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Pola

Pola - eBook-Ausgabe

Daniela Dröscher
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Pola — Inhalt

Eine fabelhafte Lügnerin, eine Frau, die alles hatte: Männer, Juwelen, Häuser, Ruhm - und für Letzteres bereit war, alles andere zu opfern. Es ist die Geschichte von Pola Negri, einem der ersten Stars des jungen Kinos, deren Leben aus mehr Trug und Schein bestand, als dass eine klassische Biografie darin die Wahrheit finden könnte. Pola fährt kurz vor Weihnachten 1934 in einem Viehwagen Richtung New York. Dort wartet das Schiff, das sie zurück nach Deutschland bringen wird. Sie hofft auf ihr Comeback, doch ihre meisterhaft erschwindelte Lebensgeschichte beginnt sich unter den neuen Machthabern zu rächen und bald wird sie von dem Gerücht erdrückt, wer sich nachts einsam ihre Filme anschaut ... Der Aufbruch in die Moderne ist auch eine weibliche Geschichte, strahlende Stars wie Pola werden zu Idolen, verehrt wie einst Madonnenbilder, und ihre Freizügigkeit setzte die überkommene Ordnung außer Kraft. Dass Pola Negri am Ende selbst nicht mehr wusste, was Wahrheit, was Lüge, was Gerücht war, nutzt Daniela Dröscher mit viel Witz, Fantasie und Eigensinn. Pola ist mehr als der Roman über eine der schillerndsten Figuren des Stummfilms, über die Geliebte Charlie Chaplins und Rudolph Valentinos, es ist die Geschichte einer modernen Frau, die für ihre Karriere zu weit ging und an ihrem Glück immer zielsicher vorbei.

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 20.08.2012
304 Seiten
EAN 978-3-8270-7594-9
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Leseprobe zu „Pola“

1
Es war der Tag , an dem Pola Negris Karriere zu Ende
ging. Langsam rollte der Cadillac den Sunset Boulevard hinab.
Neben Pola saß ein Mädchen. Ihr Lidschatten und
Make-up waren zu Rinnsalen zerflossen, die Kleine hatte
ununterbrochen geweint. Nun, kurz vor der Ecke Crescent
Heights, waren die Tränen versiegt, das Mädchen schlief.
Dichter Nebel hing über der dunklen Fahrbahn, und erst
als Pola auf die Einfahrt zusteuerte, merkte sie, dass vor dem
Anwesen die cremeweiße Limousine von Mercedes de Acosta
quer über den Gehweg ragte. Die Drehbuchschreiberin war
bekann [...]

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1
Es war der Tag , an dem Pola Negris Karriere zu Ende
ging. Langsam rollte der Cadillac den Sunset Boulevard hinab.
Neben Pola saß ein Mädchen. Ihr Lidschatten und
Make-up waren zu Rinnsalen zerflossen, die Kleine hatte
ununterbrochen geweint. Nun, kurz vor der Ecke Crescent
Heights, waren die Tränen versiegt, das Mädchen schlief.
Dichter Nebel hing über der dunklen Fahrbahn, und erst
als Pola auf die Einfahrt zusteuerte, merkte sie, dass vor dem
Anwesen die cremeweiße Limousine von Mercedes de Acosta
quer über den Gehweg ragte. Die Drehbuchschreiberin war
bekannt für drei Dinge: für die Rollen, die sie der Garbo auf
den Leib schrieb, ihre feurige Liebe zu Frauen und für die
Angewohnheit, ihren Wagen einfach dort abzustellen, wo es
ihr gerade gefiel.
Das abrupte Abbremsen riss das Mädchen aus dem Schlaf,
Pola selbst war überrascht von der Heftigkeit, mit der ihr
Wagen reagierte. Mit aufgerissenen Augen schaute die Kleine
geradeaus. Pola klemmte sich eilig die Tasche unter den Arm.
Beim Aussteigen stieß sie sich heftig die Stirn am Türrahmen.
Fluchend stöckelte sie in die Nacht hinaus. Das zitternde
Bündel an ihrem Arm tat ihr leid. Pola hatte das aufgelöste
Geschöpf in einem Diner aufgegabelt. Sie hatte nach dem
Gespräch mit ihrem Agenten nur kurz Halt machen wollen,
um sich mit einem Banana Flip zu stärken, als plötzlich ein
Mädchen auf sie zugestürzt war.
Nancy Robbins war ein stupsnasiges, sommersprossiges
und außerordentlich frühreifes Kind von etwa zwölf Jahren,
das in den Schulferien aus New York angereist kam, um seine
Patentante, die Schauspielerlegende Alla Nazimova, zu besuchen.
Die Nazimova wiederum war eng mit Mercedes de
Acosta befreundet, und es kam vor, dass die beiden bei ihren
Touren durch die Stadt die kleine Nancy einfach irgendwo
vergaßen. Nancy tat so, als ob es sie nicht weiter kümmerte.
So kess sie sich nach außen gebärdete, so zartbesaitet war
sie, wenn sie nur lange genug verloren über einem Eisbecher
gesessen und Rotz und Wasser in ihre Streusel geheult hatte.
An der Limousine vorbei zwängte Pola sich durch ein
Tor, das auf das weitläufige Anwesen mit dem Haupthaus
und etwa fünfundzwanzig kleineren Bungalows führte. Über
dem Eingang prangte ein großes Holzschild „Garden of
Allah“. Ein Dienstmädchen ließ sie ein. In der Mitte des
kreisrunden Salons döste, ganz ohne Leine oder Käfig, ein
Leopard. Als das Tier die Besucher bemerkte, schickte es ein
leises Knurren zu ihnen herüber, starrte dann aber weiter
trübselig vor sich hin. Mit den Schauspielerinnen der Stadt
teilte die Großkatze das Schicksal, dass man sie gleich nach
ihrer Ankunft in Hollywood zum Zahnarzt verfrachtet hatte:
So, wie man angehenden Filmdiven sämtliche Backen- und
Weisheitszähne zog, damit ihre Gesichter schmal und hohlwangig
wirkten, waren dem Raubtier sämtliche Krallen und
Reißzähne entfernt worden.
„Nancy, endlich“, rief Alla. Sie erhob sich aus dem malachitgrünen
Fauteuil und umschlang das Kind mit dramatischer
Geste.
„Sie war kurz davor, per Anhalter nach Hause zu fahren.“
Wie immer, wenn Pola in Aufregung geriet, feuerte ihr pol
nischer Akzent dabei scharf gegen das Amerikanische. In
Kombination mit ihrer dunklen, verrauchten Stimme klang
sie wie ein empfindsamer Mafioso. „Ihr könnt das Kind doch
nicht einfach in der Nacht zurücklassen.“
Seelenruhig kam Mercedes de Acosta auf sie zugeschlendert.
„Nancy ist dreizehn“, sagte sie. „Die halbe Stunde Fußweg
hat noch niemandem geschadet.“
„Warte, ich hole dir einen Eisbeutel“, sagte Alla mit Blick
auf Polas Stirn. Die Kleine zog sie mit sich, um ihr einen
Klaps auf den Po zu geben. „Geh und wasch dir die Farbe
aus dem Gesicht.“
Im Weggehen streckte Nancy Pola die Hand entgegen.
„Danke fürs Mitnehmen.“
„Gern geschehen“, murmelte Pola.
Sie sah dem Mädchen hinterher, wie es mit kessem Hüftschwung
die Treppe hinauf verschwand. Es war Nancy anzusehen,
wie sehr es sie wurmte, in die Rolle des Kükens
verwiesen zu sein. Oben auf der Galerie angekommen, beugte
Nancy sich über das Geländer. Blitzschnell streckte sie die
Zunge raus, dann drehte sie sich um und entfernte sich in
Richtung ihres Zimmers.
„Die jungen Dinger werden auch immer frecher. Und
schöner.“ Alla seufzte.
„Ich konnte Kinder noch nie leiden“, sagte Pola leichthin
und presste den Eisbeutel, den Alla ihr reichte, gegen die Stirn.
Als sie Mercedes genauer ansah, wich Pola erschrocken zurück.
Anders als sonst trug die Drehbuchschreiberin das kurze
Haar nicht mit Brillantine glatt zurückgekämmt. Weich umspielten
stattdessen Locken das scharf geschnittene Gesicht.
Etwas darin aber wirkte schief, wie aus den Fugen geraten.
„Glotz nicht so, Herrgott! Sie hatte einen Autounfall“,
flüsterte die Nazimova Pola ins Ohr. „Sie hat Unmengen
Operationen hinter sich.“
Pola sog heftig Luft ein. Mitleid schoss in ihr auf und versetzte
sie in eine andere Stimmung.
„Pola! Zurück im Lande“, fuhr eine Stimme dazwischen,
bevor sie Mercedes begrüßen konnte.
Das schlechte Englisch hallte laut und schamlos von den
Wänden wider. Im hinteren Teil des Raumes schritt gazellengleich
die Dietrich auf und ab. Sie trug einen hellen Hosenanzug
und eine jener dunklen Brillen, die in diesem Sommer
auf Long Island in Mode gekommen waren. Um den Hals hatte
sie eine gelbe Krawatte gebunden. Es war unverschämt, wie
gut sie damit aussah. Beim Auf-und-ab-Gehen schwenkte sie
ein kleines Fässchen, aus dessen Öffnungen fauchend Rauch
hervorquoll. Es stank gottserbärmlich nach Moschus. Wieder
wich Pola zurück. So abergläubisch, wie sie war, und so häufig
sie einen Blick in das Kristall der örtlichen Wahrsagerin
riskierte,
so skeptisch blieb sie gegenüber allen fremdländischen
Ritualen. Marlene hob die Hand, klimperte zur Begrüßung
mit den Fingern durch die Luft und stolzierte weiter mit ihrem
Fässchen umher. Alla nahm Pola abermals zur Seite.
„Sie ist beleidigt, weil Mercedes sich weigert, ihrem von
Sternberg den Tripper an den Hals zu hexen. Der Herr Regisseur
hat sich doch von ihr getrennt.“
„Ein Tripper wäre gegen mein Credo“, entgegnete Mercedes.
„Ich erfülle nur gute Wünsche. Keine schlechten.“
Sie zuckte die Achseln und verschränkte die Arme.
„Wenn ihr mich fragt, war das abzusehen“, stellte Alla
fest. „So verliebt, wie der in sie war. Gott, es macht ihr solchen
Kummer, der Ärmsten.“
Pola staunte. Der Unfall der Acosta, die Trennung des
Dreamteams Dietrich und von Sternberg – ein Jahr nur war
Pola auf Vaudeville-Tournee gewesen, und schon wusste sie
nicht mehr, was vor sich ging.
Neugierig stellten sich die drei Frauen vor Pola auf und
überprüften sie von Kopf bis Fuß auf Falten, Fehler und Fettablagerungen.
Wie Orgelpfeifen standen sie nebeneinander.
Pola frohlockte. Hier waren also die Damen des „Nähkreises
“, wie man sie in Hollywood nannte, versammelt. Anders
als die meisten anderen Kolleginnen – allen voran Greta
Garbo, die argwöhnisch über ihr Image als unberührbare,
rätselhafte Sphinx wachte – scherten diese Frauen sich einen
Dreck um ihren Ruf. Mit der seichten, heilen Welt der Musicals
und Boulevardkomödien, die gegenwärtig in Hollywood
regierten, hatten sie nichts am Hut. Die Währung, mit der
sie handelten, war der Skandal.
Mercedes de Acosta stammte in direkter Linie von der
Herzogin von Alba ab. Name und Herkunft verliehen ihrer
Erscheinung etwas Hoheitsvolles. Mercedes’ langjährige
Liaison mit Greta Garbo, die sie allerdings nie davon abgehalten
hatte, auch mit anderen Frauen, wie etwa der Dietrich,
zu schlafen, galt in Hollywood als offenes Geheimnis.
Die Presse schlachtete die Affäre nur deshalb nicht aus, weil
man den gigantischen Erfolg nicht gefährden wollte, den
jeder Film mit der Göttlichen garantierte. Wäre bekannt
geworden, dass Greta Garbo Frauen liebte, es hätte
das gesamte Starsystem Hollywoods in den Schmutz gezogen.
Marlene Dietrich war die einzige Frau in ganz Los Angeles,
die auf offener Straße Hosen trug. Berühmt geworden
war sie mit einer Filmszene, in der sie, als Mann verkleidet,
ein junges Mädchen küsste. Marlenes Verschleiß an Liebhabern beiderlei Geschlechts zeitigte über die Dauer eines
Jahres mehr Opfer, als eine Spinne Fliegen fing. Sie selbst jedoch
blieb von Liebesdingen so ungerührt wie eine deutsche
Eiche, was die Aura des kühlen Vamps noch vergrößerte.
Selbst ihre stadtbekannte Pedanterie, vor Überseefahrten eigenhändig
das Klo ihrer Kajüte zu schrubben, konnte dem
Image der Femme fatale keinen Abbruch tun.
Und dann war da noch die Hausherrin Alla Nazimova,
die emigrierte Russin, eine lebende Legende. Alla war die erste
Filmschauspielerin, die freizügige, selbstbewusste Frauen
verkörpert hatte. Frauen, deren Hände, wenn man ihnen
einen Dolch in die Finger drückte, nur ein Ziel kannten:
das Herz des männlichen Helden. Ihren fünfzig Jahren zum
Trotz hatte die Nazimova noch immer die Ausstrahlung eines
selbstbewussten jungen Mädchens. Dass unter Roosevelt die
gleichgeschlechtliche Liebe neuerdings als gotteslästerlich
unter Strafe gestellt wurde, interessierte eine Nazimova nicht.
Inzwischen hatte Mercedes sich aus der Dreierreihe gelöst
und war vor Pola hingetreten, um den unverhofften Gast mit
einem Kuss auf die Wangen zu begrüßen.
„Und? Was willst du? Du willst doch etwas, habe ich recht?“
„Es geht um das Buch“, begann Pola, löste sich aus der
Umarmung und trat einen Schritt zurück. Von ihrem Agenten
hatte Pola am Nachmittag erfahren, dass ihr Produzent,
David O. Selznick, die Lebensgeschichte der Tänzerlegende
Isadora Duncan verfilmen wollte. Er erwog, diese Rolle mit
Pola zu besetzen – immerhin war Pola Negri eine ehemalige
Primaballerina. Das Drehbuch dazu hatte er bei de Acosta in
Auftrag gegeben.
„Ich wollte nur sichergehen, dass du die liebe Isadora
auch genügend tanzen lässt. Bei euch Schreibern weiß man
ja nie.“
„Tanzen, wieso sollte ich? Greta kann doch gar nicht tanzen
“, erwiderte Mercedes erstaunt.
„Greta?“, fragte Pola. „Wieso Greta?“
Eine Amsel flatterte wild in einem Käfig auf. Mercedes
strich sich eine dunkle Strähne aus der vernarbten Stirn.
Ungläubig wanderte ihr Blick über Polas Gesicht. Etwa zwei
Sekunden lang war es still. Für einen Moment tauchte selbst
die Dietrich hinter den dunklen Gläsern hervor. Auch Alla,
die dazu übergegangen war, den aufgescheuchten Vogel zu
füttern, sah sich nach ihr um. Drei Augenpaare blickten sie
an. Dann lachte die Dietrich schallend los.
„Also so was.“ Ihr Lachen erinnerte an eine wiehernde
Stute. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du die Hauptrolle
spielst? Schätzchen, das ist wirklich zu gut.“
„Was meinst du?“, fragte Pola. Ihre Stimme zitterte plötzlich.
„Du spielst Mary Desti. Isadora Duncans Freundin. Die
Kosmetikstudiobesitzerin“, sagte Mercedes. Pola sah in das
Antlitz der Spanierin, das im Zimmerlicht fast olivfarben
wirkte. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie die
Wahrheit sagte. Pola presste die Lippen aufeinander. Ohne
ein weiteres Wort griff sie nach ihrem Hut.
„Jetzt warte.
Sei nicht gleich beleidigt, ich kann schließlich
nichts dafür.“
Dankbar nahm Pola die langstielige Zigarette, die Mercedes
ihr entgegenstreckte. Dass Selznick die Rolle mit der
Göttlichen und nicht mit ihr besetzen wollte, erstaunte Pola
im Grunde nicht. So unterschiedlich die Karrieren der hiesigen
Schauspielerinnen verliefen, ein Gesetz war für alle
gleich. Das, was in Hollywood über Schicksale entschied,
waren nicht allein Jugend, gutes Aussehen, Glück und Talent,
auch nicht Rollen, Bücher und Regisseure, nicht einmal
Gerüchte und Affären. Es war das Bild, das sich die Welt von
einer Schauspielerin machte. Wie dieses Bild aussah, oblag
nicht der eigenen Kontrolle, und doch waren sie alle damit
beschäftigt, es unablässig zu verfeinern und zu korrigieren.
Pola seufzte. Um ihr Image war es nicht gerade gut bestellt.
Das Einzige, was sie gegenwärtig vorzuweisen hatte, waren
eine mittelprächtige Vaudeville-Tour, die Trauer um den verstorbenen
Sportflieger Glen Kidston sowie eine Reihe von
Filmen, die zuletzt mehr oder weniger gefloppt waren. Seit
Jahren schon galt sie als Kassengift. Die Ära des Stummfilms,
die Pola Negri zu einer der ganz Großen gemacht hatte, war
lange vorbei. Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse hatte
ihren schrittweisen Abstieg herbeigeführt, und das nicht erst,
seit der Ton die Filmwelt regierte. Hollywood hatte versucht,
das Exotische ihres Typs, dem die Männer in Scharen
zu Füßen gelegen hatten, zu zähmen. In mehr als einem
Film hatte der Biss einer Raubkatze ihr das verdiente Ende
bereitet. Zuletzt hatte man versucht, die feurige Pola Negri
in eine edelmütige Grande Dame zu verwandeln. Das aber
hatte nicht funktioniert. Seit Jahren ging es mit ihrer Karriere
bergab. Pola fühlte sich wie eine Betrunkene, die auf dem
Heimweg von einem großen, rauschhaften Fest vornüber
in ein seichtes Gewässer gekippt und darin liegen geblieben
war. Sie strampelte und strampelte, doch nirgendwo war eine
rettende Hand, die ihr aufhelfen wollte. Nun also wollte man
sie erstmals mit einer Nebenrolle besetzen.
Die Dietrich setzte ihr Fässchen ab und trat an einen
kleinen Grill nahe der Verandatür. Wenige Sekunden später
breitete sich der Geruch von geschmolzener Butter im Raum
aus. Die eine Hand in die Hosentasche gesteckt, schlug sie
mit der anderen ein Dutzend Eier in die Pfanne. Sie verrührte
das Gemisch mit energischer Geste und klatschte
sogleich eine Portion auf einen Teller, den sie an Mercedes
weiterreichte. Diese biss ihr in den Finger, aber die Dietrich
bog sich in der Bewegung weg, sie wirkte verstimmt. Auch
Pola sollte ihr Omelett serviert bekommen. Entsetzt betrachtete
sie den halbgaren Brei. Wie alle hier wusste sie,
dass Marlene ausschließlich ihre Liebhaber mit dieser Speise
beehrte. Nicht im Traum aber hätte sie zu diesem erlesenen
Zirkel gehören wollen. Als der Teller bei ihr ankam, lehnte
sie dankend ab.
„Wie du willst.“ Die Dietrich leckte sich das Fett von den
Fingern. „Kein Wunder, dass du am Boden bist, wenn du
dich so zierst. Nicht, dass es tragisch wäre, am Boden zu sein.
Die entscheidende Frage ist nur, was man bereit ist zu tun,
um wieder nach oben zu kommen.“
Pola sah in den Garten hinaus. Der nächtliche Pool schimmerte
dunkel. Angeblich waren seine Umrisse der Form des
Schwarzen Meeres nachempfunden. Ein seliges Stöhnen war
von dort zu hören.
Die Nazimova hatte ihr Haus nach dem Börsencrash 1929
in eine Art Künstlerhotel verwandelt. Namhafte und ehemals
namhafte Menschen, die zuvor nur auf ihren legendären
Partys ein und aus gegangen waren, lebten hier nun, da
die Hausherrin zu einer Concierge herabgesunken war, als
zahlende Gäste. Schriftsteller wie Hemingway und Fitzgerald,
Schauspielgrößen wie die Marx Brothers und Dorothy
Gish sowie der tagaus, tagein Klavier spielende Russe Rachmaninov
hockten wie Tiere einer seltsamen Menagerie in
den Häusern des von Olivenhainen bewachsenen Geländes.
Dort, wo zuvor nur gefeiert worden war, wurde nun auch
gearbeitet.

Über Daniela Dröscher

Biografie

Daniela Dröscher, geboren 1977 in München, wurde für ihr Schreiben mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Anna-Seghers-Preis, dem Bayer 2-Wortspiele-Preis und zuletzt mit dem Koblenzer Literaturpreis 2012. Im Berlin Verlag erschienen bisher die Romane „Die Lichter des Georg Psalmanazar“ (2009) und...

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