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Signierte Ausgabe: Turmschatten (Die Turm-Reihe 1)

Signierte Ausgabe: Turmschatten (Die Turm-Reihe 1)

Peter Grandl
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Thriller

— Der große Gesellschaftsthriller über rechte Gewalt
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Signierte Ausgabe: Turmschatten (Die Turm-Reihe 1) — Inhalt

Der große Gesellschaftsthriller, über den man 2022 reden wird!

Ein spektakuläres Verbrechen hält eine Kleinstadt in Atem: Drei Neonazis werden in einem Turm gefangen gehalten. Ephraim Zamir, der Geiselnehmer, konfrontiert sie in einem Verhör mit ihren Gewalttaten und überträgt das Ganze live im Netz. Die Zuschauer sollen abstimmen: freilassen oder hinrichten? Es ist der Beginn eines weltweiten Medienspektakels. Für die Polizei ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Womit sie nicht rechnen: Sie haben es mit einem ehemaligen Mossad-Agenten zu tun, der nicht bereit ist zu verhandeln. 

Hochspannend und brandaktuell – Peter Grandls grandioser Reihenauftakt!

Die Presse ist begeistert:

„Ein gewagter, kontroverser Plot. Auch sonst ist die im Jahr 2010 spielende Handlung sehr nah an der bundesrepublikanischen Wirklichkeit dran. Die NS-Zeit, das Oktoberfest-Attentat, das Geiseldrama von Gladbeck, die Wahlerfolge der NPD, der geplante Anschlag auf die Münchner Synagoge: Das alles wird im Roman in Beziehung gesetzt, über die Figuren oder die bereits sehr filmisch wirkende Montage, die die Handlung bis zum überraschenden, den moralischen Kompass noch einmal neu einstellenden Finale vorantreibt. Ein Thriller mit knapp 600 herausfordernden Seiten, die wegen der spannenden Handlung aber schnell verfliegen.“ Süddeutsche Zeitung

„Hammer-Buch. Kommt bei Erstlingen nicht allzu oft vor. Peter Grandl ist so ein Coup gelungen. ›Turmschatten‹ ist unfasslich spannend, ein Page Turner, bei dem sogar die Flashbacks (jede Figur hat ihren sinnvollen Hintergrund) interessant sind. Überall ist die aktuelle Zeitgeschichte eingewoben, eine chronique scandaleuse des rechtsradikalen Terrors in der Bundesrepublik.“ Thomas Wörtche, Culturmag

„Peter Grandl hat fünf Jahre lang für ›Turmschatten‹ recherchiert. Er hat Milieus wie die rechtsradikale Szene, jüdisches Leben, sowie die Macht der Medien beobachtet und Polizeieinsätze begleitet. Darauf aufbauend hat er einen packenden Thriller geschrieben, der die Grenzen von Gut und Böse aufhebt. Absolut lesenswert.“ Donaukurier

„Peter Grandl beherrscht es grandios, Realität und Fiktion zu verbinden. Er lässt in meinem Kopf schaurige Bilder entstehen. Nach dem Ende der Geschichte, die so ganz anders daherkommt, als ich es mir die ganze Zeit vorgestellt habe, bleibe ich erst mal sprachlos zurück. Für mich ist ›Turmschatten‹ eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Ein Buch, bei dem ich ein Kapitel nach dem anderen verschlungen habe. Ein Buch, dessen Einblicke in die menschliche Psyche mich teilweise verstört haben. Ein Buch, dessen Aktualität greifbar ist.“ literaturschock.de

„600 hoch spannende Seiten, auf denen existenzielle Fragen ebenso abgehandelt werden wie die Skrupellosigkeit von Reality-TV-Shows und die Gesetzlosigkeit der digitalen Kommunikation. Fünf Jahre hat Grandl an seinem dicken Werk gearbeitet, das 2010 spielt, in der Hochzeit der NPD, und doch genau heute wieder ganz aktuell ist.“ Augsburger Allgemeine

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erschienen am 01.09.2022
0 Seiten
EAN 4043725668823
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Leseprobe zu „Signierte Ausgabe: Turmschatten (Die Turm-Reihe 1)“

Mein blaues Klavier 

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier

Und kenne doch keine Note.

Es steht im Dunkel der Kellertür,

Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier

Die Mondfrau sang im Boote –

Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatür …

Ich beweine die blaue Tote.

Ach liebe Engel öffnet mir

Ich aß vom bitteren Brote –

Mir lebend schon die Himmelstür –

Auch wider dem Verbote.

Else Lasker-Schüler, 1937


Prolog – Der Turm I

Montag, 8. Januar 1945

Es war kurz nach Mitternacht. Ein auf- und abschwellender Signalton zerriss die Stille der [...]

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Mein blaues Klavier 

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier

Und kenne doch keine Note.

Es steht im Dunkel der Kellertür,

Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier

Die Mondfrau sang im Boote –

Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatür …

Ich beweine die blaue Tote.

Ach liebe Engel öffnet mir

Ich aß vom bitteren Brote –

Mir lebend schon die Himmelstür –

Auch wider dem Verbote.

Else Lasker-Schüler, 1937


Prolog – Der Turm I

Montag, 8. Januar 1945

Es war kurz nach Mitternacht. Ein auf- und abschwellender Signalton zerriss die Stille der abgedunkelten deutschen Großstadt im Süden. Nur acht Kilometer östlich vom Stadtzentrum befand sich nahe einem Moosfeld ein kleines Dorf, dessen Kirche jetzt ebenfalls Alarm schlug und den bevorstehenden Bombenangriff einläutete. Diese Angriffe hatten bisher immer nur der Innenstadt gegolten, aber was waren schon acht Kilometer? Erst am Tag zuvor war einer der britischen Bomber im Wald abgestürzt und bei einer riesigen Explosion in Flammen aufgegangen. Bomben hatten die angrenzenden Felder verwüstet, einen großen Bauernhof sowie dessen noch verbliebenen Viehbestand mit einem Schlag vernichtet und das gefrorene Ackerland in eine unwirtliche Kraterlandschaft verwandelt. Am nächsten Tag fand man eine einzelne Kuh, die in der Mitte eines Bombenkraters stand und brüllend versuchte, die steile Anhöhe zu erklimmen. Ihre Artgenossen waren, angekettet im Stall, der Feuersbrunst zum Opfer gefallen.

So fürchterlich diese Bombenangriffe auch waren, so sehr gehörten sie inzwischen zur schaurigen Routine der Stadtbewohner. Die langen Abstände zwischen den Angriffen halfen dabei, das Grauen zu verarbeiten und den Unverbesserlichen wieder Hoffnung auf den Endsieg zu geben. Zwischen Juli und Dezember 1944 hatte man die Stadt gänzlich verschont. Die Strategen des „Moral Bombing“ schickten die Luftflotten zur Unterstützung der Soldaten an der nahenden Front monatelang zu Städten im Norden und Westen. Doch nun waren die Bombergeschwader zurückgekehrt, mit dem Ziel, die Moral der Stadtbevölkerung mit Gewalt zu brechen. Die Abstände zwischen den nächtlichen Angriffen waren mittlerweile kürzer geworden, doch zwei Angriffe hintereinander, in einer Nacht, das hatten selbst die leidgeplagten Bewohner der Siedlung noch nie erlebt.

Als die Sirenen in dieser Nacht zum zweiten Mal heulten, waren die Bewohner gerade wieder erschöpft in ihre Häuser zurückgekehrt. Eine Brandbombe hatte im Dorfzentrum das Haus der Familie Engelhard getroffen. Die Bombe krachte durch die Dachziegel, durchschlug die Böden von zwei Stockwerken und explodierte schließlich im Wohnzimmer. Die fünf Hausbewohner – eine junge Frau, ihre Eltern und ihre zwei Kinder – hatten zu diesem Zeitpunkt im Keller Schutz gesucht und die Explosion überlebt. Doch dann fegte ein Feuersturm über sie hinweg, der ihnen die Luft zum Atmen raubte.

Ein angrenzendes Haus brannte ebenfalls lichterloh und konnte erst nach zwei Stunden in gemeinsamer Anstrengung aller Dorfbewohner gelöscht werden. Es dauerte eine weitere Stunde, bis man die Trümmer weit genug abgetragen hatte, um in den Keller der Familie Engelhard zu gelangen.

Im Licht der Taschenlampen fand man schließlich die zusammengekauerte Familie. Sie alle waren jämmerlich erstickt.

Im Flammenschein der fernen Innenstadt trug man die fünf Leichen in die nahe gelegene Kirche, die beim Angriff unversehrt geblieben war. Dort legte man sie im Kirchenschiff auf dem eiskalten Steinboden ab und hüllte sie in Armeedecken, auf denen höhnisch das Hakenkreuz prangte. Die Beerdigung sollte am nächsten Morgen stattfinden.

Die Tragödie der Familie Engelhard führte dazu, dass nun kaum einer der Dorfbewohner noch glaubte, im eigenen Keller sicher zu sein. Alle Hoffnung auf Überleben richtete sich von da an auf den Turm.

 

Dieses achteckige Gebäude stand am Rande des Dorfes auf einem Hügel und überragte mit seinem mittelalterlich anmutenden Schindeldach sogar die Spitze der Kirche, was den Dorfpfarrer seit jeher störte. Der mächtige Turm war breit und massiv gebaut und hatte bereits einen Bombentreffer ohne nennenswerten Schaden überstanden. Doch das Privileg, während eines Angriffs dort unterzukommen, war genau reglementiert. Ausgewählte Dorfbewohner, darunter alle Parteimitglieder, hatten einen Sonderausweis für Schutzsuchende erhalten, der ihnen gestattete, im Notfall den Turm aufzusuchen. Der Eingang wurde vom Ortsgruppenleiter der NSDAP streng kontrolliert. Wolfgang Danner besaß zur Wahrung der öffentlichen Ordnung eine Dienstwaffe und drohte jeden zu erschießen, der versuchte, den Turm ohne Sonderausweis zu betreten. Danner neigte trotz der Entbehrungen der Kriegsjahre zu starker Fettleibigkeit. Er war erst Mitte vierzig, doch dank seiner politischen Beziehungen hatte man ihn als „nicht kriegsdienstverwendungsfähig“ eingestuft. Stattdessen durfte er an der Heimatfront Wach- und Sicherungsaufgaben übernehmen.

Da mit Erlass des „Volkssturms“ im Oktober 1944 der Kreis der wehrfähigen Männer auf die Jahrgänge 1884 bis 1924 erweitert worden war, fand er sich unter Frauen, Kindern und Greisen wieder. Es war niemand mehr da, der ihm seine Macht hätte streitig machen können – und trotz all der Zerstörung und des täglichen Grauens war es für Wolfgang Danner die bis dahin schönste Zeit seines Lebens. Er war jemand! Man respektierte ihn! Oder zumindest tat man so. Wenn er in seiner Uniform mit dem rot-schwarzen Parteiabzeichen durch den Ort flanierte – Benzin gab es auch für seinen Parteiwagen nicht mehr –, dann fühlte er sich allmächtig. Schließlich war er derjenige, der über die Zuteilung von Sonderrationen und die Verteilung von Ausgebombten auf angrenzende Bauernhöfe entschied. Danner hatte außerdem die Macht, Strafen zu erlassen, und rein theoretisch durfte er sogar Todesurteile gegen Volksverräter verhängen.

Als in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar 1945 fünfhundertsiebenundneunzig Bomber der Royal Air Force ihre tödlichen Ladungen über der Großstadt abwarfen, war Wolfgang Danner als Erster am Turm, um akribisch zu kontrollieren, wer ihn betreten durfte und wer nicht. Und obwohl er fast jeden im Dorf persönlich kannte und genau wusste, wem der Zugang gestattet war, bestand er darauf, die Sonderausweise zu sehen. Er hatte die Macht, er ganz allein – und er genoss es, diese Macht auszuüben.

Der Horizont war rot erleuchtet von den Feuerstürmen, die acht Kilometer entfernt im Zentrum der Großstadt gerade unzählige Leben auslöschten. Die weißen Strahlen der Flak-Scheinwerfer suchten den schwarzen Himmel ab, doch die Bomber waren längst abgedreht. Das Schauspiel erinnerte an die Ouvertüre einer Oper, bei der die Bühnenscheinwerfer einen roten Vorhang beleuchteten.

Die Gesichter der sinnlos ums Leben gekommenen Familie Engelhard waren den Dorfbewohnern noch frisch in Erinnerung. Auch wenn keiner schlafen konnte, so versuchte man trotz alledem, die Kinder zu beruhigen, ins Bett zu gehen und nicht an die Qualen zu denken, die andere Menschen in unmittelbarer Nähe die ganze Nacht lang erleiden mussten.

Wolfgang Danner ging nach dem ersten Angriff jedes Stockwerk des massiven Turms ab und kontrollierte Raum für Raum. Vor Monaten hatte sich hier mal eine junge Frau erbrochen. Er selbst musste am folgenden Tag die Sauerei aufwischen. Daraufhin hatte er wutentbrannt der Frau und ihrer Familie den Sonderausweis entzogen. In dieser Nacht konnte Danner zum Glück keine unliebsame Hinterlassenschaft entdecken – selbst die Toiletten waren gespült worden, soweit sich das bei der dürftigen Notbeleuchtung erkennen ließ. Danach ging er nach unten ins Erdgeschoss, verließ den Turm und sperrte die schwere Stahltür ab. Auf seinem Weg nach Hause schien das nächtliche Firmament erneut zu erbeben. Wieder heulten die Sirenen los, wieder ertönten Kirchenglocken.

Doch diesmal kam der Alarm zu spät. Schon regnete es Staniolstreifen, mit denen die ersten Bomber den Radar der deutschen Flugabwehr störten. Schaurig schön flatterte das Lametta glitzernd vom Himmel und eröffnete den zweiten Satz einer minutiös geplanten Symphonie des Todes.

Es war das grausame Ziel der Angreifer, nun all jene Einsatzkräfte in den Tod zu reißen, die ausgerückt waren, um den Notleidenden zu helfen. Die brennenden Straßen in der Innenstadt waren voll von Feuerwehrleuten, Sanitätern und zivilen Hilfskräften, die versuchten, Leben zu retten. Genau ihnen galt diese zweite Bombardierung.

Hatte bei der ersten Angriffswelle im Dorf noch eine gewisse Ordnung geherrscht, brach jetzt blanke Panik aus. Zu frisch war der Eindruck der fünf Toten, zu strapaziös waren die vergangenen Stunden gewesen.

„Der Turm ist unsere Rettung“, hieß es plötzlich überall. Sonderausweis hin oder her, der Turm würde Schutz bieten, und Danner würde das sicher einsehen.

Da der Turm auf einer leichten Anhöhe lag, konnte Danner, der keuchend dahin zurückgelaufen war, die Silhouette der Menschenkette ausmachen, die sich schwarz vom rot leuchtenden Hintergrund der brennenden Großstadt abhob.

Viele hatten kaum etwas an, manche waren trotz der Minustemperaturen barfuß. Mütter trugen ihre Kleinsten im Arm und trotzten der Erschöpfung. Schritt für Schritt näherten sie sich dem Turm, der sich vor ihnen aufrichtete wie eine verheißungsvolle Festung aus einer germanischen Sage, während um sie herum die Welt im donnernden Bombenhagel versank.

Danner brach trotz der Kälte der Schweiß aus. Nur etwa die Hälfte des herannahenden Pöbels hatte eine Zutrittsberechtigung. Er erinnerte sich an seine Aufgabe, für Ordnung zu sorgen. Sein direkter Vorgesetzter in der Parteizentrale hatte ihm immer wieder eingebläut, dass Chaos der Anfang vom Untergang sei. Nur durch Ordnung bis in die letzte Volkszelle könne der Endsieg gewährleistet werden. Es lag an ihm, diesem Chaos ein Ende zu bereiten, aber wie sollte er das anstellen? In seiner Waffe, die er nun entsicherte, befanden sich gerade einmal sechs Kugeln. Sechs Kugeln, um Hunderte von Menschen aufzuhalten. Als die ersten Schutzsuchenden den Hügel langsam erklommen, feuerte Danner einen Schuss in die Luft ab. Der Lärm der Bomber über ihnen und die Explosionen, die die brennende Stadt erneut erschütterten, übertönten jedes andere Geräusch, auch den verzweifelten Schuss aus der Pistole.

Danner ließ die Waffe fallen und wandte sich der Stahltür des Turms zu. Zitternd steckte er den klobigen ersten Schlüssel ins Schloss und entriegelte es klackend. Dann griff er zum zweiten Schlüssel, während er hinter sich den Atem der Meute zu spüren glaubte. Noch hielt sie respektvoll Abstand und wartete darauf, dass er die schwere Stahltür öffnete. Erneut hörte er ein Klacken. Doch Sekunden später fuhr in zweihundert Metern Entfernung eine Bombe in den gefrorenen Boden und explodierte mit ohrenbetäubendem Krach in einem gleißenden Licht. Die Druckwelle warf die Menschen um wie Streichhölzer. Splitter pfiffen durch die Luft, zerfetzten Arme, Beine und Gesichter. Inmitten der Schreie und des Leids war Danner im Schatten des Turms wie durch ein Wunder unversehrt geblieben, doch er war benommen und taumelte. In seinen Ohren schrillte ein hoher Pfeifton, der ihn für jedes andere Geräusch taub machte.

Das Letzte, was er vor der Explosion gehört hatte, war das Klacken des zweiten Schlosses gewesen. Nur langsam drang die Erinnerung an dieses Klacken wieder in sein Bewusstsein. Sie weckte seinen Überlebensinstinkt, und schließlich beherrschte ihn nur noch ein Gedanke: Der Turm würde ihn schützen.

Mit letzter Kraft zog er an der schweren Tür, doch sie öffnete sich nur einen kleinen Spalt weit. Ein lebloser Körper, den er in der Dunkelheit nur schwer ausmachen konnte, erschwerte das Öffnen, aber er hatte weder den Mut noch die Zeit, sich der Person anzunehmen, die offensichtlich gegen den Eingang geschleudert worden war. Danner bot seine letzten Kräfte auf, um den Spalt zumindest so weit zu vergrößern, dass er seinen wulstigen Leib hindurchzwängen konnte. Kaum war er im Inneren des Turms in Sicherheit, zog er das Tor wieder zu und verriegelte es mit zitternden Händen.

Verzweifelte Menschen trommelten gegen den kalten Stahl. Auch wenn Danner sie nicht hören konnte, weil das Pfeifen der Explosion noch in seinem Kopf nachhallte, konnte er sie dennoch spüren, als er langsam mit dem Rücken am Tor zu Boden glitt.

Er schloss die Augen und presste die Hände auf seine Ohren. Was sollte er nur tun? Sollte er wirklich sein eigenes Leben gefährden – oder sollte er das Chaos und das Leid einfach aussperren?

Zwei weitere Bomben der Royal Air Force nahmen ihm die Entscheidung ab. Sie mussten in unmittelbarer Nähe explodiert sein. Der Turm wurde so stark erschüttert, dass der Putz von der Decke bröckelte und auf Danner herabregnete. Nun erlosch selbst die gelbliche Notbeleuchtung im Turm. Für einen kurzen Augenblick war Danner bereit, alles zu bereuen, was er den Menschen im Dorf angetan hatte. Er gelobte, von nun an ein besserer Mensch zu sein, doch sein Stoßgebet kam zu spät. Plötzlich war es still. Sehr still. Und auch die trommelnden Fäuste, die er eben noch durch die Stahltüren gespürt hatte, waren für immer verstummt.


Ephraim I

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Fünfundsechzig Jahre waren seit der Ermordung seiner Familie vergangen. Fünfundsechzig Jahre, in denen Ephraim Zamir an jedem einzelnen Tag von diesem schmerzlichen Verlust begleitet wurde. Vor allem nachts holten ihn die grauenvollen Erinnerungen ein und zwangen ihn, die schmerzlichsten Momente immer und immer wieder aufs Neue zu durchleben.

Er hatte die Todesmaschinerie Auschwitz überlebt. Aber die Erinnerungen an diese Zeit, an den Tod seiner gesamten Familie und an die grauenvollen Versuche, die man an ihm und seinem Bruder durchgeführt hatte, quälten ihn Tag für Tag. Er fühlte sich schuldig, weil er als Einziger überlebt hatte, und schuldig, weil seine Mutter ihr Leben gelassen hatte, um seines zu schützen.

Zweimal hatte er nach dem Krieg als junger Mann die Rampe in Auschwitz besucht. Zweimal war er darauf zusammengebrochen und hatte mit den Fäusten auf den Beton gehämmert, auf die Stelle, an der er noch immer das Blut seiner Mutter zu sehen glaubte. Fast sein ganzes Leben lang war er nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Es gab eine Zeit, in der allein der Klang der deutschen Sprache die schlimmsten Erinnerungen wach werden ließ. Selbst Deutsch zu sprechen wagte er nicht, um sich nicht vor sich selbst ekeln zu müssen. Die Ironie des Schicksals war, dass ausgerechnet sein „arisches Aussehen“ und sein akzentfreies Deutsch seinen Lebensweg bestimmt hatten. Mit zweiundsiebzig Jahren begann nun ein neuer Lebensabschnitt für ihn, ohne Beruf, ohne Verpflichtungen und ohne Familie, aber mit einer neuen Verantwortung.

Er war zurückgekehrt in die Geburtsstadt seiner Mutter, um dort seine letzten Jahre in Frieden zu verbringen. Das Haus, das einst der Familie seiner Mutter gehört hatte, stand längst nicht mehr – und doch fühlte er sich wohl bei dem Gedanken, dass seine Mutter hier eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verlebt hatte, bevor sie seinen Vater kennenlernte und mit ihm in Falkenau eine eigene Familie gründete.

Nach all der Zeit suchte er nun endlich den Weg der Vergebung, versuchte nicht mehr, das Unrecht zu verstehen, sondern damit zu leben und zu verzeihen.

Gemächlich fuhr Ephraim in seinem schwarzen Jaguar einen Schotterweg entlang. Der Weg führte einen Hügel hinauf zu einem dunklen Turm, der sich in der Dämmerung vom Horizont abhob. Sein neues Zuhause.

Das achteckige Gemäuer wirkte wie das Überbleibsel einer mittelalterlichen Festung, war etwa dreißig Meter hoch und trug ein imposantes, spitz zulaufendes Schindeldach mit sechs integrierten Fenstern.

Der Turm hatte einst zu einem Dorf außerhalb der Stadt gehört. Er stand auf einem Hügel, der sich zwischen einem kleinen Wald und der Siedlung erhob. Inzwischen war dieses Dorf zu einem von vielen Stadtteilen der stetig wachsenden Metropole geworden. Und doch schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein; prächtige Villen oder moderne Neubauten gab es kaum. Das mochte auch am neu erbauten Flughafen liegen, der in unmittelbarer Nähe lag und die Grundstückspreise auf niedrigem Niveau hielt. Tag und Nacht donnerten die Verkehrsflugzeuge über die Einwohner hinweg und nahmen dabei fast die gleiche Route wie einst die englischen Bomberflotten aus dem Norden.

Doch die Erinnerungen an jene düstere Zeit verblassten langsam, genau wie die Bilder auf den Grabsteinen der Gemeindekirche. Nur diese Grabsteine und eine Gedenktafel legten noch Zeugnis ab von der Tragödie, die am 8. Januar 1945 durch einen fehlgeleiteten Bombenabwurf hundertsiebenundsechzig Menschen, fast nur Frauen und Kinder, das Leben gekostet hatte.

Von alledem hatte Ephraim Zamir nichts gewusst, als er das Grundstück mit dem Turm erwarb. Während er das Dachgeschoss des Turms innerhalb eines Jahres aufwendig hatte umbauen lassen, verschwendete er keinen Gedanken an dessen verwilderte Umgebung, wo kniehohes Dornengestrüpp im Kampf mit dem Herbstwind lag. Den Anwohnern aber war dieser Schandfleck unerträglich. Selbst den Turm, dessen monströse Erscheinung schon in den Nachmittagsstunden einen breiten Schatten auf die angrenzenden Reihenhäuser der kleinen Siedlung warf, konnten sie nicht leiden. Seit man dieses hässliche Ding zudem unter Denkmalschutz gestellt hatte, blieb nur noch das verwahrloste Feld, das den Zorn der braven Bürger auf sich zog. Die Gemeinde war froh gewesen, dieses Problem durch den Verkauf an Ephraim Zamir loswerden zu können. Nun aber hagelte es Eingabe um Eingabe, was schließlich zu einem Ultimatum an den neuen Besitzer führte, der das Grundstück innerhalb eines Jahres angemessen begrünen musste. Ephraim hätte eine mannshohe Hecke mit Zaun um das Gelände errichten können, unterließ es aber, denn Mauern, Stacheldraht und Zäune hatten ihn sein ganzes Leben lang verfolgt. Ihr Anblick hatte sich in seine Seele eingebrannt wie die Tätowierung auf seinem linken Unterarm.

Unweigerlich musste er an den sauberen Spielplatz und die kleine Freizeitanlage denken, welche die Lagerkommandantur in Auschwitz für die Angehörigen des Personals hatte bauen lassen. Dort wurde, abgeschirmt durch eine hohe Mauer und einen elektrischen Stacheldraht, mit den Kindern gespielt und an geschmackvoll eingedeckten Kaffeetafeln gefeiert, während draußen der Tod wütete. Ordnung war des Deutschen liebstes Kind. Das hatte sich bis heute nicht geändert.

Trotz allem war Ephraim fest entschlossen, den Menschen wieder Vertrauen zu schenken, sich zu öffnen und andere an seinem Leben teilhaben zu lassen. In die Heimat seiner Eltern zurückzukehren, war ein erster Schritt in diese Richtung, der Beitritt zur jüdischen Gemeinde der Stadt ein nächster. Doch die größte Kraft schöpfte er aus der väterlichen Liebe zu Esther Goldstein, deren zarte Silhouette sich hinter einem beleuchteten Fenster im obersten Stockwerk des Turms abzeichnete. Sie war die Herausforderung, der er sich nun mit ganzer Kraft widmen wollte.

Das Schicksal hatte sie zusammengeführt, hatte beiden die Chance auf ein neues Leben gegeben. Und die Hoffnung darauf, die Vergangenheit vergessen zu können, auszusperren aus diesem Turm, der sie wie ein Bollwerk gegen Tiefschläge des Lebens schützen sollte und von dem aus sie den Blick hinab auf eine scheinbar heile Welt richten konnten.

An diesem Herbstabend zog ein heftiger Sturm auf. Früher als gewöhnlich verdunkelte die schnell dahinziehende Wolkendecke den Himmel. Ephraim Zamir parkte seinen Jaguar direkt vor den zwei geschwungenen Steintreppen, die symmetrisch von zwei Seiten am Fuße des vierstöckigen Turms aus zu den geschmiedeten Flügeltüren im ersten Stockwerk führten. Es gab einen weiteren Eingang auf der linken Seite des Turms, der in einen Garagenanbau mündete.

Ephraim war von kräftiger Statur und wirkte trotz seines hohen Alters durchtrainiert. Er trug einen dunklen Anzug über einem grob gestrickten, grauen Pullover. Dieser unterstrich das raue Äußere seiner Erscheinung ebenso wie der wild wuchernde Bart, der direkt in das volle, silberweiße Haar überging.

Kaum hatte er das Portal erreicht, schaltete sich vier Meter über ihm ein Scheinwerfer ein und tauchte den Eingang in warmes Licht. Eine automatische Kamera hatte ihn längst erfasst. Sie schickte ihre Bilder in das Dachgeschoss des Turms, wo Esther in der großzügig ausgebauten Wohnküche gerade das Essen zubereitete.

Der weiß getünchte Raum maß annähernd hundert Quadratmeter und besaß schräg sitzende Fenster in alle vier Himmelsrichtungen, die in einen spitz zusammenlaufenden Dachstuhl eingelassen waren. An seinem höchsten Punkt maß er sicher acht Meter. Der frei stehende steinerne Küchenblock, an dem Esther Kreplach zubereitete, erweckte den Eindruck, man stünde in der Kuppel einer Kathedrale vor einem Altar. Vor allem, wenn das Abendlicht schräg durch die Dachfenster auf den Küchenblock fiel, hatte der runde Raum etwas Sakrales, Ehrfürchtiges.

Kreplach richtig zuzubereiten war eine Kunst, die Esther von ihrer verstorbenen Mutter gelernt hatte. Es waren Teigtaschen nach Art der jüdischen Küche, die mit Rinderleber gefüllt wurden und die man traditionell am Vorabend von Jom Kippur aß, dem höchsten aller jüdischen Feiertage. In Augenblicken wie diesen war Esther ihrer Mutter ganz nahe und versank in Erinnerungen an glückliche Tage ihrer Kindheit.

Ein hoher Pfeifton ertönte in der Küche, den Esther aufgrund ihrer starken Hörbehinderung allerdings kaum wahrnahm. Doch das rote Blinken einer LED-Leuchte direkt oberhalb des Ofens kündigte ihr auch visuell unmissverständlich an, dass sich ein Besucher am Portal befand. Ihre konzentrierte Miene verwandelte sich in ein strahlendes Lächeln. Sie lief hinüber zur Wand, wo ein Monitor Ephraim zeigte, der mit stoischem Blick in die Kamera winkte.

Ephraim hätte am Eingang auch einen sechsstelligen Zahlencode eintippen können, um die Pforte zu öffnen, doch Esther hasste es, wenn er plötzlich unerwartet hinter ihr stand und sie dadurch fast zu Tode erschreckte.

Läuten zu müssen war nicht besonders effizient – und Ephraim war ein Mensch, für den Effizienz über alles ging –, doch für Esther war er bereit, sich von Grund auf zu ändern. Ja, er arbeitete an sich, auch wenn er dabei nur kleine Fortschritte machte. Esther kannte nur einen Teil seiner Lebensgeschichte, doch das war genug, um zu verstehen, dass diese gequälte Seele endlich zur Ruhe kommen musste. Und so war sie stolz auf jede seiner menschlichen Gesten, auf jede seiner positiven Veränderungen, waren sie auch noch so klein und unscheinbar.

Sie betätigte die Sensortaste zum automatischen Öffnen der schmiedeeisernen Tore und entledigte sich ihrer Küchenschürze. Nach allem, was sie in ihrer Heimat Israel erlebt hatte, kam es ihr wie ein Wunder Gottes vor, dass sie dieser gütige Mann wie eine Tochter aufgenommen hatte und die grauenvolle Vergangenheit mit jedem Tag mehr und mehr im Nebel verschwand.

Mit gebührendem Respekt und anerzogener Zurückhaltung wartete sie darauf, dass Ephraim die vier Stockwerke hinaufkam, während unten die Pforte mit einem leisen Klicken wieder automatisch ins Schloss schnappte.

Ephraim nahm immer mehrere Treppenstufen auf einmal, denn er mochte die unteren Stockwerke des Turms nicht besonders, die kalt und grau waren und nur wenig Licht abbekamen. Die steinerne Treppe endete schließlich vor einer schweren Holztür im dritten Stock, den er zum Großteil schon hatte renovieren lassen. Hinter der Holztür verbarg sich ein schmaler Gang, von dem aus mehrere Zimmertüren abzweigten. Nichts erinnerte hier mehr an die steinerne Kälte der unteren Stockwerke. Am Ende des Gangs führte eine steile Wendeltreppe nach oben, die schließlich in dem beeindruckenden ausgebauten Dachstuhl endete.

Kurzatmig begann sich Ephraim zu entschuldigen, sobald er Esthers engelsgleiches Antlitz über sich erblickte. Ihre weichen Gesichtszüge mit den großen, dunklen Augen wurden von tiefschwarzem, langem Haar eingerahmt, das ihr bis über die Schultern reichte und in starkem Kontrast zu ihrer hellen Haut stand. Die junge Frau trug eine hochgeschlossene Bluse mit einer Schleife sowie einen knielangen Rock, aus dem ihre Beine ragten wie zwei zerbrechliche Stelzen.

„Esther …“ Er holte Luft. „Esther, es tut mir leid … Ich bin zu spät … Aber mein Gespräch mit dem Rabbi hat länger gedauert, als ich dachte …“

Esther lächelte milde, legte ihre Hände auf seine Schultern und küsste seine Wangen.

„Chalom, Ephaaim.“

Ihre Kehle brachte Laute hervor, die sie selbst kaum hörte, und so war es umso erstaunlicher, dass es ihr trotz ihrer fast vollständigen Gehörlosigkeit gelang, sich verbal zu artikulieren.

„Schalom, Esther“, erwiderte Ephraim und lächelte gequält, was Esther erahnen ließ, dass sein Gespräch mit Rabbi Shlomo Moshe nicht ganz so verlaufen war, wie er es sich erhofft hatte. Von Neugierde getrieben, stellte sie ihm hastig eine Frage in Gebärdensprache. Konzentriert, aber offensichtlich überfordert, versuchte Ephraim den schnell wechselnden Zeichen zu folgen, schüttelte aber schon bald den Kopf und nahm ihre kleinen Hände in seine.

„Halt, halt … Langsam, Esther.“

Er blickte ihr in die Augen, und seine Gesichtszüge entspannten sich leicht.

„Ich tue ja mein Bestes, um die Zeichen zu lernen, aber du bist … Du bist zu schnell.“

Ephraim öffnete seine Hände und gab ihre wieder frei. Langsam formte sie nun Zeichen für Zeichen und versuchte dabei zu sprechen, soweit es ihr möglich war.

„Aat die Gemeinee as Geel fü ie Synagooe anenommen?“

Den „Tanz der Finger“, wie Esther es gerne nannte, lernte Ephraim mit mäßigem Erfolg, aber ungebrochenem Willen seit einigen Monaten. Ein Scheitern kam nicht infrage, denn wie so oft in seinem Leben würde er am Ende triumphieren. Doch im Augenblick fiel es ihm leichter, ihrer Stimme zu lauschen, als ihre Zeichen richtig zu deuten.

„Es ist nicht einfach, Esther, du musst die Gemeinde verstehen. Sie sind nur vorsichtig und vielleicht auch zu stolz, um so viel Geld als Spende anzunehmen.“

Esthers Augen verrieten Unmut. „Sdoolz is die Masge de eigenen Fehlä.“

Ephraim war immer wieder überrascht, wie viel Entschlossenheit das zierliche Mädchen besaß. In dieser Hinsicht war sie ihm sehr ähnlich.

„Esther, es reicht nicht, aus dem Talmud zu zitieren, um die Ältesten von meinen ehrlichen Absichten zu überzeugen. Ich bin mir ganz sicher, früher oder später werden sie meine Spende akzeptieren, und dann wird der Bau der Synagoge fortgesetzt. Rabbi Moshe und die Stadträtin Seligmann sind auf meiner Seite.“

Ephraim legte ihr eine Hand väterlich auf die Schulter und schob die andere vorsichtig unter ihr Kinn, um ihr Gesicht anzuheben, bis er ihr tief in die Augen schauen konnte. Dabei zeigte er zum ersten Mal ein ehrliches Lächeln, eines, aus dem Esther Zuversicht und Hoffnung schöpfte.

„Esther, du wirst sehen. Der Bau der Synagoge wird in wenigen Wochen fortgesetzt. Da bin ich mir sicher.“

Er brachte es nicht übers Herz, Esther die komplizierte Wahrheit zu beichten, die zur Spaltung der jüdischen Gemeinde und am Ende zum Finanzierungsstopp geführt hatte. Geld allein konnte die Streithähne der Gemeinde nicht wieder zusammenbringen, aber Rabbi Moshe und Stadträtin Seligmann traute er durchaus zu, die Probleme gemeinsam zu lösen.

„Ephaaim, du bis ein guder Mensch!“

Der unerwartete Zuspruch sollte Ephraim in seinem Vorhaben bestärken und ihm Zuversicht geben, doch Esther erreichte damit das Gegenteil.

Ephraim zog seine Hände zurück. Sein Blick war nun wieder so kalt wie zuvor. Das Kompliment hatte eine Tür zu seinen dunkelsten Abgründen aufgestoßen. Denn anders als Esther besaß er nicht die Fähigkeit, einen dichten Nebel über seine Vergangenheit zu legen. Seine Geheimnisse verbargen sich hinter Hunderten von Türen, und kaum hatte er eine davon verschlossen, öffnete sich eine andere wie von selbst und peinigte seine Seele aufs Neue.

Ephraims Stimme klang schroff und zurechtweisend.

„Nur weil ich Geld spende, macht mich das noch lange nicht zu einem guten Menschen, Esther.“

Wortlos wandte er sich ab und zog sich ein Stockwerk tiefer in seinen Privatbereich zurück.

Esther sah ihm nach, wie er die Wendeltreppe hinunterging und verschwand. Morgen würden sie zum vierten Mal gemeinsam Jom Kippur feiern, und noch immer war ihr dieser gütige Mensch so fremd wie kaum ein anderer.

Peter Grandl

Über Peter Grandl

Biografie

Peter Grandl, geboren 1963, ist Drehbuchautor und Chefredakteur eines Onlinemagazins. Außerdem engagiert er sich ehrenamtlich bei den Organisationen German Dream und Schule ohne Rassismus

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