Rote Flammen (Die Legenden von Astray 3) Rote Flammen (Die Legenden von Astray 3) - eBook-Ausgabe
Die Legenden von Astray 3
Rote Flammen (Die Legenden von Astray 3) — Inhalt
Astray steht am Rand eines Krieges. Unter der Führung des Feuerpriesters Xusra greift das Heer Ostragiens Brückstadt an. Die Helden von einst – die Astara Jenya, der Halbling Lorymar, der Schwertkämpfer Kynrik und der Urok Worfeck – zögern: Sollen sie noch einmal in den Kampf der Mächte eingreifen? Die junge Bray versucht die Gruppe zu einen und sieht sich dabei zwischen den Fronten gefangen ... In Archos unterdessen wird der gefangene Prinz an seine Erzfeinde ausgeliefert, und zwei weitere Helden von einst tauchen aus dem Nebel des Vergessens auf – während aus den Tiefen der Welt eine schreckliche Bedrohung emporkriecht und nicht nur das Schicksal der Helden, sondern das von ganz Astray für immer verändert.
Leseprobe zu „Rote Flammen (Die Legenden von Astray 3)“
Sie lebte allein.
Eine einzelne Gestalt inmitten der weiten Hänge und Täler von Burgos. Eine verlorene Seele, die in der Einsamkeit Vergessen suchte, gejagt von den Geistern der Vergangenheit und vom Wissen um Geheimnisse, die sie lieber nie ergründet, von der Erinnerung an Dinge, die sie lieber nie getan hätte.
All das konnte er nicht wissen.
Weder konnte er es beeinflussen noch etwas dagegen tun, denn er war ohne Bewusstsein, als er den Fluss heruntertrieb, mehr tot als lebendig und aus einer Stirnwunde blutend, sodass es aussah, als würde er einen roten [...]
Sie lebte allein.
Eine einzelne Gestalt inmitten der weiten Hänge und Täler von Burgos. Eine verlorene Seele, die in der Einsamkeit Vergessen suchte, gejagt von den Geistern der Vergangenheit und vom Wissen um Geheimnisse, die sie lieber nie ergründet, von der Erinnerung an Dinge, die sie lieber nie getan hätte.
All das konnte er nicht wissen.
Weder konnte er es beeinflussen noch etwas dagegen tun, denn er war ohne Bewusstsein, als er den Fluss heruntertrieb, mehr tot als lebendig und aus einer Stirnwunde blutend, sodass es aussah, als würde er einen roten Schleier durch das klare, sprudelnde Wasser ziehen.
Er konnte nichts sagen.
Und sie sah ihn nicht.
Wie an jedem ersten Tag der Woche war sie an den Fluss gekommen, um sich zu waschen, und wie es Tradition war in ihrer Heimat, dem fernen Ophir, ging es nicht nur darum, den Körper zu reinigen, sondern auch den Geist. Ihren Mantel hatte sie bereits abgelegt. Nun kniete sie im Kiessaum des Flusses nieder, prüfte die Temperatur des Wassers, das wie immer angenehm kühl war, und wollte sich schließlich auch ihrer übrigen Kleidung entledigen – als sie ihn bemerkte.
Nicht, dass sie ihn tatsächlich gesehen hätte … Es war mehr eine Empfindung, die ihre Aufmerksamkeit weckte, das dringende Gefühl, dass jemand in Not war und ihre Hilfe brauchte.
Die Hilfe einer Heilerin.
Sie erhob sich und blickte hinaus auf den Fluss, in dessen bewegter Oberfläche sich das Sonnenlicht brach – und da entdeckte sie ihn. Eine offenbar leblose Gestalt, die mit der Strömung trieb, eine Fahne aus rotem Blut hinter sich herziehend … Die Heilerin konnte nicht anders, als zu helfen.
Ihrer Kleider ungeachtet stieg sie in den Fluss, wartete, bis der reglose Körper auf sie zutrieb und fing ihn auf. Ein Mann, noch jung an Jahren …
Auf den ersten Blick war unmöglich zu beurteilen, ob er wirklich bereits tot oder doch noch am Leben war, also nahm sie ihn mit, zog ihn auf das flache Ufer, um Herzschlag und Atem zu prüfen. Wie sie feststellte, lebte er, doch der Faden, an dem seine Existenz hing und ihn noch vor dem Absturz in die dunklen Tiefen des Todes bewahrte, war dünn genug.
Seine Verletzung war tief, er hatte viel Blut verloren. Etwas, wohl eher ein unförmiger Stein als eine Waffe, hatte ihn an der Schläfe getroffen und eine entsetzliche Wunde geschlagen, an der andere womöglich längst gestorben wären. Oder im Fluss ertrunken … Dieser Mann war jung, gewiss, aber darüber hinaus schien ihn ein ungewöhnlicher Lebenswille zu erfüllen, anders konnte die Heilerin sich nicht erklären, dass er noch nicht tot war. Und sie wollte ihr Möglichstes tun, damit er unter den Lebenden blieb …
Sie berührte ihn im Gesicht, strich sanft über seine Wange – und in diesem Moment erwachte er.
„Wie heißt du?“, fragte sie ihn leise. „Wie ist dein Name? Kannst du dich erinnern?“
Ihre Worte drangen nur wie aus weiter Ferne zu ihm, und er brauchte einen Moment, um ihren Sinn zu erfassen. Zumal, da er geglaubt hatte, niemals wieder etwas anderes zu vernehmen als das gleichförmige Rauschen des Flusses, das ihn begleiten würde in die andere, jenseitige Welt. Und beinahe verwundert stellte er fest, dass er die Antwort auf die Frage kannte …
„Ikerón“, stieß er hervor. Zu mehr war er nicht in der Lage, und sie schien damit zufrieden zu sein.
Die Frau mit der dunklen Haut und dem langen schwarzen Haar lächelte, und in diesem Moment war ihm, als würde er in der sanften, von Milde und Güte gezeichneten Landschaft ihres Gesichts etwas finden, das er verloren hatte, als man ihn in Schimpf und Schande aus seinem Dorf vertrieb.
Eine Zuflucht.
Eine Heimat.
Erstes Buch
Trommeln des Krieges
1 Brückstadt
18 Jahre später
Die Stadt am Bruch war eine Kuriosität.
Halb verdankte sie ihre Existenz dem Einfallsreichtum ihrer Erbauer, halb einem glücklichen Zufall. Denn als vor beinahe vier Jahrzehnten jene Katastrophe, die als die „Große Divergenz“ in die Chroniken von Astray einging, den Kontinent spaltete und den Bruch entstehen ließ, sorgte eine Laune des Schicksals dafür, dass ein bis dahin unbedeutendes Dorf ausgerechnet an der Stelle lag, wo die tiefe, Tausende von Meilen lange Kluft am schmälsten war und eine Reihe natürlicher, aus dem dunklen Abgrund aufragender Felspfeiler den Bau einer Brücke ermöglichte …
Der Brücke.
Der einzigen, die die neu entstandenen Territorien von Westray und Ostray noch verband und damit zur Schlagader einer ganzen Welt wurde. Die Siedlung, die binnen kürzester Zeit auf der westlichen Seite des Bruchs entstand, nährte sich aus den Trümmern der alten Welt, und während gewöhnliche Städte sich horizontal auszudehnen pflegen, breitete Brückstadt sich vertikal aus, wuchs über die gezackte, fast senkrecht abfallende Wand der Kluft wie ein Schlinggewächs: Jeder noch so geringe Vorsprung wurde ausgenutzt, um Gebäude darauf zu errichten, Türme auf künstlichen Söllern erbaut, Höhlen und Stollen in den Fels getrieben. Schmale Gassen und steil ansteigende Treppen ersetzten, was andernorts Straßen waren, und von den Zöllen beflügelt, die jeder zu entrichten hatte, der die Brücke passieren wollte, entwickelte sich die Stadt am Bruch zu einer strahlenden Metropole und zog Nutzen aus der Katastrophe, die Astray ereilt hatte. Immer höher und prächtiger wurden die Häuser und Türme, die nun auch am Rand der Kluft erwuchsen, immer größer die Leichtfertigkeit der Magistrate, denen die Verwaltung der Stadt oblag. Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit gewesen, wann die Geschichte die Stadt am Bruch einholen würde – doch Jenya hatte nicht erwartet, dass es so bald geschehen würde.
Auf einem der zahllosen Söller stehend, die kühn ins Leere hinausgebaut waren, blickte die Astara auf die Brücke, die die Kluft überspannte und sich bis hinüber zur anderen Seite erstreckte. Doch ihre Aufmerksamkeit gehörte nicht den kühnen, aus Holz errichteten Bogen, die sich von Felspfeiler zu Felspfeiler spannten, sondern dem, was auf der anderen Seite vor sich ging …
Jenya war nicht allein.
Der Schwertkämpfer Kynrik war bei ihr, ein einstiger Paladin des Kaisers.
Der Halbling Lorymar Thinkling, der einen großen Teil seines Lebens dort drüben auf der anderen Seite der Kluft verbracht hatte.
Und ein Urok namens Worfeck, der seine Wege jedoch geändert hatte und seit geraumer Zeit auf den Namen „Baumblatt“ hörte, was zwar zu seiner grünhäutigen Erscheinung passen mochte, jedoch nicht zu seinem Wesen …
„Da sind sie“, stellte er fest. Es lag kein Bedauern in seiner Stimme und auch kein Vorwurf. Es war nur eine Feststellung.
„Ja, nicht zu übersehen“, knurrte Lorymar. Der Wind, der beständig aus der Tiefe heraufblies, zerzauste ihm das Haar. Er war der kleinste der vier und hatte Mühe, über die Zinne zu spähen. Was er jedoch in der Ferne, auf der anderen Seite der abgrundtiefen Felsenkluft erblickte, stimmte ihn nicht froh.
Ein Heer war dort aufmarschiert, eine gewaltige Streitmacht. Zehntausend mochten es sein – Reiter, Fußvolk und Bogenschützen, die dort ihr Lager bezogen und ihre Zelte aufgeschlagen hatten, die geballte Zerstörungskraft Ostragiens … Lorymar, der lange im Osten gelebt hatte und Narr am Hofe von König Astyragis gewesen war, kannte jene Krieger aus nächster Nähe – und deshalb wusste er auch, dass es Zeit war zu gehen.
„In Ordnung“, meinte er deshalb achselzuckend und wandte sich auf dem Söller um. „Das war’s dann ja wohl. Wir sollten aufbrechen, ehe in der Stadt die Panik ausbricht.“
„Du weißt, dass wir dem nicht einfach den Rücken zukehren können“, sagte Jenya nur, ohne den Blick von der anderen Seite des Bruchs zu wenden.
„Und ob ich das kann. Siehst du’s nicht? Ich bin schon dabei …“
Lorymar wollte los, als ihn eine große grüne Pranke am Kragen seines Rocks packte, herumdrehte und wieder abstellte.
„Kannst du nicht“, beschied ihm der Urok trocken. An den seltsamen ugaryschen Akzent, mit dem er sprach, weil er noch bis vor Kurzem unter den Mönchen von Var’a’shek geweilt hatte, dem Kloster des Windes, würde Lorymar sich wohl nie gewöhnen.
„Was dort auf der anderen Seite geschieht, ist unsere Schuld“, stellte die Astara fest. Ihr langes rotes Haar wehte im Wind wie ein Banner.
Lorymar Thinklings Augen wurden noch größer, als sie von Natur aus schon waren. „Du meinst, es ist unsere Schuld, dass in Ostragien ein geistig minderbemittelter Wichtigtuer auf dem Thron sitzt, den sich ein größenwahnsinniger Priester zur Marionette gemacht hat?“
Kynrik, der Schwertkämpfer, sah fragend auf ihn herab. Sein Bart und sein graues Haar, das am Hinterkopf zu einem Schwanz gebunden war, umrahmten sein grimmiges Antlitz. „Wie es aussieht, habe ich wohl einiges verpasst.“
„Ich bin dabei gewesen“, knurrte Lorymar. „Und glaub mir, da hast du ganz sicher nichts verpasst.“
„Klär mich auf, Kurzer.“
Kurzer.
Lorymar knirschte mit den Zähnen. So hatte Kynrik ihn schon früher manchmal genannt. Und schon damals hatte es ihm nicht gefallen.
„In Altashar sitzt Artabans Bruder Astyragis auf dem Thron“, erläuterte er seufzend. „Was seine Geltungssucht betrifft, steht er dem großen Artaban in nichts nach. In allen anderen Belangen jedoch ist er ein ziemlich kleines Licht und unter der Fuchtel eines gewissen Xusra. Der ist Hohepriester des Feuerkults, der im Osten seit einigen Jahren Wurzeln geschlagen hat.“
„Ein Feuerkult.“ Kynrik spuckte über die Zinnen. „Kaum ist man ein paar Jahre weg, verändert sich gleich alles.“
„Es waren mehr als drei Jahrzehnte“, brachte Lorymar ihm in Erinnerung. „Und du warst auch nicht nur einfach weg, sondern hast im Kerker gesessen.“
„Danke, dass du mich dran erinnerst, Gnom.“
Gnom.
Auch so hatte er Lorymar manchmal genannt. Und es hatte ihm noch weniger gefallen.
„Xusra ist gefährlich“, beharrte er. „Er weiß das Volk hinter sich, und selbst der König ist ihm verfallen – nicht zuletzt deshalb, weil er ihn fürchtet.“
„Muss ja ein toller Kerl sein, dieser Feuerpriester“, knurrte Kynrik. Nicht nur das Alter hatte sich in seine kargen, wettergegerbten Züge gegraben, sondern auch die Entbehrung – jetzt verzogen sie sich in unverhohlenem Spott.
„Kraft seiner Gedanken ist er in der Lage, Feuer zu entfachen“, klärte Lorymar ihn auf.
„Und so etwas glaubst du?“
„Ich brauche es nicht zu glauben, denn ich habe es mit eigenen Augen gesehen“, bekräftigte der Halbling. „Er braucht Menschen nur anzusehen, und schon gehen sie in Flammen auf.“
„Blendwerk und Zauberei“, meinte Worfeck verächtlich – Uroks wussten mit beidem nichts anzufangen.
„Seine Gegner bei Hofe hat Xusra alle vernichtet“, fuhr Lorymar unbeirrt fort, „und er hat alle Pläne vereitelt, Frieden zwischen den Reichen zu stiften. Ihm ist es stets nur darum gegangen, Westray anzugreifen – allerdings nicht zu Astyragis’ Ehren, wie dieser wohl vermutet hat, sondern um seinen Kult überall in Astray zu verbreiten.“
„Ein Fanatiker“, merkte Jenya an.
„In der Tat – und er weiß, dass Brückstadt der Schlüssel zum Westen ist. Deshalb ist sein Heer jetzt dort drüben – und wir sollten gehen.“
„Wie ich schon sagte – das können wir nicht.“
„Wieso nicht? Das ist nicht unser Krieg“, stellte Kynrik klar. Entgegen seiner ersten Vorsätze hatte er sich wohl entschlossen, wieder mit der Astara zu sprechen – trotz all der Dinge, die zwischen ihnen vorgefallen waren. Damals, vor beinahe vier Jahrzehnten.
Statt zu antworten, deutete Jenya nur auf den Abgrund, der sich jenseits des Söllers erstreckte und unendlich weit hinabzureichen schien, bis in die Tiefen der Welt. „Vielleicht hast du im Lauf deiner langen Gefangenschaft ja vergessen, dass es diese Kluft ohne uns nicht geben würde? Und also auch keine zwei Reiche, die einander belauern wie zwei giftige Schlangen.“
„Ich hatte es vergessen. Aber inzwischen erinnere ich mich wieder daran – so wie ich mich an alles erinnere“, fügte er mit bitterem Unterton hinzu. „Aber schließlich konnten wir nicht absehen, dass dies geschehen würde. Wir haben getan, was nötig war, um Kaiser Malfertas zu besiegen. Andernfalls wäre die ganze Welt in einen Abgrund der Finsternis gestürzt. Manchmal muss man Entscheidungen treffen.“
„So ist es – und den Elfenstein einzusetzen, war unsere Entscheidung. Und deshalb liegt alles, was geschehen ist, in unserer Verantwortung.“
„Nicht mehr in meiner.“ Kynrik schüttelte das kantige Haupt. „Ich habe genug dafür gebüßt, das kannst du mir glauben.“
„Baumblatt?“, fragte die Astara daraufhin.
Der große Urok, der noch immer die grüne Robe seines Konvents trug, sah zu Boden. „Meine Mitbrüder haben mich aus einem bestimmten Grund in ihren Kreis aufgenommen“, erklärte er, „nämlich damit ich Gefahr vom Kloster abwende und sie beschütze. Und das hier ist eine Gefahr.“
„Du willst für deine Brüder sterben?“, fragte Lorymar.
Baumblatt, der einst Worfeck hieß, zuckte mit den Schultern. „Wir werden alle sterben“, brummte er verdrießlich. „Wenn wir bleiben, sterben wir hier. Wenn nicht, sterben wir später anderswo.“
„Du bist schon immer ein unverbesserlicher Optimist gewesen. Das Leben im Kloster hat dich wohl doch nicht so verändert, wie du behauptest …“
„Wir alle sind nur Blätter im Wind, mein kleiner Freund. Nur Blätter im Wind.“
„Und was sagst du, Lorry?“ Jenyas Blick richtete sich direkt auf den Halbling, und wie immer hatte dieser das Gefühl, dass sie dabei tief in ihn hineinsah.
„Wir sollten gehen“, erwiderte er ohne Zögern. „Solange noch Zeit dazu ist.“
„Bist du deshalb nach Brückstadt gekommen? Um zu flüchten?“
„Nein – ich bin gekommen, um Nyasha pan Tyras, die Prinzessin von Altashar, die ich gegen jedes Recht nach Sakaradag entführt und in ein Bordell verkauft habe, zurück in ihre Heimat zu begleiten.“
„Sieh an.“ Kynrik hob eine buschige Braue. „Höre ich da einen Hauch von Reue? Schon wieder etwas, das neu ist …“
„Das ist das Wenigste, das ich für sie tun kann“, erwiderte der Halbling schnaubend. „Aber wie es aussieht, muss ich wohl einen anderen Weg auf die andere Seite des Bruchs finden, wenn Nyasha nach Hause zurückkehren soll.“
„Außer den im Süden über die See gibt es keinen anderen Weg, das weißt du genau“, konterte Jenya. „Also solltest du mit Nyasha hierbleiben, und wir versuchen gemeinsam, diesen irrsinnigen Krieg zu verhindern.“
„Wie denn?“
„Du sagtest es schon – Nyasha ist Prinzessin von Altashar, die Tochter Artabans des Großen. Und dies dort“ – sie deutete zur anderen Seite – „sind ostragische Truppen. Der Name Artabans hat bei ihnen noch immer großen Klang. Möglicherweise kann seine Tochter sie zur Umkehr bewegen.“
„Möglicherweise? Nyasha soll ihr Leben riskieren für ein Möglicherweise?“ Lorymar schüttelte entschieden den Kopf. „Du kennst Xusra nicht, Jenya. Selbst wenn der Name pan Tyras bei Ostragiens Truppen noch nicht vergessen sein sollte – ihre Furcht vor dem Feuerpriester ist größer als ihre Verehrung für Artaban, und das aus gutem Grund. Ich will nicht, dass Nyasha sich sinnlos in Gefahr begibt. Nicht nach allem, was geschehen ist und ich ihr angetan habe.“
„Wir würden sie beschützen“, versicherte Jenya.
„Würden wir“, stimmte der Urok zu.
„Kommt nicht infrage“, lehnte Lorymar dennoch ab und verschränkte die Arme vor der Brust, was ihn aufgrund seiner geringen Körpergröße ein wenig aussehen ließ wie ein trotziges Kind. „Meinetwegen musste Nyasha so viel ertragen – nur dieses eine Mal will ich es richtig machen.“
„Wenn das wirklich so ist, solltest du endlich damit aufhören, sie zu bevormunden, und ihr die Entscheidung überlassen, Lorry“, entgegnete die Astara. „Ich glaube, sie ist sehr viel stärker als dir klar ist – und sie ist immer noch Prinzessin von Altashar. Wenn jemand das sinnlose Blutvergießen noch verhindern kann, dann sie und niemand sonst.“
„Warum willst du es unbedingt verhindern?“, fragte Kynrik. „Wenn die Menschen unbedingt aufeinander einschlagen wollen, solltest du sie lassen. Vielleicht haben sie es ja nicht anders verdient.“
„Vielleicht“, stimmte Jenya zu. „Aber ich kann die Visionen nicht vergessen.“
„Welche Visionen?“
„Die ich hatte. Die wir alle hatten – auch du. Leugne es gar nicht erst, ich habe die Zeichnungen an den Wänden deiner Kerkerzelle gesehen … Mit deinem eigenen Blut hast du sie gemalt, in der dunklen Einsamkeit von Tårannok[1].“
Kynrik senkte den Blick. Beschämt betrachtete er seine Finger, deren erst unlängst verheilte Kuppen und zu kurzen Stümpfen abgeschliffene Nägel die Worte der Astara bestätigten.
„Wir alle wissen, dass in den Tiefen dieser Welt etwas lauert und nach Ausbruch verlangt“, fuhr sie fort, „etwas Dunkles und Böses, das das Ende der Welt bedeuten könnte – der Welt, die zu schützen wir einst geschworen haben.“
„Einst“, stimmte er zu. „Und sie hat es uns schlecht gedankt. Jetzt muss die Welt alleine sehen, wie sie zurechtkommt.“
„Wenn diese Bedrohung auf eine Welt trifft, die sich selbst im Krieg verzehrt, dann wird es nichts mehr geben, das die Menschen ihr entgegensetzen können“, widersprach Jenya, und ihre Stimme nahm einen beschwörenden Tonfall an. „Brückstadt ist der Schlüssel zum Westen. Wenn es fällt, wird der Krieg sich weiter in Astray ausbreiten. Er wird um sich greifen wie eine Seuche – und wenn das Böse kommt, wird es leichtes Spiel haben, und alles, was wir getan und wofür wir Opfer gebracht haben, wird vergeblich gewesen sein. Ist es das, was ihr wollt?“
Die Astara sah ihre Gefährten an.
Beim Urok erntete sie ein Kopfschütteln.
Bei Lorymar ein Achselzucken.
Kynrik jedoch nickte.
„Was du tun musst, das tu“, beschied er ihr mit rauer Stimme. „Doch mein Krieg ist zu Ende gegangen, Jenya. Schon vor langer Zeit.“
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