doch ich kann es nicht einordnen. „Das ist über ein Jahr her.“

„Ich habe jedes deiner Spiele gesehen. Grandpa sagt, du bist einer der besten Quarterbacks und dass du die Defense lesen kannst wie kein Zweiter.“

„Wow, das nenne ich mal ein Lob. Wenn du das nächste Mal mit deinem Grandpa telefonierst, richte ihm meine Grüße aus.“

„Entschuldigung, Mr. Hastings“, reißt mich Mrs. Santos aus dem Gespräch mit dem Jungen. Sie sieht mich an, als hätte ich etwas Verbotenes getan, da ich mich von der Gruppe entfernt habe.

„Ich bin gleich wieder bei den anderen.“

Sie presst die Lippen zusammen und sieht von mir zu dem Jungen.

„Tom hat leider keine Einverständniserklärung seiner Mutter erhalten. Wir wollten ihn nur nicht allein im Klassenzimmer sitzen lassen, während alle hier draußen sind.“ Sie klingt ehrlich betrübt, und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass sie die überfürsorgliche Mutter des Jungen ebenso wenig verstehen kann wie ich. Das ist ein Fantreffen, kein Probetraining, bei dem Jonah die Kids mit voller Härte tackelt. Wir geben Autogramme, posieren für gemeinsame Fotos und zerzausen ihnen ein wenig auf kumpelhafte Weise die Haare.

Bei dem Gedanken an Fotos fällt mir auf, dass die Schulleiterin eine dieser Sofortbildkameras in den Händen hält.

„Hey, Tom. Was denkst du? Dein Grandpa würde sich doch bestimmt über ein Foto von uns beiden freuen, oder?“, frage ich.

Er reißt die Augen weit auf und nickt so heftig, dass er beinahe von der Schaukel fällt.

„Mr. Hastings …“, versucht sich Mrs. Santos an einem Einwand, den ich mit einer erhobenen Hand abwehre.

„Meinst du, du könntest das Foto vor deiner Mom verstecken? Sonst bekommt Mrs. Santos echt Probleme. Wegen der Einverständniserklärung und so.“

Tom grinst. „Klar. Ich verstecke es einfach in meinem Matheheft, da schaut sie nie rein.“

„Ah, deine Mom mag also auch keine Mathematik?“ Irgendwie ist mir die Frau jetzt ein klein wenig sympathischer. Mich konnte man in der Schule auch damit jagen, und ohne Tamzin hätte ich in dem Fach die geforderte Punktzahl bei den College-Zulassungstests niemals erreichen können.

Sofort blitzt ihr Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Ihr langes dunkles Haar, was sie im letzten Schuljahr zu Dreadlocks hat stylen lassen, ihre strahlend blauen Augen, in denen ich mich verlieren konnte, und ihre weichen Lippen, die ich nie aufhören wollte zu küssen.

Sie ist die Frau, die ich seit Monaten suche, um mich nach beinahe neun Jahren endlich bei ihr zu entschuldigen. Tamzin Williams. Nein, Tamzin Goodwill, korrigiere ich mich. Sie hat geheiratet. Okay, damit musste ich rechnen. Trotzdem hoffe ich auf eine Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Jetzt weiß ich zumindest, dass sie hier in New Haven lebt, nur hat mich das meinem Vorhaben noch immer kein Stück näher gebracht.

Dass ich ausgerechnet bei den Eagles unterschrieben habe, ist purer Zufall, denn wäre Coach Forster nicht gewesen, hätte ich den Weg nach Connecticut niemals eingeschlagen. Ihm verdanke ich meine zweite Chance im Profi-Football, denn außer ihm wollte mich kein anderes Team als ersten Quarterback unter Vertrag nehmen. Bitter, wenn ich daran denke, dass ich erst vor zweieinhalb Jahren mit Miami den Super Bowl gewonnen habe. Wie schnell man doch vom Football-Olymp ins Nichts hinabstürzen kann.

„Ach was, Tommy ist ein Mathe-Ass.“ Mrs. Santos blickt voller Stolz auf den Jungen und gibt sich einen Ruck. „Okay, aber du musst mir hoch und heilig versprechen, dass deine Mom das Foto nicht findet.“

„Ich schwöre es“, erwidert Tom und legt die Hand auf die Stelle seiner Brust, unter der sein Herz schlägt.

Die Schulleiterin hebt die Kamera, und ich ziehe Tom an der Kette der Schaukel näher zu mir.

„Cheese“, ruft sie fröhlich, und ich pflastere mir ein ehrliches Grinsen auf das Gesicht. Wenn der Großvater des Jungen das Foto sieht, soll er darin meine Dankbarkeit erkennen können, schließlich gibt es nur wenige Fans, die mir nach meiner schweren Verletzung noch immer die Treue halten und sich an meine Erfolge von damals erinnern. In der schnelllebigen Zeit von heute echt etwas ganz Besonderes.

Mrs. Santos zieht das Foto aus der Kamera und wedelt damit einige Male hin und her, damit es sich schneller entwickelt, bevor sie es mir reicht, damit ich auf dem breiten weißen Streifen am unteren Ende unterschreiben kann.

Während ich mein Autogramm daraufsetze, sehe ich, wie unsere Gesichter immer mehr Form annehmen. Dabei fällt mir auf, dass Tom mir irgendwie ähnlichsieht. Die gleiche Gesichtsform, sogar mein etwas kantiges Kinn teilt er. Einzig seine Augen sind blau und die Nase ist ein klein wenig schmaler als meine.

„Cool, du hast dein Mini-Me gefunden.“ Jonah steht neben Mrs. Santos und blickt breit grinsend von mir zu dem Jungen. Ihm ist es also auch aufgefallen. Schon komisch, aber ich bin mir sicher, dass ich mit keiner der Frauen, mit der ich jemals das Bett geteilt habe, ein Kind gezeugt habe. Zum einen passe ich extrem auf und benutze stets ein Kondom, zum anderen wäre jede der Frauen sicherlich sofort zu einem Anwalt gerannt, um einen saftigen Unterhalt für sich und das Kind einzuklagen. Selbst bei meiner Noch-Ehefrau bestand ich auf der Latex-Verhütung, denn eines ist klar: Ich würde niemals ein Kind zeugen, solange ich noch aktiv spiele, da ich das Martyrium, der Sohn eines Football-Profis zu sein, selbst durchlebt habe.

„Ach was! Reiner Zufall, nicht wahr, Tommy?“, erwidere ich lapidar und zerzause das weiche Haar des Jungen. Er grinst mich breit an und offenbart damit seine beiden noch nicht ganz herausgewachsenen äußeren Schneidezähne.

„Jetzt komm mit rüber, ich schaff die Truppe nicht allein.“ Jonah deutet hinter sich, wo die Kinder eine riesige Traube um Danysha gebildet haben, die Shirts und Caps verteilt, die wir gleich signieren werden. Ich hatte mich schon gewundert, wie er es geschafft hat, sich unbemerkt davonzustehlen.

Zum Abschied strecke ich Tommy die Faust entgegen, was er gern annimmt und mit seiner viel kleineren dagegenknufft.

„War cool, dich kennenzulernen“, sage ich und zwinkere ihm zu. „Grüß deinen Grandpa und denk dran, das Foto gut zu verstecken.“

„Mach ich“, erwidert er und winkt mir nach, während ich Jonah und Mrs. Santos zu den anderen Schülern folge.

 

Etwa eine Stunde später verlassen wir das Schulgebäude und atmen alle drei tief durch, sobald wir in die wohltuende Stille des SUVs eintauchen. Der Fahrer startet den Motor und verlässt im Schritttempo den Parkplatz der Grundschule.

Wie ich es liebe, mit diesen riesigen Dingern herumkutschiert zu werden. Weiche Ledersitze, viel Beinfreiheit und genug Platz für vier Personen.

„Mir dröhnen die Ohren“, jammere ich und presse die Handflächen gegen die Seiten meines Kopfes.

„Am Anfang waren sie so ruhig“, schließt sich Jonah, der mir schräg gegenübersitzt, mit einem Stoßseufzer an.

„Kriegt euch wieder ein.“ Danysha, die es sich auf dem Platz neben mir gemütlich gemacht hat, rollt mit den Augen und schüttelt den Kopf, sodass ihre langen dunklen Locken nur so tanzen. „Das war vorerst die letzte Schule, nächste Woche steht ein Veteranenheim an. Das übernehmen aber Miller und Jackson.“

„Die Glücklichen. Wieso macht dir das Gebrüll nichts aus?“ Jonah öffnet ein Auge, um sie anzusehen.

„Ich habe sieben Geschwister und bin die Zweitälteste“, erwidert sie schulterzuckend. „Ihr solltet so was öfter machen … härtet ab. Danach kann euer Nachwuchs so laut plärren, wie er will. Apropos Nachwuchs.“

Sie sieht mich forschend an und verzieht nachdenklich das Gesicht.

„Was?“ Keine Ahnung, worauf sie hinauswill.

„Sicher, dass der Kleine nicht von dir ist?“ Jonah scheint ihre Gedanken gelesen zu haben und lacht gehässig. Als ich ihn vor fünf Monaten kennengelernt habe, sprach er kaum mehr als nötig und erinnerte mich eher an einen stoischen Felsblock. Seit er allerdings mit Layna zusammen ist, kommt er aus sich heraus und lässt sogar hier und da seinen Humor aufblitzen.

Als Antwort zeige ich beiden den Mittelfinger. Danysha kichert und tippt auf ihrem Tablet herum. „Schade, dass wir die Bilder mit ihm nicht verwenden dürfen.“

„Du hast uns fotografiert?“ Perplex sehe ich sie an. „Wann?“

„Na, während Jonah die Kids beschäftigt hat. Ein tolles Bild.“ Sie dreht das Tablet und hält es mir unter die Nase. Ich kann genau sagen, welchen Augenblick sie eingefangen hat. Es ist der Moment, als Tom mir mit strahlenden Augen davon erzählte, wie er mit seinem Grandpa heimlich Football schaut.

„Kannst du es mir per E-Mail schicken?“

Danysha tippt auf dem Tablet herum, und nur wenige Sekunden später blinkt auf meinem Handy-Display ein Umschlag auf.

„Wie hieß er eigentlich?“, will Jonah wissen und versorgt uns mit Wasserflaschen aus der Minibar.

„Tom.“

„Und wie weiter?“, hakt Danysha nach.

„Keine Ahnung. Hab ich nicht gefragt“, gestehe ich. „Ja, ja, ich weiß, aber ich versichere euch, ich bin hundertprozentig nicht sein Vater. Bevor ich hierherkam, habe ich lediglich einmal in New Haven gespielt, und das ist erst drei Jahre her.“

„Das 38:0-Drama“, murmelt Danysha und seufzt.

„Und zwölf Punkte davon habe ich damals selbst erlaufen.“ Ich schwelge in Erinnerungen an glückliche Tage und kann mir ein Grinsen kaum verkneifen. „Wie gesagt, das war vor drei Jahren, und wie alt ist Tom ungefähr? Sieben?“

„Acht wahrscheinlich“, korrigiert sie mich. „Das war die dritte Klasse.“

„Also, vor neun Jahren war ich an der Ol’Miss und somit über tausend Meilen weit weg von New Haven.“ Im Kopf beginne ich nachzurechnen, und mir wird eiskalt, da die Lösung dieser simplen Aufgabe nur einen Namen zulässt: Tamzin.

Jonah stößt mich mit der Schuhspitze an. „Alles okay bei dir?“

Ein Nicken ist alles, was ich als Antwort zustande bekomme, während ich, in Gedanken versunken, aus dem Seitenfenster starre.

Wenn Tamzin schwanger gewesen wäre, hätte sie es mir auf jeden Fall gesagt. Wir wollten eine Familie gründen und nach dem Draft heiraten. Für uns galt: Wir gegen den Rest der Welt.

Doch um die Erinnerungen wabert ein grauer Schleier der Schuld. Ich habe alles eigenhändig kaputt gemacht und eben jene gemeinsame Zukunft vernichtet. Es war mein Fehler, meine Arroganz, meine Dummheit. Ich ganz allein bin schuld. Punkt.

Auf dem Parkplatz des Trainingscenters angekommen, verschwindet Danysha im Gebäude, während Jonah und ich zu unseren Wagen gehen.

„Jetzt sag schon, was los ist“, fordert Jonah und legt eine seiner riesigen, schaufelartigen Hände auf meine Schulter.

„Es ist Blödsinn“, versuche ich auszuweichen, doch Jonah ist hartnäckig. Auf dem Platz mag das okay sein, aber ich will ihm mit meinem Drama nicht auf die Nerven fallen. Er ist schon mehr als nötig involviert, weil ich ihm wegen seiner Gefühlspanik, die er in Bezug auf Layna hatte, zur Ablenkung einiges davon offenbart habe.

„Wenn Tom mein Sohn wäre, dann müsste, falls ich richtig gerechnet habe, Tamzin seine Mutter sein.“

Jonahs wissendes Nicken stresst mich irgendwie.

„Bist du bei der Suche nach ihr schon weitergekommen?“ Er lehnt sich gegen seinen Wagen und mustert mich nachdenklich.

„Nope. Die Fakultät gibt mir ihre Adresse nicht. Keine Chance, und die Kurse liefen nur über den Sommer hinweg. Sie gehört nicht zum festen Professorenkreis. Und bevor du fragst, das Internet gibt auch nichts über eine Tamzin Goodwill her. Es ist zum Verrücktwerden. Fast so, als ob sie nicht gefunden werden will.“

„Schade, Mann. Layna hat es ebenfalls probiert. Sie ist mit dem Büro für Integration und Inklusion an die Rechner der Fakultät angeschlossen, aber sie hatte leider keinen Erfolg. Persönliche Daten sind geschützt.“ Er klingt ehrlich betrübt und kickt missmutig ein Steinchen über den Asphalt. „Nur nicht aufgeben. Du findest sie schon. Das hier ist New Haven und nicht New York, früher oder später lauft ihr euch über den Weg.“

„Deinen Optimismus hätte ich gern“, murre ich und öffne die Fahrertür meines Wagens.

„Davon kann ich dir leihen, so viel du willst. Dank Layna ist mein Lager randvoll“, erwidert er und klettert in seinen SUV, mit dem er einige Augenblicke später vom VIP-Parkplatz fährt. Ich sehe ihm nach und denke daran, wie schön es wäre, nach Hause zu kommen, wo sie mit den Kindern bereits auf mich wartet. Bei dem Bild, was sich vor meinem inneren Auge formiert, wird mein Herz schwer wie Blei, denn ich bin selbst dafür verantwortlich, dass dieser Traum niemals in Erfüllung gehen wird.


Tamzin

Noch schnell eine frische Tasse Kaffee, kurz ins Bad, und dann steht bereits das nächste Video-Meeting an. Das dritte heute. Mir schwirrt schon der Kopf.

Die Uhr an der Mikrowelle zeigt kurz vor drei, was bedeutet, dass die Stunde der Wahrheit unaufhörlich näher rückt. Sofort meldet sich wieder mein Bauch, der mir klar zu verstehen gibt, dass ich es mit meiner Aktion maßlos übertrieben habe. Ich wusste, wie sehr er sich freut, und trotzdem konnte ich es nicht über mich bringen, diesen verdammten Zettel zu unterschreiben.

Ich bin eine schlechte Mutter! Wenn Mom das erfährt, reißt sie mir den Kopf ab, und Dad wird hart mit mir ins Gericht gehen. Er hat vorhin am Telefon bereits die richtigen Worte gefunden, um mir klarzumachen, wie daneben die Aktion war. Im Prinzip kann ich nur hoffen, dass ihr Ärger bis zu ihrer Rückkehr in zwei Wochen einigermaßen verpufft ist, sonst kann ich mich warm anziehen.

Zurück am Schreibtisch beginnt das Handy zu klingeln. Das Display zeigt eine mir unbekannte Nummer an, was ungewöhnlich ist, da nur Geschäftspartner und ein enger Kreis meiner Mitarbeiter meine private Nummer kennen. Eigentlich habe ich keine Zeit, doch bei mir schrillen sämtliche Alarmglocken. Was, wenn es einen Serverausfall gibt oder schlimmer, einen Hackerangriff?

Ich nehme das Gespräch an. „DeSeCu Incorporated, Sie sprechen mit Tamzin Williams“, melde ich mich der Form halber ganz akkurat. Man kann ja nie wissen.

„Mrs. Williams, hier spricht Bryan Waters. Ich bin der Manager der New Haven Eagles und habe ihre Nummer von Joffrey Delaware.“

Bei der Erwähnung der Eagles setzt mein Herz für einige Schläge aus. Nicht nur, dass es in der Stadt keine einzige Ecke gibt, an der nicht Werbung für die Spiele und das Team gemacht wird, nun werde ich auch noch in meinen eigenen vier Wänden von diesem Albtraum heimgesucht.

„Mr. Waters, was kann ich für Sie tun?“, erwidere ich kühl und ärgere mich, dass ich den Anruf nicht auf die Mailbox geschickt habe.

„Wir haben massive Probleme mit unseren Computern. Unsere IT meint, es sei ein Virus oder so was.“

Seinen Worten entnehme ich, dass man bei den Eagles Toppersonal in der IT sitzen hat. Sarkasmus aus.

Um nicht unhöflich zu sein, schreibe ich in den Meeting-Chat, dass ich mich einige Minuten verspäte, und hoffe, dass ich Waters schnell abwimmeln kann.

„Joffrey hat sie mir wärmstens ans Herz gelegt.“

Ich kann mein Seufzen gerade noch unterdrücken. Der alte Joffrey Delaware war einer meiner ersten Großkunden, wofür ich ihm enorm dankbar bin. Seine gesamte Firma war damals mittels einer Schadsoftware lahmgelegt, und wir haben in einer Nacht alles wieder flottgemacht. Nur scheint er meine Visitenkarte vor lauter Begeisterung vervielfältigt zu haben. Dieser Waters ist schon der Dritte, den er zu mir lotst.

Meine Firma läuft hervorragend. Wir sind gut ausgelastet. Und obwohl ich mit Football im Allgemeinen, aber vor allem mit dieser speziellen Mannschaft absolut gar nichts zu tun haben will, höre ich ihm zu, während er mir von den Problemen berichtet.

„Können Sie das übernehmen?“ Seine mit einem flehenden Unterton geäußerten Worte schweben wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Sage ich Nein, verärgere ich Delaware, sage ich Ja, besteht die Gefahr, dass ich einem gewissen Spieler über den Weg laufe, den ich seit beinahe neun Jahren aus meinem Leben verbannt habe. Andererseits bezweifle ich, dass er sich überhaupt noch an mich erinnert. Vor allem jetzt, wo er doch nach dem geglückten Saisonauftakt sicherlich samt seiner Size Zero-Vorzeigespielerfrau auf Wolke sieben im Football-Himmel schwebt.

„Hören Sie, Mr. Waters, meine Consultants sind momentan voll ausgelastet.“ Die halb gare Notlüge kommt mir nur zögerlich über die Lippen. Wir laufen bei fünfundachtzig Prozent und könnten durchaus einen weiteren Großkunden im Portfolio gebrauchen.

„Das ist wirklich schade“, seufzt er. „Allerdings kann ich mir gut vorstellen, wie gefragt Datensicherheit und IT-Service sind. Könnten Sie mir jemanden empfehlen? Unser gesamter Spieltag hängt davon ab. Aktuell können wir von Glück reden, wenn die Kaffeemaschinen funktionieren. Alles ist lahmgelegt.“

Okay, sein an Hilflosigkeit grenzender Tonfall kocht mich weich. Und bevor ich einem meiner Konkurrenten diesen ausgewachsenen Wal freiwillig zum Lunch serviere, springe ich lieber über meinen Schatten.

„Wissen Sie, was? Ich komme morgen früh mit drei meiner besten Troubleshooter vorbei, und wir sehen uns das Ausmaß des Ganzen an. Sie arbeiten doch samstags, oder?“, schlage ich vor, denn da Tom den Tag über bei seinem besten Freund Noel verbringen wollte, hätte ich genug Zeit, um mir mit meinen Jungs einen Überblick zu verschaffen.

Außerdem nehme ich nicht an, dass sich das Management im gleichen Gebäude wie das Trainingscenter befindet, somit ist die Gefahr gering, ihm über den Weg zu laufen.

„Für Sie würde ich sogar um Mitternacht vor Ort sein. Danke, Mrs. Williams.“

„Nennen Sie mich Tamzin“, erwidere ich.

„Ich bin Bryan. Wie nehmen Sie Ihren Kaffee? Sie trinken doch welchen oder lieber Tee?“, fragt er aufgeregt und entlockt mir ein Lachen. „Meine Assistentin Carina wird Sie und Ihre Crew mit Nachschub versorgen, wann immer Sie wollen.“

„Das ist ein Angebot, das wir gern annehmen. Für mich alles mit viel Milch, am liebsten Cappuccino.“

„Perfekt. Wir sehen uns.“

Er verabschiedet sich, und ich kann nicht fassen, dass vielleicht schon morgen ein waschechtes NFL-Team zu dem illustren Kreis unserer Kunden zählen wird.

 

Pünktlich um vier Uhr vernehme ich das vertraute Schlagen der Haustür, ein Ächzen, dann das Trappeln von Füßen und schließlich … Ich lehne mich zur Seite und sehe an meinem Bildschirm vorbei zur offenen Tür meines Homeoffice, durch die nicht der gewohnte Tornado hereinweht.

„Tommy?“, rufe ich und lausche in die Stille hinein. Das war doch eben die Tür, oder? Habe ich etwa akustische Halluzinationen?

Verwundert gehe ich in die Küche, doch auch dort finde ich kein Anzeichen meines sonst nach einem langen Schultag immer halb verhungerten Sohnes.

Da ich ahne, was dahinterstecken könnte, öffne ich den Kühlschrank und hole meine Mom-Geheimwaffe heraus: ein Oreo Crunchy-Schokoeis. Wenn ich ihm das unter die Nase halte, wird er die Geschichte mit der Unterschrift bestimmt schnell wieder vergessen haben.

Todesmutig klopfe ich an seine geschlossene Zimmertür und warte zwei Sekunden, bevor ich eintrete. Er ist acht. Als ich in dem Alter war, hätte meine Mom nie gewartet, geschweige denn geklopft.

„Hey, da bist du ja. Wie war dein Tag?“, frage ich fröhlich und sehe, wie er etwas in eines seiner Hefte schiebt und zurück in die Schultasche steckt.

Sein Zimmer ist mit allem eingerichtet, was ein Junge braucht. Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Basketballkorb innen an der Tür und ein Wandschrank, der in ein paar Jahren sicherlich nicht mehr so ordentlich eingeräumt sein wird. Auf den dunklen Holzdielen, die im gesamten Haus verlegt sind, liegt ein grüner, einem Footballfeld nachempfundener Teppich. Er weiß, dass ich das Spiel nicht mag, aber bei so was drücke ich dann doch beide Augen zu, wenn er es sich von Herzen wünscht.

„War okay“, erwidert er halblaut und seufzt. Mein schlechtes Gewissen brüllt mich an, was für eine miese Mutter ich bin, und fast schenke ich ihm Gehör, doch ich will ihn beschützen. Er ist mein Sohn, mein Herz, mein Ein und Alles.

„Schau mal, hab ich vorhin geholt“, sage ich und halte ihm das Eis hin, was er zögerlich annimmt. „Du bist sauer, nicht wahr?“

Tom schüttelt den Kopf, doch da er sein heiß geliebtes Eis nicht umgehend aus der Packung reißt, ist mir klar, dass ihm etwas auf der Seele brennt.

Sein Kopfschütteln ist genauso halbherzig, er hat mich zur Begrüßung noch nicht einmal gedrückt. Dabei hatte ich verdammt gute Gründe, diese vermaledeite Unterschrift auf der Einverständniserklärung abzulehnen. Wären es andere Spieler gewesen, kein Problem, aber er? Definitiv nein, keine Chance.

Patric müsste ihn bloß einmal richtig ansehen und wüsste sicherlich sofort, dass Tom sein Sohn ist. Seit bekannt wurde, dass er den Job als Quarterback bei den Eagles übernommen hat, bin ich bereits dreimal auf die frappierende Ähnlichkeit angesprochen worden. Zum Glück hat Tom nichts davon mitbekommen, und ich habe keine Ahnung, wie ich mit dem irgendwann sicherlich eintretenden Ernstfall umgehen soll, falls es doch einmal dazu kommen sollte.

„Schatz, wir hatten uns versprochen, ehrlich zueinander zu sein. Du kannst immer offen mit mir reden“, reiche ich ihm die Hand und warte darauf, dass er sie ergreift.

Langsam setze ich mich neben ihm aufs Bett.

„Es war doof. Alle anderen durften Chap und Hastings treffen und sich Autogramme holen oder mit ihnen fotografieren lassen“, murrt er und reißt eine Ecke der Eispackung auf.

„Ich verstehe. Das war kein schönes Gefühl, so außen vor zu bleiben. Konntest du sie wenigstens kurz sehen?“, fühle ich vor und hoffe, dass er Nein sagt, doch Tom nickt, was meinen Magen direkt in den freien Fall in Richtung Kniekehlen schickt.

„Mrs. Santos ließ mich schaukeln, während die anderen bei den Spielern waren.“

Seine Worte bewirken, dass mein Magen noch eine Etage tiefer sackt. Ich hatte gehofft, er müsste im Klassenraum bleiben und würde Patric nicht zu Gesicht bekommen.

„Aber du hast sie nicht selbst getroffen, oder?“ Es schnürt mir die Kehle zu wissen, dass mein Sohn ihm hätte über den Weg laufen können. Ich bin einfach nicht bereit dazu. Was Patric mir angetan hat, all der Schmerz und die Wut, die ich damals verspürte, sie sind noch immer da und simmern in mir. Jeden verdammten Tag, jede verdammte Stunde!

„Ne, durfte ich nicht. Mrs. Santos hat aufgepasst.“

Erleichtert atme ich auf und versteife mich sofort wieder. „Du sagtest, es wurden Fotos gemacht. Bist du auf einem mit drauf?“, hake ich nach. Es genügt, dass ein Fan näher heranzoomt, und schon werden unangenehme Fragen laut.

„Weiß ich nicht. Mrs. Santos und Ms. Bell hatten so Kameras, die Fotos ausspucken“, berichtet er, was mich aufatmen lässt.

Polaroid-Kameras haben im Allgemeinen keine große Raumtiefe oder eine Auflösung, die hoch genug wäre, um Personen im weiter entfernten Hintergrund erkennbar darzustellen.

Es geht mir um Sicherheit, aber vor allem darum, dass ich den Schutz von Privatsphäre buchstäblich lebe. Weder von Tom noch von mir existieren Fotos im Internet, und ich besitze keinerlei Profile in sozialen Netzwerken. Wenn man meinen Namen in die Suchleiste bei Google eingibt, spuckt sie nichts weiter aus, als dass ich die Benjamin Franklin Highschool besucht habe. Danach nichts mehr. An meinen Daten kann sich niemand vergreifen, da passe ich auf wie ein Zerberus.

„Es tut mir wirklich leid, mein Schatz.“ Vorsichtig lege ich ihm den Arm um die Schultern und höre sein tiefes Seufzen, während ich die Wange an sein Haar lege. Es riecht nach Sommer und Sonne, aber da ist auch noch ein kleiner Hauch des süßen Babys, das er einmal war. Stundenlang hielt ich ihm im Arm, wiegte ihn jede Nacht in den Schlaf, und seine dicken Bäckchen waren nie sicher vor meinen Küssen.

„Schon gut. So toll war es nicht.“

Mir ist bewusst, dass er es herunterspielt, um mir ein besseres Gefühl zu geben. Etwas, was er nicht tun sollte, und trotzdem bin ich dankbar dafür.

„Vergiss nicht dein Eis, sonst stibitze ich es dir unter der Nase weg.“

Meinen halbherzigen Versuch, es ihm abzunehmen, kontert er mit einem nörgeligen „Mom!“. Er reißt die Packung auf und leckt es in Windeseile von allen Seiten an. „Jetzt ist es meins!“, tönt er und kichert.

Ich stimme mit ein, drücke ihm einen Kuss auf die Stirn – dorthin darf ich ihn noch küssen, aber nur, wenn seine Freunde nicht dabei sind – und stehe vom Bett auf. „Zum Abendessen gibt es übrigens dein Leibgericht. Spaghetti mit Hackbällchen.“

Fröhlich jubelnd springt er auf, umarmt mich und reißt die Arme mitsamt dem Eis in die Höhe. Bei dem Anblick des langsam tauenden Schokoladeneises ahne ich, dass schon bald dicke Tropfen davon auf dem Teppich landen.

„Setz dich an deinen Schreibtisch und iss dein Oreo-Crunchy. Falls du danach noch Hunger hast, holst du dir in der Küche Obst. Ich muss wieder zurück an die Arbeit.“

Sein Augenrollen verrät mir, wie viel er davon hält.

„Hey, ich habe einen potenziellen neuen Kunden, und zwar einen richtig großen an der Angel“, versuche ich, ihm die Situation zu erklären. Den morgigen Tag muss ich mir für Bryan und das Team im wahrsten Sinne des Wortes freischaufeln. Zudem ahne ich bereits, dass die Angelegenheit nicht mit zehn Consultant-Stunden erledigt sein wird und ich häufiger vor Ort sein muss. Aber vor allem befürchte ich, mich auf dünnem Eis zu bewegen. Ein falscher Schritt, und ich lande direkt vor Patrics Füßen. Etwas, was ich eigentlich gehofft hatte zu vermeiden. Denn eines ist sicher, ich werde niemals zulassen, dass meinen Sohn das gleiche Schicksal ereilt wie Patric, der von seinem besessenen Vater seiner Kindheit beraubt und zu einem Footballstar gedrillt wurde. Tom soll keinesfalls in diese Welt voller Arroganz, Härte und Kälte hineingezogen werden.

K. Elly de Wulf

Über K. Elly de Wulf

Biografie

K. Elly de Wulf ist das Pseudonym einer 1977 in Thüringen geboren Autorin. Sie lebt mit ihrem Partner im Rhein-Main-Gebiet, wo sie den Kontrast zwischen turbulenter Großstadt und idyllischem Landleben genießt. Seit 2016 schreibt sie sinnlich-prickelnde und tiefgründige Liebesromane, mit denen sie...

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