Schatten über Elantel (Die Nebelgeborenen 5) Schatten über Elantel (Die Nebelgeborenen 5) - eBook-Ausgabe
Ein Nebelgeborenen-Roman
„Brandon Sanderson ist einer der vielseitigsten und auch fleißigsten Fantasy Autoren.“ - Neue Presse
Schatten über Elantel (Die Nebelgeborenen 5) — Inhalt
Brandon Sanderson zählt zu den erfolgreichsten Fantasyautoren überhaupt – seine Romane „Elantris“ und die Saga um „Die Nebelgeborenen“ machten ihn international zum Superstar. Mit seinem Roman „Schatten über Elantel“ führt Sanderson in die Welt von Wax und Wayne, den ungleichen Helden und Ermittlern auf Seiten des Rechts. Die Stadt Elantel ist eine Metropole in Zeiten des Umbruchs, beherrscht von Technik, Magie – und dem Recht der Gesetzlosen. Hier stoßen Wax, Wayne und ihre Gefährtin Marasi auf eine dunkle Verschwörung, die ganz Elantel erschüttern kann. Und die Verbündeten machen sich daran, den Fall auf ihre ganz eigene Weise zu lösen ...
In „Schatten über Elantel“ begeistert Brandon Sanderson erneut mit der hochexplosiven Mischung aus High Fantasy, Western und feinem Humor, die seine Fans lieben.
Weitere Bände der Reihe:
Erstes Zeitalter der Nebelgeborenen:
Kinder des Nebels (Band 1)
Krieger des Feuers (Band 2)
Held aller Zeiten (Band 3)
Zweites Zeitalter der Nebelgeborenen („Wax & Wayne“-Reihe):
Hüter des Gesetzes (Band 4) (vormals erschienen als: Jäger der Macht)
Schatten über Elantel (Band 5)
Bänder der Trauer (Band 6)
Metall der Götter (Band 7)
Leseprobe zu „Schatten über Elantel (Die Nebelgeborenen 5)“
Prolog
Waxillium Ladrian, Auftrags-Sheriff, schwang sich von seinem Pferd und wandte sich dem Saloon zu.
„Oh“, sagte der Kleine, während er ebenfalls vom Pferd sprang. „Du bist ja gar nicht mit den Sporen im Steigbügel hängen geblieben und gestolpert!“
„Das ist mir nur einmal passiert“, erwiderte Waxillium.
„Ja, aber es war echt lustig.“
„Bleib bei den Pferden!“, befahl Waxillium und warf dem Jungen die Zügel zu. „Aber binde Destroyer nicht an. Ich brauche sie vielleicht.“
„Klar.“
„Und klau nichts!“
Der Junge – mit rundem Gesicht, siebzehn Jahre alt und trotz [...]
Prolog
Waxillium Ladrian, Auftrags-Sheriff, schwang sich von seinem Pferd und wandte sich dem Saloon zu.
„Oh“, sagte der Kleine, während er ebenfalls vom Pferd sprang. „Du bist ja gar nicht mit den Sporen im Steigbügel hängen geblieben und gestolpert!“
„Das ist mir nur einmal passiert“, erwiderte Waxillium.
„Ja, aber es war echt lustig.“
„Bleib bei den Pferden!“, befahl Waxillium und warf dem Jungen die Zügel zu. „Aber binde Destroyer nicht an. Ich brauche sie vielleicht.“
„Klar.“
„Und klau nichts!“
Der Junge – mit rundem Gesicht, siebzehn Jahre alt und trotz wochenlanger Versuche kaum Stoppeln im Gesicht – nickte ernst. „Ich lass deine Sachen in Ruhe, Wax, ich versprech’s.“
Waxillium seufzte. „Das meinte ich nicht.“
„Aber ...“
„Bleib einfach bei den Pferden! Und sprich am besten mit niemandem.“ Kopfschüttelnd betrat Waxillium den Saloon; er fühlte sich beschwingt. Im Moment füllte er seinen Metallgeist ein klein wenig, was ihn ungefähr um zehn Prozent leichter machte. Das tat er in letzter Zeit häufig, seit ihm einige Monate zuvor bei einem seiner ersten Einsätze als Kopfgeldjäger das gespeicherte Gewicht ausgegangen war.
Der Saloon war natürlich schmutzig. Praktisch alles hier draußen im Rauland war staubig, abgeschabt oder kaputt. Fünf Jahre hier draußen, und er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt. Na gut, den größten Teil dieser fünf Jahre hatte er sich den Lebensunterhalt als Beamter zu verdienen versucht und war immer weiter von den Bevölkerungszentren weggezogen, um möglichst nicht erkannt zu werden. Doch im Rauland waren sogar die größeren Ballungszentren schmutziger als damals in Elantel.
Und hier, am Rand der besiedelten Gebiete, beschrieb das Wort Dreck das Leben nicht einmal annähernd. Die Männer, an denen er im Saloon vorbeikam, saßen zusammengesunken an ihren Tischen und blickten kaum auf. Dies war eine weitere Eigenart des Raulands – sowohl die Pflanzen als auch die Menschen waren kratziger und wuchsen dichter am Boden. Sogar die fächerartigen Akazien, die sich ab und zu durchaus in die Höhe streckten, hatten diese wehrhafte, zähe Art an sich.
Die Hände in die Hüften gestemmt, ließ er den Blick durch den Raum schweifen, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es gelang ihm nicht. Das nagte an ihm. Warum trug er eigentlich diesen feinen Stadtanzug mit dem lavendelfarbenen Halstuch, wenn keiner davon Notiz nahm? Wenigstens kicherten die Gäste nicht wie im letzten Saloon.
Mit der Hand an der Waffe schlenderte Waxillium zur Bar. Der Barmann war ein großer Mann, der mit seinem schlanken, biegsamen Körperbau aussah, als hätte er ein wenig Terris-Blut in sich. Allerdings wären seine kultivierten Cousins im Becken von Elantel sicher entsetzt gewesen, wenn sie ihn gesehen hätten – in der einen Hand ein fettiges Hühnerbein, an dem er nagte, während er mit der anderen einen Krug einschenkte. Waxillium gab sich Mühe, nicht angewidert zu sein. Die ortsübliche Vorstellung von Hygiene war noch so eine Sache, an die er sich nicht gewöhnen konnte. Hier draußen galt als anspruchsvoll, wer daran dachte, sich zwischen Nasebohren und Händeschütteln die Hand an der Hose abzuwischen.
Waxillium wartete. Er wartete noch ein bisschen. Dann räusperte er sich. Schließlich kam der Barmann schwerfällig zu ihm herüber.
„Ja?“
„Ich suche einen Mann“, sagte Waxillium leise. „Hört auf den Namen Granit-Joe.“
„Kenn ich nicht“, erklärte der Barmann.
„Er ist ja auch bloß der berüchtigtste Gesetzlose weit und breit.“
„Kenn ich nicht.“
„Aber ...“
„Es ist sicherer, wenn man Männer wie Joe nicht kennt“, sagte der Barmann und biss noch einmal von seinem Hühnerbein ab. „Aber ich habe einen Freund.“
„Das überrascht mich.“
Der Barmann warf ihm einen finsteren Blick zu.
„Ähm“, machte Waxillium. „Entschuldigung. Weiter.“
„Mein Freund ist vielleicht bereit, Leute zu kennen, die andere nicht kennen. Aber es dauert ein Weilchen, bis er hier ist. Zahlen Sie?“
„Ich bin ein Mann des Gesetzes“, sagte Waxillium. „Was ich tue, tue ich im Namen der Gerechtigkeit.“
Der Barmann blinzelte. Langsam, bewusst, als koste es ihn Willenskraft. „Also ... dann zahlen Sie?“
„Ja, ich zahle“, seufzte Waxillium und rechnete im Geist durch, was er für die Jagd nach Granit-Joe schon ausgegeben hatte. Er konnte es sich nicht leisten, schon wieder blank zu sein. Destroyer brauchte einen neuen Sattel, und er verschliss seine Anzüge hier draußen beängstigend rasch.
„Gut“, sagte der Barmann und bedeutete Waxillium, ihm zu folgen. Sie schlängelten sich zwischen den Tischen hindurch und am Klavier vorbei, das neben einer Säule stand. Es schien seit Ewigkeiten nicht gespielt worden zu sein, und jemand hatte eine Reihe schmutziger Krüge darauf abgestellt. Sie betraten einen kleinen Raum neben der Treppe. Es roch nach Staub.
„Warten Sie hier“, sagte der Barmann, schloss die Tür und ging.
Waxillium verschränkte die Arme und beäugte den einsamen Stuhl im Raum. Die weiße Farbe blätterte ab; zweifellos blieb die Hälfte davon an seiner Hose kleben, wenn er sich setzte.
So langsam gewöhnte er sich an die Leute im Rauland, wenn auch nicht an ihre sonderbaren Angewohnheiten. Die Monate, die er nun Kopfgeldjäger war, hatten ihm gezeigt, dass es hier draußen zwischen den ganzen anderen doch gute Männer und Frauen gab. Allerdings war ihnen allen dieser sture Fatalismus eigen. Obrigkeiten vertrauten sie nicht, Gesetzeshütern gingen sie lieber aus dem Weg, auch wenn das hieß, dass ein Mann wie Granit-Joe weiter wüten und plündern konnte. Ohne das Kopfgeld, das die Eisenbahn- und Bergbaugesellschaften aussetzten, würde sich nie etwas ...
Das Fenster zitterte. Waxillium erstarrte, packte die Waffe an seiner Seite und verbrannte Stahl. Das Metall löste ein scharfes Brennen in ihm aus – wie das Gefühl, etwas zu Heißes getrunken zu haben. Blaue Linien zogen sich von seiner Brust zu nahegelegenen Metallquellen, von denen sich mehrere dicht vor dem verriegelten Fenster befanden. Andere wiesen nach unten. Dieser Saloon hatte einen Keller, was unüblich war für das Rauland.
Wenn es sein musste, konnte er Druck auf diese Linien ausüben und sich von dem Metall abstoßen, mit dem sie verbunden waren. Vorläufig beobachtete er aber nur, wie sich eine schmale Stange zwischen Fenster und Rahmen schob, angehoben wurde und den Riegel öffnete. Das Fenster klapperte, dann schwang es auf.
Eine junge Frau in dunkler Hose sprang herein und hielt ein Gewehr in der Hand. Sie war schlank, mit eckigem Gesicht, hatte eine unangezündete Zigarre zwischen die Zähne geklemmt und kam Waxillium irgendwie bekannt vor. Sichtlich zufrieden stand sie auf, drehte sich um und schloss das Fenster. Dabei sah sie ihn zum ersten Mal.
„Verdammt!“, rief sie, wich zurück, ließ die Zigarre fallen und hob das Gewehr.
Waxillium hob ebenfalls die Pistole, machte seine Allomantie bereit und bedauerte, keine Methode gefunden zu haben, die ihn vor Kugeln schützte. Er konnte Druck auf Metall ausüben, ja, aber er war nicht schnell genug, um Kugeln aufzuhalten, es sei denn, er übte seinen Schub auf das Gewehr aus, bevor der Abzug gedrückt wurde.
„Hallo“, sagte die Frau, während sie über Kimme und Korn spähte. „Sind Sie nicht dieser Kerl? Der Peret den Schwarzen umgebracht hat?“
„Waxillium Ladrian“, erwiderte er. „Auftrags-Sheriff.“
„Sie machen Witze. So nennen Sie sich selbst?“
„Klar. Warum nicht?“
Sie antwortete nicht, senkte stattdessen das Gewehr ein wenig und musterte ihn kurz. „Ein Halstuch? Ernsthaft?“, fragte sie schließlich.
„Das ist irgendwie mein Ding“, erwiderte Waxillium. „Der Gentleman-Kopfgeldjäger.“
„Warum braucht ein Kopfgeldjäger überhaupt ein Ding?“
„Ein gewisser Ruf ist wichtig“, erklärte Waxillium und reckte das Kinn. „Die Gesetzlosen haben ebenfalls einen Ruf. Von Granit-Joe haben die Leute von einem Ende des Raulands zum anderen schon gehört. Warum sollte ich das nicht auch so machen?“
„Weil Sie sich dadurch eine Zielscheibe an den Kopf malen.“
„Das Risiko ist es wert“, beharrte Waxillium. „Aber da wir gerade von Zielscheiben sprechen ...“ Er wedelte mit seiner Waffe und nickte zu ihrem Gewehr hinüber.
„Sie sind hinter dem Kopfgeld auf Joe her“, stellte sie fest.
„Natürlich. Sie auch?“
Sie nickte.
„Teilen?“, fragte Waxillium.
Sie seufzte, senkte aber das Gewehr. „Also gut. Aber wer ihn erschießt, kriegt das Doppelte.“
„Ich hatte vor, ihn lebend abzuliefern ...“
„Gut. Dann hab ich eine bessere Chance, ihn zuerst zu erwischen.“ Sie lächelte ihn an und schob sich zur Tür. „Ich bin Lessie. Dann hält sich Granit-Joe also irgendwo hier auf? Haben Sie ihn gesehen?“
„Nein, habe ich nicht“, entgegnete Waxillium und folgte ihr zur Tür. „Ich habe den Barmann gefragt, aber er hat mich hierhergeschickt.“
Sie drehte sich zu ihm um. „Sie haben den Barmann gefragt.“
„Klar“, bestätigte Waxillium. „Ich habe die Geschichten gelesen. Barmänner wissen alles und ... Sie schütteln den Kopf.“
„In diesem Saloon gehört jeder zu Joe, Mister Halstuch“, sagte Lessie. „Verdammt, die halbe Stadtbevölkerung gehört ihm. Sie haben den Barmann gefragt?“
„Ich glaube, das haben wir schon festgestellt.“
„Rost!“ Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und linste hinaus. „Wie in Ruins Namen haben Sie Peret den Schwarzen erwischt?“
„So schlimm ist es sicher nicht. In der Bar können ja nicht alle ...“
Er verstummte, als er durch die Türöffnung spähte. Der große Barmann war nicht losgelaufen, um jemanden zu holen. Nein, er stand immer noch im Schankraum des Saloons, gestikulierte zur Tür des Nebenraums und drängte die versammelten Gangster und Schurken, aufzustehen und sich zu bewaffnen. Sie schienen zu zögern, und manche machten wütende Gesten, aber mehr als nur ein paar hatten die Waffen gezogen.
„Verdammt“, flüsterte Lessie.
„Den gleichen Weg raus, wie Sie hereinkamen?“, fragte Waxillium.
Ihre Antwort bestand darin, die Tür mit äußerster Vorsicht zu schließen, ihn zur Seite zu schieben und zum Fenster zu hasten. Sie packte das Fensterbrett, um hinauszusteigen, aber in der Nähe krachte ein Schuss, und Holzsplitter platzten vom Sims.
Lessie fluchte und ließ sich zu Boden fallen. Waxillium tauchte neben ihr ab.
„Scharfschütze!“, zischte er.
„Sind Sie immer so aufmerksam, Mister Halstuch?“
„Nein, nur wenn auf mich geschossen wird.“ Er spähte über die Kante des Fensterbretts, doch ringsum gab es ein Dutzend Stellen, an denen sich ein Scharfschütze verstecken konnte. „Das ist ein Problem.“
„Da ist wieder diese rasiermesserscharfe Beobachtungsgabe.“ Lessie kroch über den Boden auf die Tür zu.
„Ich meinte das in mehrerlei Hinsicht“, wandte Waxillium ein und durchquerte ebenfalls in gebückter Haltung den Raum. „Wieso hatten sie Zeit, einen Scharfschützen in Stellung zu bringen? Offenbar wussten sie, dass ich heute hier auftauche. Das Ganze könnte eine Falle sein.“
Lessie fluchte leise, als sie die Tür erreichte und sie wieder einen Spaltbreit öffnete. Die Gangster stritten leise und deuteten zur Tür.
„Sie nehmen mich ernst“, sagte Waxillium. „Ha! Mein Ruf eilt mir voraus. Sehen Sie das? Sie haben Angst!“
„Glückwunsch“, erwiderte sie trocken. „Glauben Sie, ich bekomme eine Belohnung, wenn ich Sie erschieße?“
„Wir müssen nach oben“, sagte Waxillium mit Blick auf eine Treppe dicht vor der Tür.
„Was soll uns das bringen?“
„Nun ja, zum einen sind alle Bewaffneten, die uns umbringen wollen, hier unten. Ich wäre lieber irgendwo anders, und die Treppe ist einfacher zu verteidigen als dieser Raum. Abgesehen davon finden wir vielleicht auf der anderen Hausseite ein Fenster und können fliehen.“
„Ja, wenn Sie zwei Stockwerke tief springen wollen.“
Springen war für einen Münzwerfer kein Problem. Waxillium konnte im Fallen ein Stück Metall werfen und sich davon abstoßen, sodass er sicher landete. Er war außerdem ein Ferrochemiker und konnte seine Metallgeister nutzen, um sein Gewicht noch weit mehr als derzeit zu reduzieren – bis dahin, dass er praktisch schwebte.
Allerdings waren Waxilliums Fähigkeiten nicht allgemein bekannt, und das sollte auch so bleiben. Er hatte die Geschichten seines wundersamen Überlebens gehört, und ihm gefiel diese mystische Aura. Es gab natürlich Spekulationen, dass er ein Metallgeborener sei, aber solange die Leute nicht genau wussten, worin seine Macht bestand, genoss er einen Vorteil.
„Hören Sie, ich laufe zur Treppe“, sagte er zu der Frau. „Wenn Sie hier unten bleiben und sich den Weg freikämpfen wollen, von mir aus. Damit bieten Sie mir die ideale Ablenkung.“
Sie warf ihm einen Blick zu und lächelte. „Also gut. Wir machen es auf Ihre Art. Aber wenn wir erschossen werden, schulden Sie mir einen Drink.“
Irgendwas an ihr kommt mir bekannt vor, dachte Waxillium. Er nickte, zählte leise bis drei, dann platzte er durch die Tür und richtete seine Waffe auf den nächstbesten Gangster. Der Mann sprang zurück, als Waxillium dreimal schoss – und ihn verfehlte. Seine Kugeln trafen stattdessen das Klavier und brachten mit jedem Einschlag einen Misston zum Erklingen.
Lessie drängelte sich hinter ihm heraus und steuerte auf die Treppe zu. Die zusammengewürfelte Horde von Schlägertypen hob mit erschrockenen Schreien die Waffen. Waxillium schwang seinen Revolver zurück – damit er seiner Allomantie nicht in die Quere kam – und drückte leicht gegen die blauen Linien, die von ihm zu den Männern im Raum führten. Sie eröffneten das Feuer, doch sein Schub hatte ihre Waffen so stark abgelenkt, dass sie ihr Ziel verfehlten.
Waxillium folgte Lessie auf der Flucht vor dem Kugelhagel die Stufen hinauf.
„Heilige Scheiße!“, stieß Lessie hervor, als sie den ersten Treppenabsatz erreichten. „Wir leben noch.“ Mit geröteten Wangen blickte sie zu ihm zurück.
Jetzt klickte etwas in Waxilliums Gehirn. „Ich habe Sie doch schon mal gesehen“, sagte er.
„Nein, haben Sie nicht.“ Sie wandte den Blick ab. „Belassen wir es ...“
„Im Weeping Bull“, erklärte Waxillium. „Die Tänzerin!“
„O Gott im Jenseits!“, rief sie, während sie ihm vorausging. „Sie erinnern sich.“
„Ich wusste, dass Sie nicht echt waren. Nicht einmal Rusko würde eine so unkoordinierte Tänzerin einstellen, egal, wie hübsch ihre Beine sind.“
„Können wir jetzt bitte aus dem Fenster springen?“, fragte sie, während sie das obere Stockwerk auf Anzeichen von Gangstern hin überprüfte.
„Was haben Sie dort gemacht? Waren Sie hinter einem Kopfgeld her?“
„Ja, irgendwie schon.“
„Und Sie wussten wirklich nicht, dass die Sie zwingen würden ...“
„Das Gespräch ist beendet.“
Sie betraten das obere Stockwerk, und Waxillium wartete kurz, bis ein Schatten an der Wand deutlich machte, dass ihnen jemand nach oben folgte. Er feuerte auf den Gangster, der dort auftauchte, traf wieder nicht, trieb den Mann aber zurück. Unten hörte er Flüche und Streitgespräche. Die Männer im Saloon mochten Granit-Joe gehören, aber sie waren nicht übermäßig loyal. Die ersten auf der Treppe würden mit ziemlicher Sicherheit erschossen werden, und keiner riss sich darum, das Risiko einzugehen.
Das verschaffte Waxillium etwas Zeit. Lessie drang in ein Zimmer vor und ging an einem leeren Bett vorbei, neben dem ein Stiefelpaar stand. Dann öffnete sie das Fenster auf jener Seite, die dem Scharfschützen gegenüberlag.
Vor ihnen erstreckte sich die Stadt Wettering, eine einsame Ansammlung von Geschäften und Wohnhäusern, geduckt, als würde sie – vergeblich – auf den Tag warten, an dem die Eisenbahn ihre Finger bis hierher ausstrecken würde. In mittlerer Entfernung, jenseits der ärmlichen Gebäude, grasten träge einige Giraffen: die einzige Spur von tierischem Leben in der ausgedehnten Ebene.
Vom Fenster aus ging es steil nach unten, ohne ein Dach, auf das man hätte klettern können. Argwöhnisch betrachtete Lessie den Boden. Waxillium steckte die Finger in den Mund und pfiff scharf.
Nichts passierte.
Er pfiff wieder.
„Was zum Henker tun Sie da?“, wollte Lessie wissen.
„Mein Pferd rufen“, antwortete Waxillium, dann pfiff er noch einmal. „Wir können in den Sattel springen und davonreiten.“
Sie starrte ihn an. „Sie meinen das ernst.“
„Natürlich. Wir haben geübt.“
Eine einsame Gestalt bog in die Straße unter ihnen ab: der Junge, der Waxillium gefolgt war. „Äh, Wax?“, rief er herauf. „Destroyer steht einfach nur da und trinkt.“
„Verdammt“, knurrte Waxillium.
Lessie musterte ihn. „Ihr Pferd heißt ...“
„Sie ist ein bisschen zu friedlich, okay?“, schnauzte Waxillium und kletterte auf das Fensterbrett. „Ich dachte, der Name würde sie vielleicht inspirieren.“ Er legte die Hand an den Mund. „Wayne! Bring sie hier rüber! Wir springen!“, rief er zu dem Jungen hinab.
„Gar nichts tun wir“, widersprach Lessie. „Glauben Sie, ein Sattel ist magisch und verhindert, dass wir dem Pferd den Rücken brechen, wenn wir hineinkrachen?“
Waxillium zögerte. „Nun ja, ich habe gelesen, dass manche so etwas tun ...“
„Ja, das kann ich mir vorstellen“, sagte Lessie. „Und als Nächstes fordern Sie Granit-Joe heraus, stellen sich auf die Straße und veranstalten um zwölf Uhr mittags ein gutes, altmodisches Duell.“
„Glauben Sie, das würde klappen? Ich ...“
„Nein, es würde nicht klappen!“, fuhr sie ihn an. „Niemand tut so etwas. Es ist dumm. Ruin! Wie haben Sie Peret den Schwarzen denn nun wirklich ausgeschaltet?“
Eine Weile starrten sie sich an.
„Na ja ...“, begann Waxillium.
„Ach, verdammt! Sie haben ihn auf dem Scheißhaus erwischt, oder?“
Waxillium grinste. „Ja.“
„Haben Sie ihm auch in den Rücken geschossen?“
„So tapfer wie je ein Mann einen anderen in den Rücken geschossen hat.“
„Hm. Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für Sie.“
Er nickte in Richtung Fenster. „Springen?“
„Klar. Warum sich nicht beide Beine brechen, bevor man erschossen wird? Wir können genauso gut aufs Ganze gehen, Mister Halstuch.“
„Ich glaube, wir schaffen das schon, Miss rosa Strumpfband.“
Sie hob die Brauen.
„Wenn Sie mich über meine Kleiderwahl definieren“, sagte er, „dann kann ich doch wohl dasselbe tun.“
„Decken wir am besten den Mantel des Schweigens darüber“, schlug sie vor und holte tief Luft. „Und jetzt?“
Er nickte, fachte seine Metalle an, bereitete sich darauf vor, Lessie festzuhalten und sie beide im Fall zu verlangsamen – gerade genug, damit es aussah, als hätten sie den Sprung auf wundersame Weise überlebt. Währenddessen bemerkte er aber, dass sich eine seiner blauen Linien bewegte – eine blasse, aber dicke Linie, die geradewegs auf die andere Straßenseite führte.
Das Fabrikfenster. Irgendetwas dahinter warf das Sonnenlicht zurück.
Ohne Zögern packte Waxillium Lessie und zog sie nach unten. Den Bruchteil einer Sekunde später pfiff eine Kugel über ihre Köpfe hinweg und traf die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Raums.
„Noch ein Scharfschütze“, zischte sie.
„Ihre Beobachtungsgabe ist ...“
„Ruhe jetzt!“, unterbrach sie ihn. „Und nun?“
Waxillium furchte die Stirn, während er nachdachte. Er warf einen Blick auf das Einschussloch der Kugel und schätzte die Flugbahn ab. Der Scharfschütze hatte zu hoch gezielt. Selbst wenn sich Waxillium nicht geduckt hätte, wäre ihm wahrscheinlich nichts passiert.
Warum zielte er so hoch? Die Bewegung der blauen Linie zu der Waffe hatte angezeigt, dass der Scharfschütze laufen musste, um in seine Schussposition zu kommen. Hatte er nur zu hastig gezielt? Oder gab es einen unheilvolleren Grund? Um mich vom Himmel zu holen? Wenn ich aus dem Fenster geflogen wäre?, dachte Waxillium.
Er hörte Schritte auf der Treppe, sah aber keine blauen Linien. Fluchend kroch er hinüber und spähte hinaus. Mehrere Männer schlichen die Treppe herauf, aber nicht die üblichen Schlägertypen von unten. Diese Männer trugen enge weiße Hemden, Bleistiftbärte und waren mit Armbrüsten bewaffnet. Kein Stück Metall an ihnen.
Rost! Sie wussten, dass er Münzwerfer war, und Granit-Joe hatte ein Mordaufgebot für ihn bereitstehen.
Er duckte sich in den Raum zurück und ergriff Lessie am Arm. „Ihr Informant sagte, Granit-Joe sei im Gebäude?“
„Ja“, bestätigte sie. „Das ist er ganz bestimmt. Er bleibt gern in der Nähe, wenn sich eine Gang versammelt, und behält seine Männer stets im Auge.“
„Dieses Gebäude besitzt einen Keller.“
„... und?“
„Also halten Sie sich fest!“
Er packte sie mit beiden Händen und rollte sich mit ihr auf den Boden, was ihr erst einen leisen Aufschrei und gleich darauf einen Fluch entlockte. Er hielt sie auf dem Körper fest und verstärkte sein Gewicht.
Inzwischen hatte er, nachdem er es wochenlang abgezapft hatte, sehr viel davon in seinem Metallgeist gespeichert. Jetzt zog er alles hervor und vergrößerte sein Gewicht innerhalb von kürzester Zeit um ein Vielfaches. Der Holzboden knackte und brach unter ihm auf.
Waxillium fiel durch das Loch, seine feine Kleidung wurde zerrissen, er stürzte hinab und zog Lessie mit sich. Mit zusammengekniffenen Augen übte er Druck auf Hunderte von blauen Linien hinter sich aus, die zu Nägeln im Boden unter ihm führten. Er sprengte sie nach unten weg, zertrümmerte damit den Boden im Erdgeschoss und öffnete den Weg in den Keller.
In einem Regen aus Staub und Splittern brachen sie durch den Boden im Erdgeschoss. Waxillium schaffte es, ihren Fall mit einem Stahlschub zu verlangsamen, aber sie landeten trotzdem hart auf einem Tisch in einem Kellerraum.
Waxillium stieß ein keuchendes Ächzen aus, zwang sich aber, sich umzudrehen und die Holzsplitter abzuschütteln. Zu seiner Überraschung war der Keller mit feinem Hartholz getäfelt und wurde von Lampen in Form üppiger Frauenkörper beleuchtet. Den Tisch, auf den sie gefallen waren, bedeckte ein wertvolles weißes Tischtuch, das jetzt zu einem Bündel zusammengeknüllt war. Die Tischbeine waren abgeknickt, und der Tisch selbst stand schief.
Am Kopfende des Tischs saß ein Mann. Waxillium schaffte es, inmitten der Trümmer aufzustehen und eine Waffe auf den Kerl zu richten, der ein klobiges Gesicht und dunkle blaugraue Haut hatte – das Kennzeichen eines Mannes mit Koloss-Blut. Granit-Joe. Der Serviette nach zu schließen, die er sich in den Kragen gestopft hatte, war er anscheinend beim Abendessen gestört worden. Darauf deutete auch die verschüttete Suppe auf dem zertrümmerten Tisch hin.
Lessie rollte sich stöhnend herum und klopfte sich etliche Splitter von der Kleidung. Ihr Gewehr war anscheinend im oberen Stockwerk zurückgeblieben. Waxillium hielt seine Pistole fest im Griff, während er die beiden Leibwächter in Staubmänteln beäugte, die hinter Granit-Joe standen: einen Mann und eine Frau – Geschwister, so hatte er gehört, und Meisterschützen. Sie waren offenbar von seinem Sturz überrascht worden, denn sie hatten zwar die Hände an den Waffen, hatten sie aber nicht gezogen.
Waxillium hielt die Pistole auf Granit-Joe gerichtet und besaß damit die Oberhand. Wenn er aber wirklich schoss, würden ihn die Geschwister augenblicklich töten. Vielleicht hatte er seine Angriffstaktik nicht so gut durchdacht, wie er es hätte tun sollen.
Joe kratzte in den Überresten seiner zerbrochenen Schüssel herum, die von roten Spritzern auf der Tischdecke eingerahmt wurden. Er schaffte es, etwas von der Suppe auf den Löffel zu bekommen, und hob ihn an die Lippen. „Du“, sagte er, nachdem er die Suppe geschlürft hatte, „solltest tot sein.“
„Vielleicht solltest du eine neue Gangstertruppe zusammenstellen“, erwiderte Waxillium. „Die dort oben taugen nicht viel.“
„Ich meinte nicht sie“, berichtigte ihn Joe. „Wie lange bist du schon hier oben im Rauland und machst Ärger? Zwei Jahre?“
„Ein Jahr“, erwiderte Waxillium. Er war zwar schon länger hier, hatte aber erst vor Kurzem angefangen, Ärger zu machen, wie Joe es nannte.
Granit-Joe schnalzte mit der Zunge. „Glaubst du, solche wie dich gab es hier noch nie, Sohn? Blauäugig, mit tief hängendem Pistolengürtel und glänzenden neuen Sporen? Gekommen, um unsere rauen Sitten zu ändern? Wir sehen jedes Jahr Dutzende von deiner Sorte. Die anderen sind so anständig und lernen, wie man sich bestechen lässt, oder sterben, bevor sie zu viel kaputtmachen. Nur du nicht.“
Er schindet Zeit, dachte Waxillium. Er wartet, dass die Männer von oben heruntergerannt kommen.
„Waffen fallen lassen!“, verlangte Waxillium und richtete die Waffe auf Joe. „Fallen lassen, oder ich schieße!“
Die beiden Wächter rührten sich nicht. Keine Metalllinien bei der Wache rechts, dachte Waxillium. Bei Joe auch nicht. Der auf der linken Seite hatte eine Handfeuerwaffe und vertraute vielleicht darauf, dass er schneller ziehen konnte als ein Münzwerfer. Die anderen beiden, so hätte er gewettet, hatten schicke Hand-Armbrüste in den Holstern. Einschüssig, hergestellt aus Holz und Keramik. Gebaut, um Münzwerfer zu töten.
Nicht einmal mit Allomantie hätte Waxillium alle drei töten können, ohne selbst erschossen zu werden. Schweiß rann ihm an den Schläfen hinab. Er war versucht, einfach abzudrücken und zu schießen, aber dann wäre er tot gewesen. Und sie wussten das. Es war eine Pattsituation, aber sie hatten Verstärkung.
„Du gehörst nicht hierher.“ Joe beugte sich vor, die Ellbogen auf den zerbrochenen Tisch gestützt. „Wir sind hier, weil wir Typen wie dir entgehen wollten. Euren Regeln. Eurer Überheblichkeit. Wir wollen euch hier nicht.“
„Falls das stimmen sollte“, widersprach Waxillium, überrascht, wie ruhig seine Stimme klang, „dann kämen die Leute nicht zu mir und wären verzweifelt, weil du ihre Söhne umgebracht hast. Vielleicht könnt ihr hier oben auf Elantels Gesetze verzichten, das heißt aber nicht, dass ihr überhaupt keine Gesetze braucht. Und es heißt nicht, dass Kerle wie du tun und lassen können, was sie wollen.“
Die Hand am Holster, stand Granit-Joe kopfschüttelnd auf. „Dies ist nicht dein Lebensraum, Sohn. Hier oben hat jeder seinen Preis. Wenn nicht, passt er nicht hierher. Du wirst sterben, langsam und qualvoll, wie ein Löwe in deiner Stadt stürbe. Was ich heute tue, ist ein Akt der Gnade.“
Joe zog seine Waffe.
Waxillium reagierte schnell und stieß sich von den Wandlampen zu seiner Rechten ab. Sie waren fest verankert, deshalb drückte ihn sein allomantischer Schub nach links. Dann drehte er die Waffe und feuerte.
Joe schaffte es, seine Armbrust zu ziehen, und schoss, doch der Pfeil verfehlte Waxillium und schwirrte an jener Stelle durch die Luft, wo Waxillium eben noch gestanden hatte. Dessen eigene Kugel traf dieses eine Mal, erwischte die Leibwächterin, die ebenfalls ihre Armbrust gezogen hatte. Sie fiel zu Boden, und während Waxillium gegen die Wand krachte, übte er weiter allomantischen Druck aus – womit er dem anderen Leibwächter die Waffe aus der Hand schlug, während dieser feuerte.
Waxilliums Schub schleuderte ihm leider auch selbst die Waffe aus der Hand – doch immerhin in Richtung des zweiten Leibwächters. Sie traf den Mann voll im Gesicht und brachte ihn zu Fall.
Waxillium gewann sein Gleichgewicht zurück und spähte zu Joe hinüber. Der wirkte reichlich verdutzt, dass seine beiden Leibwächter außer Gefecht gesetzt waren. Zum Überlegen blieb keine Zeit. Waxillium stürzte auf den kolossblütigen Mann zu. Wenn er an irgendein Metall herankäme, das er als Waffe benutzen konnte, vielleicht ...
Hinter ihm klickte eine Waffe. Waxillium erstarrte, blickte über die Schulter und erkannte Lessie, die eine kleine Hand-Armbrust auf ihn gerichtet hielt.
„Hier draußen hat jeder seinen Preis“, sagte Granit-Joe.
Waxillium starrte den Armbrustbolzen mit der Obsidianspitze an. Wo hatte sie das Ding versteckt? Er schluckte schwer.
Sie hat sich selbst in Gefahr gebracht, ist mit mir die Treppe heraufgekrochen, dachte er. Wie kann es sein, dass ...
Aber Joe hatte von seiner Allomantie gewusst. Sie ebenfalls. Lessie hatte gewusst, dass er die Kugeln der Gangster ablenken konnte, als sie ihm über die Treppe gefolgt war.
„Na endlich“, brummte Joe. „Kannst du mir erklären, warum du ihn nicht einfach in dem Nebenraum erschossen hast, in den ihn der Barmann gesteckt hatte?“
Sie antwortete nicht, sondern musterte Waxillium. „Ich habe Sie gewarnt, dass alle im Saloon in Joes Diensten stehen“, bemerkte sie.
„Ich ...“ Waxillium räusperte sich. „Ich finde Ihre Beine immer noch hübsch.“
Sie erwiderte seinen Blick und seufzte. Dann drehte sie die Armbrust und schoss Granit-Joe in den Hals.
Waxillium blinzelte, während der massige Mann gurgelnd und blutend zu Boden sank.
„Ehrlich?“, fragte Lessie und starrte Waxillium finster an. „Mehr fällt Ihnen nicht ein, um mich rumzukriegen? Sie haben hübsche Beine. Ernsthaft? Sie sind hier draußen so was von verloren, Halstuch.“
Waxillium atmete erleichtert auf. „Ach, Einträchtiger! Ich war überzeugt, dass Sie mich erschießen wollten.“
„Hätte ich auch machen sollen“, zischte sie. „Ich fasse es nicht ...“
Ein Poltern auf der Treppe unterbrach sie, als die Schurkentruppe von oben endlich ihren Mumm zusammengekratzt hatte und die Treppe herunterstürmte. Ein gutes halbes Dutzend von ihnen platzte mit gezogenen Waffen in den Raum.
Lessie stürzte sich auf die Pistole des gefallenen Leibwächters.
Waxillium dachte eilig nach, dann tat er, was ihm am natürlichsten erschien. Er stellte sich in theatralischer Pose mitten in den Schutt, einen Fuß aufgestellt, Granit-Joe tot neben sich, beide Leibwächter gefällt. Von der zerstörten Decke rieselte immer noch der Staub, erleuchtet vom Sonnenlicht, das durch ein Fenster hereinfiel.
Die Gangster blieben stehen. Sie betrachteten den gefallenen Leichnam ihres Bosses, dann staunten sie Waxillium an.
Wie Kinder, die in der Speisekammer beim Keksstehlen erwischt wurden, senkten sie schließlich die Waffen. Um zu entkommen, drängelten sich die Vordersten nach hinten, und das ganze lärmende Durcheinander schwärmte wieder die Treppe hinauf. Zurück blieb nur verloren der Barmann, der als Letzter floh.
Waxillium drehte sich um, streckte Lessie eine Hand entgegen und half ihr auf die Beine. Sie sah der fliehenden Banditenhorde nach, deren Stiefel in der Hast ihrer Flucht auf die Holzdielen donnerten. Innerhalb von Augenblicken war es still in dem Gebäude.
„Hm“, sagte sie. „Sie sind so überraschend wie ein Esel, der tanzen kann, Mister Halstuch.“
„Es ist hilfreich, wenn man sein spezielles Ding hat“, bemerkte Waxillium.
„Stimmt. Finden Sie, ich sollte mir auch eins ausdenken?“
„Mir mein eigenes Ding zuzulegen, war eine der besten Entscheidungen, die ich seit meinem Aufenthalt im Rauland getroffen habe.“
Lessie nickte langsam. „Ich habe keine Ahnung, wovon wir da sprechen, aber es klingt irgendwie schmutzig.“ Sie warf einen Blick an ihm vorbei auf den Leichnam von Granit-Joe, der in einer Pfütze seines eigenen Bluts leblos in die Luft starrte.
„Danke, dass Sie mich nicht ermordet haben“, sagte Waxillium.
„Ach, ich hätte ihn sowieso irgendwann umgebracht, um mir das Kopfgeld zu holen.“
„Ja, tja ... aber vermutlich wollten Sie das nicht vor seiner Bande in einem Keller ohne Fluchtmöglichkeit durchziehen.“
„Stimmt. Das war ziemlich dumm von mir.“
„Warum also?“
Sie betrachtete weiterhin den Leichnam. „In Joes Namen habe ich einiges getan, das ich inzwischen bereue. Aber soweit ich weiß, habe ich nie einen Mann erschossen, der es nicht verdient hätte. Sie zu töten ... na ja, das wäre mir irgendwie vorgekommen, als würde ich das töten, wofür Sie stehen. Verstehen Sie?“
„Ich glaube, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.“
Sie rieb sich einen blutigen Kratzer am Hals, den sie sich beim Sturz durch die gesplitterten Holzbalken zugezogen hatte. „Nächstes Mal wird das aber hoffentlich nicht so ein Riesenchaos. Ich mochte diesen Saloon.“
„Ich gebe mir Mühe“, versprach Waxillium. „Ich habe vor, hier draußen einiges zu verändern. Wenn nicht das ganze Rauland, dann zumindest diese Stadt.“
„Tja ...“, meinte Lessie und näherte sich Granit-Joes Leichnam. „Wenn in Zukunft böse Klaviere über einen Angriff auf die Stadt nachdenken, müssen Sie sich das angesichts Ihrer Kunstfertigkeit mit der Pistole gut überlegen.“
Waxillium verzog schmerzlich das Gesicht. „Sie ... Sie haben es bemerkt, wie?“
„Hab selten eine solche Meisterleistung gesehen“, stellte sie fest, während sie niederkniete und Joes Taschen durchsuchte. „Drei Schüsse, drei verschiedene Töne, kein einziger Bandit getroffen. Das erfordert Können. Vielleicht sollten Sie ein bisschen weniger mit Ihrem Ding herumexperimentieren und mehr mit Ihrer Waffe.“
„Also, das klang jetzt wirklich schmutzig.“
„Gut. Ich bin ungern aus Versehen derb.“ Sie beförderte Joes Brieftasche zutage, lächelte, warf sie in die Luft und fing sie wieder auf. Über ihnen, in dem Loch, das Waxillium geschlagen hatte, tauchte ein Pferdekopf auf, gefolgt von einem kleinen menschlichen Kopf mit einem zu großen Bowlerhut. Woher hatte er den?
Destroyer schnaubte zur Begrüßung.
„Na klar, jetzt kommst du daher“, beschwerte sich Waxillium. „Dummes Pferd.“
„Nun ja“, sagte Lessie, „mir scheint das ein verdammt kluges Pferd zu sein, wenn es sich während einer Schießerei von Ihnen fernhält.“
Waxillium hielt ihr lächelnd die Hand entgegen. Sie nahm sie, und er zog sie an sich. Dann hob er Lessie und sich an einer Linie aus blauem Licht entlang aus den Trümmern.
„Brandon Sanderson ist einer der vielseitigsten und auch fleißigsten Fantasy Autoren.“
„Wieder ein Meisterwerk aus der Feder von Brandon Sanderson, das Lust macht, die existierenden Bände noch einmal zu lesen, um die Wartezeit auf den sehnsüchtig erwarteten Folgeband zu überbrücken.“
„Die Geschichte ist vor allem aufgrund der Mischung vieler Genre-Elemente so herausragend. Sanderson nimmt die Magie der High-Fantasy, die Technik des Steampunk, die Umgebung der Urban-Fantasy, die Kleidung eines Western und mischt es mit einer Krimi-Handlung. Hinzukommen interessante und vielschichtige Charaktere die diese Mischung mit Humor würzen. Da ein Überraschungsmoment im spannenden Finale auch nicht fehlt, ist hiermit im Prinzip alles gegeben, was einen tollen Roman ausmacht, denn Sandersons Schreibstil ist ohne Frage grandios.“
„Eine hochexplosive Mischung aus High Fantasy, wildem Western und feinem Humor (…) Brandon Sanderson schreibt Fantasy, die dermaßen genial ist, dass man gar nicht mehr in die Realität zurückkehren möchte.“
„Die perfekte Lektüre für Brandon Sanderson Fans und alle, die es werden wollen.“
„Brandon Sanderson ist ein Meister der High Fantasy.“
„Ein aktionsreiches und kurzweiliges Abenteuer, das sich nahtlos in das Gefüge der ›Nebelgeborenen‹ einfügt.“
„›Schatten über Elantel‹ ist eine nicht gewöhnliche Geschichte, die mich mit den enthaltenen Handlungsbahnen, einer immensen Skurrilität und interessanten Charakteren gut unterhalten konnte.“
DATENSCHUTZ & Einwilligung für das Kommentieren auf der Website des Piper Verlags
Die Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, info@piper.de verarbeitet Ihre personenbezogenen Daten (Name, Email, Kommentar) zum Zwecke des Kommentierens einzelner Bücher oder Blogartikel und zur Marktforschung (Analyse des Inhalts). Rechtsgrundlage hierfür ist Ihre Einwilligung gemäß Art 6I a), 7, EU DSGVO, sowie § 7 II Nr.3, UWG.
Sind Sie noch nicht 16 Jahre alt, muss zwingend eine Einwilligung Ihrer Eltern / Vormund vorliegen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall direkt Kontakt zu uns auf. Sie selbst können in diesem Fall keine rechtsgültige Einwilligung abgeben.
Mit der Eingabe Ihrer personenbezogenen Daten bestätigen Sie, dass Sie die Kommentarfunktion auf unserer Seite öffentlich nutzen möchten. Ihre Daten werden in unserem CMS Typo3 gespeichert. Eine sonstige Übermittlung z.B. in andere Länder findet nicht statt.
Sollte das kommentierte Werk nicht mehr lieferbar sein bzw. der Blogartikel gelöscht werden, ist auch Ihr Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar.
Wir behalten uns vor, Kommentare zu prüfen, zu editieren und gegebenenfalls zu löschen.
Ihre Daten werden nur solange gespeichert, wie Sie es wünschen. Sie haben das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, ein Widerspruchsrecht, ein Recht auf Datenübertragbarkeit, sowie ein Recht auf Widerruf Ihrer Einwilligung. Im Falle eines Widerrufs wird Ihr Kommentar von uns umgehend gelöscht. Nehmen Sie in diesen Fällen am besten über E-Mail, info@piper.de, Kontakt zu uns auf. Sie können uns aber auch einen Brief schicken. Sie erhalten nach Eingang umgehend eine Rückmeldung. Ihnen steht, sofern Sie der Meinung sind, dass wir Ihre personenbezogenen Daten nicht ordnungsgemäß verarbeiten ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde zu. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an unseren Datenschutzbeauftragten, den Sie unter datenschutz@piper.de erreichen.