Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*
Blick ins Buch
Blick ins Buch
Pyramiden (Scheibenwelt)Pyramiden (Scheibenwelt)

Pyramiden (Scheibenwelt) Pyramiden (Scheibenwelt) - eBook-Ausgabe

Terry Pratchett
Folgen
Nicht mehr folgen

Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt

Terry Pratchetts Romane sind geistreich und wunderbar erzählt. - British Book News

Alle Pressestimmen (1)

Taschenbuch (16,00 €) E-Book (8,99 €)
€ 16,00 inkl. MwSt.
sofort lieferbar
In den Warenkorb Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.
Kostenlose Lieferung
Bestellungen ab 9,00 € liefern wir innerhalb von Deutschland versandkostenfrei
€ 8,99 inkl. MwSt.
sofort per Download lieferbar
In den Warenkorb
Geschenk-Service
Für den Versand als Geschenk können eine gesonderte Lieferadresse eingeben sowie eine Geschenkverpackung und einen Grußtext wählen. Einem Geschenkpaket wird keine Rechnung beigelegt, diese wird gesondert per Post versendet.

Pyramiden (Scheibenwelt) — Inhalt

Der junge Teppic wird neuer Pharao eines kleinen, armen Königreichs. Zu Ehren seines Vaters will er die größte Pyramide errichten, die die Welt je gesehen hat. Doch Teppic hat nicht damit gerechnet, dass er dadurch seine sämtlichen Vorfahren wiedererweckt und die Götter der Scheibenwelt auf den Plan ruft. Nun kann ihm nur noch ein Kamel helfen – und zwar eines, das mathematisch begabt ist und auf den Namen „Du Mistvieh“ hört …

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erschienen am 11.05.2015
Übersetzt von: Andreas Brandhorst
384 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-28067-9
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 08.06.2015
Übersetzt von: Andreas Brandhorst
384 Seiten
EAN 978-3-492-97225-3
Download Cover

Leseprobe zu „Pyramiden (Scheibenwelt)“

ERSTES BUCH
Das Buch vom diesseitigen Jenseits


Nur Sterne, in der Schwärze verstreut, als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne dass sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln.
Dies ist die Schlucht zwischen den Universen, das tiefe Nichts, das nur einige einsame Atome enthält, ein paar verirrte Kometen und …
Halt. Moment mal. Eine dunkle Scheibe gleitet ein wenig zur Seite, und dadurch verschiebt sich der Blickwinkel. Was eben noch Teil des interstellaren Irgendetwas zu sein schien, entpuppt sich jetzt als eine [...]

weiterlesen

ERSTES BUCH
Das Buch vom diesseitigen Jenseits


Nur Sterne, in der Schwärze verstreut, als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne dass sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln.
Dies ist die Schlucht zwischen den Universen, das tiefe Nichts, das nur einige einsame Atome enthält, ein paar verirrte Kometen und …
Halt. Moment mal. Eine dunkle Scheibe gleitet ein wenig zur Seite, und dadurch verschiebt sich der Blickwinkel. Was eben noch Teil des interstellaren Irgendetwas zu sein schien, entpuppt sich jetzt als eine von Finsternis umhüllte Welt. Und tief unten – ja, genau dort – zeigen sich Dutzende, Hunderte von hellen Flecken. Nennen wir sie großzügig Lichter der ­Zivilisation.
Es ist wirklich erstaunlich, nicht wahr ? Während sich die Welt langsam dreht, offenbart sie ihre wahre Natur. Ganz deutlich sieht man eine Scheibe, rund und flach, und sie wird von vier Elefanten auf dem Rücken getragen, die wiederum auf Groß-A’Tuin stehen, der einzigen Schildkröte, die einen Platz im Hertzsprung-Russel-Diagramm gefunden hat. Sie ist zehntausend Meilen lang, und Meteoriten haben pockennarbige Krater in ihrem Panzer hinterlassen. An einigen Stellen schimmert das Eis von Kometen, die sich in den Ruhestand zurückgezogen haben. Jeder Astronom, der Albedo-Messungen vornimmt, hätte seine Freude an Groß-A’Tuins Augen. Niemand weiß, warum die Himmelsschildkröte existiert und was sie ( oder ihn ; diese Frage ist noch nicht geklärt ) dazu bewegt, vier Elefanten zu tragen, auf deren breiten Rücken die Scheibenwelt ruht. Wahrscheinlich hat es etwas mit Quanten oder hyperphysikalischen Gesetzen zu tun, die das Gewicht von Wahrscheinlichkeit und Kausalität ausgleichen.
Auf einer derartigen Welt können natürlich die seltsamsten Dinge geschehen.
Sie geschehen bereits.
Die Sterne tief unten sind Lagerfeuer und die Lichter ferner Ortschaften in Wäldern und Bergen. Dörfer wie verschwommen wirkende Nebel, Städte gewaltigen Milchstraßen gleich. Nur ein Beispiel : Die riesige Metropole Ankh-Morpork sieht aus, als stießen zwei Galaxien zusammen und verkeilten sich ineinander.
Doch dieser spezielle Ort ist weit von den Ballungszentren entfernt. Hier, wo das Runde Meer an der Wüste endet, erstreckt sich eine lange Reihe aus blauem Feuer. Flammen, so kalt wie die Gletscher in der Hölle, lodern gen Himmel. Gespenstisches Licht flackert über die Wüste.
Die Pyramiden im uralten Tal des Djel geben ihre gespeicherte Kraft frei, überantworten sie der Nacht.
Die von den parakosmischen Spitzen strömende Energie könnte in den folgenden Kapiteln viele Rätsel lösen. Vielleicht gibt sie Antwort auf Fragen wie : Weshalb verabscheuen Schildkröten alles Philosophische ? Warum ist zu viel Religion schlecht für Ziegen ? Und natürlich : Welche Aufgabe nehmen Dienstmädchen wahr ? Was tun sie eigentlich ?
Zweifellos wird sich herausstellen, was unsere Vorfahren zu sagen hätten, wenn sie heute am Leben wären. Viele Leute haben darüber nachgedacht. Was hielten unsere Ahnen von der modernen Gesellschaft ?, überlegen sie. Und : Würden sie unsere Errungenschaften bewundern ? Dabei wird häufig ein wichtiger Punkt übersehen. Wenn unsere Vorfahren tatsächlich Gelegenheit bekämen, noch einmal zum Leben zu erwachen, so würden ihre ersten Worte bestimmt lauten : „ Warum ist es so zappenduster hier drin ? “

Die kühle Morgendämmerung im Flusstal begann, und der Hohepriester Dios schlug die Augen auf. Schon seit einer ganzen Weile fand er keine Ruhe. Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal geschlafen hatte. Der Schlaf ähnelte viel zu sehr jener anderen Sache, und ­außerdem schien er darauf verzichten zu können. Es genügte ihm, einfach nur still zu liegen, hier, an diesem Ort. Ein paar Stunden reichten aus, um sich von dem Gift der Müdigkeit zu befreien. Um neue Kraft zu schöpfen.
Zumindest für eine Weile.
Dios schwang die Beine über den Rand der steinernen Platte. Die rechte Hand wartete gar keine Anweisung des ­Gehirns ab, reagierte aus reiner Angewohnheit und schloss sich um den mit Schlangenzeichen geschmückten Amtsstab. Der Hohepriester blieb kurz stehen, um der Wand eine weitere Markierung hinzuzufügen, und dann verließ er den kleinen Raum. Er raffte den Umhang zusammen, als er durch den schmalen, schrägen Flur wanderte, in helles Licht trat und die Beschwörung der Neuen Sonne murmelte. Die Nacht war vergessen. Ein neuer Tag erwartete ihn. Es ging darum, sorgfältig abgewogenen Rat zu geben und bei wichtigen Entscheidungen zu helfen – Dios sah seine oberste Pflicht darin, zu Diensten zu sein.
Der Hohepriester hatte nicht das seltsamste Schlafzimmer in der Welt. Es war nur das seltsamste Schlafzimmer, das man morgens wieder verließ.
Die Sonne schleppte sich über den Himmel.
Viele neugierige Gemüter haben sich nach dem Grund dafür gefragt. Einige Leute glauben, sie werde von einem ebenso riesigen wie unsichtbaren Mistkäfer gezogen. Derartigen Erklärungen mangelt es an technischen Feinheiten, und hinzu kommt der Nachteil, dass sie vermutlich der Wahrheit ent­sprechen.
Wie dem auch sei : Die Sonne brachte ihre Schicht hinter sich und erreichte ohne jeden Zwischenfall den Horizont. Wie es der Zufall wollte, fiel ihr verblassender Schein durch ein Fenster in Ankh-Morpork und glänzte in einem Spiegel.
Der Spiegel reichte vom Boden bis zur Decke, und dafür gab es einen guten Grund : Jeder Assassine, der etwas auf sich hielt, prüfte sein Erscheinungsbild, bevor er mit der Arbeit ­begann. Es galt als unschicklich, jemanden zu töten, wenn man schlecht gekleidet war.
Teppic musterte sich kritisch. Die Kleidung hatte ihn seine ganzen Ersparnisse gekostet und bestand zum größten Teil aus schwarzer Seide. Sie knisterte und schien zu flüstern, wenn er sich bewegte. Alles bestens.
Wenigstens ließen endlich die Kopfschmerzen nach. Teppic hatte den ganzen Tag über daran gelitten und schon be­fürchtet, mit violetten Flecken vor den Augen aufbrechen zu ­müssen.
Er seufzte, öffnete einen schwarzen Kasten, holte seine Ringe hervor und schob sie sich auf die Finger. Ein anderer Behälter enthielt mehrere Messer aus klatschianischem Stahl, die Klingen mit Lampenruß geschwärzt. Teppic zog mehrere kleine und sehr komplizierte Apparaturen aus Samtbeuteln und verstaute sie in seinen Taschen. Zwei lange Wurf-Tlingas verschwanden in den Stiefelscheiden, und ein langes, aus Seide bestehendes Seil – es endete an einem zusammenklappbaren Ankereisen – wurde um die Taille gebunden. Anschließend griff der junge Assassine nach einem Blasrohr, rückte es unter dem Mantel auf den Rücken und nahm einen dünnen Metallköcher mit mehreren Pfeilen : Ihre Spitzen steckten in winzigen Korken, und der Schnitzcode in den Schäften erlaubte es auch in stockfinsterer Nacht, die richtige Auswahl zu treffen.
Teppic zuckte zusammen, berührte vorsichtig die Klinge seines Rapiers und schlang sich das Bandelier über die rechte Schulter, da an der linken bereits eine Tasche mit Bleikugeln hing – Munition für die Schleuder. Er zögerte kurz, öffnete eine Schublade und beschloss, seiner Ausrüstung auch noch folgende Dinge hinzuzufügen : eine kleine Armbrust, ein Fläschchen mit Öl, einen Schlüsselbund mit Dietrichen, einen Dolch, einen großen Beutel mit verschiedenen Fußangeln und Haken sowie mehrere Schlagringe. Damit glaubte er endlich, gegen alle Widrigkeiten des Schicksals gewappnet zu sein.
Er drehte den Hut hin und her, betastete den dünnen Draht in der Krempe, setzte das unförmige Gebilde auf und warf noch einen letzten zufriedenen Blick in den Spiegel. Dann drehte er sich um – und kippte langsam zur Seite.

Hochsommer in Ankh-Morpork. Gestank und Temperatur schienen miteinander zu wetteifern.
Der breite Fluss hatte sich in ein lavazähes Rinnsal verwandelt, das sich zwischen Ankh – dem besseren Teil der Stadt ( soweit eine solche Bezeichnung angemessen war ) – und Morpork am anderen Ufer erstreckte. Wer Morpork › schäbig, abscheulich und einfach grässlich ‹ nannte, bewies damit, dass er zu Untertreibungen neigte. Für gewöhnlich verglich man Morpork mit einer Jauchegrube. Es gab kaum eine Möglichkeit, Morpork noch schlimmer zu machen. Der Einschlag eines größeren Meteoriten hätte sicher zu einer erheblichen Verbesserung der architektonischen und sozio-kulturellen Struktur geführt.
Das Flussbett war weitgehend ausgetrocknet. Auf der Scheibenwelt wusste man noch nicht, was › Beton ‹ bedeutete, aber Architekten und Baumeister hätten sich nur den fest­gebackenen Schlamm ansehen müssen, um eine ungefähre Vorstellung zu gewinnen. Derzeit wirkte die Sonne wie eine große, an den Himmel genagelte Kupfermünze. Es herrschte eine enorme Hitze : Ankh-Morpork briet in der Nacht und brutzelte am Tag. Uraltes Holz ächzte und stöhnte ; der traditionelle Matsch in Straßen und Gassen wich ockerfarbenem Staub, der sich in menschlichen Kehlen besonders wohl zu fühlen schien.
Es war nicht das übliche Wetter von Ankh-Morpork. Das Spektrum des üblichen Wetters reichte von Nieselregen bis zu Nebelschwaden, bescherte der Stadt kühle Tage und kalte Nächte. Jetzt hockte das normale Klima in der ausgedörrten Ebene und schwitzte wie eine Kröte auf einem Schamottestein. Selbst um Mitternacht ließ die Hitze kaum nach, umhüllte die Straßen wie mit brennendem Samt, versengte die Luft und kochte den Sauerstoff heraus.
Hoch oben im Gildenhaus der Assassinen klickte es leise, und ein Fenster schwang auf.
Teppic hatte sich höchst ungern von einigen der schwe­reren Waffen getrennt und atmete die heiße, tote Luft tief ein.
Es war so weit.
Die entscheidende Nacht. Vielleicht die wichtigste in seinem Leben.
Und hoffentlich nicht die letzte.
Angeblich hatte man eine recht gute Chance, wenn der Prüfer nicht ausgerechnet Mericet hieß. In dem Fall konnte man sich gleich die Kehle durchschneiden.
Jeden Donnerstag unterrichtete Mericet Strategie und Giftlehre, und Teppic kam nicht sehr gut mit ihm zurecht. In den Schlafsälen erzählte man sich die erstaunlichsten Geschichten über den alten Assassinen. Man bewunderte seine lange Liste von beruflichen Erfolgen, seine individuelle Technik … Er hatte alle Rekorde gebrochen. Manche Leute behaupteten, es sei ihm sogar gelungen, den Patrizier von Ankh-Morpork zu töten. Natürlich nicht den gegenwärtigen. Einen der verstorbenen.
Vielleicht war in dieser Nacht Nivor an der Reihe, ein ­dicker, fröhlicher Lehrer, der als Feinschmecker galt und seinen Schülern am Dienstag zeigte, wie man Fallen stellte und worauf es bei einem guten Hinterhalt ankam. Teppic kannte sich bereits gut mit Fallen aus, und er mochte Nivor.
Oder Kompt de Yoyo, zuständig für Neuphilologie und ­Musik. In diesen beiden Fächern entsprachen Teppics Leistungen kaum dem Durchschnitt, aber Kompt kletterte gern und fand Gefallen an Jungen, die seine Leidenschaft teilten. Er liebt es, sich mit nur einer Hand am Rande eines hohen Daches festzuhalten und die Schwerkraft herauszufordern.
Teppic schwang ein Bein über den Fenstersims, entrollte sein Seil und holte aus. Zwei Stockwerke weiter oben verhakte sich das Ankereisen an der Dachrinne.
Assassinen benutzen nie die Treppe.

Um eine gewisse Kontinuität zu wahren und spätere Ereignisse verständlicher zu gestalten, sollte an dieser Stelle auf Folgendes hingewiesen werden : Das größte mathematische Genie in der ganzen Scheibenweltgeschichte legte sich gerade nieder und nahm in aller Ruhe sein Abendessen ein.
In diesem Zusammenhang kann eine interessante Fest­stellung getroffen werden. Der Mathematiker gehörte zu ­einer speziellen Spezies, und aus diesem Grund bestand sein Abendessen aus der Mittagsmahlzeit.

Gongschläge hallten durch die weite Stadtlandschaft von Ankh-Morpork : Mitternacht. Vier Stockwerke über der Filigranstraße kroch Teppic an einer verzierten Brüstung entlang und lauschte dem viel zu lauten Pochen seines Herzens.
Vor dem letzten Glühen der untergegangenen Sonne zeichnete sich eine Gestalt ab. Teppic verharrte neben einer besonders abscheulichen Steinfigur und dachte über seine Möglichkeiten nach.
In der Gildenschule hielt sich hartnäckig ein ganz bestimmtes Gerücht : Wer seinen Prüfer vor dem Test inhumierte, hatte automatisch bestanden. Teppic zog ein Wurfmesser vom Typ Nummer Drei aus dem Oberschenkelfutteral und hielt es ­unschlüssig in der Hand. Wenn er versagte, wenn er das Ziel verfehlte, wenn er irgendeinen Fehler machte … Dann lief er Gefahr, dass seine Ausbildung vorzeitig zu Ende ging, was den Verlust aller Privilegien nach sich zog.
Die Silhouette rührte sich nicht. Teppic ließ seinen Blick über ein Durcheinander aus Schornsteinen, monströsen Statuen, Belüftungsschächten, Brücken und Leitern schweifen.
Na schön, dachte er. Dort drüben steht eine Attrappe. Ich soll sie angreifen, und das bedeutet, der Prüfer beobachtet mich von einem ­anderen Ort aus.
Bin ich imstande, ihn zu entdecken ? Nein.
Andererseits : Vielleicht sollte Teppic glauben, dass es sich nur um eine Attrappe handelte. Aber wenn der Prüfer auch an diese Möglichkeit gedacht hatte …
Der junge Assassine merkte, dass er mit den Fingern auf die Steinfigur trommelte. Er riss sich zusammen und versuchte, eine Entscheidung zu treffen.
Unten taumelten einige späte Kneipengäste durch den Lichtschein einer Laterne.
Teppic schob sein Messer in die Scheide zurück und richtete sich auf.
„ Herr “, sagte er. „ Ich bin hier. “
„ Nun gut “, erwiderte eine trockene und recht undeutliche Stimme. Sie ertönte direkt neben dem linken Ohr des Schülers.
Teppic blickte starr geradeaus. Bewegung kam in die Steinfigur, und Mericet wischte sich grauen Staub aus seinem knochigen Gesicht. Er nahm ein dünnes Rohr aus dem Mund, warf es beiseite, griff unter seinen Mantel und holte ein Klemmbrett hervor. Trotz der Hitze trug er dicke Kleidung ; vermutlich hätte Mericet selbst in einem Vulkan gefroren.
„ Hmm “, brummte er und wählte einen deutlich missbilligenden Tonfall. „ Teppic. Tja. “
„ Eine angenehme Nacht, Herr “, erwiderte der Schüler. Der Prüfer musterte ihn eisig und gab zu erkennen, dass Bemerkungen übers Wetter sofort zu Minuspunkten führten. Er hob einen Stift und notierte etwas.
„ Du wirst zuerst einige Fragen beantworten “, sagte ­Mericet.
„ Wie du wünschst, Herr. “
„ Was ist die maximale zulässige Länge eines Wurfmessers ? “, zischte der Prüfer.
Teppic schloss die Augen. Während der vergangenen Woche hatte er sich eingehend mit dem Handbuch für ehrenhafte Mörder beschäftigt. Im Gedächtnis öffnete sich eine Schublade, und darin knisterte die Seite mit den benötigten Angaben. Man wird nie nach Längen und Gewichten gefragt, verkündeten einige Schüler, die glaubten, alle Weisheit für sich gepachtet zu haben. Oh, sicher, die Lehrer gehen natürlich davon aus, dass man Gewichte, Längen und Wurfdistanzen paukt, aber sie fragen nie danach. Nie.
Panik drehte den Zündschlüssel in Teppics Gehirn und gab Gas. Das Blatt erschrak, sprang aus der geöffneten Gedächtnisschublade und bot sich dem inneren Blick des jungen ­Assassinen dar.
„ Ein Wurfmesser darf maximal zehn Fingerbreiten lang sein, oder zwölf bei feuchtem Wetter “, zitierte Teppic. „ Die Wurfdistanz … “
» Nenn mir drei Gifte, die durch das Ohr zum Einsatz ge­langen. «
Wind flüsterte, doch er brachte keine Abkühlung, beschränkte sich nur darauf, die Hitze gleichmäßiger zu ver­teilen.
„ Herr, Wespenmilch, achorionisches Purpur und Teufelssaft, Herr “, antwortete Teppic bereitwillig.
„ Und Schpeim ? “, fragte Mericet blitzschnell und mit der Freundlichkeit einer kariösen Kobra.
„ H-herr, Schpeim ist kein Gift, Herr “, brachte Teppic hervor. „ M-man verwendet es als Gegenmittel, um bestimmte Schlangengifte zu neutralisieren, und man gewinnt es … “ Der junge Assassine beruhigte sich allmählich und kam zu dem Schluss, dass es sich manchmal auszahlte, stundenlang in ­alten Büchern zu lesen. „ … man gewinnt es aus der Leber des aufblasbaren Mungo, der … “
„ Was bedeutet dieses Zeichen ? “, fauchte Mericet.
„ … der sehr selten ist und nur… “ Teppic brach ab. Verwirrt betrachtete er die komplexe Rune auf der Karte, die ihm der Prüfer zeigte, hob dann wieder den Kopf und starrte an Mericets rechtem Ohr vorbei.
„ Ich habe nicht die geringste Ahnung, Herr “, sagte er. Aus dem Ohrwinkel hörte er, wie der Lehrer leise durchatmete und noch leiser brummte. Es klang irgendwie zufrieden.
„ Aber wenn man es umdreht “, fügte Teppic hinzu, „ ergibt sich das von Dieben verwendete Symbol für › Bellende und bissige Hunde in diesem Haus ‹. “
Einige Sekunden lang herrschte völlige Stille, und schließlich räusperte sich Mericet. „ Ist der Strangulationsstrick allen Kategorien erlaubt ? “
„ Herr, die Vorschriften lassen nur drei Fragen zu, Herr “, wandte Teppic ein.
„ Ah, das ist also deine Antwort, wie ? “
» Herr, nein, Herr. Eine harmlose Feststellung, Herr, weiter nichts. Herr, die Antwort auf deine Frage lautet : Der Stran­gulationsstrick kann von allen Kategorien getragen werden, aber nur Assassinen der dritten Stufe dürfen ihn als eine der drei Optionen verwenden, Herr. «
„ Bist du ganz sicher ? “
„ Ich glaube schon, Herr. “
„ Du willst nicht noch einmal darüber nachdenken ? “
Mit der Stimme des Prüfers hätte man die Achse eines Lastkarrens schmieren können.
„ Herr, nein, Herr. “
„ Wie du meinst. “
Teppic entspannte sich. Der Umhang klebte ihm am schweißnassen Rücken fest.
„ Ich möchte, dass du dich jetzt zur Buchhalterstraße begibst “, sagte Mericet wie beiläufig. „ Beachte unterwegs alle Zeichen und so weiter. Ich warte im Raum unter dem Gongturm an der Ecke Revisionsgasse. Ah, und noch etwas : Bitte nimm das hier mit ! “
Er reichte Teppic einen kleinen Umschlag.
Der Schüler bestätigte den Empfang mit einer Quittung. Mericet trat in den Schatten eines Schornsteins – und verschwand.
So viel zur Zeremonie.
Teppic holte mehrmals tief Luft, öffnete den Umschlag und sah sich den Inhalt an : eine Gildenobligation über zehn­tausend Ankh-Morpork-Dollar, ausgestellt auf den › Inhaber ‹. Ein eindrucksvolles Dokument, gekrönt vom Gildenwappen : doppeltes Kreuz und verhüllter Dolch.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er hatte das Geld genommen. Entweder überlebte er – in dem Fall war es seine Pflicht, die Summe dem Witwen-und-Waisen-Fonds der Gilde zu spenden –, oder man nahm das Wertpapier seiner Leiche ab. Teppic entdeckte einige Eselsohren, aber keine Blutflecken.
Er überprüfte seine Messer, rückte den Schwertgürtel zurecht, sah sich noch einmal wachsam um und lief los.
Wenigstens hatte ihn das Glück nicht ganz im Stich gelassen. Die älteren Schüler sprachen davon, dass es nur ein halbes Dutzend Routen gab, die man bei der Prüfung benutzte. In Sommernächten ging es in den entsprechenden Bereichen recht lebhaft zu : Die Schüler der verschiedenen Klassen hangelten sich an Dachrinnen entlang, krochen über Turmzinnen und eilten über hohe Brücken und Stege, die einzelne Gebäude der Stadt miteinander verbanden. Das Klettern erfreute sich bei den einzelnen Abteilungen der Gilde großer Beliebtheit, und Teppic wusste, dass sein Geschick in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig ließ : Er hatte die Assassinengruppe geleitet, die beim Ausscheidungswettkampf Im Ersteigen Senkrechter Wände Ohne Jeden Halt den Sieg über das favorisierte Skorpion-Team errang. Er rechnete nicht mit außergewöhn­lichen Schwierigkeiten : Die Route zur Buchhalterstraße gehörte zu den einfachsten.
Teppic sprang, duckte sich auf einem Mauervorsprung und überquerte ein großes Haus, dessen Bewohner friedlich schliefen. Kurze Zeit später setzte er über einen anderthalb Meter breiten Spalt hinweg und erreichte das Dach der Sporthalle, die dem Reformierten Kult Junger Männer In Diensten Des Ichor-Gottes Bel Shamharoth zur Verfügung stand. Er setzte den Weg über grauen Schiefer fort, erklomm eine vier Meter hohe Wand, ohne merklich langsamer zu werden, und schwang sich dann auf die Schindeln des Tempels, in dem man den Blinden Io verehrte.
Ein voller, orangefarbener Mond hing über dem Horizont, und Teppic spürte eine leichte Brise, die nach der schweißtreibenden Hitze in den Straßen so erfrischend wirkte wie eine kalte Dusche. Der junge Assassine lief noch etwas schneller, genoss den kühlen Wind, sprang vom Flachdach des Tempels herunter und rechnete damit, auf der kleinen, schmalen Holzbrücke zu landen, die über den Blechdosenweg hinwegführte.
Entgegen aller Wahrscheinlichkeit berührten seine Füße nur leere Luft. Jemand hatte den Steg entfernt.

Terry Pratchett

Über Terry Pratchett

Biografie

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind...

Pressestimmen
British Book News

Terry Pratchetts Romane sind geistreich und wunderbar erzählt.

Kommentare zum Buch
Kommentieren Sie diesen Beitrag:
(* Pflichtfeld)

Terry Pratchett - NEWS

Erhalten Sie Updates zu Neuerscheinungen und individuelle Empfehlungen.

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Terry Pratchett - NEWS

Sind Sie sicher, dass Sie Terry Pratchett nicht mehr folgen möchten?

Beim Absenden ist ein Fehler aufgetreten!

Abbrechen