Schattentänzer (Die Chroniken von Siala 3) - eBook-Ausgabe
Die Chroniken von Siala 3
„Das ist beste Questen-Fantasy im Stil eines David Eddings, Terry Brooks oder Richard Schwartz mit viel Magie, Geheimnissen und Kämpfen satt.“ - phantastiknews.com
Schattentänzer (Die Chroniken von Siala 3) — Inhalt
Die Abenteuer von Garrett haben Millionen Fantasy-Fans weltweit begeistert – nun erscheinen „Die Chroniken von Siala“ auf einen Schlag im Taschenbuch! Nach Jahrhunderten des Friedens bedroht eine Armee des Todes die Stadt Awendum. Nur der Schattenwanderer Garrett kann sie noch aufhalten. An der Seite einer Elbenprinzessin und der unerbittlichsten Krieger des Königreichs zieht er in einen Kampf auf Leben und Tod …
Leseprobe zu „Schattentänzer (Die Chroniken von Siala 3)“
Kapitel 1
Der Goldene Wald
„ Was hast du denn erwartet, Garrett ? Fanfaren? “ Kli-Kli vermochte seiner Empörung einfach nicht Herr zu werden, und seine fiepsigen Schreie dürften weit in der Umgegend zu hören gewesen sein.
Sobald ich auch nur ein falsches Wort über die Wälder Sagrabas verlor, ging der kleine grüne Kobold in die Luft. Mokierte ich mich über eine verwelkte Blume, ließ der königliche Hofnarr prompt eine Tirade zur Verteidigung seiner Heimat vom Stapel.
„Natürlich nicht“, erwiderte ich beschwichtigend. Ich bedauerte bereits, mich überhaupt auf [...]
Kapitel 1
Der Goldene Wald
„ Was hast du denn erwartet, Garrett ? Fanfaren? “ Kli-Kli vermochte seiner Empörung einfach nicht Herr zu werden, und seine fiepsigen Schreie dürften weit in der Umgegend zu hören gewesen sein.
Sobald ich auch nur ein falsches Wort über die Wälder Sagrabas verlor, ging der kleine grüne Kobold in die Luft. Mokierte ich mich über eine verwelkte Blume, ließ der königliche Hofnarr prompt eine Tirade zur Verteidigung seiner Heimat vom Stapel.
„Natürlich nicht“, erwiderte ich beschwichtigend. Ich bedauerte bereits, mich überhaupt auf das Gespräch eingelassen zu haben. „ Aber ich habe mir Sagraba halt anders vorgestellt. “
„ Und wie, wenn ich fragen darf ? “
„Ich weiß auch nicht“, gestand ich. Wenn mich diese Nervensäge von Kobold doch endlich mal in Ruhe ließe !
„Wenn du es nicht weißt, warum jammerst du mir dann die Ohren voll?“ Verärgert trat Kli-Kli gegen einen kleinen Erdhaufen. „ Dieses passt ihm nicht ! Jenes passt ihm nicht ! Was stellst du eigentlich für Ansprüche?! Bei dir müssen Bäume wohl immer neunhundert Yard groß sein, was ? ! Verlangst du Bäche voller Blut und unter jedem Strauch einen Oburen? Tut mir leid, aber dann bist du hier falsch! Sagraba ist ein Wald, kein Kindermärchen, das Gestalt angenommen hat ! “
„ Das habe ich inzwischen auch begriffen “, blaffte ich.
„ Das hat er auch begriffen ! Ja, hat man denn Töne ! “
„Kli-Kli, sei ein bisschen leiser“, bat Aal vor uns, ohne sich zu dem Kobold umzudrehen.
Kli-Kli warf einen beleidigten Blick auf den hochgewachsenen, dunkelhäutigen Garraker und schnappte ein. In den nächsten zwei Stunden war kein Sterbenswörtchen mehr aus ihm herauszubekommen.
Wir streiften bereits seit fünf Tagen durch Sagraba. Genau! Neun Verrückte, darunter zwei dunkle Elfen, ein Kobold, ein breitschultriger Zwerg, ein bärbeißiger Gnom mit Rauschebart, ein mürrischer Ritter, zwei Soldaten und ein Kerl mit einem unzweifelhaft diebischen Habitus zogen gemeinsam durch diesen Nadelwald und wehklagten aus vollem Hals. Warum wehklagten sie ? Eben weil sie verrückt waren. Und warum waren sie verrückt ? Weil kein normaler Mensch in dieses Land der Wälder vordringen würde, und sei es für alles Geld der Welt, geschweige denn einen Fuß in das Gebiet der Orks setzen würde, deren Gastfreundschaft in ganz Siala legendär war.
Dabei waren wir eigentlich gar nicht übermäßig verrückt (zumindest ich für meinen Teil nicht ). Niemand hätte sich nach Sagraba begeben, wenn es nicht gälte, etwas zu beschaffen, das man das Horn des Regenbogens nannte. Damit drängt sich natürlich die Frage auf, was zum Dunkel wir mit dieser verdammten Tröte aus den Tiefen Hrad Spines überhaupt wollten? Dazu möchte ich festhalten, dass ich persönlich getrost hätte darauf verzichten können, runter zu den Friedhöfen zu krauchen. Ich wäre gewiss auch niemals hergekommen, gäbe es da nicht diesen Kontrakt, der verlangte, dass ich das Horn noch vor dem Frühling dem Orden der Magier in der ruhmreichen Stadt Awendum zu überbringen hätte. Wenn ich das nämlich nicht schaffte, dann hieße es: Gute Nacht, Vagliostrien.
Das Horn des Regenbogens bannte einen Kerl namens der Unaussprechliche, der seit nunmehr fünfhundert Jahren an unserem Königreich Rache nehmen wollte. Die Magier waren einst dumm genug gewesen, es tief in den Beinernen Palästen zu verstecken. Allmählich schwand die Kraft des Horns jedoch, sodass wir damit rechnen mussten, dass sich der Unaussprechliche Verstärkung aus den Öden Landen holte und Vagliostrien nach dem Winter einen Besuch abstattete. Natürlich beabsichtigte niemand, ihn mit offenen Armen zu empfangen. Eben deshalb brauchte der Orden der Magier ja auch das Horn – um den Feind in seine Eiswüste zurückzutreiben.
Dies sei also für alle diejenigen vorausgeschickt, die sich den Kopf darüber zerbrechen, was wir eigentlich in Sagraba treiben: Wir besorgen das Horn, retten die Welt und befassen uns mit ähnlich unsinnigem Kram. Das ist dumm von uns ? Einverstanden. Das wiederhole ich mir selbst jeden Morgen beim Aufwachen. Nur hört niemand auf mich. Miralissa nicht und Alistan Markhouse schon gar nicht.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich selbst schuld an der Misere bin. Ich hatte mich auf einen Kontrakt eingelassen – und einen Kontrakt bricht niemand. Allein deshalb keuchte und hetzte ich durch diese Wälder und musste ständig gewaltigen Schwierigkeiten entrinnen. Immerhin hatte der Kontrakt auch ein Gutes. Erfüllte ich ihn, sollte ich vom König fünfzigtausend Goldmünzen erhalten. Allerdings war mir bislang nicht zu Ohren gekommen, dass Tote Gold benötigten, in der Regel reicht ihnen ja eine tiefe Grube und ein Grabstein.
Doch warum erzähle ich das alles ? Nur um klarzumachen, dass sämtliche Widrigkeiten, die uns bisher auf unserem Weg von Awendum nach Sagraba widerfahren waren, vergessenswert waren. Die wirklichen Prüfungen kamen erst noch, zunächst in Sagraba, anschließend in Hrad Spine. Und wie die ausgingen, stand für mich außer Frage ( oder fast außer Frage ) !
„Über welchem Unsinn brütest du jetzt schon wieder, Garrett ? “ Kli-Klis Stimme riss mich aus meinen düsteren Gedanken.
„Unsinn auszubrüten ist deine Aufgabe“, erwiderte ich dem kleinen Nichtsnutz. „ Ich bin ein Dieb, kein Hofnarr. “
„Und eben das ist dein Unglück“, parierte dieser. „Als Narr wärst du nämlich nie im Leben in diese Sache reingerasselt und hättest vom König auch nicht diesen Kontrakt aufgedrückt bekommen. Stattdessen würdest du zu Hause sitzen, ein Bierchen trinken … “
Mich packte der heiße Wunsch, den grünen Mistkerl zu treten. Kli-Kli musste jedoch meine Gedanken gelesen haben, denn er brachte sich rasch hinter Aal in Deckung. Also durfte ich seine Abstrafung mal wieder auf später verschieben.
Seit wir nach Sagraba vorgedrungen waren, verlangte uns Miralissa ein wahnwitziges Tempo ab. Am Abend des ersten Tages hatte ich mich kaum noch auf den Beinen zu halten vermocht. Als wir dann auf einer Waldlichtung unser erstes Lager aufgeschlagen hatten, war ich mir sicher gewesen, mich am nächsten Morgen nicht erheben zu können. Wenn die anderen weiterziehen wollten, bitte sehr. Ich aber würde im Gras liegen bleiben und ausruhen. Im äußersten Notfall würde ich mich vielleicht von jemandem Huckepack tragen lassen.
Doch am Morgen des folgenden Tages hieß es natürlich: die Zähne zusammenbeißen und weiter. Gegen Mittag hatte ich mich immerhin an die gleichbleibend hohe Geschwindigkeit gewöhnt, am nächsten Tag ermüdete sie mich nicht einmal mehr. Freilich hatte ich Miralissa im Verdacht, etwas von ihren magischen Kräutern in den Topf mit der Suppe gegeben zu haben, damit wir unseren Tagesmarsch leichter bewältigten.
In Sagraba entfachte stets Egrassa das Feuer. So erstaunlich es auch klingen mag, doch von dem Feuer, das Miralissas Cousin entzündete, stieg kaum Rauch auf. In der ersten Nacht fürchtete ich noch, die Flammen könnten unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken. Da sich jedoch nicht einmal der allzeit wachsame Elf sorgte, beruhigte auch ich mich wieder.
Im Übrigen musste selbst ich die unzähligen Wunder dieser Wälder anerkennen. Wir durchquerten dichte Haine aus schwarzer Sagraba-Eiche, kamen an Kiefern, Lichtungen und Wiesen vorbei, die in Sonnenlicht getaucht und von Blumen übersät waren, und sprangen über rauschende Bäche mit kristallklarem Wasser. So ging es endlos weiter, League um League.
Und nirgendwo eine Spur von Orks. Nur Eichhörnchen, die uns mit wütendem Geschrei begrüßten und unsere Expedition begleiteten, indem sie von Ast zu Ast, von Baum zu Baum huschten. Einmal gelangten wir auf eine herrliche Lichtung voller Blumen, deren grelle Farben uns in die Augen schlugen. Kaum betrat Egrassa an der Spitze unseres Zuges die Wiese, da bildete sich ein Regenbogen über ihr, da schossen die Blumen gen Himmel auf und verwandelten sich in Tausende von kunterbunten Schmetterlingen. Als Kli-Kli wenigstens einen von ihnen fangen wollte, landete er natürlich prompt in einem Erdloch. Es kostete uns wertvolle Zeit, ihn wieder herauszuziehen. Anschließend lasen ihm sowohl Miralissa als auch Markhouse die Leviten. Daraufhin vermied Kli-Kli es, ihnen unter die Augen zu kommen, und schloss sich lieber meiner bescheidenen Person an.
An einem Eichenhain mit einem rauschenden Bach, auf dem die Schiffchen herabgefallener Blätter dahinschossen, stießen wir auf einen Eber, ein ausgewachsenes Tier, auf dessen Rücken mühelos zwei Mann hätten Platz finden können. Ein solches Schweinchen würde glattweg zwei Horden halb verhungerter Soldaten sättigen.
Deler brachte sich denn auch im Nu in einer Baumkrone in Sicherheit. Der Keiler blitzte uns mit seinen schwarzen Augen wütend an und trabte grunzend auf uns zu. Doch Miralissa brauchte bloß mit den gelben Augen zu funkeln und die Hand auszustrecken, da blieb das Wildschwein auch schon wie angewurzelt stehen, grunzte noch einmal schuldbewusst und zog ab. Deler warf der Elfin von der Höhe seines Schlupfwinkels aus einen anerkennenden Blick zu und kam wieder heruntergekraxelt. Hallas ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, allen zu verkünden, Zwerge seien Feiglinge. Deler konterte mit der Behauptung, Gnome seien lediglich zu behäbig, um auf Bäume zu klettern. Wären Aal und Lämpler nicht dazwischengegangen, hätten die beiden wohl ihren nächsten Streit angefangen.
Wir wanderten Egrassa im Gänsemarsch hinterher, immer weiter durch den Wald. Alistan Markhouse bildete den Abschluss unseres kleinen Zuges. Den dreieckigen Eichenschild hatte er sich auf den Rücken geschoben, und seine Hand verließ nicht für eine Sekunde den Griff seines geliebten Langschwerts.
Der Gänsemarsch hatte uns schon dreimal das Leben gerettet. Hallas regte sich mit echter Gnomensturköpfigkeit darüber auf und erklärte, das alles sei doch Kokolores und es bedeute wahrlich kein Vergnügen für ihn, ständig den Hintern eines Zwergs vor der Nase zu haben. Egrassa hatte dafür nur ein Grinsen übrig. „Bei der nächsten Gelegenheit werde ich dem verehrten Meister Gnom mit Vergnügen die Überraschungen Sagrabas vorführen. “
Hallas zupfte sich den Bart und antwortete, er werde sich noch die dämlichsten Überraschungen bereitwillig ansehen.
Die Gelegenheit dazu bot sich dann auch schon bald, nämlich als Egrassa mit einem Stock in der Erde herumstocherte. Prompt krachte der Boden weg. Wir starrten in eine tiefe Wolfsgrube, deren Grund so viele Pfähle aufwies, wie ein Igel Stacheln hat.
„Was wäre wohl geschehen, wenn du nicht hinter mir gegangen wärst?“, fragte der Elf Hallas und entblößte triumphierend seine Fänge.
Hallas hüstelte verlegen, nahm den Hut vom Kopf und kratzte sich den Hinterkopf. Doch ehe der Gnom die Vorteile des Gänsemarschs einräumte, musste ihn der Elf erst noch auf ein in den Büschen verborgenes Fangeisen und einen riesigen Balken im Blattwerk einer Eiche aufmerksam machen, der jeden unter ihm zu zermalmen drohte.
„Wer stellt denn diese Fallen auf, Egrassa?“, fragte Lämpler, der sich gerade den Birgrisen von der rechten auf die linke Schulter legte.
„ Ich weiß es nicht. “ Lächelnd sah der Elf Mumr an. „ Es gibt zu viele Pfade, als dass wir alle im Auge behalten könnten. “
„Aber du weißt doch immer genau, wo sich eine Falle befindet ! “, beharrte Lämpler.
„ Ein bisschen Magie, mehr steckt nicht dahinter. “
Natürlich hegte der dunkle Elf keineswegs die Absicht, die Geheimnisse seines Volks mit uns Fremdlingen zu teilen.
Irgendwann musste Kli-Kli sein Wasser abschlagen und versank dabei bis zur Brust in einem Sumpf. Kaum hatten wir ihn herausgezogen, stand ein Elch vor uns. Angesichts seines mehr als drei Yard umspannenden Geweihs musste es sich bei dem Tier um den König der Elche handeln. Er schnupperte, sah uns mit seinen großen Samtaugen gelangweilt an und sprang auf langen, starken Beinen in den angrenzenden Tannenwald zurück. Kleine Tiere kannte Sagraba offenbar nicht. Hallas krächzte und bedauerte, den Elch nicht erlegt zu haben. „Dann hätten wir mal ordentlich Fleisch im Kessel gehabt ! “
Daraufhin bemerkte Deler nur fröhlich, der Verstand der Gnome müsse in ihrem Bart gelandet sein, sonst wüsste Hallas ja wohl, dass man sich mit einem derart kräftigen Ungeheuer besser nicht anlegt.
Den ganzen Tag über zwitscherten und sangen die Vögel in den Zweigen. Die Eichen wiegten uns mit einem Lied des Waldes in den Schlaf, die Eulen schrien traulich in der Stille. Am vierten Tag unserer Wanderung sagte Miralissa, wir müssten von nun an auch nachts wandern, damit wir schneller vorwärtskämen. Jemand stöhnte leise ( vermutlich ich), doch dem schenkte natürlich niemand Beachtung.
Ein voller Mond am Himmel spendete ausreichend Licht, obendrein sahen die Elfen im Dunkeln offenbar genauso gut wie Katzen. Wir wanderten einen großen Teil der Nacht hindurch und rasteten erst in den Dämmerstunden, um nach dem Mittag weiter auf Hrad Spine zuzuhalten.
Überhaupt lernte ich in den Nächten den eigentlichen Zauber von Sagraba kennen, wenn sich der Wald in eine wilde, fremde, geheimnisvolle, aber wunderschöne Welt verwandelte. Eichen und Ahornbäume griffen mit ihren dunklen Zweigen nach uns, ein mysteriöses Flüstern ging durch ihre Kronen, als raunten sich die Blätter, durch den Wind geweckt, etwas zu. Oder als unterhielten sich unbekannte Wesen miteinander. Zuweilen verfolgte uns auch das Funkeln winziger grüner, gelber oder roter Augen. Die nächtlichen Bewohner des Waldes spähten uns aus und verständigten sich, blieben jedoch in ihren Höhlen.
„ Wer ist das ? “, fragte ich Kli-Kli im Flüsterton.
„Du meinst diese Plappermäuler? Mein Volk nennt sie Waldgeister. Jeder Baum und Strauch, jede Lichtung und jeder Bach hat seinen eigenen Waldgeist. Achte nicht auf sie, die tun keinem was zuleide. “
„Stimmt, die hier sind völlig harmlos.“ Deler fuhr mit dem Finger über die Schneide seiner Streitaxt. „Aber du solltest mal die Geister im Schlummernden Wald erleben ! “
„ Er hat recht, die hier glotzen nur “, bestätigte Hallas.
„ Eben “, sagte Deler.
Aber Geister – das war längst nicht alles, womit eine Nacht in Sagraba aufwarten konnte. Einmal brannte die Luft im Wald, weil Abertausende von Glühwürmchen zwischen den Bäumen flatterten, die smaragden, türkis und purpurn loderten. Kli-Kli fing ein Dutzend dieser Tierchen ein, um sie sich auf die Schulter zu setzen. Ein paar Minuten strahlte der Kobold wie ein Heiliger aus den Geschichten der Priester, dann waren die Glühwürmchen des Geschaukels auf der Schulter des königlichen Narrens müde und stürzten zu ihren Artgenossen zurück, wobei sie an ein schillerndes Kaleidoskop gemahnten.
Und natürlich war die Nacht auch die Zeit der Eulen, die lautlos im Mondlicht über den Waldlichtungen dahinglitten. Sie suchten Futter und lauschten auf jedes Geräusch, das sich aus dem Gras erhob. Ebenso wie die Nacht die Zeit der Wölfe war, deren Schreie wir wiederholt aus der Ferne vernahmen. Oder die all jener Wesen, von denen ich nicht einmal den Namen kannte. Ihre Schreie erinnerten an das Gelächter eines Verrückten. Sie heulten, zwitscherten und brüllten. Und sie standen ungebetenen Gästen nicht immer freundlich gegenüber.
Des Öfteren führten uns Egrassa und Miralissa auch vom Pfad weg, auf dass wir uns verbargen und abwarteten, bis die Gefahr gebannt war. Was da gelauert hatte und wovor wir uns in den Büschen am Wegesrand versteckten, teilten uns die Elfen nie mit. Doch in solchen Augenblicken gab selbst Kli-Kli Ruhe, befolgte sogar Hallas alle Befehle der Elfen.
Nachts stellte sich Sagraba bunt dar. In satten Farben. Leuchtend smaragden, zart türkis, eisig blau, lieblich rot und giftig grün. Funken eines kalten Feuers erweckten den Wald zu märchenhaftem Leben. Die Glühwürmchen schillerten in allen Farben des Regenbogens, ein gigantisches Spinnennetz funkelte blau, der kürbisgroße Körper seiner Herrin purpur, die morschen Baumstümpfe lohten grün. Die Adern in den smaragdfarbenen Hüten der Pilze, unter denen ein Mann bei Regen mühelos Zuflucht fände, pulsierten blau und orange. Ein rosafarbenes Feuer, das sich im Wasser spiegelte, tanzte in den Zweigen der Weiden. Was auch immer ich Kli-Kli tagsüber gesagt haben mochte, die wilde Schönheit der Wälder Sagrabas bei Nacht brachte tief in meinem Innern Saiten zum Klingen.
Am Abend des fünften Tages erreichten wir schließlich über einen schmalen Pfad, der sich zwischen bemoosten Lärchen hindurchschlängelte, den Goldenen Wald.
„ Den Göttern sei Dank ! “ Erleichtert warf Lämpler seinen Sack auf den Boden. „ Das Schlimmste liegt hinter uns ! “
„Ja, es bleiben nur noch anderthalb Tagesmärsche bis nach Hrad Spine “, wandte sich Miralissa an ihn.
Bei diesen Worten zog sich mir der Magen zusammen. Eben! Wir waren fast da ! Das, was mir noch vor zwei Stunden fern und unerreichbar erschien, war nun zum Greifen nahe herangerückt. Nur noch knappe zwei Tage bis zum Ziel.
„ Wenn ihr mich fragt, ist das ein Wald wie jeder andere auch “, knurrte Hallas. „Dass die Ersten sich immer gleich für die Auserwählten halten müssen ! Als sei sogar ihre Scheiße golden ! “
„Dann wollen wir hoffen, dass du nie die Möglichkeit bekommst, sie mal nach der Farbe ihrer Scheiße zu fragen“, sagte Aal mit unschönem Lächeln. „Die Orks haben nämlich ihre eigene Art, solche Fragen zu beantworten. “
„ Weiter ! “, befahl Mylord Alistan, während er einen Stiefel auszog, die Steine herausschüttelte und ihn wieder anzog. „Dann schaffen wir noch ein gutes Stück. “
Der Goldene Wald verdankte seinen Namen der Goldbirke, die hier wuchs. Das waren majestätische Giganten mit dunkelorangefarbenem Stamm und breiten Blättern, die aussahen wie aus Münzgold geprägt. Da die Goldbirke nur hier gedieh, wurde ihr Holz in allen Nordlanden, von den Imperien diesseits und jenseits des Sees sowie dem Sultanat hoch geschätzt. Wenn die Orks einen Holzfäller erwischten, der eine Goldbirke fällte, hauten sie ihm zunächst beide Hände mit seinem eigenen Beil ab – bevor sie zu den richtigen Schrecklichkeiten übergingen.
„Du solltest erst mal sehen, wie schön der Goldene Wald im Herbst ist, Garrett ! “, rief Kli-Kli.
„ Hast du das denn schon einmal erlebt ? “, fragte Deler.
Kli-Kli sah den Zwerg mit gespielter Verachtung an. „Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Der Goldene Wald, der das ganze östliche Sagraba einnimmt, ist meine Heimat. Daher sollte es bitte niemanden verwundern, dass ich weiß, wie er im Herbst aussieht. “
„ Übrigens haben wir längst Herbst “, stichelte ich.
„Wir haben Anfang September.“ Kli-Kli schnaubte verächtlich. „Ich spreche aber vom Oktober! Dann solltest du den Wald mal sehen ! “
„Nur dass ich im Oktober gern schon wieder weit weg von Sagraba wäre. “
„ Du Banause ! “ Kli-Kli schnappte ein.
„Ist es eigentlich weit bis zu deiner Heimat?“, fragte Lämpler, der ohne sich dessen bewusst zu sein über die frische Narbe auf seiner Stirn fuhr ( eine Erinnerung an die Yatagane der Orks ).
„Willst du mich besuchen?“ Kli-Kli kicherte fröhlich. „Also, das wären noch drei Wochen, bis du ins Herz der Orklande kommst, von da aus dann noch mal zwei Wochen bis in den tiefsten Wald. Alles Weitere entscheidet das Schicksal. Vielleicht sind ein paar Kobolde geneigt, sich von dir treffen zu lassen. Die Orks haben uns Vorsicht gelehrt und auch ihr Menschen, die ihr uns in der Vergangenheit mit euren legendären Hunden gejagt habt. “
Kli-Kli wusste, wovon er sprach. In der Vergangenheit hatten die Menschen den Kobolden arg zugesetzt, da sie die kleinen grünen Geschöpfe für gefährliche Monster hielten. Als wir endlich begriffen hatten, dass dem nicht so war, zählte das einst vielköpfige Volk nur noch wenige Stämme.
„Sag mal, Kli-Kli, stimmt es eigentlich, dass Elfen und Orks zuerst in diesem Wald aufgetaucht sind ? “
„Ja“, antwortete der Narr. „Und sie sind sich auch gleich gegenseitig an die Gurgel gegangen. Die Elfen haben sogar ein Lied darüber gemacht, es heißt Das Märchen vom Gold. “
„ Es heißt Ballade vom weichen Gold “, verbesserte ihn Egrassa.
„Was spielt das schon für eine Rolle!“, gab Kli-Kli unbekümmert zurück. „Ein Märchen, eine Legende … So oder so wird es in Sagraba keinen Frieden geben, solange auch nur ein Ork am Leben ist. “
„Kannst du uns diese Ballade nicht vortragen?“, bat Mumr den Elfen.
„Die wird nicht vorgetragen, sondern gesungen“, erwiderte Egrassa. „ Aber das werde ich bei der nächsten Rast gern tun. “
„Es ist eines der verbotenen Lieder, Cousin“, rief ihm Miralissa, die vom nächsten Baum ein gold-rotes Blatt abriss und es zerdrückte, in Erinnerung.
„ Warum ist es denn verboten ? “, wandte sich Kli-Kli an sie.
„ Es ist nicht strikt verboten, es gilt nur als grobe Unhöflichkeit, es in der Gesellschaft von Elfen zu singen. Trotzdem erfreut es sich bei der Jugend großer Beliebtheit, auch wenn sie das Lied heimlich singen, um ihre Vorfahren nicht zu kränken. “
„ Und warum schätzt man dieses Lied nicht ? “, fragte Aal.
„ Weil es kein gutes Licht auf die Elfen wirft “, antwortete Alistan Markhouse, der bisher geschwiegen hatte. „Während die Orks recht gut wegkommen. Ich würde die Hälfte meiner Ländereien verwetten, dass sich Menschen dieses Lied ausgedacht haben. “
„ Da irrt Ihr “, widersprach Egrassa. „ Das Lied stammt tatsächlich von einem Elfen, er hat es vor sehr langer Zeit geschaffen. Habt Ihr es schon einmal gehört, Mylord ? “
„ Ja, in meiner Jugend, von einem Eurer lichten Brüder. “
„Sie dürfen das Lied singen.“ Der dunkle Elf rückte sich den silbernen Reif auf dem Kopf zurecht. „ Unsere Artgenossen haben sich von der Magie unserer Vorfahren abgewandt, daher wundert es mich gar nicht, dass sie solche Lieder vor Fremden singen. “
„Aber du hast doch auch versprochen, uns das Lied vorzutragen ! “, stichelte Kli-Kli.
„ Das ist etwas ganz anderes ! “, kanzelte ihn der Elf ab.
Was auch immer die dunklen Elfen behaupteten, letztlich erwiesen sich die Beziehungen zwischen ihnen und den lichten Elfen eben doch nicht als ungetrübt.
Wir liefen noch drei Stunden, bevor wir zu einer Lichtung gelangten, auf der Kamille wuchs. Das Weiß der Blumen ließ die Fläche verschneit aussehen. Am Rand der Lichtung sprudelte ein Bach über die Wurzeln einer Hainbuche, sodass wir keinen Wassermangel leiden würden.
„ Heute Nacht bleiben wir hier “, entschied Miralissa.
Alistan nickte. Im Wald hatte er das Kommando vorbehaltlos an Miralissa und Egrassa abgetreten. Man mochte von Mylord Ratte halten, was man wollte, aber Verstand besaß er. Und die Elfen kannten den Wald nun einmal wesentlich besser als er.
„ Egrassa, du hast uns ein Lied versprochen “, quengelte Kli-Kli nach dem Essen.
„Lasst uns lieber schlafen“, gähnte Hallas. „Ist ja schon stockdunkel. “
Der Gnom mochte nur die Lieder seines eigenen Volkes. Etwas wie den Hammerschlag gegen das Beil oder das Lied der wahnsinnigen Bergleute. Jedes andere Liedgut konnte ihm gestohlen bleiben.
„ Kommt nicht infrage ! “, protestierte der Kobold.
„Hallas, du musst heute Nacht noch Wache stehen “, erinnerte ihn Aal. „Du brauchst dich also gar nicht erst hinzulegen, du kriegst ohnehin keine Mütze Schlaf mehr. “
„ Und ob ich die bekomm ! Die erste Wache hast du, zusammen mit Lämpler! Deler und ich sind erst in der zweiten Hälfte der Nacht dran ! Da bleibt noch genug Zeit ! “
Hallas haute sich aufs Ohr und schnarchte unverzüglich los.
„Hören wir jetzt das Lied?“, wollte Mumr wissen, dem Miralissa gerade die Fäden seiner Stirnwunde gezogen hatte.
Dank dem Schamanismus der Elfin lief keine tiefe und hässliche Narbe über Lämplers Stirn, sondern lediglich ein kaum zu erkennender rosafarbener Strich.
„ Ich habe es doch versprochen “, antwortete Ell. „ Aber für dieses Lied brauchen wir Musik. “
„Das lässt sich machen! Wozu habe ich denn meine Flöte?“ Lämpler kramte in seinem Sack nach der Tröte.
„ Ich fürchte, für dieses Lied ist etwas zartere Musik vonnöten “, lehnte der Elf Mumrs Angebot ab. „Besser, ich kümmere mich darum. “
Egrassa erhob sich behände aus dem Gras, ging zu seinem Sack und entnahm ihm ein handtellergroßes Brett. Darauf waren hauchdünne, in der Dunkelheit kaum auszumachende silbrige Saiten gespannt.
„ Was ist das ? “, erkundigte sich Deler.
„Ein G’dal“, antwortete Miralissa. „Egrassa spielt auf ihm, wann immer er Gelegenheit findet. “
Das war mir neu. Bisher hatte ich diese Vorliebe noch nicht an ihm bemerkt.
Die kräftigen Finger des dunklen Elfen strichen überraschend geschmeidig über die Saiten. Das seltsame Instrument gab einen leisen Ton von sich. Nach einer Weile wogte eine Melodie über die Lichtung.
„Eigentlich muss man dieses Lied auf Orkisch singen“, sagte Egrassa. „ In eurer Sprache klingt es nicht ganz so schön. “
Elfen aus Gold ihre Pfeile schmieden,
Derweil die Orks auf Bronze schwören,
Sobald im Goldnen, im Schwarzen Wald,
Der Zweige eiskaltes Lied zu hören.
An der Spitze der Elfen der König ritt,
Den Orks Argad als Hand vorstand.
Bis Aug in Aug sie sich blickten,
Die beiden Mannen, König und Hand.
„ Der Wald ist unser “, so sprach der König.
„ Drum, Freunde, zieht euch zurück !
Denn spicken euch erst unsre Pfeile,
Rettet die Orks kein Glück. “
„ Leere Worte sprichst du, o König ! “,
Hand nicht lange auf Antwort sann.
„ Zweitausend Orks sind aufgeboten,
Du aber stehst hier mit zweihundert Mann.
Wo Härte das Schicksal entscheidet,
Was käme der Bronze gleich ?
Drum werden wir euch vernichten !
Das Gold eurer Pfeile ist viel zu weich ! “
Eldoniessa, der Elfen König,
Schwieg lange und sagte nichts mehr,
Bis schließlich er lächelnd sich wandte zum Ork
Und wies auf den Köcher, der leer.
„ Wo sind deine Pfeile ? “, so fragte Argad.
„ Bist gekommen gar, um dich zu ergeben ? “
Der König lachte. „ Träum weiter, Hand !
Doch wirst du ein schlimm Erwachen erleben !
Hörst du nicht der Hörner Klang ?
Und siehst nicht den Staub von der Stiefel Tritt ?
Die Menschen sind’s, die da kommen
Und bringen euer Verderben mit !
Ihr vertraut auf der Bronze Härte,
Die wahrlich euch manchen Sieg beschert.
Doch ich hab das Gold unsrer Pfeile gegeben
Und mein Heer um die Zahl der Menschen vermehrt. “
Hoch hoben die Orks ihre Schilde
Und schlossen die Reihen dicht.
Der König frohlockte, doch Hand
Maß ihn mit finstrem Gesicht.
„ Deine Dummheit, o Elf ! “, so sprach Argad,
„ Deine Dummheit ist ohnegleichen.
Glaubst du denn, sobald wir besiegt,
Werden friedlich die Menschen weichen ? “
So entbrannte voll Wut der Kampf,
Die Klingen klirrten, ein Lärmen stieg auf.
Zwölf Wunden trug Argad der Ork davon,
Dann sank er nieder und stand nicht mehr auf.
Der König der Elfen nahte sich dem besiegten Feind.
„ Liegt etwas dir noch auf dem Herzen ? “
„ Gold, Elf, ist ein weiches Metall,
Drum liege ich gut hier und ohne Schmerzen.
Ein Wort noch im Anblick des Todes,
Das umso mehr doch zählt.
Auch wenn der Feind übermächtig,
Ist’s besser, du bist nur auf dich gestellt ! “
Sodann ihm die Augen brachen,
Reglos lag er nach blutiger Schlacht.
„ Lebe wohl denn, Hand “, sprach der König.
„ Wie aber sind deine Worte gedacht ? “
„ Schwer war der Kampf “, so klagte der Mensch.
„ Unsre Reihen sind stark gelichtet.
Erbittert muss werden jedes Gefecht,
Wenn Bronze der Feind auf dich richtet. “
„ Euch gilt unser Dank “, hob an der König.
„ Dieser Dienst wird euch nie vergessen. “
„ Ihr seht uns als Diener ? “, so der Mensch.
„ Das scheint mir doch arg vermessen !
Ist nur der Söldner von Wert,
Der sein Glück in der Ferne wagt ?
Den man aber, rückt er zu nah,
Gleich einem Hund von dannen jagt ? “
„ Ihr habt euern Sold erhalten ! “
„ Und uns wacker im Feld geschlagen ! “
„ Verlangt ihr noch mehr ? Dann sprich !
Wir werden’s euch nicht versagen ! “
Da lächelte frech der Mensch.
„ O Elf, was wollt ihr noch zollen ?
Gold ist ein weiches Metall.
Wir nehmen uns, was wir wollen ! “
Egrassa verstand es vorzutragen. Die Worte überschlugen sich förmlich, als die Schlacht tobte, die Saiten weinten, als Argad der Ork starb und seinem Erzfeind, dem Elfen, noch einen letzten Rat gab.
Der Elf entlockte dem G’dal einen traurigen Schlussakkord, dann hing schwermütige Stille über der Lichtung.
„ Eine schöne Legende “, brachte Deler irgendwann heraus.
„ Kein Wunder, dass die Elfen das Lied nicht mögen “, bemerkte Mumr. „ Mylord Alistan hat recht: Eure Rasse kommt darin nicht sonderlich gut weg. “
„Wohingegen die Orks im hellsten Licht erstrahlen“, spie Miralissa aus.
„Das ist doch nur ein dummes Lied“, polterte Kli-Kli. „Das Ganze hat sich in Wahrheit doch nie zugetragen ! “
„Woher willst du das wissen?“ Deler streckte sich auf seiner Decke aus und gähnte herzhaft.
„ Weil das eben nur eine Legende ist, ein Märchen, in dem nicht ein Fünkchen Wahrheit steckt. Als die Elfen in den Goldenen Wald kamen, blieb für Gespräche nämlich gar keine Zeit. Die Orks haben sich sofort auf sie gestürzt. Und ganz gewiss haben die beiden Rassen einander nicht mit Freund angesprochen. “
„ Aber Eldoniessa hat es gegeben. Er war der erste und der letzte Großkönig unseres Volkes“, dämpfte Miralissa den Kobold. „ Seine Kinder haben die Elfenhäuser gegründet. “
„ Aber Argad hat erst achthundert Jahre später gelebt und wäre, soweit ich weiß, beinahe in Grüntann eingefallen. Ihr musstet seine Armee am Schwarzen Wald zurückschlagen!“, ereiferte sich Kli-Kli. „ Und die Menschen sind überhaupt erst eintausendsiebenhundert Jahre nach den hier besungenen Ereignissen in Siala aufgetaucht, sodass sich Eldoniessa, Argad und ein Mensch gar nicht treffen konnten. Und welcher Elf wäre so dumm, Pfeilspitzen aus Gold anzufertigen? Oder welcher Ork würde seinen Yatagan aus Bronze schmieden ? Das ist eine Legende, Trash Miralissa, mehr nicht. “
„Aber du musst zugeben, dass sie schön ist“, wandte ich mich an Kli-Kli.
„Das ja“, räumte der kleine Narr großmütig ein. „Und obendrein höchst lehrreich. “
„Lehrreich?“ Alistan Markhouse stocherte mit einem Zweig im Lagerfeuer herum. „ Was lehrt sie denn, Kobold ? “
„Dass es sich nicht verlohnt, sich auf ein Bündnis mit den Menschen einzulassen, weil man sein Haus dann nämlich für immer verliert “, antwortete der Kobold.
Niemand widersprach ihm. In dieser Frage hatte der königliche Narr völlig recht: Ließ man uns die Zügel schießen, mordeten wir erst alle Feinde, dann alle Freunde und schließlich einander.
In der Nacht suchten mich erneut Albträume heim. Als mir das Gemenge von Träumen allmählich den Kopf zu sprengen drohte, wachte ich glücklicherweise auf. Obwohl es bereits tagte, schliefen außer Lämpler noch alle anderen. Hallas und Deler ratzten, nachdem sie Mumr auch die zweite Wache aufgebrummt hatten. Als er meinen Blick auffing, nickte er mir wortlos zu. Ich blieb noch eine Weile liegen und grübelte darüber nach, warum Miralissa die anderen nicht längst geweckt hatte. Ob uns die Elfin eine Schonfrist gönnte, bevor wir in einem letzten Kraftakt nach Hrad Spine zogen ? Möglich wäre es.
Vom Rand der Lichtung drang das leise Murmeln Kli-Klis heran. Der Kobold strich am Wald herum und trällerte ein Liedchen. Also litt nicht allein ich unter Schlaflosigkeit.
„Was soll das?“, fragte ich, nachdem ich ihn erreicht hatte. „ Mit dem Gezwitschere weckst du noch alle auf ! “
„Ich sing doch ganz leise. Möchtest du ein paar Erdbeeren?“ Kli-Kli hielt mir Delers Hut hin, der von Beeren überquoll.
„Weiß Deler, was du mit seinem geliebten Hut anstellst?“, nahm ich den Kobold ins Verhör, sagte zu den Erdbeeren aber trotzdem nicht Nein. Bei dem Duft, den sie verströmten, konnte ich einfach nicht widerstehen.
„Du meinst, es würde ihm nicht passen?“ Kli-Kli kaute nachdenklich auf der Lippe und warf einen raschen Blick auf den schlafenden Deler.
„Wie geschwind du heute begreifst, Kli-Kli“, stichelte ich und nahm mir eine weitere Handvoll Beeren aus dem Hut.
„Du hast heute Nacht wieder im Schlaf gestöhnt, Schattentänzer. Hast du schlecht geträumt ? “
„Wahrscheinlich.“ Ich zuckte bloß die Schultern. „Aber zum Glück erinnere ich mich inzwischen beim Aufwachen kaum noch an meine Träume. “
„Das gefällt mir nicht“, bemerkte Kli-Kli. „Da will jemand nicht, dass du dich an deine Träume erinnerst. “
„ Und wer soll dieser Jemand bitte schön sein ? “
„ Der Herr zum Beispiel. Oder seine Dienerin, diese Lathressa. “
„Du verstehst es wirklich, deine Freunde aufzumuntern“, brummte ich. „Komm, lass uns das Feuer entfachen, solange die anderen noch schlafen. “
„Tu dir keinen Zwang an! Aber ich esse erst noch die Erdbeeren, damit ich Deler seinen Hut zurückgeben kann. “
„Sag mal, Kli-Kli, ist dir eigentlich entgangen, dass der Hut ganz und gar mit Saft beschmiert ist ? Was allerdings kein Wunder ist – so wie du die Beeren zermatscht hast ! “
„Also daran habe ich wirklich nicht gedacht!“ Gedankenversunken betrachtete der Kobold sein Werk. „Weißt du, ich finde, Erdbeermus schmeckt noch mal so gut wie die ganzen Früchte. Ob ich den Hut im Bach wasche ? “
„Damit würdest du alles nur noch schlimmer machen“, hielt ich ihn ab und ging zurück.
Kli-Kli war wie ein kleines Kind. Als ob er nicht genau wüsste, dass Deler jetzt den ganzen Tag über den hoffnungslos ruinierten Hut schimpfen würde! Außerdem wäre es mir lieber gewesen, er hätte nicht vom Herrn angefangen. Denn obwohl er uns vom Beginn unserer Expedition an manchen Stein in den Weg gelegt hatte, wussten wir immer noch nicht, wer er eigentlich war. Sicher, er war ein unglaublicher Dreckskerl und nachtragend, das stand außer Frage! Und vermutlich war er auch so stark wie ein Gott. Dennoch wollte er uns nicht kurzerhand das Licht ausblasen, sondern legte auf eine gewisse Raffinesse Wert. Wann immer wir einen seiner sinistren Pläne durchkreuzten, zauberte er einen nur noch perfideren aus dem Hut. Genau wie der Unaussprechliche wollte uns der Herr um jeden Preis daran hindern, nach Hrad Spine zu gelangen und das Horn des Regenbogens an uns zu bringen. Doch wenn es für den Unaussprechlichen dabei um Leben und Tod ging, dann schien es für den Herrn ( nach meinem Dafürhalten ) reiner Zeitvertreib zu sein.
„Das ist beste Questen-Fantasy im Stil eines David Eddings, Terry Brooks oder Richard Schwartz mit viel Magie, Geheimnissen und Kämpfen satt.“
Pehov siedelt klassische Fantasy in einem von Großrussland inspirierten Kontinent an. Sein Erfolgskonzept: Er erfüllt Erwartungen, variiert die Elemente aber. Pehovs Charaktere und Völker sind mit Liebe zum Detail entworfen, Ironie bricht das Schwarz- Weiß- Schema klassischer Fantasy auf. (...) Die Chroniken von Siala sind ansprechende Lektüre für Freunde der High Fantasy.
„›Die Chroniken von Siala‹ bieten dem Freund der Abenteuer-Fantasy besten Lesestoff.“
Ein Buch, das man nicht weglegen kann.
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