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Sonnendeck (Mamma Carlotta 9)Sonnendeck (Mamma Carlotta 9)

Sonnendeck (Mamma Carlotta 9) Sonnendeck (Mamma Carlotta 9) - eBook-Ausgabe

Gisa Pauly
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Ein Sylt-Krimi

„Mit viel Humor!“ - Hamburger Morgenpost

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Sonnendeck (Mamma Carlotta 9) — Inhalt

Mamma Carlotta auf Kreuzfahrt

Hauptgewinn! Mamma Carlotta ist überglücklich, als sie einige Tage an Bord eines Kreuzfahrtschiffs gewinnt. Ihr Schwiegersohn, der Sylter Kriminalhauptkommissar Erik Wolf, kann ihre Freude jedoch nur bedingt teilen, denn seit einiger Zeit vermutet er einen Dieb an Bord der „Arabella“. Als sie das letzte Mal vor Anker lag, wurde gar der Besitzer eines Wenningstedter Restaurants ermordet. Wird Mamma Carlotta dem Täter an Bord näher kommen, als ihnen allen lieb ist?

Perfekte Cozy Crime für Ihre Strandlektüre – machen Sie Urlaub mit Mama Carlotta! 

Bücher für den Urlaub gibt es viele. Hervorragende Regionalkrimis ebenso. Doch kaum ein anderer Nordsee-Krimi bringt das Lebensgefühl auf Sylt mit so viel Charme und Situationskomik auf den Punkt wie die Mamma Carlotta-Reihe. Lassen Sie die Seele baumeln und schmökern Sie nach Herzenslust –  die Romane von Gisa Pauly sind ein pures Vergnügen und ein perfekter Tipp für Ihre Urlaubslektüre. 

„Man muss sie einfach mögen, die italienische Miss Marple von Sylt.“ Brigitte

€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 11.05.2015
480 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-30363-7
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€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 11.05.2015
480 Seiten
EAN 978-3-492-97017-4
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Leseprobe zu „Sonnendeck (Mamma Carlotta 9)“

Der Bäcker stand vor seinem Laden und blickte die Straße hinab. Vielleicht war er mit jemandem verabredet, vielleicht wollte er auch nur die Sonne genießen oder aber seinen Kunden zeigen, dass sie erwartet wurden und auf freundliche Bedienung, leckeren Kuchen und duftende frische Brötchen hoffen durften. Erik kam es auch so vor, als präsentierte er sich. Das Gefühl, das ihn überkam, wenn er mit Klaas Poppingas Attraktivität konfrontiert wurde, war noch das gleiche wie zu Schulzeiten. Neben ihm war jeder andere Junge fade und unscheinbar geworden. Auch [...]

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Der Bäcker stand vor seinem Laden und blickte die Straße hinab. Vielleicht war er mit jemandem verabredet, vielleicht wollte er auch nur die Sonne genießen oder aber seinen Kunden zeigen, dass sie erwartet wurden und auf freundliche Bedienung, leckeren Kuchen und duftende frische Brötchen hoffen durften. Erik kam es auch so vor, als präsentierte er sich. Das Gefühl, das ihn überkam, wenn er mit Klaas Poppingas Attraktivität konfrontiert wurde, war noch das gleiche wie zu Schulzeiten. Neben ihm war jeder andere Junge fade und unscheinbar geworden. Auch jetzt kam Erik sich prompt alt und reizlos vor. Ihm schoss sogar der Gedanke durch den Kopf, dass er seine ausgebeulte Cordhose gegen die neue Jeans hätte eintauschen können und den Pullunder gegen ein flottes Sweatshirt. Aber er hatte sich mal wieder für das Bequemste entschieden. Klaas würde sich immer für das entscheiden, was seine Figur am besten zur Geltung brachte. Er war groß und schlank, Erik dagegen nur von mittelgroßer Statur. Was sich an Klaas in die Höhe reckte, ging bei Erik in die Breite. Sein kantiger Schädel sorgte für dieses Breite, zusätzlich unterstrichen wurde sie von seinem Schnauzer und letzten Endes auch von der Breitcordhose, die er so gern trug, und den Pullundern, die er ebenfalls liebte, besonders wenn sie über der Brust quer gestreift waren.

Schon als Halbwüchsiger war Klaas auf jeder Party der umschwärmte Mittelpunkt gewesen. Die Mädchen liebten ihn, die Jungs beneideten ihn, und so war es geblieben. Sowohl im dunklen Anzug als auch im lässigen Freizeitdress und sogar in seiner Arbeitskleidung sah er blendend aus. Die schwarz-weiß karierte Hose saß knapp, die weiße Jacke war blütenrein, Klaas’ Haut war gebräunt, seine hellen Augen leuchteten, sein dunkles, leicht gewelltes Haar glänzte in der Sonne. Ein stattlicher Mann! Auch dadurch, dass er eine sympathische Ausstrahlung hatte. Neider und Rivalen hatten es nie geschafft, lange an ihrer Abneigung festzuhalten. Sobald sie Klaas näher kennenlernten, mussten sie zugeben, dass er ein netter Kerl war. Auch das noch!

Erik warf einen Blick zur Seite und ließ sich bestätigen, was er schon vermutet hatte: Seine Schwiegermutter war auf Klaas aufmerksam geworden. So war es eben. Alle Frauen, egal welchen Alters, wurden aufmerksam, wenn Klaas Poppinga auftauchte.

Erik fuhr an den Straßenrand, kam direkt vor den Füßen des Bäckers zum Stehen und ließ die Scheibe herunter. „Moin.“

Poppinga beugte sich herab. „Moin, Erik!“ Er lächelte in Mamma Carlottas Gesicht und reckte den Hals, um die Kinder zu begrüßen. Die siebzehnjährige Carolin blinzelte durch die Haarsträhnen, die vor ihrem Gesicht baumelten, und reagierte mit einem kaum hörbaren Murmeln, während ihr zwei Jahre jüngerer Bruder ein lässiges „Hi, Klaas“ von sich gab.

„Familienausflug?“, fragte Klaas Poppinga lachend. „Ein Fischfilet bei Gosch? Den Kaffee könnt ihr anschließend bei mir trinken. Ich lade euch ein.“

„Gute Idee“, gab Erik zurück, obwohl die drei Stehtische, an denen in der Bäckerei Poppinga der Kaffee eingenommen wurde, nicht besonders einladend wirkten. „Dann können wir noch kurz über das Treffen schnacken.“

Klaas richtete sich auf und machte lachend eine zackige Handbewegung an die Stirn. „Aye, aye, Sir! Die Hotelzimmer sind mir bestätigt worden. Ein kleines Wunder in der Hauptsaison. Immer gut, wenn man Beziehungen hat.“

Erik fiel auf, dass seine Schwiegermutter noch kein Wort gesagt hatte. Es schien sogar, als hätte ihr Klaas’ geballte Attraktivität die Sprache verschlagen. Erik legte den ersten Gang ein und blickte in den Außenspiegel. „Bis später also!“

Als er die Fahrt fortsetzte, fand seine Schwiegermutter ihre Worte wieder. „Dio mio, was für ein attraktiver Mann! Schön wie ein Filmstar!“

Erik ärgerte sich prompt, wie er sich schon als Sechzehnjähriger geärgert hatte, wenn in seiner Gegenwart von Klaas Poppinga geschwärmt wurde. „Okay, er sieht ganz gut aus“, brummte er. „Aber was hat er davon? Obwohl er jede Frau haben konnte, hat er sich nie für eine entscheiden können. Und beruflich läuft’s auch nicht so toll. Die Bäckerei wirft nicht viel ab, die Billigbäcker machen die alten Meisterbetriebe kaputt. Klaas braucht dringend ein neues Konzept. Doch was soll er machen? Er hat kein Geld für An- und Umbauten.“

Felix mischte sich ein. „Aber er spielt supergeil Gitarre.“

„Supe… . come?“ Seine Großmutter war immer an neuen Vokabeln interessiert. „Was war das für ein Wort, Felice? Was meinst du damit?“

„Wunderschön“, korrigierte Felix und grinste breit, ohne dass Mamma Carlotta es bemerkte.

„Ah, bello!“

Felix hatte sich selbst zum Musikexperten ernannt, seit er eine Gitarre besaß und Unterricht bekam. Für ihn war klar, dass er es anders machen würde als Klaas Poppinga. Gitarrist in einer Schulband und im Alter seines Vaters in einer Oldie-Band, die außerhalb von Sylt niemand kannte? Nein, Felix Wolf hatte höherfliegende Pläne. Dass er einmal Fußballstar und sogar Rennfahrer werden wollte, war inzwischen vergessen. Jetzt übte er täglich auf seinem neuen Instrument, damit er später so berühmt wurde wie sein Idol: Breiti, der Gitarrist der Toten Hosen.

„Klaas hätte es in irgendeiner tollen Band versuchen sollen“, meinte er, „statt in List kleine Brötchen zu backen.“

„Warum versucht er es nicht mit großen Brötchen?“, fragte seine Nonna arglos, die sich weder mit Jugendsprache noch mit deutschen Sprichwörtern auskannte. „Wenn der Panettiere in unserem Dorf kleinere Panini backen würde als sein Kollege in Città di Castello, würde ich sie auch nicht kaufen.“

„Es sei denn, sie wären billiger“, warf Carolin ein und legte den Kopf in den Nacken, sodass ihre Haarsträhnen zurückfielen und sie einen freien Blick auf die Welt hatte.

Mamma Carlotta beglückwünschte sie zu diesem belangvollen Einwand. Nicht nur, weil sie grundsätzlich jeden halbwegs vernünftigen Satz eines Enkelkindes mit Lob bedachte, sondern vor allem, weil sie sich freute, dass Carolin sich überhaupt äußerte. Die Wortkargheit ihrer Enkelin, die so ganz nach ihrem Vater kam, brachte sie oft genug zur Verzweiflung. Nach wie vor hoffte sie, dass ständiger Zuspruch und viel Ermutigung in Carolin irgendwann das italienische Erbe wecken könnte, das Felix im Übermaß erkennen ließ.

Die Geschwister unterschieden sich auch äußerlich stark voneinander. Felix hatte dunkle Locken und braune Augen, Carolin dagegen hatte die blasse Haut und die hellen Augen ihres Vaters geerbt, und auch ihre aschblonden Haare waren sein Erbteil. Zurzeit war sie entschlossen, sie wachsen zu lassen, bis sie ihr zur Taille reichten. Ihre Nonna begrüßte diese Idee mit viel Zuspruch, wenngleich sie auch versuchte, ihre Enkelin in der Auswahl ihrer Frisuren zu mäßigen. Aber wenigstens entwickelte Carolin sich endlich zu einer reizvollen jungen Frau! Lucia war früher daran verzweifelt, dass ihre Tochter sich so unauffällig wie möglich kleidete und partout keinen bunten Haarschmuck haben wollte. Noch am Tag vor dem schrecklichen Autounfall hatte Lucia ihrer Mutter am Telefon erzählt, dass sie einen Haarreif für ihre Tochter gekauft habe, den diese jedoch kategorisch zurückgewiesen hatte. Lucia hatte geklagt, dass sie als Mädchen in Carolins Alter alles für einen solchen Haarreif gegeben hätte. Aber Carolin hatte sich mit dem Gummiband begnügt, mit dem sie ihre Haare im Nacken zusammenfasste, und alles andere abgelehnt. Nun aber trug sie eine derart abenteuerliche Frisur, dass Mamma Carlotta in jedem Laden, den sie gemeinsam betraten, ein paar entschuldigende Worte fallen ließ, weil sie fürchtete, dass sie in Begleitung eines jungen Mädchens mit einem schwarzen Vogelnest auf dem Kopf und blond gefärbten Haarspiralen vor den Augen nicht bedient werden könnte.

Seit Carolin siebzehn geworden war, bemühte sie sich darum, anderen Siebzehnjährigen ähnlich zu sein. Sie fand, dass sie nun endlich einen festen Freund brauchte, benutzte Make-up und trug keine andere Kleidung als die, die unter allen Siebzehnjährigen als der letzte Schrei galt. Die Sache mit dem festen Freund war bis jetzt allerdings trotzdem ein unerfüllter Wunsch geblieben. Das lag vielleicht daran, dass sich die Schlichtheit ihres Temperaments nicht verwandelt hatte und sie trotz ihrer auffälligen Frisur unauffällig geblieben war. Wo ihr Bruder Sorglosigkeit ausstrahlte, umgab Carolin Ernsthaftigkeit. Während Felix die Türen schlug und das Radio aufdrehte, damit das Haus mit Leben gefüllt wurde, setzte Carolin sich zu ihrem Vater und genoss mit ihm das Schweigen. Das blieb auch so, nachdem Carolin erfahren hatte, dass sie unter den gleichaltrigen Jungen in ihrer Schule langweilig genannt wurde. Sie kam einfach nicht aus ihrer Haut.

Erik bog in den Kreisverkehr vor dem Lister Hafen ein. Carolin war bereits wieder verstummt, Felix dagegen überlegte laut, welche berühmte Band mit einem Gitarristen wie Klaas Poppinga noch erfolgreicher geworden wäre, und Mamma Carlotta fiel prompt ein Bewohner ihres italienischen Dorfes ein, der trotz seiner außergewöhnlichen Attraktivität nicht glücklich geworden war. „Eine Ehefrau hatte Romero zwar, aber er konnte einfach nicht treu sein. Wie auch, wenn die Frauen ihm ständig schöne Augen machten? Irgendwann wurde es Rosita zu viel, und sie hat ihn rausgeworfen. Kurz darauf hat er sich von der Frau seines Chefs verführen lassen, und damit verlor er auch seine Anstellung. Madonna, er soll am Ende auf der Straße gelandet sein! Und wie man hört, ist das seinem Aussehen gar nicht gut bekommen.“

Erik warf einen Blick zur Seite auf die vibrierenden dunklen Locken seiner Schwiegermutter, ihre braunen Augen, in denen stets Neugier und Abenteuerlust blitzten, und sah schnell wieder nach vorn, als er die kurzen, schnellen Bewegungen ihres Kopfes wahrnahm, die flinken Blicke, die überall und ständig woanders waren. Dass Mamma Carlotta pausenlos in Bewegung war, machte ihn nervös. Eigentlich war er es ja von Lucia gewöhnt. Auch seine Frau hatte nicht still sitzen können und in den ersten Jahren ihres Zusammenlebens sogar versucht, auch ihn zur Eile anzutreiben. Richtig glücklich war seine Ehe erst geworden, als Lucia endlich einsah, dass ein Friese sein Tempo nicht veränderte, nur weil die Zeit knapp war. Danach hatte nicht nur Lucia sein Phlegma, sondern er auch ihr quirliges Temperament ertragen können, was ihm bei Mamma Carlotta nach wie vor schwerfiel. Lucia war eben seine Frau gewesen, die Frau, die er liebte, an der er alles liebte, auch das, was ihm bei seiner Schwiegermutter auf die Nerven ging. Lucia hatte nichts falsch machen können. Das italienische Temperament, das Erik bei Mamma Carlotta anstrengte, hatte zu Lucia gehört wie ihre schönen dunklen Augen und ihre überwältigende Emotionalität.

Wie immer, wenn Erik nachdenklich war, fuhr er sehr bedächtig, denn Grübeleien und hohes Tempo passten für ihn nicht zusammen. Noch etwas, das Lucia erst nach Jahren hatte akzeptieren können, die mit Brüdern aufgewachsen war, die ihre Männlichkeit über die Pferdestärken ihrer Autos bezogen. Auch seine Schwiegermutter wurde gelegentlich nervös, wenn er nicht, wie jeder italienische Macho, das Gaspedal durchdrückte. Aber jetzt war sie zufrieden, weil sie Zeit hatte, sich umzusehen, denn List, den nördlichsten Ort von Sylt, kannte sie noch nicht.

Im Kreisverkehr blitzte das Meer hinter der Mauer der Strandpromenade auf, blau gewellt, unter einem ebenso blauen Himmel, der mit weißen Wolken betupft war. Der Blick war hier ohne Grenzen, er konnte bis zum Horizont fliegen, wo das Meer sich mit dem Himmel verband.

Mamma Carlotta begann prompt zu jubeln. „Meraviglioso, dieses eisige Licht! Und das im Hochsommer! So kalt ist das Sonnenlicht in Umbrien nur im Winter!“ Sie wies mit überschäumender Geste zum Meer. „Das Ende der Welt! Nur noch il mare!“

Erik wurde von den fuchtelnden Armen seiner Schwiegermutter durcheinandergebracht, wollte einwenden, dass der nördlichste Zipfel Deutschlands nicht das Ende der Welt bedeute, musste aber gleichzeitig rechts abbiegen und bewies, dass Multitasking nicht sein Ding war. Er erwischte prompt die Ausfahrt aus dem Kreisverkehr, die den Reisebussen vorbehalten war.

„Nächste Ausfahrt!“, schrie Felix, was Erik derart erschreckte, dass er auf die Bremse trat. Der Kleinbus, der hinter ihnen abgebogen war, hatte nicht mit der Vollbremsung rechnen können und kam nur mit quietschenden Reifen zum Stehen. Allerdings nicht rechtzeitig. Der Ruck, der durch Eriks Wagen ging, ließ Böses vermuten.

Der Fahrer des Kleinbusses war kein gebürtiger Friese. Er sprang mit einer Behändigkeit aus dem Wagen, die Erik selbst als Zwanzigjähriger nicht aufgebracht hätte, und stand schon neben der Fahrertür, als Erik sich gerade abgeschnallt hatte. Von dem Redeschwall, der auf ihn herabprasselte, als er die Tür öffnete, verstand er kein Wort. Er war nur froh, dass der Mann durch das Öffnen der Tür zurückgedrängt wurde und ihn so nicht tätlich angreifen konnte, was Erik andernfalls befürchtet hätte.

Wortlos ging er nach hinten, betrachtete das Heck seines Wagens, das ihm unversehrt erschien, dann die Stoßstange des Kleinbusses, die ihm ebenso unversehrt erschien, und kam zu dem Schluss, dass er an jemanden geraten war, der aus einer Lappalie einen größeren Schaden machen wollte, um sein überaltertes Fahrzeug auf Kosten einer Versicherung gründlich überholen lassen zu können. Dem Kerl war anscheinend nicht klar, dass er schuld an diesem Unfall war. Schließlich hatte er den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten.

Erik fingerte in der Innentasche seiner Jacke nach seinem Dienstausweis, um den aufgeregten Mann in seine Schranken zu weisen, ehe dieser auf die Idee kam, mit der Polizei zu drohen.

Aber er kam nicht dazu. Seine Schwiegermutter hatte sich der Angelegenheit bereits angenommen, und erst jetzt wurde ihm klar, warum er den Fahrer des Kleinbusses nicht verstanden hatte. Wie alle Italiener hatte der Mann in seiner Aufregung vergessen, dass er sich im deutschen Sprachraum aufhielt, und seiner Wut Ausdruck verliehen, als hätte sich der kleine Unfall im Hafen von Neapel oder Palermo zugetragen. Dass ihm mit gleichen Vokabeln heimgezahlt wurde, schien er zunächst gar nicht zu bemerken. Als es ihm schließlich klar wurde, war er derart verblüfft und gleichzeitig hocherfreut, dass die Wut von ihm abfiel, als hätte es sie nie gegeben. „Una italiana?“

Erik steckte seinen Dienstausweis zurück, sah zu, wie die beiden, die als Kontrahenten aufeinander zugegangen waren, sich verbrüderten, schritt nicht ein, als seine Schwiegermutter an der breiten Brust des Busfahrers landete, lehnte sich gegen seinen Wagen, während die beiden sich über ihre Geburtsorte informierten, und stöhnte nur ganz leise, als seine Schwiegermutter feststellte, dass der Busfahrer in einem Ort das Licht der Welt erblickt hatte, in dem der Pfarrer ihres Dorfes das Wort Gottes verkündet hatte, ehe er nach Panidomino versetzt worden war. Die beiden kamen in Sekundenschnelle überein – das verstand Erik trotz seiner dürftigen Italienischkenntnisse –, dass der Pfarrer mit großer Wahrscheinlichkeit die fromme Familie des Busfahrers kannte und diese Tatsache unbedingt zur Sprache kommen musste, wenn Mamma Carlotta nach Umbrien zurückgekehrt war. Denn natürlich würden sich alle wahnsinnig freuen, wenn eine alte Bekanntschaft aufgefrischt werden konnte, und dass dies ausgerechnet am nördlichsten Zipfel von Deutschland in Gang gebracht worden war, würde in jedem der beiden Dörfer für Ergriffenheit sorgen. Dass diese sich erst nach mehrtägigen Freudenfesten auf der Piazza auflösen würde, erschien beiden, Mamma Carlotta und dem Busfahrer, sehr wahrscheinlich.

Erik machte sich nun nicht mehr die Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Immer diese Übertreibungen! Jeder der beiden wusste, dass Mamma Carlotta den Fahrer vergessen haben würde, wenn sie nach Italien zurückkehrte, und der Busfahrer musste sich darüber im Klaren sein, dass das Interesse des Pfarrers an der Wiederbelebung einer längst vergessenen Bekanntschaft möglicherweise gering war. Warum also dieses Theater? Erik betrachtete kopfschüttelnd die beiden, die sich aufführten, als schnappten sie vor Freude über. Schrecklich, diese Italiener! Ein Friese meinte, was er sagte, und sagte, was er meinte. Dass Italiener sich gegenseitig etwas vormachten und darüber auch noch glücklich waren, würde er nie verstehen. Aber zum Glück war nicht mehr die Rede davon, dass Eriks Bremsmanöver derart unerwartet gekommen war, dass kein Autofahrer damit hatte rechnen können und er deswegen schuld an dem Unfall war.

Mamma Carlotta wickelte sich in ihre Strickjacke und ließ sich freudestrahlend vor der Fischhalle unter einem roten Sonnenschirm nieder. Neben ihr Erik, der erst umständlich seine Hose glatt strich, ehe er sich setzte, ihre Enkel auf der anderen Seite des schmalen Tisches. Sie genoss die Situation so sehr, dass sie sogar darauf verzichtete, Felix zu ermahnen, nicht mehr an seinem Ohrring zu drehen, und Carolin zu bitten, die Haarsträhne von ihrem linken Auge zu entfernen, damit sie nicht irgendwann zu schielen begann. Mamma Carlotta bekam selten die Gelegenheit, auswärts zu essen, und an Ausflügen konnte sie sich auch nicht oft erfreuen. Beides vermisste sie nicht, weil sie mit ihrem Alltag zufrieden war und nie mehr hatte haben wollen, als sie tatsächlich besaß. Vielleicht konnte sie es deswegen mit so großer Freude genießen, wenn ihr das Leben etwas bot, und dann sogar von unverdientem Luxus sprechen.

Der große Platz dehnte sich vor ihr aus, der Blick nach rechts auf die alte Tonnenhalle wurde nur durch die vielen Urlauber gestört, die über den Platz flanierten.

„Was sind das für Tonnen, Enrico“, fragte Mamma Carlotta, „die in der Tonnenhalle gelagert wurden? Für Matjes oder Rum?“

Erik lachte, Carolin öffnete den Mund, um zu antworten, aber Felix war schneller. „Tonnen sind Seezeichen, Nonna! Sieh doch, vor dem Eingang von Gosch! Die alte, verrostete Tonne!“

Mamma Carlotta betrachtete sie ausgiebig, lobte Felix’ Sachverstand und entdeckte dann direkt gegenüber, in der flachen Ladenzeile, ein italienisches Eiscafé. Links wimmelte es von Menschen, die zum Fähranleger wanderten oder auf ein Ausflugsboot warteten. „Fantastico!“

Die Menschen, die sie beobachtete, waren alle gut gekleidet, und sie war froh, sich für das neue rote Kleid entschieden zu haben, für das sie sich in Panidomino bei ihren gleichaltrigen Nachbarinnen würde entschuldigen müssen. In ihrem Dorf trug eine Frau ihres Alters kein rotes Kleid. Sie würde lange reden müssen, bis man ihr glaubte, dass auf Sylt andere Regeln galten, dass man dort in einer schwarzen Kittelschürze genauso auffiel wie auf der Piazza eines umbrischen Bergdorfes in einem roten Kleid.

Die Weite, die Sonne, der kühle Wind, all das, was Sylt ausmachte und was sie inzwischen lieben gelernt hatte, gab es hier im Übermaß. Mamma Carlotta fragte sich nicht, warum es trotz der vielen Menschen so still war, warum der Akkordeonspieler durch die Reihen ging, ohne dass jemand mitsang oder zu seiner Musik tanzte, und Fremde nebeneinandersaßen, ohne sich bekannt zu machen und darüber zu debattieren, welche Zutaten der Koch für das Scampi-Risotto verwendet hatte. Sie wusste mittlerweile, dass die Deutschen anders waren als ihre Landsleute, erst recht die Norddeutschen, die wie Erik schmerzhaft das Gesicht verzogen, wenn in ihrer Gegenwart laut gelacht wurde. Aber schön war es hier trotzdem. „Magnifico!“

Felix und Carolin erklärten sich bereit, zur Theke zu gehen und für Getränke zu sorgen, während Mamma Carlotta und ihr Schwiegersohn die Speisekarte studierten.

Erik brauchte nicht lange zu überlegen. Seine Wahl fiel auf ein gebratenes Fischfilet mit Kartoffelsalat.

Mamma Carlotta verzog das Gesicht. „Panierter Fisch? Und Patate mit matschiger Mayonnaise?“ Sie schüttelte sich.

Aber Erik grinste nur. „Lucia wollte mir auch nie Fischfilet mit Kartoffelsalat machen. Nur, wenn ich beim Fisch auf die Panade verzichtete und sie den Kartoffelsalat auf italienische Art zubereiten durfte.“

Mamma Carlotta nickte. „Mit Aceto e Olio.“

Sie waren unterschiedlicher Meinung, aber dennoch zufrieden. Mamma Carlotta fühlte sich sogar derart wohl, dass sie auf die mimische Darstellung ihres Ekels verzichtete, als ihre Enkel sich für Fischbrötchen entschieden. Ein feuchter Brathering, zusammen mit riesigen Zwiebelringen in zwei Brötchenhälften eingeklemmt, das war für sie beinahe noch schlimmer als Labskaus oder Grünkohl.

Kurz darauf pries sie die Spaghetti mit Lachs und Basilikums0ße und vermied es, Erik beim Verzehr des Kartoffelsalates und Felix bei dem Versuch zuzusehen, von seinem Fischbrötchen abzubeißen, ohne dass ihm die Zwiebelringe in den Schoß fielen. Sie verzichtete sogar auf eine Bemerkung, als sie sah, dass Carolin eine der Haarsträhnen zwischen die Zwiebelringe geriet, die sie morgens sorgfältig aus ihrer aufgetürmten Frisur löste und unter Zuhilfenahme von viel Gel vom Haaransatz zur Kinnspitze bog, als wären sie mit Blumendraht verstärkt worden.

„Delizioso!“, rief Mamma Carlotta. Und ohne ihren Schwiegersohn anzusehen, fragte sie: „Warst du mit Lucia häufig hier?“

Erik strich sich den Schnauzer glatt, das einzig Extravagante an ihm. Er starrte eine Weile sein Fischfilet an, dann erst sagte er: „Noch am Tag vor dem Unfall. Das Wetter war nicht so gut wie heute. Deswegen haben wir auf dem Hafendeck gegessen. Lucia hatte es das erste Mal mit Sushi versucht. Aber es hat ihr nicht geschmeckt.“

Zwischen den weißen Wölkchen am Himmel tauchte eine dunkle auf, senkte sich über den Tisch und ließ die Familie verstummen, deren Erinnerungen ihr fünftes Familienmitglied in ihre Mitte geholt hatte. Erik stocherte in seinem Kartoffelsalat herum, Carolin zupfte die Zwiebelringe aus ihrem Fischbrötchen, während Felix so lange hustete, bis alle glaubten, dass er sich verschluckt hatte. Keiner von ihnen sprach aus, was er dachte, niemand erwähnte den Lkw-Fahrer, der die Gewalt über sein Fahrzeug verloren hatte, als Lucia ihm zwischen Niebüll und der Verladerampe entgegengekommen war. Jeder von ihnen war froh über die Ablenkung, als jemand rief: „Die Arabella liegt auf Reede!“

Mamma Carlotta ließ die aufgewickelten Spaghetti sinken und machte einen langen Hals. „›Arabella‹? Was soll das sein?“

„Ein Kreuzfahrtschiff“, antwortete Erik. „Es kommt von Hamburg und legt alle zwei Wochen vor Sylt an. Jedenfalls in der Hochsaison. Danach fährt es nach Amsterdam, Southampton und Guernsey, dann weiter bis Lissabon.“

„Das Schiff ist zu groß für den Lister Hafen?“, fragte Mamma Carlotta mit fachkundiger Miene.

Erik bestätigte es. „Die Passagiere, die die Insel besichtigen wollen, kommen mit Tenderbooten an Land.“

„Und heute Abend“, ergänzte Felix, „gibt’s in der Sansibar eine wilde Party. Nur für die ›Arabella‹-Passagiere.“

Mamma Carlotta hielt es nicht lange auf ihrem Platz. Als sie gegessen und getrunken hatte, wurde sie unruhig und rutschte auf der Bank hin und her. „Wo legen die Tenderboote an? Ich würde gerne die Menschen sehen, die sich eine solche Kreuzfahrt leisten können.“

Erik seufzte und stemmte sich in die Höhe. „Das sind ganz normale Leute. Die Zeiten sind vorbei, in denen auf Kreuzfahrtschiffen nur Millionäre saßen.“

Aber Mamma Carlotta weigerte sich, ihm zu glauben. Und damit Erik das prächtige Bild nicht zerstören konnte, das sie sich vom Kreuzfahren machte, seit sie von der Titanic gehört hatte, ließ sie ihn einfach nicht mehr zu Wort kommen. „Lasst uns nachschauen, wo die Tenderboote anlegen. Prego!“

Erik konnte sich nicht einmal über die Aufregung seiner Schwiegermutter amüsieren. Darüber, dass sie tatsächlich ernüchtert war, als Passagiere aus dem Tenderboot stiegen, die weder nach Adel noch nach Reichtum aussahen, konnte er nur den Kopf schütteln. Dann aber sagte er sich, dass es kein Wunder war, dass sie die Welt, die sie nicht kannte, mit den Augen eines großen Kindes sah. Sie war in einem winzigen Bergdorf in Umbrien geboren und aufgewachsen, hatte dort mit sechzehn Jahren geheiratet und sieben Kinder zur Welt gebracht. Dann war sie durch die jahrelange Pflege ihres Mannes ans Haus gefesselt gewesen und hatte sich schließlich, erst nach seinem Tod, das erste Mal aus ihrem Leben herausgetraut, indem sie nach Sylt reiste, um die Familie ihrer verstorbenen Tochter zu besuchen. War es da ein Wunder, dass in ihr noch die Märchen schlummerten, an die erwachsene Frauen eigentlich nicht mehr glaubten?

Er zog seine Pfeife heraus und setzte sie umständlich in Brand. Dass er dabei die Augen überall hatte, fiel niemandem auf. Dann trat er einen Schritt zurück, um heimlich die Besatzungsmitglieder zu beobachten, die die Passagiere an Land gebracht hatten und ihnen nun beim Aussteigen halfen. Auch diejenigen betrachtete er genau, die unter dem kleinen Pavillon warteten, der an der Stelle aufgebaut worden war, an der die Tenderboote anlegten und wieder abfuhren. Dort fanden sich bereits die ersten Passagiere wieder ein, um an Bord zurückzukehren, mussten ihre Bordkarten vorzeigen und ihre Hände desinfizieren. Warum das nötig war, konnte Erik seiner Schwiegermutter nicht erklären, aber er wusste, dass es üblich war, denn er hatte es schon häufig beobachtet. „Vermutlich, damit niemand eine Krankheit an Bord schleppt.“

Die ›Arabella‹ lag seit dem frühen Morgen auf Reede, viele Passagiere waren gleich nach dem Frühstücken zu einer Fahrt über die Insel aufgebrochen und kamen jetzt zurück, um das Mittagessen an Bord einzunehmen. Weder die Kinder noch Mamma Carlotta wussten, dass Erik aus gutem Grunde gerade heute mit ihnen diesen Ausflug gemacht hatte. Jedes Mal, wenn das Kreuzfahrtschiff vor List auf Reede ging, läuteten im Polizeirevier die Alarmglocken. Noch immer war der ›Arabella-Dieb‹, wie er polizeiintern genannt wurde, nicht gefasst worden. Und vermutlich würde es auch diesmal so sein, dass während der Zeit, in der Passagiere und Besatzungsmitglieder der ›Arabella‹ sich auf Sylt aufhielten, Wertsachen und große Geldbeträge gestohlen wurden. Schon seit dem Morgen galt erhöhte Aufmerksamkeit unter den Beamten.

Am Abend zuvor hatte Erik einen Anruf von der Staatsanwältin erhalten. Wie immer hatte sie darauf verzichtet, sich mit ihrem Namen zu melden oder das Telefongespräch zumindest mit einem kurzen Gruß zu beginnen. „Es ist wieder so weit, Wolf! Ich hoffe, Sie finden endlich eine Spur.“

Erik hatte geseufzt. Nicht nur, weil er mit den Ermittlungen nicht weiterkam, sondern auch, weil ihm der militärisch knappe Redestil der Staatsanwältin zusetzte. „Ich wäre schon froh, wenn sich ein Indiz ergäbe, das eindeutig auf die ›Arabella‹ weist. Dann könnten Sie endlich einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen.“

Aber dazu war es bisher nicht gekommen. Und die Staatsanwältin hatte natürlich recht, wenn sie sagte, dass die Beweislage nicht ausreichte. Der Kapitän weigerte sich verständlicherweise, das Schiff durchsuchen zu lassen, denn er wollte keine Unruhe unter den Passagieren stiften und vor allem die Abfahrtszeiten nicht verzögern. Er war auch nicht bereit, Auskünfte über die Besatzung zu geben, und behauptete, er könne für seine Leute die Hand ins Feuer legen. Allein die Tatsache, dass es auf Sylt immer dann zu Einbrüchen kam, während die ›Arabella‹ vor List auf Reede lag, war kein hinreichendes Indiz, erst recht kein Beweis.

„Der Kerl weiß genau, wo was zu holen ist. Das muss einer sein, der sich auf Sylt auskennt.“

Damit hatte sie Erik nichts Neues gesagt. Und wenn er der Staatsanwältin versicherte, dass längst alle infrage kommenden Inselbewohner gecheckt worden waren, so war das ebenfalls nicht neu. „Aber da wir keinen Einblick in die Besatzungsliste der ›Arabella‹ nehmen können, hilft uns das nicht weiter. Manchmal frage ich mich sogar, ob es reiner Zufall ist, dass die Diebstähle immer dann geschehen, wenn die ›Arabella‹ auf Reede liegt.“

„Unsinn, Wolf!“ Die Stimme der Staatsanwältin hatte ungehalten geklungen. „Irgendeinen Zusammenhang muss es geben. Und es wird Zeit, dass Sie endlich dahinterkommen.“

Erik hatte ihr schon oft vorgeschlagen, die Bevölkerung zu warnen, damit sie in diesen Tagen besonders vorsichtig war, aber Frau Dr. Speck hatte davon nichts hören wollen. „Die Pferde scheu machen? Unmöglich! Und was meinen Sie, was uns der Kapitän erzählt, wenn er das hört? Verleumdung wäre noch das freundlichste Wort, das er uns an den Kopf werfen würde!“

Bevor er mit der Familie nach List aufgebrochen war, hatte Erik mit Sören Kretschmer, dem jungen Kommissar, mit dem er schon seit Jahren zusammenarbeitete, über den Fall gesprochen. „Es muss einen Zusammenhang mit der ›Arabella‹ geben“, hatte auch Sören gesagt. „Das kann kein Zufall sein.“

Anfang April war es zum ersten Mal geschehen. Im A-Rosa-Hotel war aus dem Büro ein beträchtlicher Geldbetrag verschwunden, der ein paar Minuten später in den Tresor gewandert wäre. Zwei Wochen später hatte ein Gast desselben Hotels den Diebstahl von zwanzigtausend Euro angezeigt. Nach dem nächsten Einlaufen der ›Arabella‹ war, nur eine Stunde nachdem das erste Tenderboot angelegt hatte, in den Zweitwohnsitz eines reichen Berliners eingebrochen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, entwendet worden. Damals war der Name Arabella-Dieb entstanden, dem der Gesuchte seitdem alle Ehre machte. Auch in dieser Woche hatte es einen Einbruch in eine Ferienvilla gegeben. Drei kostbare Armbanduhren, zwei Fotoapparate, ein Handy und jede Menge Bargeld waren gestohlen worden. Und die Spuren, die gesichert werden konnten, hatten keine Hinweise auf den Täter gegeben. Alles wie immer!

Sören war Eriks Meinung gewesen. „Wir müssen endlich was finden, womit sich der Verdacht gegen die Arabella-Besatzung erhärtet. Wir brauchen ein handfestes Indiz, das einen Durchsuchungsbeschluss rechtfertigt. Der Kapitän muss gezwungen werden, uns die Arbeitspläne der Besatzung vorzulegen. Wir müssen endlich wissen, wer wann von Bord geht, wenn das Schiff vor Sylt liegt.“

Erik stellte sich vor, was passieren würde, wenn ein Dutzend Polizisten an Deck der ›Arabella‹ aufmarschierte. „Das Indiz muss schon sehr handfest sein“, hatte er gesagt, und seine Stimme hatte verzagt geklungen.

Dass Sören Kretschmer den Verdacht geäußert hatte, es könne sich beim Arabella-Dieb auch um einen Passagier handeln, hatte Erik gegenüber der Staatsanwältin unerwähnt gelassen. Wenn er ihr auch gern möglichst viele Überlegungen präsentierte, so hatte er Sörens Einwand genauso unwillig abgeschüttelt, wie Frau Dr. Speck es getan hätte. „Kein Passagier fährt Woche für Woche dieselbe Strecke. Es muss sich um ein Besatzungsmitglied handeln.“

Erik löste sich von seinen schweren Gedanken, als er mitbekam, dass in seiner Nähe ein Streit entbrannte. Felix war davon überzeugt, dass Michael Breitkopf, der Gitarrist der Toten Hosen, dem er nacheiferte, niemals eine Kreuzfahrt antreten würde. „Das ist dem viel zu dekadent.“

Carolin zog ihre Haarsträhnen zur Seite, als wollte sie einen Vorhang öffnen und ihrer Miene einen großen Auftritt verschaffen. „Punkrock wollen Kreuzfahrer sowieso nicht hören.“

„Auch privat würde Breiti niemals einen Fuß auf ein Kreuzfahrtschiff setzen“, beharrte Felix.

„Mit zerrissenen Jeans käme der auch gar nicht in den Speisesaal.“ Carolin wies auf Felix’ Jeans mit den Löchern auf dem rechten Oberschenkel, die er zum Entsetzen seiner Großmutter cool nannte und ihr auf keinen Fall in den Flickkorb legen wollte. „Du übrigens auch nicht.“

„Als wenn ich das wollte“, gab Felix verächtlich zurück. „Kreuzfahrten sind ja so was von megaspießig.“

„Finito!“, ging seine Großmutter dazwischen. „Ihr könnt davon halten, was ihr wollt, ich würde gerne mal auf der ›Arabella‹ mitfahren.“

Erik sah auf die Uhr. „Ich muss zurück.“ Er hängte seine Pfeife in den rechten Mundwinkel, stieß kleine Rauchwolken aus und wartete auf verständnisvolle Zustimmung.

Mamma Carlotta strich sich ihr rotes Kleid glatt und ordnete mit ein paar Handgriffen ihre Frisur. „Aber wir machen noch einen Besuch bei diesem attraktiven Bäcker? Der uns zum Kaffee eingeladen hat?“

Gisa Pauly

Über Gisa Pauly

Biografie

Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch „Mir langt’s – eine Lehrerin steigt aus“. Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien....

Medien zu „Sonnendeck (Mamma Carlotta 9)“
Pressestimmen
irveliest.wordpress.com

„Der interessant konzipierte Kriminalfall, gewürzt mit einem netten Sylter Inselfeeling, dazu die mit viel Herz gestalteten Charaktere, ließ mein büchersüchtiges Herz mit der Sonne um die Wette strahlen.“

Hamburger Morgenpost

„Mit viel Humor!“

Ruhr Nachrichten

„Eine wunderbare Urlaubslektüre. Kleines Schmankerl für Carlotta-Fans: die Rezepte aus Italien im Anhang.“

wir-besprechens.de

„Humor, Krimi und ganz besondere italienische Momente bekommt man hier geboten und das Buch bietet sich als unterhaltsame Urlaubslektüre an.“

Westdeutsche Allgemeine

„Eine spannende und mitreißende Geschichte, der es aber auch an Humor nicht fehlt.“

Kommentare zum Buch
Sonnendeck
cybersyssy / LovelyBooks am 07.10.2015

Es ist ein bisschen Krimi, Liebes-Familien-Freundschafts-Roman ... also eine bunte Mischung. Dieser Leseeindruck ist ursprünglich auf www.lovelybooks.de erschienen.

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