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Sieben Heere (Sieben Heere 3)

Sieben Heere (Sieben Heere 3) - eBook-Ausgabe

Tobias O. Meißner
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Sieben Heere (Sieben Heere 3) — Inhalt

Für die Sieben Heere Nafarroas war die Eroberung des friedfertigen Landes Akitanien nicht mehr als ein einfach auszuführender Auftrag. Aber ihr Hochmut kam die Elitekrieger teuer zu stehen: Mithilfe akitanischer Zauberer gelang es einer Gruppe aufständischer Dörfler, eines der Heere auszuschalten und eine Revolution anzuzetteln, die mehr und mehr im Land um sich greift. Ein finaler Vernichtungsschlag soll die Widerstandskämpfer nun ein für alle Mal ausmerzen, und diesmal nimmt Nafarroa ihren unberechenbaren Gegner ernst: Achtzehntausend Soldaten ziehen in eine alles entscheidende Schlacht gegen die tausend Mann starken Aufrührer. Doch sie kämpfen gegen einen Gegner, für den es kein Zurück mehr gibt. Denn je mehr Blut die Akitanier für ihr Land vergießen, umso grimmiger und verzweifelter verteidigen sie ihre Ideale.

€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erschienen am 02.05.2018
416 Seiten
EAN 978-3-492-99087-5
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Leseprobe zu „Sieben Heere (Sieben Heere 3)“

Folster, der Wirt des Schwarzen Lamms, betrat seine Schankstube.

Niemand war zugegen, das ganze Haus totenstill.

Man hatte ihm erzählt, dass es vor Kurzem hier noch regelrecht gebrodelt hatte. Die Byrgher der umliegenden Dörfer hatten sich in der Schankstube versammelt, um Kriegsrat zu halten, und dann waren sie entweder wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt oder tatsächlich in genau diesen Krieg gezogen. Oder so ähnlich.

Jedenfalls hatte Hagetmau danach entvölkert gewirkt. Viele waren Richtung Marmandeh aufgebrochen, diese große Stadt befreien, in der [...]

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Folster, der Wirt des Schwarzen Lamms, betrat seine Schankstube.

Niemand war zugegen, das ganze Haus totenstill.

Man hatte ihm erzählt, dass es vor Kurzem hier noch regelrecht gebrodelt hatte. Die Byrgher der umliegenden Dörfer hatten sich in der Schankstube versammelt, um Kriegsrat zu halten, und dann waren sie entweder wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt oder tatsächlich in genau diesen Krieg gezogen. Oder so ähnlich.

Jedenfalls hatte Hagetmau danach entvölkert gewirkt. Viele waren Richtung Marmandeh aufgebrochen, diese große Stadt befreien, in der Folster noch niemals gewesen war.

Nun war das Schwarze Lamm verweist. Kein einziger Gast. Und auch niemand mehr von Folsters Familie. Seine Frau Clarde war eine der Anführerinnen des Befreiungsfeldzugs geworden, hatte an mehreren Schlachten teilgenommen, von denen man ihm erzählt hatte, aber die er selbst beim Zuhören kaum hatte glauben können. Ranien, sein einziger Sohn, war tot.

Folster stand schwer mitten im Raum. Dann überkam ihn ein Schwindel, und es gelang ihm gerade noch, einen Stuhl zu sich heranzuziehen, um sich zu setzen.

Seitdem er sein linkes Auge verloren hatte, in der ersten Nacht des Widerstandes überhaupt, fielen ihm Schauen und Gehen, manchmal sogar einfach nur das Stehen schwer. Es war, als bestünde die Hälfte seines Gesichtsfelds, das nun von einer schwarzen Binde verkleidet war, aus Dunkelheit, aus immerwährender Nacht, während die andere Hälfte mühsam alles Fehlende zu ersetzen suchte und sich damit überlastete. Die Folgen waren Kopfschmerzen und Schwindel. In Cazalis, wohin man ihn nach seiner Verwundung gebracht hatte, war die Wunde sogar von einer Entzündung befallen worden, die Folsters Leben bedroht hatte, aber der dortigen Heberin war es gelungen, diese mit Salben und Gesängen zu besänftigen.

Folster erinnerte sich kaum noch an etwas. Von Cazalis wusste er beinahe gar nichts mehr, von der Nacht seiner Verwundung nur noch wenig. Da war ein Lagerfeuer gewesen. Und Tautun, der Dorfraufbold, war aus einem Gebüsch gesprungen und hatte um sich geschlagen.

Hatte Tautun ihm das Auge ausgedroschen?

Wohl kaum. Es musste einer der feindlichen Soldaren gewesen sein, aber auch an die konnte Folster sich nur vage erinnern. Sie waren wie Schatten unter Schemen oder umgekehrt.

Sein rechter Unterarm war ihm gebrochen worden. Man hatte gesagt, vom Hieb eines nafarroanischen Schnabelstreithammers. Davon wusste Folster ebenfalls nichts mehr. Der Arm war geschient und versorgt worden und hing ihm nun in einer Schlaufe nutzlos vorm Bauch. Dabei war er Rechtshänder. Er hatte wohl versucht, mit diesem Arm sein Auge zu schützen, doch vergebens.

Es war so peinigend still in dieser einstmals so lebendigen Stube.

Es roch noch nach Erinnerungen an das gute Essen seiner Frau, aber dieser Duft erzeugte eher Wehmut als Appetit.

Folster wusste nicht, was er jetzt eigentlich anfangen sollte.

Seine Arbeit als Wirt wieder aufnehmen? Noch hatte er Fässer, deren Inhalt er ausschenken konnte. Aber wenn niemand mehr kochte? Wenn niemand mehr ihm zur Hand ging? Wenn niemand mehr kam, um Gast zu sein, weil alle jetzt im Krieg waren, hier und dort?

Die kleine, fassbare Welt des Schankwirts Folster aus Hagetmau war verloschen, und er saß in seinem eigenen Zuhause wie etwas vollkommen Überflüssiges.

Er weinte nur deshalb nicht, weil es unmöglich war, bloß mit dem rechten Auge zu weinen, und weil das Weinen in der Wunde wie ein Lagerfeuer brannte.

Pararis.

Die Hauptstadt des ehemaligen freien Landes Akitania, nun Hauptstadt der nafarroanischen Provinz, die immer noch Akitania genannt wurde.

Auf den Kuppeln und Türmen dieser Stadt lag ein goldener Glanz, verstärkt durch das herbstliche Gelb fast sämtlicher Baumkronen. Tauben schwirrten umher, ab und zu durchschnitt ein Gryph den wolkenlosen Himmel, eines jener geflügelten Fabelwesen aus dem Süden, die bei den Akitaniern nach wie vor für Staunen und Furcht sorgten.

Die steinernen Brücken über den Fluss Seline wirkten im frischen Licht wie blank geputzt. Der Abeliontempel mit seinen zwei hohen, eckigen Türmen am Selineufer. Weiter in der Stadtmitte jenes außergewöhnliche, aus Eisen verschraubte Gebilde, das dem Brandschutz diente und das die Bewohner aufgrund seiner gitterartigen Konstruktion scherzhaft den Waffelturm nannten. Auf einem Hügel ein weiterer Tempel Abelions, dieser mit einer schneeweißen Kuppel. Unterhalb davon die schlossartige Anlage des Kronenpalasts mit seinen weitläufigen Gärten, von den Pararisern die Tollereien genannt.

Sobald Capitargenerar Lioc Rocandro, der oberste Befehlshaber der sieben Heere Nafarroas, von den Vorgängen in der Dritten Region und dem Verlust der dortigen Hauptstadt Marmandeh erfuhr, schickte er Gryphenboten in mehrere Himmelsrichtungen.

Noch am Abend desselben Tages landete der Generar des Vierten Heers, Cielu Shimuer, auf seinem besonders prächtigen Gryphen in den Tollereien. Unverzüglich betrat er über die mit Weinreben überwucherten und sich wie Kaskaden ergießenden Freitreppen den Palast, in dem einheimische Handwerker bereits an einem überlebensgroßen Standbild der Königin Belanca arbeiteten.

Shimuer hielt kurz inne, als er die Umrisse des Standbildes sah. Sie erschienen ihm sehr gewagt, als wäre die schöne Königin übergewichtig und nackt. Aber selbstverständlich war das Werk noch nicht ausmodelliert. Es würde sich noch verschlanken, und es würden sich noch Falten bilden, wo keine Haut war, sondern Kleid.

Capitargenerar Rocandro nahm den Generar persönlich in Empfang. Die beiden Männer kannten sich seit dem gemeinsamen Absolvieren ihrer soldarischen Ausbildung. Nun waren sie beide Ende fünfzig, Rocandro eher klein, mit hoher Denkerstirn und den Gesichtszügen eines leidenden Marders, Shimuer war beinahe einen ganzen Kopf größer, von ältlicher Hübschheit, er wirkte körperlich im Vollbesitz seiner Kräfte, und seine in die Stirn gekämmten dunkelblonden Haare ließen ihn deutlich jünger wirken, als er war.

„Was macht dein Rücken, alter Freund?“, fragte er den einzigen Nafarroaner, der in den sieben Heeren einen höheren Rang innehatte als er selbst.

„Der erhält kaum Gelegenheit, besser zu werden. In Region Drei läuft alles drunter und drüber, hast du schon davon gehört?“

„Gerüchte, nur Gerüchte.“

„Die Rebellen haben Marmandeh genommen. Es sieht so aus, als müssten wir Region Drei als verloren werten.“

„Wie konnte das passieren? Gwaum ist … oder war … ein guter, umsichtiger Mann!“

„War scheint leider richtiger zu sein. Ein Gryphenbote hat uns gemeldet, dass Gwaum sich am Ende zum Kampf stellte. Er hat eine ganze Menge dieser Entfesselten bezwungen und der Königin alle Ehre gemacht. Aber sie waren in der Übermacht.“

„Und die Soldaren? Siebentausend Mann? Wo waren die alle?“

Rocandro sah, dass sein alter Freund, der seine Region Vier ruhig und nach Plan unter Kontrolle gebracht hatte, noch nicht über alles unterrichtet war. Die beiden setzten sich in einen Prunksaal voller Spiegel und Vasen, aus dem sämtliche die Historie Akitanias glorifizierenden Gemälde entfernt worden waren. Einheitlich gekleidete Diener brachten den beiden Erfrischungen, mit Harz versetzten Wein, Trauben und Nüsse in Sahne.

Rocandro erzählte, wie der größte Teil von Gwaums Heer offensichtlich von akitanischen Rebellen in eine hinterlistige Falle gelockt worden war: Annähernd fünftausend Mann waren in der Nähe eines unscheinbaren Dorfes namens Hagetmau, in dem der Widerstand wohl seinen Anfang genommen hatte, in einem Sumpf versunken.

„Bei der Königin und allen alten Göttern!“, entfuhr es Shimuer. „Wie ist so etwas möglich?“

„Semanische Magie. Obschon auch ich noch niemals zuvor von einem Beispiel solcher Stärke gehört habe.“

„In meiner Region verhalten die Semanen sich unauffällig bis sogar ausgesprochen hilfsbereit. Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass Generar Yiefaiz in seiner Region Sieben sämtliche Semanen hat hinrichten lassen als reine Vorsichtsmaßnahme.“

„Ja. Das ist ausgesprochen drastisch und beinhaltet die Gefahr, dass die Einheimischen gerade aufgrund eines solchen Durchgreifens aufständisch werden. Aber im Nachhinein hat Yiefaiz wohl richtig gehandelt, und ich wünschte, Gwaum wäre ebenso vorgegangen.“

„Was machen wir jetzt?“

„Wir können diese Region nicht einfach verloren geben. Ein Siebtel des ganzen Landes. Wenn wir die Aufständischen dort tun und machen lassen, was ihnen beliebt, wird der Aufruhr sich bald auf die benachbarten Regionen ausweiten. Wir müssen diese Region zurückholen. Mit aller Gewalt, die uns zu Gebote steht.“

„Und die Semanen? Wir setzen jeden, den wir dort hinschicken, derselben Gefahr aus wie die Fünftausend im Sumpf.“

„Gwaum hat meiner Meinung nach einen Fehler begangen: Da er sich nicht hatte vorstellen können, wie mächtig die Semanen sind, hat er sein Heer geschlossen agieren lassen. So genügte eine einzige ausgeklügelte Falle, um auf einen Schlag fünftausend Mann zu verlieren. Nun jedoch, wo wir diese Macht des Gegners kennen, werden wir ganz anders vorgehen. Wir werden unsere Kräfte aufteilen und aus so vielen Richtungen wie möglich gleichzeitig angreifen. Darüber hinaus wird unsere zahlenmäßige Überlegenheit dermaßen deutlich sein, dass auch dem tapfersten Rebellen das Herz bis in die Bundschuhe rutscht. Ich werde drei Heere schicken, deins und die beiden unmittelbar benachbarten, das Zweite und das Fünfte.“

„Wir sollen unsere Stellungen aufgeben?“

„Nein. Wenn wir als Besatzer vollständig abziehen, erzeugen wir eine unnötige Umständlichkeit. Selbst wenn unsere Heere anschließend wieder in die Dörfer zurückkehren, müssen sie dort wieder von vorne anfangen. Das eine oder andere Dorf mag sich sogar von den Rebellen inspirieren lassen. Nein, in dieser Hinsicht hat Gwaum sehr umsichtig gehandelt: Auch er hat Rumpfmannschaften von fünf Mann in jedem Dorf zurückgelassen. Leider nützt ihm das nichts mehr, denn da er die Hauptstadt verloren hat, kann nun nichts die Rebellen davon abhalten, unsere Männer in den Dörfern zu massakrieren.“

„Bei der Königin und allen alten Göttern, wir sollten uns beeilen! Vielleicht können wir die eine oder andere dieser Besatzungen noch vor einem solchen Schicksal bewahren!“

Über Rocandros spitz zulaufendes Gesicht huschte ein feines Lächeln, gleichzeitig rieb er sich den schmerzenden Rücken im Bereich des Steißbeins. „Wir müssen umsichtig sein, Cielu. Die Rebellen werden versuchen, unsere umzingelten Mannschaften als Köder zu benutzen, um uns in weitere Fallen zu locken. Dennoch hast du recht: Wir werden uns beeilen. Ich werde dir das Oberkommando über die drei Heere übertragen. Lass uns in jeder Region eintausend Mann in den Dörfern zurücklassen, um die neue Ordnung aufrechtzuerhalten. Das setzt nur dreitausend Mann fest, wir gewinnen jedoch achtzehntausend Mann, mit denen wir marschieren können.“

„Wie viele Rebellen gibt es ungefähr?“

„Es mögen erst zweitausend bis dreitausend sein, aber sie können in Marmandeh natürlich weiteren Zulauf erhalten haben. Lass uns vorsichtshalber bis zu unserem Eintreffen mit zehntausend rechnen, dann können wir nicht ungünstig überrascht werden.“

„Gut. Zehntausend stellen keine Schwierigkeit dar für achtzehntausend unserer Jungs.“

„Selbstverständlich nicht. Achtzehntausend unserer Jungs müssten auch mit doppelt so vielen Rebellen fertigwerden. Aber vergiss diese verfluchten Semanen nicht. Sie scheinen der Faktor zu sein, auf den es bei diesem Konflikt am meisten ankommt. Ich möchte, dass du folgendermaßen vorgehst: Du teilst jedes der drei Heere in zwei Teile auf. Das gibt dir sechs Truppen zu jeweils dreitausend Mann. Niemals, verstehst du, niemals dürfen sich zwei dieser Truppen in derselben Richtung oder nebeneinander oder hintereinander bewegen. Koordiniere, wenn es nicht anders geht, alles aus der Luft. Ich habe dir auch deshalb das Oberkommando zugedacht, weil du von euch drei Generaren der geschickteste Gryphenreiter bist.“ Shimuer nickte unablässig. „Sollte eine dieser Truppen in einen magischen Hinterhalt geraten, muss jederzeit eine andere der Truppen in der Lage sein, den dortigen Rebellen und Semanen in den Rücken zu fallen. Wir müssen mit mehreren solcher Hinterhalte und Ausgeklügeltheiten rechnen. Die Rebellen werden versuchen, ihre Kenntnis des Landes zu nutzen und wider uns zu kehren. Wenn du merkst, dass es viele Hinterhalte sind, spalte die Heere weiterhin auf. Zwölf Truppen zu jeweils eintausendfünfhundert Mann dürften immer noch in der Lage sein, ein aus Bauern, Handwerkern und Frauen bestehendes Durcheinander in Furcht und Schrecken zu versetzen.“

„Zweifelsohne. Was hat Priorität: Marmandeh zurückzuerobern oder die Rebellenstreitmacht zu zerschlagen?“

„Wenn sie den Kampf in Marmandeh annehmen, werden beide Ziele eins. Wenn sie dich aus Marmandeh weglocken wollen in ihre dichten und finsteren Wälder, um dich in ihre semanischen Hinterhalte zu führen, dann lass sie auf ihren Tücken schmoren und nimm zuerst Marmandeh, um sie zu ärgern. Das entzieht ihnen ihr Hauptquartier, und es macht ihre bisherigen Fortschritte zunichte.“

„Sehr gut. Natürlich können sie aber auch besonders Marmandeh semanisch verstärkt haben.“

„Auch das. Wie gesagt: Lass nicht zu viele Männer in ein und dieselbe Falle tappen. Genau das war Gwaums Untergang.“

„Gut. Ich habe verstanden. Rechne aber nicht mit einem Erfolg in der nächsten Woche. Es wird alleine schon seine Zeit dauern, die drei Heere …“

„Ich weiß. Auch das Zurückbleiben von fünfköpfigen Rumpfbesatzungen zu organisieren, geht nicht im Handumdrehen. Die Rebellen werden inzwischen die gesamte Dritte Region von unseren dort noch vereinzelt stationierten Leuten säubern oder unsere Männer als Geiseln nehmen, aber wir müssen ohnehin davon ausgehen, dass die Dritte Region vorerst verloren ist. Alles andere würde nur dazu führen, dass wir uns verzetteln. Sollten die Rebellen in Richtung Fünfter oder Zweiter Region übergriffig werden, können ihnen die dortigen Generare schon einmal deutlich auf die Finger hauen. Ich werde sie anweisen, sich an den Regionengrenzen zu sammeln.“

„Sehr gut. Dann können sich die Rebellen zwar in ihrer Region austoben, aber sie kommen nicht weiter voran.“

„Genau so stelle ich mir das vor. Sie mögen vorerst jubeln, aber sie sind vom Rest des Landes abgeschnitten und vollkommen auf sich allein gestellt. Möglicherweise fangen sie erst einmal an zu feiern, schlagen sich die Bäuche voll, saufen um die Wette, es sind ja nur einfache Leute, keine disziplinierten Soldaren. All das kann uns nur dienlich sein. Die Zeit arbeitet für uns.“

Für einen Moment dachten beide dasselbe: Die bedauernswerten, in den Dörfern der Dritten Region noch ausharrenden Besatzungen. Aber das war nicht mehr zu ändern. Vielleicht waren einige von ihnen schlau genug, sich in die Wälder zurückzuziehen, um wenigstens zu überleben, bis die übrigen sechs Heere die neue Ordnung wiederhergestellt hatten.

„Ach, und noch etwas“, sagte Rocandro dann. „Die Dritte Armee von Gwaum wie auch die Siebte von Yiefaiz sind durch eine Besonderheit miteinander verbunden. Bist du im Bilde, durch welche?“

Shimuer musste ein paar Augenblicke lang nachdenken. „Die Dritte kam im Süden durch die Berge und hatte den kürzesten Weg. Die Siebte kam im Norden über Schiffe und hatte es ebenfalls nicht weit ins Landesinnere. Ah, ich weiß: Bei beiden wurden die Fernwaffenkontingente zugunsten der anderen Heere umverteilt, weil wir bei ihnen davon ausgehen konnten, schnell vor Ort zu sein und keine Fernwaffen zu brauchen.“

„Genau so ist es. Da die Rebellen sich bislang nur mit der Dritten angelegt haben, ist es durchaus möglich, dass sie uns für Stümper halten, die nicht in der Lage sind, mit Armbrust oder Pfeil und Bogen umzugehen, während sie selbst mit Jagdbögen hantieren. Sie werden eine Überraschung erleben, wenn sie sehen, dass jedes deiner drei Heere tausend gut ausgebildete Schützen aufweist.“

„In der Tat! Sollten wir so lange wie möglich versuchen, das verborgen zu halten?“

„Das kann nicht schaden. Da die Rebellen Marmandeh eingenommen haben, müssen wir damit rechnen, dass ihnen Gryphen in die Hände gefallen sind und dass sie bald die hohe Kunst der Luftaufklärung erlernen werden. Weise also deine drei Heere an, ihre Fernwaffen versteckt zu tragen. Es reicht, wenn die Wahrheit am Tag der zweiten und endgültigen Eroberung ans Licht tritt.“

Rocandro und Shimuer plauderten noch ein wenig über Familienangelegenheiten, über Hunde, über die Frauengeschichten, deren man Shimuer rühmte und die er samt und sonders ins Reich der Übertreibungen verbannte. Sie sprachen auch über die Unterschiede zwischen Pararis und der deutlich überschaubareren Regionalstadt, in der Shimuer sein Hauptquartier in einem prächtigen Abeliontempel bezogen hatte, einem wahren Meisterwerk der Steinmetzkunst.

Aber übernachten in Pararis wollte Shimuer dann doch nicht, obwohl oder gerade weil diese Stadt für ihre Vergnügungsviertel berühmt und berüchtigt war. Er fürchtete ein wenig, dort angesichts erlesen anziehender Frauen nur wieder Wasser auf die Mühlen derer zu gießen, die Gerüchte über ihn verbreiten wollten. Er wollte sich zusammenreißen und sämtliche Annehmlichkeiten und Belohnungen auf später verschieben. Er hatte einen Feldzug zu führen, der zwar sicherlich nicht von langer Dauer sein würde, aber von hoher Bedeutung für die Zukunft dieser störrischen Provinz. Ihm, der sich schon längst mit dem Kommando über ein einziges Heer zufriedengegeben hatte, unterstanden nun plötzlich derer drei. Darauf musste er sich erst einmal einstellen.

Über die Freitreppen hinab ging er schnellen Schrittes in die Gärten, und schon bald hatte die kühle, frische Herbsthimmelsluft ihn wieder und umbrauste ihn begierig im Sattel seines Gryphen.

Tobias O. Meißner

Über Tobias O. Meißner

Biografie

Tobias O. Meißner, geboren 1967, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Seine Romane werden von der Kritik hochgelobt. Meißner wurde von der Zeitschrift „Bücher“ als einer der „10 wichtigsten Autoren von morgen“ ausgezeichnet. Bei Piper sind u.a. die apokalyptischen Epen um „Die Dämonen“ sowie...

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