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Spinnentanz (Elemental Assassin 2)Spinnentanz (Elemental Assassin 2)

Spinnentanz (Elemental Assassin 2) Spinnentanz (Elemental Assassin 2) - eBook-Ausgabe

Jennifer Estep
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Elemental Assassin 2

„›Spinnentanz‹ mit seiner ungewöhnlichen und polarisierenden Protagonistin bietet actionreiche Urban-Fantasy-Spannung und macht Lust auf mehr.“ - www.media-mania.de

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Spinnentanz (Elemental Assassin 2) — Inhalt

Zwar hat sich die erfolgreiche Auftragsmörderin Gin Blanco offiziell zur Ruhe gesetzt, doch der Ärger reißt einfach nicht ab: Als zwei Punks versuchen, Gins Restaurant auszurauben, fallen Schüsse – doch ungewöhnlicherweise ist nicht „Die Spinne“ ihr Ziel, sondern ihr Protegé Violet Fox. Gin muss herausfinden, wer hinter dem Angriff steckt und warum. Wenn sexy Detective Caine sie nur nicht ständig ablenken würde! Als dann auch noch ein anderer Mann ins Spiel kommt, wird dem Steinelementar Gin trotz ihrer Eismagie richtig heiß ...

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 04.10.2016
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
448 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-28094-5
Download Cover
€ 2,99 [D], € 2,99 [A]
Erschienen am 14.04.2014
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
448 Seiten
EAN 978-3-492-96667-2
Download Cover

Leseprobe zu „Spinnentanz (Elemental Assassin 2)“

1


„Stehen bleiben! Keine Bewegung! Das ist ein Überfall.“

Wow. Gleich drei Klischees hintereinander. Hier mangelte es jemandem ganz eindeutig an Phantasie.

Aber die gebrüllten Drohungen hatten dafür gesorgt, dass ein kleiner Schrei erklang. Ich seufzte. Schreie waren immer schlecht fürs Geschäft. Das bedeutete, dass ich den Ärger, der gerade in mein Restaurant gestiefelt war, nicht ignorieren konnte – und mich auch nicht auf die schnelle, gewalttätige Weise darum kümmern konnte, die ich bevorzugt hätte. Ein Steinsilber-Messer ins Herz reichte normalerweise [...]

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1


„Stehen bleiben! Keine Bewegung! Das ist ein Überfall.“

Wow. Gleich drei Klischees hintereinander. Hier mangelte es jemandem ganz eindeutig an Phantasie.

Aber die gebrüllten Drohungen hatten dafür gesorgt, dass ein kleiner Schrei erklang. Ich seufzte. Schreie waren immer schlecht fürs Geschäft. Das bedeutete, dass ich den Ärger, der gerade in mein Restaurant gestiefelt war, nicht ignorieren konnte – und mich auch nicht auf die schnelle, gewalttätige Weise darum kümmern konnte, die ich bevorzugt hätte. Ein Steinsilber-Messer ins Herz reichte normalerweise aus, um sich den meisten Ärger vom Leib zu halten. Dauerhaft. Aber nicht in meinem eigenen Laden.

Also hob ich meine grauen Augen von der Taschenbuchausgabe der Odyssee, in der ich gerade las, um zu sehen, was der ganze Aufruhr eigentlich sollte.

Zwei Männer Mitte zwanzig standen in der Mitte des Pork Pit und wirkten zwischen den blauen und pinkfarbenen Plastik-Sitznischen des Restaurants vollkommen fehl am Platz. Das dynamische Duo war in schwarze Trenchcoats gehüllt, die über dünne T-Shirts hingen und um zerrissene Jeans wehten. Keiner von beiden trug Mütze oder Handschuhe, und die Kälte des Herbstes hatte ihre Ohren und Finger leuchtend rot gefärbt. Ich fragte mich, wie lange sie wohl draußen gewartet hatten, um den nötigen Mut zu sammeln und die einfallslosen Forderungen zu stellen.

Wasser tropfte von ihren Stiefeln und bildete Pfützen auf den verblassten blauen und pinkfarbenen Schweineklauenspuren, die sich über den Boden des Restaurants zogen. Ich beäugte die Schuhe der Männer: teures schwarzes Leder, dick genug, um gegen die Novemberkälte zu bestehen. Keine Löcher, keine Risse, keine fehlenden Schnürbänder. Diese beiden waren nicht wie die üblichen verzweifelten Junkies auf der Suche nach schnellem Geld. Nein, sie hatten Kohle – jede Menge davon, wenn man den teuren Schuhen, den Marken-Shirts und den Designerjeans Glauben schenken durfte. Diese reichen Punks wollten mein Barbecue-Restaurant einfach nur ausrauben, weil es ihnen einen Kick verschaffte.

Es war die dümmste Entscheidung ihres Lebens.

„Niemand bewegt sich!“, sagte der eine Kerl, als hätten wir ihn beim ersten Mal nicht gehört.

Er war ein bulliger Mann mit stacheligem blondem Haar, das von irgendeinem glänzenden Gel gehalten wurde. Wahrscheinlich hatte in der Vergangenheit mal ein Riese in der Familie mitgemischt, zumindest schloss ich das nach einem Blick auf seine Körpergröße und die massigen Hände. Obwohl er schon über zwanzig sein musste, hatte er noch Babyspeck im Gesicht, was ihn aussehen ließ wie ein aufgeweichtes Marshmallow. Die braunen Augen des Kerls huschten durch das Restaurant und registrierten alles, von den Baked Beans, die auf dem Herd vor sich hin schmurgelten, über die zischende Fritteuse bis hin zur zerfledderten Ausgabe von Eigentlich hätte es ein herrlicher Sommertag werden können, die hinter der Registrierkasse an der Wand hing.

Dann richtete der Muskelprotz seine Aufmerksamkeit auf die Leute im Pork Pit, um sicherzustellen, dass alle seinen Befehlen Folge leisteten. Es waren nicht allzu viele Gäste da. Montags lief das Geschäft oft mittelmäßig, und heute war es dank des kalten Windes und des peitschenden Regens noch schlimmer gewesen. Die einzigen anderen Leute im Restaurant neben mir und den Möchtegernräubern waren meine Zwergenköchin Sophia Deveraux und zwei Frauen im Collegealter in engen Jeans und Shirts. Insgesamt waren ihre Klamotten denen der Diebe nicht unähnlich.

Die Frauen saßen wie erstarrt mit weit aufgerissenen Augen an ihrem Tisch, ihre Steaksandwiches hielten sie noch in der Luft. Sophia stand neben dem Herd und beobachtete mit gelangweiltem Blick die Bohnen im Topf. Sie grunzte einmal und rührte dann mit einem Metalllöffel darin herum. Sophia ließ sich von so gut wie nichts aus der Ruhe bringen.

Der erste Kerl hob die Hand. In seinen roten aufgesprungenen Fingern glitzerte die Klinge eines kleinen Messers.

Mein Mund verzog sich zu einem harten dünnen Lächeln. Ich mochte Messer.

„Beruhige dich, Jake“, murmelte der zweite Kerl. „Es gibt keinen Grund zu brüllen.“

Ich sah ihn an. Während sein Kumpel blond und bullig war, präsentierte sich Räuber Nummer zwei klein und klapperdürr. Seine wenigen Haare standen aufgrund von offensichtlich unkontrollierbaren Wirbeln in alle Richtungen ab, nicht weil er irgendwelches Zeug hineingeschmiert hatte. Die Locken waren so leuchtend rot, dass er den Spitznamen „Karotte“ geradezu herausforderte.

Karotte schob seine Hände in die Hosentaschen, trat von einem Fuß auf den anderen und starrte auf den Boden. Es war deutlich, dass er überall sein wollte, nur nicht hier. Im besten Fall war er ein widerwilliger Handlanger und hatte wahrscheinlich versucht, seinem Kumpel das Ganze auszureden.

Er hätte sich mehr anstrengen sollen.

„Keine Namen, Lance. Erinnerst du dich?“, knurrte Jake mit einem bösen Blick auf seinen Freund.

Lance’ Körper zuckte bei der Nennung seines eigenen Namens zusammen, als hätte ihm jemand einen Taser an den Körper gedrückt. Sein Mund klappte entgeistert auf, aber er verkniff sich einen weiteren Kommentar.

Ich benutzte eine der Kreditkartenabrechnungen des Tages als Lesezeichen in der Odyssee. Dann schloss ich das Buch, richtete mich auf, glitt von meinem Hocker und trat um den langen Tresen herum, der sich an der hinteren Wand des Pork Pit entlangzog. Es war Zeit, den Müll rauszubringen.

Der erste Kerl, Jake, bemerkte aus dem Augenwinkel meine Bewegung. Doch statt mich anzugreifen, wie ich es erwartet hätte, bewegte sich der Halbriese nach links, um eine der jungen Frauen von der Bank zu reißen – das Latino-Fräulein mit Kurzhaarschnitt. Sie schrie, das Steaksandwich flog ihr aus der Hand und klatschte gegen das große Fenster zur Straße. Die Barbecuesoße, die an der Scheibe nach unten floss, sah aus wie zähflüssiges Blut.

„Lass sie in Ruhe, du Arschloch!“, schrie die andere Frau.

Sie sprang auf und stürzte sich auf Jake, der ihr mit dem Handrücken eine saftige Ohrfeige verpasste. Er mochte ja nur ein Halbriese sein, trotzdem lag genug Kraft in dem Schlag, dass die Frau von den Füßen gerissen und gegen einen Tisch geschleudert wurde. Sie rutschte über ihn hinweg und knallte auf den Boden – und zwar hart. Ein tiefes Stöhnen war zu hören.

Zu diesem Zeitpunkt begann Sophia Deveraux, sich ein wenig mehr für die aktuellen Vorgänge im Restaurant zu interessieren. Die Zwergin trat neben mich. Die silbernen Totenköpfe, die von dem schwarzen Lederhalsband hingen, klimperten wie ein Windspiel. Die Schädel passten zu dem Aufdruck auf ihrem schwarzen T-Shirt.

„Du rechts“, murmelte ich. „Ich übernehme links.“

Sophia grunzte und ging zum anderen Ende des Tresens, wo die Frau gelandet war.

„Lance!“ Jake deutete mit dem Kinn auf die Verletzte und Sophia. „Pass auf die Nutten auf!“

Lance leckte sich über die Lippen. Sein Gesicht bot ein Bild des Jammers, aber er huschte zu der verletzten Frau, die sich auf Hände und Knie aufgerappelt hatte. Sie schob sich die blauschwarzen Strähnen aus dem Gesicht, und in ihren blauen Augen stand reiner Hass. Sie war eine Kämpferin.

Doch Lance bemerkte ihren giftigen Blick nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, Sophia anzustarren. Die Zwergin war schon ein Grufti gewesen, bevor Gruftis cool waren – ungefähr vor hundert Jahren, vielleicht aber auch länger. Zusätzlich zu dem Totenkopfhalsband und passendem T-Shirt trug Sophia Deveraux schwarze Jeans und Stiefel. Ihre Lippen waren in scharfem Kontrast zu dem schwarz glitzernden Lidschatten und der natürlichen Blässe ihres Gesichtes pink angemalt. Hellrosafarbene Strähnchen leuchteten in ihren kurzen schwarzen Locken.

Jake schien von diesem Anblick nicht beeindruckt. Er zog seine Geisel sogar noch näher an sich heran, drehte sie mit dem Rücken zu sich und drückte ihr das Messer an die Kehle. Jetzt hatte er einen menschlichen Schutzschild. Super.

Aber das war noch nicht das Schlimmste. Ein kleiner roter Funke glühte in den Tiefen seiner braunen Augen, als hätte dort jemand ein Streichholz angezündet. Magie wogte wie ein heißer Sommerwind durch das Restaurant. Die Macht traf meine Haut und ließ die Narben auf meinen Handflächen kribbeln. Flammen schossen zwischen Jakes Fingern heraus, rollten nach oben und sammelten sich um das Messer. In der plötzlichen Hitze fing die Klinge an, rot und orange zu glühen.

Sieh an, sieh an, Jake der Räuber steckte voller Überraschungen. Denn zusätzlich zu einem jämmerlichen Dieb war Jake, der Halbriese, auch ein Elementar – jemand, der eines der vier Elemente kontrollieren konnte. In seinem Fall Feuer.

Das Lächeln gefror mir im Gesicht. Jake war nicht der Einzige mit Superkräften – und vor allem war er nicht der Einzige, der gefährlich war. Sehr, sehr gefährlich. Ich legte den Kopf schräg und konzentrierte mich auf meine Steinmagie. Um mich herum murmelten die Ziegel des Pork Pit unruhig, weil sie die Gefühlsauswallungen der jungen Frauen genauso spürten wie meine finsteren Absichten.

„Ich sagte: Niemand bewegt sich, verdammt!“

Jakes vorher so laute Stimme war nicht mehr als ein raues Flüstern. Seine Augen glühten vollkommen rot, als hätte jemand zwei glitzernde Rubine in sein Babygesicht gesteckt. Der Schweiß rann ihm über die Schläfe, und sein Kopf bewegte sich zu einer Musik, die nur er hören konnte. Jake war auf irgendeine Weise high – ob nun von Alkohol, Drogen, Blut oder seiner eigenen Magie. Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Spielte auch keine große Rolle. In ungefähr einer Minute würde er tot sein. Höchstens zwei.

Das rote Glühen in Jakes Augen wurde heller, als er die Magie in seinem Inneren erneut rief. Die Flammen auf der silbernen Klinge flackerten höher und heißer, bis sie an der Kehle der jungen Frau leckten und sie zu verbrennen drohten. Tränen rannen über ihr herzförmiges Gesicht, und sie atmete schluchzend. Aber sie bewegte sich nicht. Kluges Mädchen.

Ich kniff die Augen zusammen. Es war eine Sache, das Pork Pit auszurauben, mein Barbecue-Restaurant, meinen Laden. Vom Glück verlassenen Elementaren, Vampirnutten und Pennern, die zugedröhnt von ihrer eigenen Magie waren und nach mehr lechzten, konnte man diese Dämlichkeit verzeihen. Aber niemand – niemand! – bedrohte meine zahlenden Gäste. Ich würde es genießen, mich höchstpersönlich um diesen Dreckskerl zu kümmern. Sobald ich ihn von dem Mädchen getrennt hatte.

Also hob ich in einer beruhigenden Geste die Hände und bemühte mich, die kalte Wut in meinen Augen so gut wie möglich zu verstecken. „Ich bin die Besitzerin. Gin Blanco. Ich will keinen Ärger. Lass sie gehen, und ich mache die Registrierkasse auf. Ich werde nicht mal die Polizei rufen, wenn ihr weg seid.“

Hauptsächlich, weil es sowieso nichts bringen würde. Die Cops in der Südstaaten-Metropole Ashland waren korrupt bis ins letzte Glied. Die hoch geschätzten Mitarbeiter der Bullerei machten sich kaum die Mühe, zu Überfällen zu erscheinen, besonders in einem an das verlorene Southtown grenzenden Viertel. Und noch weniger taten sie etwas Hilfreiches, wie zum Beispiel die Täter hinterher zu schnappen.

Jake schnaubte. „Mach nur! Die Polizei kann mir nichts anhaben, Miststück. Weißt du, wer mein Vater ist?“

Ganz offensichtlich war Jake nicht nur ein Feuerelementar, sondern auch völlig unfähig, den Mund zu halten. Ein Wunder, dass er und sein idiotischer Freund überhaupt so lange überlebt hatten.

„Sag es Ihnen nicht!“, zischte Lance.

Jake schnaubte wieder und richtete die roten Augen auf seinen Kumpel. „Ich erzähle ihnen, was auch immer ich will. Also halt deine feige Klappe!“

„Lass sie einfach gehen, und ich mache die Kasse auf“, wiederholte ich mit fester Stimme, in der Hoffnung, dass sie Jakes Magierausch durchdrang und die Dumpfbacke mich verstand.

Er kniff die roten Augen zu Schlitzen zusammen. „Du wirst die Kasse sofort öffnen, oder das Mädchen stirbt – und du gleich mit!“

Er zog die junge Frau näher an sich heran, und die Flammen um das Messer glühten noch heller, sodass sie jetzt fast orange schimmerten. Die Steinsilber-Narben auf meinen Handflächen, die die Form von Spinnenrunen hatten, kribbelten beim Anstieg der Magie im Raum. Ich spannte mich an, weil ich fürchtete, er würde die Kleine direkt hier und jetzt erledigen. Ich konnte ihn umbringen – mühelos –, aber wahrscheinlich nicht, bevor er sie mit seiner Magie verletzt hatte. Das wollte ich nicht. Es würde auch nicht passieren. Nicht in meinem Restaurant. Nicht heute und niemals sonst.

„Jake, beruhige dich!“, flehte Lance seinen Freund an. „Niemand macht Ärger. Es läuft genauso, wie du gesagt hast. Schnell und einfach. Lass uns das Geld nehmen und verschwinden!“

Jake starrte mich an, und die Flammen in seinen Augen bewegten sich im selben Takt wie die Feuerzungen um das Messer. Reine bösartige Freude stand in seinen Blick geschrieben. Selbst wenn ich nicht gut darin gewesen wäre, Leute einzuschätzen, hätte mir diese Beobachtung verraten, dass Jake es genoss, seine Magie einzusetzen. Er liebte die Macht, die sie ihm verlieh, und das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Und es verriet mir, dass er nicht damit zufrieden wäre, nur das Geld zu stehlen. Nein, Jake würde seine Feuermagie einsetzen, um jeden im Restaurant umzubringen. Einfach weil er es konnte, mit seiner Magie angeben und beweisen wollte, dass er ein echt harter Typ war. Außer ich tat etwas, um ihn aufzuhalten.

„Jake? Das Geld?“, fragte Lance wieder.

Nach einem Moment ließ das Flackern in den Augen des Feuerelementars ein wenig nach. Er senkte die brennende Klinge und ließ der jungen Frau damit endlich ein wenig Raum zum Atmen. „Geld. Jetzt!“

Ich öffnete die Registrierkasse, nahm alle zerknitterten Scheine heraus und streckte sie ihm entgegen. Jake musste die Geisel nur lange genug loslassen, um vorzutreten und sich das Geld zu schnappen, und ich hätte ihn.

Komm schon, du Drecksack. Komm und spiel mit Gin.

Aber sein Selbsterhaltungstrieb musste sich eingeschaltet haben, denn der bullige Halbriese schüttelte den Kopf. Lance verließ seinen Posten bei der verletzten Frau, schlich vorwärts, riss mir das Geld aus der Hand und trat schnell zurück. Ich machte mir nicht die Mühe, ihn mir zu schnappen, um ihn als Geisel einzusetzen. Kerle wie Jake hatten überhaupt kein Problem damit, ihre Freunde hängen zu lassen – oder auf der Spitze meiner Klinge aufgespießt zu sehen.

Jake leckte sich die dicken rissigen Lippen. „Wie viel? Wie viel ist es?“

Lance zählte schnell die grünen Scheine. „Ein bisschen über zweihundert.“

„Das war’s? Du hältst mich hin, Miststück!“, knurrte Jake.

Ich zuckte mit den Achseln. „Montag ist kein guter Tag. Bei einer solchen Kälte gehen nicht viele Leute vor die Tür, nicht einmal für Grillfleisch.“

Der Feuerelementar starrte mich böse an, während er über meine Worte nachdachte. Ich lächelte ihn an. Er wusste nicht, was er sich eingebrockt hatte – oder mit wem er sich gerade anlegte.

„Lass uns verschwinden, Jake“, flehte Lance. „Es könnte jederzeit ein Cop vorbeikommen.“

Jake umfasste sein brennendes Messer fester. „Nein! Nicht, bis dieses Miststück mir verraten hat, was sie mit dem Rest des Geldes gemacht hat. Das ist das beliebteste Restaurant der Gegend. Es müssten mehr als zweihundert Dollar in dieser Kasse sein. Also, wo hast du es versteckt, Nutte? Trägst du einen Geldgürtel unter deiner hässlichen Schürze?“

Ich zuckte mit den Achseln. „Warum kommst du nicht her und findest es raus, du jämmerliches Stück Scheiße?“

Seine Augen wurden dunkler, roter, wütender, bis ich tatsächlich glaubte, die flackernden Flammen darin würden gleich nach außen schlagen. Jake gab ein wütendes Knurren von sich. Er stieß die junge Frau von sich und stürzte sich auf mich, das Messer ausgestreckt.

Mein Lächeln wurde breiter. Endlich. Zeit zum Spielen …

Ich wartete, bis er in meiner Reichweite war, dann trat ich nach vorne und drehte meinen Körper. Ich rammte ihm den Ellbogen in den Solarplexus und trat ihm die Füße unter dem Körper weg. Jake keuchte, stolperte und fiel kopfüber zu Boden. Beim Aufkommen knallte er mit der Schläfe gegen einen der Tische, und das Blut aus der Platzwunde spritzte auf meine Jeans. Der Schlag reichte aus, um Jakes Konzentration zu unterbrechen und so dafür zu sorgen, dass er für einen Moment den Halt an seiner Magie verlor. Das kribbelnde Gefühl der Macht, das ihn umgeben hatte, verschwand, und die Flammen um das Messer in seiner Hand erloschen. Das heiße Metall zischte und rauchte, als es auf den kühlen Boden fiel.

Ich sah nach rechts. Die Frau, die Jake durch den Raum geschmissen hatte, rappelte sich auf und machte Anstalten, sich auf ihren Peiniger zu stürzen. Aber Sophia packte die Kleine um die Hüfte und zog sie weg. Die Frau wehrte sich kurz, aber die Grufti-Zwergin schüttelte den Kopf und machte einen Schritt, um sich vor sie zu stellen. Lance sah das, schluckte einmal und wich langsam zurück, jederzeit bereit, sich umzudrehen und davonzurennen. Aber Sophia war schneller. Die Zwergin rammte ihm die Faust in den Magen. Er fiel um, als wäre ihm ein Amboss auf den Kopf gefallen, sackte auf dem Boden zusammen und bewegte sich nicht mehr.

Einer erledigt. Damit war nur noch Jake übrig.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder ihm zu, der sich auf die Seite gerollt hatte. Blut lief ihm über die Schläfe. Der Halbriese entdeckte mich über ihm, richtete sich in einer schnellen Bewegung auf und hackte mit dem langsam abkühlenden Messer nach mir. Idiot. Die Klinge kam nicht einmal in meine Nähe. Nachdem Jake noch einmal nutzlos mit dem Messer in der Luft herumgefuchtelt hatte, ging ich in die Knie, umklammerte sein Handgelenk und bog es so lange nach hinten, bis er sich nicht mehr rühren konnte. Dann beäugte ich die Waffe in seiner bewegungsunfähigen Hand.

„Himmel“, sagte ich. „Besorg dir ein richtiges Messer. Damit könntest du ja nicht mal Kartoffeln schälen.“ Dann zog ich ihm die Klinge aus den verkrampften Fingern und brach ihm das dicke Handgelenk.

Jake schrie schmerzerfüllt auf, aber der Lärm störte mich nicht. Schon seit Jahren nicht mehr. Ich drückte ihn auf den Rücken zurück und setzte mich rittlings auf seine Brust, sodass meine Knie ihn einklemmten und Druck auf seine Rippen ausübten. Riesen, selbst Halbriesen wie Jake, hassten es, wenn sie nicht richtig atmen konnten. So ging es eigentlich den meisten Leuten.

Ich verlagerte das Messer in meiner Hand, bereit, es ihm ins Herz zu rammen. Es war eine lächerliche Waffe, aber sie würde der Aufgabe gerecht werden. Die meisten Dinge taten das, wenn man genug Stärke in den Schlag legte und entschlossen war. Und ich war sehr stark und sehr entschlossen.

Ein leises unterdrücktes Schluchzen lenkte meine Aufmerksamkeit von Jake und seinen hohen jammernden Schreien ab. Ich hob den Blick. Das zweite Mädchen kauerte ein paar Schritte entfernt unter einem Tisch, die Beine an die Brust gedrückt, die Augen weit aufgerissen, während ihr Tränen über die geröteten Wangen rannen. Eine Situation, in der ich mich selbst schon einmal befunden hatte.

Vor ein paar Monaten hätten mir die junge Frau und ihre Tränen nichts ausgemacht. Ich hätte Jake und seinen Freund umgebracht, mir das Blut von den Händen gewaschen und Sophia gebeten, die Leichen verschwinden zu lassen, bevor ich das Pork Pit für den Abend schloss.

Denn das taten Profikiller nun einmal. Und ich war die Spinne gewesen, eine der besten Auftragsmörderinnen überhaupt.

Aber vor zwei Monaten, als mein Mentor brutal gefoltert und umgebracht worden war – und zwar im Pork Pit, an ziemlich genau der Stelle, an der ich gerade saß –, hatte ich so etwas wie eine Offenbarung gehabt. Der alte Mann, Fletcher Lane, hatte gewollt, dass ich mich zur Ruhe setzte, einen anderen Weg im Leben einschlug und ein bisschen im Tageslicht lebte, wie er es so gerne genannt hatte. Ich war Fletchers Rat gefolgt und hatte den Job als Auftragsmörderin an den Nagel gehängt, nachdem ich zuletzt Alexis James umgebracht hatte, die Luftmagierin, die ihn auf dem Gewissen hatte.

„Hmpf.“ Sophia grunzte hinter mir.

Ich sah über die Schulter zu der Zwergin, die immer noch die andere Frau festhielt. Die bemühte sich vergeblich, die kurzen Finger von ihrer Hüfte zu lösen. Viel Spaß dabei. Sophia konnte richtig zupacken. Sobald sie einen einmal hatte, ließ sie nicht mehr los – niemals.

Meine grauen Augen trafen Sophias schwarze. In ihrem dunklen Blick blitzte Bedauern auf, und die Zwergin schüttelte den Kopf. Nein, teilte sie mir damit wortlos mit. Nicht vor Zeugen.

Sie hatte recht. Zeugen waren übel. Ich konnte Jake nicht die Eingeweide herausreißen, während zwei junge Frauen zusahen, und die Leiche hinterher verschwinden lassen. Nicht in meinem eigenen Restaurant. Nicht ohne meine Tarnung als Gin Blanco auffliegen zu lassen und aus der Stadt verschwinden zu müssen. Und das würde ich nicht tun. Nicht für ein solches Stück Dreck wie diesen Feuerelementar.

Aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich Jake nicht absolut unmissverständlich klarmachen konnte, mit wem er es zu tun hatte.

Ich wartete, bis seine Schreie ein wenig leiser wurden, dann schob ich mit der Messerspitze sein Kinn nach oben und sah ihm tief in die Augen. Jeder Funke der rot brennenden Magie war verschwunden. Sein Blick war starr, und darin standen Panik, Angst und Schmerz.

„Falls du jemals wieder in mein Restaurant und mir oder meinen Gästen blöd kommst, dann werde ich dich auseinandernehmen wie einen Thanksgiving-Truthahn.“

Ich stach mit dem Messer zu, bis die Haut an seinem dicklichen Hals nachgab. Jake jaulte vor Schmerz auf und wollte seine feisten Finger auf die Wunde drücken. Ich schlug seine Hand zur Seite und ritzte ihm ein weiteres Mal die Haut auf. Der Geruch von warmem kupferhaltigem Blut stieg mir in die Nase. Noch etwas, das mich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr störte.

„Jedes Mal, wenn du dich bewegst, schneide ich dich wieder. Jedes Mal tiefer. Nicke, wenn du verstanden hast.“

Hass blitzte in seinen Augen auf und verdrängte Panik und Angst aber er nickte.

„Gut.“

Damit schlug ich ihm den Messerknauf gegen die Schläfe. Jakes Kopf kippte zur Seite. Bewusstlos. Genau wie sein Freund Lance.

Ich stand auf, wischte die Fingerabdrücke vom Messer und ließ die Waffe auf den Boden fallen. Der Halbriese bewegte sich nicht. Dann ging ich zu der Kleinen, die immer noch unter dem Tisch kauerte.

Als ich mich näherte, rutschte sie nach hinten gegen die Beine eines Stuhls, als wollte sie sich hinter dem Metall verstecken. Ihr Pulsschlag raste, das konnte ich an ihrer wild zuckenden Halsschlagader erkennen. Ich setzte mein freundlichstes, vertrauenswürdigstes, charmantestes Südstaaten-Lächeln auf und ging in die Hocke, bis unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren.

„Komm schon, Süße“, sagte ich und streckte ihr meine Hand entgegen. „Es ist vorbei. Diese Männer können dir nichts mehr tun.“

Ihre schokoladenbraunen Augen huschten zu Jake auf dem Boden, dann wieder zu mir. Sie biss sich auf die Lippen, und ihre Zähne leuchteten im Kontrast zu ihrer kaffeebraunen Haut.

„Und ich werde dir auch nicht wehtun“, sagte ich leise. „Komm schon. Ich bin sicher, deine Freundin will wissen, wie es dir geht.“

„Cassidy?“, rief die andere junge Frau, die Sophia immer noch nicht losließ. „Geht es dir gut?“

Die Stimme ihrer Freundin durchdrang Cassidys ängstliche Benommenheit. Sie seufzte, nickte und hob den Arm, und ich ergriff ihre zitternde Hand. Cassidys Finger fühlten sich an der erhabenen Narbe in meiner Handfläche wie zerbrechliche Eiszapfen an. Ich zog sie auf die Beine. Sie beäugte mich mit nachvollziehbarer Vorsicht, also bewegte ich mich langsam, um sie nicht zu erschrecken.

„Es geht mir gut, Eva“, sagte Cassidy leise. „Nur ein bisschen durcheinander.“

Sophia ließ das andere Mädchen los, und ich trat zurück. Eva eilte vorwärts und schloss ihre Freundin fest in die Arme. Cassidy erwiderte die Umarmung, und die beiden wiegten sich in der Mitte des Restaurants hin und her.

Ich ging zu Sophia, die die zwei jungen Frauen mit ausdruckslosem bleichem Gesicht beobachtete. „Freundschaft. Ist sie nicht wunderbar?“, witzelte ich.

„Hmpf“, grunzte Sophia. Aber ein Mundwinkel der Grufti-Zwergin verzog sich zu einem winzigen Lächeln.

Die beiden Mädchen hielten sich noch eine Weile umschlungen, dann zog Eva ein Handy aus der Hosentasche.

„Du rufst die Polizei“, wies sie ihre Freundin an. „Ich muss mit Owen sprechen, um ihm zu sagen, dass es mir gut geht. Du weißt ja, wie er ist. Er wird total ausflippen, wenn er davon erfährt.“

Cassidy nickte mitfühlend und zog ihr eigenes Handy aus der Hosentasche. Die beiden Frauen wählten, statt mich, die Restaurantbesitzerin, zu bitten, den Anruf bei der Polizei zu erledigen. Nicht überraschend. Wenn man die Cops holen wollte, tat man es selbst. Man verließ sich nicht auf die Freundlichkeit von Fremden. Nicht in Ashland.

Ich runzelte die Stirn. Cops. Genau das, was ich brauchen konnte. Einige von Ashlands Gesetzeshütern, die mich, den ehemaligen Profikiller, eine Grufti-Zwergin, die in ihrer Freizeit gerne Leichen verschwinden ließ, und die zwei Kerle, die wir so mühelos ausgeschaltet hatten, besuchen kamen. Nicht die Art von Aufmerksamkeit, die ich auf mich ziehen wollte, selbst wenn ich mich inzwischen im Ruhestand befand. Allerdings konnte ich nichts dagegen unternehmen, ohne mich allzu verdächtig zu machen.

Sophia wanderte zurück zum Herd, um ihre Baked Beans umzurühren. Eva unterhielt sich mit leiser Stimme mit jemandem. Cassidy beendete ihren Anruf bei der Polizei und sank auf den erstbesten Stuhl.

Die junge Frau starrte auf Jake auf dem Boden, dann glitten ihre braunen Augen zu dem blutigen Messer. Ihre Unterlippe bebte, ihre Augen wurden stumpf, und ihre Hände zitterten. Sie bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten. Etwas, zu dem auch ich mich ab und zu hatte zwingen müssen.

Ich ging zum Tresen und nahm mir einen Glasteller voller Black Forest Cookies – Schokokekse mit getrockneten Kirschen –, die ich am Morgen gebacken hatte.

„Hier.“ Ich nahm die Glasglocke vom Teller und hielt ihn ihr entgegen. „Nimm einen Cookie. Da sind jede Menge Zucker, Butter und Schokolade drin. Das hilft gegen das Zittern.“

Cassidy schenkte mir ein mattes Lächeln, nahm einen der Schokoladenkekse und biss hinein. Die bittersüße Schokolade würde ihre Nerven beruhigen, und in ihren Augen stand für einen Moment Zufriedenheit statt Sorge.

Eva beendete ihr Gespräch und setzte sich neben ihre Freundin. Ihre Hände zitterten nicht, als sie ihr Handy zuklappte, und sie musterte Jake mit nachdenklichem Blick. Der einzige Hinweis darauf, dass Eva etwas zugestoßen war, war die rote Schwellung auf ihrer Wange, wo Jake sie mit dem Handrücken erwischt hatte. Die Kleine behielt einen kühlen Kopf und hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht später zusammenbrechen würde.

Ich hielt ihr den Teller entgegen. „Du auch.“

Eva nahm sich einen Cookie, brach ihn in der Mitte durch und stopfte sich eine Hälfte auf einmal in den Mund. Scheu war sie also auch nicht.

Ich nahm mir ebenfalls eine der Kalorienbomben vom Teller. Nicht, weil ich den Zucker zur Beruhigung brauchte, sondern weil es einfach verdammt gute Cookies waren. Nach einem Monat des Experimentierens hatte ich das Rezept endlich zur Perfektion gebracht.

Ich betrachtete die zwei bewusstlosen Männer auf dem Boden. Lance lag mit ausgestreckten Armen und Beinen neben einer der Sitznischen, genau da, wo Sophia ihn liegen gelassen hatte. Aus den Wunden an Jakes Schläfe und Hals tropfte immer noch Blut, das den Boden rostbraun verfärbte.

Ich nahm mir noch einen Cookie vom Teller und sah Jake beim Bluten zu.

Jennifer Estep

Über Jennifer Estep

Biografie

Jennifer Estep ist SPIEGEL- und internationale Bestsellerautorin und immer auf der Suche nach ihrer nächsten Fantasy-Romanidee. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Freunden und Familie, macht Yoga und liest Fantasy- und Liebesromane. Außerdem sieht sie viel zu viel fern und liebt alles, was...

Pressestimmen
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„›Spinnentanz‹ mit seiner ungewöhnlichen und polarisierenden Protagonistin bietet actionreiche Urban-Fantasy-Spannung und macht Lust auf mehr.“

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„Das Buch liest sich mit viel Tempo und, um jede Menge gefährlicher Kämpfe angereichert, spannend und kurzweilig.“

LoveLetter Magazin

„Wer nichts gegen schwindelerregende Action hat, wird bestens bedient.“

his-and-her-books.blogspot.de

„Mit ›Spinnentanz‹ hat Jennifer Estep ihre Story um die Elementarmagierin Gin Blanco gekonnt fortgeführt.“

golden-letters.blogspot.de

„Jennifer Estep hat geniale Charaktere erschaffen, die viele Facetten haben und mich zum Nachdenken bringen, denn wie kann mir Gin nur so sympathisch sein, obwohl sie so viele Menschen brutal getötet hat?“

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