Sauerei! - eBook-Ausgabe
Bauer Willi über billiges Essen und unsere Macht als Verbraucher
„Ein kraftvolles Plädoyer für bewussten, ehrlicheren Konsum.“ - Dresdner Neueste Nachrichten
Sauerei! — Inhalt
Lebensmittelskandale, EU-Subventionen, Massentierhaltung: Die Landwirtschaft ist in Verruf geraten. Bauern werden als engstirnige Hinterwäldler abgestempelt oder geraten als rücksichtslose Naturräuber in Verruf. Doch was steckt wirklich hinter der Legende vom gierigen Bauern? Wer melkt unsere Kühe, erntet unser Getreide und pflückt unsere Äpfel? Wie kann es sein, dass 500 Gramm Katzenfutter mehr kosten als ein ganzes Huhn? Und hat eigentlich jemals einer von uns „mündigen Verbrauchern“ mit einem Bauern darüber gesprochen? Lassen wir ihn doch einfach selbst zu Wort kommen: Wutbauer Willi schreibt über faire Preise, gesundes Essen und erklärt, wo der Bauer Urlaub macht, wenn wir Urlaub auf dem Bauernhof machen.
Leseprobe zu „Sauerei!“
BILLIG, BILLIG, BILLIG
Es klingt wie der Trennungsgrund für eine gescheiterte Ehe, und in gewisser Hinsicht ist es das auch: Wir haben uns auseinandergelebt. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren die Lebensmittelkonsumenten weiter von den -produzenten entfernt als heute. Der Verbraucher weiß schon lange nicht mehr, wie das Essen entsteht, das täglich auf seinem Teller landet, wie es angebaut, gepflegt, gezüchtet, geerntet, geschlachtet, verarbeitet, oder kurz: hergestellt wird – ganz egal, ob er in der Kantine isst, im Edelrestaurant, an der [...]
BILLIG, BILLIG, BILLIG
Es klingt wie der Trennungsgrund für eine gescheiterte Ehe, und in gewisser Hinsicht ist es das auch: Wir haben uns auseinandergelebt. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren die Lebensmittelkonsumenten weiter von den -produzenten entfernt als heute. Der Verbraucher weiß schon lange nicht mehr, wie das Essen entsteht, das täglich auf seinem Teller landet, wie es angebaut, gepflegt, gezüchtet, geerntet, geschlachtet, verarbeitet, oder kurz: hergestellt wird – ganz egal, ob er in der Kantine isst, im Edelrestaurant, an der Imbissbude, oder ob er im Supermarkt vor langen
Regalen voller bunter Plastikverpackungen mit kleingedruckten Inhaltsangaben steht. Und wir Bauern, die wir ganz am Anfang dieser Produktionskette stehen, wissen im Grunde auch nicht mehr, was die Verbraucher eigentlich wollen. Es klafft eine riesige Lücke zwischen Ihnen, liebe Verbraucherin und lieber Verbraucher, und mir, dem Bauern. Und auf beiden Seiten mehren sich Unmut und Unzufriedenheit, Ärger und Schuldzuweisungen.
Jede Woche gibt es einen neuen Skandal, der mit der Landwirtschaft zu tun hat beziehungsweise uns Bauern angekreidet wird: krebserregende Düngemittelrückstände, geschredderte Küken, sterbende Bienen, verschmutztes Grundwasser. Und überhaupt: geschundene Tiere, ausgelaugte Böden, verheizte Erntehelfer zu Dumpinglöhnen. Man könnte meinen, wir Bauern hätten bewusst ein perfides System installiert, mit dem wir rücksichtslos jeden Cent aus Mutter Natur quetschen, um uns selbst zu bereichern und den Rest der Bevölkerung die Zeche dafür zahlen zu lassen. Auf der anderen Seite klagen Bauern seit Jahren über brutale Preiskämpfe auf globalen Märkten, Wachstumszwang, Existenzängste und fehlende Nachfolger einerseits und andererseits über das Schicksal des Buhmanns, dem keiner dafür dankt, dass er die Grundlagen für unser aller täglich Brot schafft. Wer möchte sich heutzutage denn noch die Hände mit Landwirtschaft schmutzig machen und gleichzeitig dafür auch noch angeklagt und beleidigt werden?
Dieses Dilemma ist keine zufällige Entwicklung. Und es ist erst recht kein Pech nach dem Motto „Dumm gelaufen, Bauer, da kann man eben nichts machen“. Die eigentliche Sauerei ist, dass sich einige wenige Akteure die Taschen voll machen, während sich die anderen gegenseitig vorwerfen, an der Misere schuld zu sein. Die „Mittelsmänner“, wie ich sie nennen möchte, die vor allem von dem Geschäft mit unserem Essen profitieren, werden deshalb neben den Verbrauchern und uns Bauern eine wichtige Rolle in diesem Buch spielen. Gemeint sind der Handel (Discounter, Supermärkte etc.), die großen Lebensmittelkonzerne, aber natürlich auch die Politiker, die den gesetzlichen Rahmen für das Geschäft mit unserem Essen gestalten und verantworten. Auch wenn das erste Glied der Kette (wir Bauern) mit dem letzten Glied (den Verbrauchern) kaum noch in Kontakt kommt, sind dennoch alle mit allen untrennbar verbunden und deshalb auch verantwortlich für die ganze Sauerei.
Es wird um Verbraucher gehen, die „doch nur kaufen, was angeboten wird“. Es wird um den Handel gehen, der die Verbraucher mit Billigpreisen bei Laune hält, um von der Konkurrenz nicht abgehängt zu werden. Es wird um Lieferanten gehen, die sich gegenseitig ruinieren, vom Handel und den Lebensmittelkonzernen zum Preisdumping gedrängt, weil der Verbraucher „nun mal billige Produkte möchte“. (Sie merken schon: Man kommt bei der Diskussion nicht drum herum, zu verallgemeinern, um das Problem zu erklären. Natürlich gibt es nicht nur „böse“ Produzenten, Händler und Politiker, aber an manchen Stellen lassen sich solche Schwarz-Weiß-Bilder kaum vermeiden, um die Sauerei im Kern zu verstehen.) Gerne werden wirtschaftliche Zwänge vorgeschoben und die Mechanismen der Marktwirtschaft als Erklärungen angeführt, um die einzelnen Marktteilnehmer aus der Verantwortung zu ziehen. Aber nur weil uns „der Markt“ die aktuelle Situation beschert hat, heißt das noch lange nicht, dass wir nichts daran ändern könnten. Vor allem dann nicht, wenn kaum noch jemand wirklich glücklich damit ist, und diesen Punkt haben wir längst erreicht.
Die Frage ist doch vielmehr, wer wirklich davon profitiert, dass sich Verbraucher über immer mehr Skandale ärgern und Bauern weltweit zunehmend über erdrückende Konditionen auf einem globalen Markt leiden. Wer hat denn wirklich die Macht über unser Essen – beziehungsweise wem haben wir sie überlassen? Zu welchem Preis? Und wie bekommen wir sie wieder zurück?
Ob Sie nun tatsächlich beabsichtigen, auf gut produzierte Nahrungsmittel zu achten, auf saisonale und regionale Produkte, möglichst bio, oder ob Sie es nur vorgeben – die Scannerkassen sprechen eine eindeutige Sprache: Die meisten Verbraucher machen sich und/oder der Allgemeinheit etwas vor, unterm Strich wollen die allermeisten nämlich lieber billig als gut. Das mag wieder stark vereinfacht formuliert sein, ist aber die traurige Wahrheit. Für diese Feststellung ist es zunächst einmal egal, ob die Ursachen in Bequemlichkeit oder Faulheit, in Gleichgültigkeit oder Ignoranz, in Geldnot oder Geiz, im System der Marktwirtschaft oder in der Manipulation der Verbraucher zu finden sind. Am Ende ist uns unser Geldbeutel jedenfalls wichtiger als unsere Lebensmittel, unsere Gesundheit, unsere Umwelt, man könnte fast sagen: wichtiger als unser Leben (auch wenn das ein bisschen pathetisch klingt). Jedenfalls herrscht beim Thema „bewusster Lebensmittelkonsum“ mehr Schein als Sein aufseiten der Verbraucher. Obwohl er es schon seit einiger Zeit bis in die Discounter geschafft hat, ist der Bio-Boom bislang marginal geblieben (und teilweise auch fragwürdig, zum Beispiel bei Zwiebeln aus Südamerika, Spargel im Dezember oder ähnlichen Auswüchsen – bio ist nämlich nicht gleich bio!). Für weit über 90 Prozent aller eingekauften Lebensmittel gibt es nur ein Kriterium: billig, billig, billig – und sonst nichts! Alles andere ist leider gelogen.
Ich kann meine Kollegen mehr als verstehen, die sich angesichts dieser Scheinheiligkeit, auf gut Deutsch: verarscht fühlen. Und ich gebe es offen zu: Ich komme mir immer öfter selbst so vor. Nicht zuletzt deshalb schreibe ich dieses Buch. Die Verbraucher fordern beste Qualität, als wäre die eine Selbstverständlichkeit (was sie nicht einmal in einem reichen und klimatisch begünstigten Land wie Deutschland ist), entscheiden sich beim Einkauf dann aber fast immer für das billigste Angebot. Und ob sie es wissen oder nicht, sie drehen damit die Preisspirale wieder ein Stückchen weiter. Nicht selten werfen sich beide Lager in ihrem Handeln Rücksichtslosigkeit und Schlimmeres vor, es wird mit Halbwahrheiten „argumentiert“, und es kommt zu Beschimpfungen und Schuldzuweisungen. Ohne dass sich am Ende des Tages irgendetwas ändern würde, außer dass sich die Fronten weiter verhärten – worüber sich die wahren Profiteure wahrscheinlich köstlich amüsieren. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass das nicht die Lösung des Problems sein kann.
Sie, lieber Leser, scheinen sich für das Thema der modernen Nahrungsmittelproduktion zu interessieren, sonst hätten Sie wohl kaum zu diesem Buch gegriffen. Darüber freue ich mich sehr, und im ersten Moment ist es da auch egal, ob Sie sich tatsächlich kritisch mit dem Thema auseinandersetzen wollen oder nur einen neuen „Skandal“ wittern (Sie glauben gar nicht, wie viele Leute sich nur aufregen, weil sie sich gerne aufregen, da ist es fast egal, worum es geht). Mit neugierigen Menschen wie Ihnen können wir den überfälligen Anfang machen, etwas zu ändern, selbst wenn später entscheidend sein wird, auch alle anderen „mitzunehmen“. Und vor allem: zum Handeln zu bewegen! Wer seinen Teil nicht beiträgt (und sei er auch noch so bescheiden), der darf sich auch nicht über Missstände beschweren, vor allem dann nicht, wenn er diese mit seinem Konsum selbst mit verursacht – und Konsumenten sind wir schließlich alle. Sie merken schon, ich möchte Ihnen nicht nur eine möglichst informative Lektüre bescheren, ich fordere auch Ihr Verantwortungsbewusstsein heraus. Mehr noch: Ich fordere es ein. Das ist nicht gerade wenig, ich weiß – aber ausgestreckte Zeigefinger und Schuldzuweisungen gibt es in dieser Diskussion schon viel zu lange. Gebracht haben sie nichts. Doppelmoral, Scheinheiligkeit, Lippenbekenntnisse und all die warmen Worte haben uns vielmehr genau in die Sauerei geführt, in der wir heute stecken.
Es wird höchste Zeit, dass der Verbraucher die Macht über sein Essen wieder bewusst in die eigene Hand nimmt. Gut sein zu wollen reicht nicht, wir müssen es tatsächlich sein, und das auch noch konsequent. Ein sinnvoller Ansatz ist es aus meiner Sicht daher, wenn wir die eingangs erwähnte Lücke zwischen Verbraucher und Bauer wieder schließen – und zwar von beiden Seiten! Einerseits braucht es Konsumenten, die sich nicht nur informieren können und/oder wollen, sondern es auch tatsächlich tun und entsprechend handeln. Andererseits Bauern, die sich nicht wortkarg hinter Marktzwängen und Hoftoren verschanzen, sondern sich öffnen und informieren. Genauso will ich auch dieses Buch verstanden wissen: als Versuch, eine Lücke zu schließen; aber auch als Einladung und Aufforderung zum Dialog und damit als ersten Schritt, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen. Und so wieder ein Stück mehr Zufriedenheit auf Verbraucher- und Bauernseite zu schaffen. Wenn wir weiter gegeneinander arbeiten, werden wir das jedenfalls nie erreichen.
Ich wünsche mir deshalb, dass möglichst viele Verbraucher aktiv an diesem Dialog teilnehmen – mit den Bauern in ihrer Region, mit dem Handel (bei beiden ist der persönliche Kontakt ohne großen Aufwand möglich, zum Beispiel direkt beim Einkauf auf dem Wochenmarkt, im Hofladen oder Supermarkt), aber auch mit Lebensmittelproduzenten und Politikern. Schreiben Sie Ihrem Abgeordneten, tun Sie Ihre Meinung kund, digital oder analog. Vor allem aber: Überdenken Sie Ihr eigenes Einkaufs- und Konsumverhalten – und handeln Sie entsprechend!
Ohne den Willen, selbst etwas zu tun, wird jeder Skandal, jeder Aufschrei, jede Schreckensmeldung ohne Konsequenzen verrauchen – es wird einfach weitergehen wie bisher, solange irgendwer damit Geld verdienen kann. Von alleine wird es eher noch schlimmer, denn die Spirale dreht sich unermüdlich weiter, der globale Markt schläft nie, und der nächste Quartalsbericht steht an – da müssen die Zahlen stimmen. Wer glaubt, dass die anderen das Kind zum Wohle aller schon schaukeln werden, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Und Sie wissen sicher, dass den ein Limonadenfabrikant erfunden hat.
Nun gut, starten wir den Dialog: Den Anfang möchte ich bei mir selbst machen und Sie einladen, mich und meine Arbeit (wieder) besser nachvollziehen zu können. Kommen Sie also erst einmal mit auf meinen Hof – wenn auch nur gedanklich –, und sehen Sie sich in Ruhe um …
„In ehrlichem, humorvollem und sachlichem Ton mit persönlicher Note erläutert der Landwirt seine Haltung und stellt Fragen, die einen zum Nachdenken anregen und das eigene Handeln reflektieren lassen.“
„Ein kraftvolles Plädoyer für bewussten, ehrlicheren Konsum.“
„Regt zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten an.“
„Im über 300 Seiten starken Buch bezieht Kremer-Schillings gewohnt pointiert zu vielen strittigen Fragen Stellung.“
„Ein Buch zur richtigen Zeit. Jeder (...) wird die Landwirte und ihre Arbeit danach in einem anderen Licht sehen.“
„Willi Kremer-Schillings erklärt gewohnt humorvoll, ohne erhobenen Zeigefinger und fachlich fundiert seine Sicht der Welt.“
„Es gelingt wenigen Autoren diese komplexe Materie und Problematik für Laien verständlich und interessant herunterzubrechen. Und dabei auch noch Emotionen zu schaffen.“
„Landwirten gibt das Buch Argumente.“
„Um die Frage nach der ›richtigen‹ Form der Landwirtschaft zu beantworten, geht er in seinem Buch behutsam mit dem Leser jede Alternative durch und beleuchtet sie von allen Seiten.“
„Offen und ehrlich. Fernab der ideologischen Grabenkämpfe um moderne Landwirtschaft. Sein Buch ist ein Brückenschlag zwischen Verbrauchern und Landwirten, die viel zu lange nur den Kopf über den jeweils anderen geschüttelt haben.“
„fachlich, aber humorvoll!“
„Ohne erhobenen Zeigefinger und fachlich fundiert erklärt Willi Kremer-Schillings seine Sicht der Welt. Er hat etwas zu sagen, und das nicht nur in seinem Blog.“
„Bauer Willi erklärt anschaulich (…) und wirbt für eine neue Ess- und Einkaufskultur“
„Willi Kremer-Schillings hat etwas zu sagen, nicht nur in seinem Blog.“
„Der Leser wird sich fortan genauer überlegen, was er wo in den Einkaufswagen legt – und sich vielleicht von dem Motto ›lieber billig als gut‹ verabschieden.“
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