Spritztour (Allgäu-Krimis 6) Spritztour (Allgäu-Krimis 6) - eBook-Ausgabe
Ein Allgäu-Krimi
Spritztour (Allgäu-Krimis 6) — Inhalt
Ein Ausflug mit Folgen
Ideales Wanderwetter sorgt für Hochbetrieb auf dem Tegelberg bei Füssen. Unentwegt drängen sich die Besucher dicht an dicht in die Seilbahn. Rechtsmedizinerin Resi und Kommissar Hansen macht das nichts aus, sie schwelgen in Hochzeitsvorbereitungen und können sich nicht nahe genug sein. Nur der Mann mit dem Schnauzbart stört, der sich zwischen Resi und das Kabinenfester drängt. Er lehnt schlapp an ihrer Schulter und macht keine Anstalten, sich dafür zu entschuldigen. Schnell wird klar, warum. Er ist tot, und die Einstichstelle im Nacken verrät: Es war Mord …
Leseprobe zu „Spritztour (Allgäu-Krimis 6)“
Die Parklücke war zwar gerade groß genug, um mit dem Familienvan hineinzufahren, aber sie stellte sich als deutlich zu schmal heraus, um aus dem Wagen aussteigen zu können. Also versuchte Thomas Hörkmann, rückwärts wieder den Stellplatz zu verlassen. Und während er auf den Moment wartete, in dem der beständige Strom an Autos auf der Suche nach einem Parkplatz endlich einmal abreißen würde, dachte er, dass er sogar lieber in einem drögen Meeting mit den Kollegen sitzen würde als hier im voll besetzten Van. Einen freien Tag mit der Familie hatte er sich [...]
Die Parklücke war zwar gerade groß genug, um mit dem Familienvan hineinzufahren, aber sie stellte sich als deutlich zu schmal heraus, um aus dem Wagen aussteigen zu können. Also versuchte Thomas Hörkmann, rückwärts wieder den Stellplatz zu verlassen. Und während er auf den Moment wartete, in dem der beständige Strom an Autos auf der Suche nach einem Parkplatz endlich einmal abreißen würde, dachte er, dass er sogar lieber in einem drögen Meeting mit den Kollegen sitzen würde als hier im voll besetzten Van. Einen freien Tag mit der Familie hatte er sich damals, als er noch keine Familie hatte, deutlich schöner und entspannter vorgestellt. Seine Frau neben ihm war übernächtigt und genervt, die Kleinen auf dem Rücksitz voller Vorfreude auf die Fahrt mit der Seilbahn und entsprechend außer Rand und Band.
Endlich schien sich die Gelegenheit zu bieten, rückwärts wieder aus der Parklücke zu fahren, da rollte schon wieder ein Auto heran. Hörkmann konnte gerade noch einen Zusammenstoß vermeiden und wartete, dass der andere wieder wegfuhr, doch der kam in dem Getümmel nicht weit, sondern blieb direkt hinter ihm stehen.
„Jetzt reicht’s!“, knurrte Hörkmann, drückte die Fahrertür auf, stieß prompt an die Beifahrertür des benachbarten Autos und zwängte sich durch den schmalen Spalt, den die Tür freigab. Dass die Türkante einen hässlichen Kratzer im Lack des anderen Autos hinterließ, beachtete er nicht. Er hatte seinen wütenden Blick auf den Fahrer des Kombis geheftet, der ihn blockierte. Hörkmann trat an den Mittelklassewagen und klopfte gegen das Seitenfenster. Der Fahrer sah kurz zu ihm auf, kümmerte sich aber nicht weiter um ihn, sondern strich kurz mit den Fingern über seinen Schnurrbart, wiegte dann den Kopf im Rhythmus, pfiff und schaute wieder gespannt nach vorn. Hörkmann versuchte, den Fahrer durch die Windschutzscheibe auf sich aufmerksam zu machen, doch der wedelte ihn wie einen lästigen Störenfried beiseite.
Daraufhin war Hörkmann mit ein paar schnellen Schritten an der Fahrertür, riss sie auf und funkelte den Mann im Auto zornig an. Ein aktueller Hit war aus dem Radio zu hören, begleitet vom grottenfalschen Pfeifen des Fahrers.
„Sagen Sie mal, Sie Trampel“, polterte Hörkmann los, „hätten Sie mich nicht rauslassen können, anstatt mich zuzuparken? Dann hätten Sie jetzt einen Parkplatz, und ich müsste mich nicht mit einem rücksichtslosen Deppen wie Ihnen herumschlagen.“
Der Fahrer musterte ihn kurz und verzog dann den Mund zu einem spöttischen Grinsen.
„Das mit dem Schlagen meinen Sie hoffentlich nicht wörtlich“, bemerkte er, während seine Finger im Takt der Musik auf dem Lenkrad herumtrommelten. Das hochgekrempelte Hemd legte seine stahlhart wirkenden Unterarmmuskeln frei. Er war Hörkmanns Blick gefolgt und nickte jetzt mit noch breiterem Grinsen. „Das schätzen Sie genau richtig ein, guter Mann. Und gehen Sie davon aus, dass meine Oberarme nicht weniger trainiert sind.“
Er schaute kurz zum Van hinüber und bedachte Hörkmann dann mit einem mitleidigen Blick.
„Wenn Sie keine Lust haben, dass ich Sie vor Ihren Kids und Ihrer Frau bis auf die Knochen blamiere, dann verziehen Sie sich jetzt lieber wieder. Meinetwegen können Sie denen erzählen, dass Sie mich ordentlich ausgeschimpft haben. Und sobald ich kann, fahr ich ja auch weiter.“
„Aber ich …“
„Halt die Klappe, du Pfeife! Scher dich fort, oder ich mach dir Beine!“
Damit zog er die Fahrertür wieder zu und richtete den Blick nach vorn. Hörkmann atmete ein paarmal tief ein und aus, dann ging er so aufrecht wie möglich am Kühler des Kombis vorbei.
„Alles okay?“, fragte seine Frau Julia, als er sich wieder auf den Fahrersitz des Vans gezwängt hatte. „Ich hab mir schon Sorgen gemacht, dass du Streit anfängst.“
„Ich doch nicht. Aber dieser Idiot hat uns zugeparkt, da muss ihm doch mal einer klarmachen, dass das so nicht geht!“
„Lass gut sein“, beruhigte sie ihn. „Der fährt sicher gleich weg.“
Unter ihrem liebevollen Lächeln schmolz seine Wut wie Eis in der Sonne.
Das Weichei aus dem Van hatte ihn nur kurz in seiner Vorfreude gestört, und als sich die Kolonne vor ihm wenig später wieder in Bewegung setzte, war Helmut Möller in Gedanken auch schon wieder ganz bei seinem Treffen mit Alina. Sie wollte ihn ein Stück von der Bergstation der Tegelbergbahn entfernt erwarten, einstweilen hinter einigen Bäumen neben dem Wanderweg verborgen – nicht, dass noch ein Bekannter ihres Mannes ausgerechnet für heute einen Ausflug auf den Tegelberg geplant hatte und sie beide zusammen sehen würde.
Drei Autos weiter entdeckte er einen freien Parkplatz und fuhr schnell hinein, bevor ihm jemand anders zuvorkommen konnte. Die beiden Autos links und rechts von ihm waren so weit entfernt, dass er bequem die Fahrertür öffnen konnte. Er stieg aus, reckte sich und atmete tief ein. Das hätte er vielleicht besser bleiben lassen sollen, denn hier unten auf dem Parkplatz dominierte der Abgasgeruch der Autos, die unablässig nach Stellplätzen suchten. Auch der Van des Weicheis zuckelte vorüber, und der wütende Blick des Fahrers, der sicher nur zu gern eine so geräumige Parklücke gefunden hätte, entschädigte ihn allemal für den Gestank.
Mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen schlängelte sich Möller zwischen Autos im Schritttempo und anderen Fußgängern hindurch. Versehentlich rempelte er eine drahtige Frau um die vierzig an, die daraufhin ins Straucheln geriet. Er drehte sich zu ihr um: Sie hatte ein hübsches Gesicht und eine sportliche Figur, und er wollte schon seinen ganzen Charme einsetzen, um ihr vielleicht die Handynummer entlocken zu können – da fiel sein Blick auf ihren Begleiter, einen schlanken Mann, ebenfalls um die vierzig, gekleidet in eine offensichtlich neu erstandene Wanderkluft. Der Mann warf ihm einen finsteren Blick zu, während er die Frau stützte, damit sie nicht fiel. Dabei trat er einen Schritt zurück, und der Van, der gerade an ihm vorbeirollen wollte, bremste abrupt ab, touchierte den Mann aber dennoch mit dem linken Außenspiegel an der Schulter. Das Paar drehte sich zu dem Van um und beschwerte sich, und Möller war froh, dass er wieder in der Menge untertauchen konnte. Für das, was er heute vorhatte, war es allemal besser, wenn sich niemand an ihn erinnerte.
Für den zweiten Zusammenstoß konnte er nichts. Eine füllige Gestalt, die mit Mantel, Schiebermütze und dünnen Handschuhen für den sonnigen Tag eindeutig unpassend gekleidet war, hob immer wieder eine Umhängetasche auf Schulterhöhe und schob die vor ihm Gehenden auseinander. Über die Schiebermütze war obendrein ein Kopfhörer gestülpt, aus dem laute Rockmusik dröhnte. Die Gestalt pflügte sich rücksichtslos durch die Menge, bis sie Möller erreichte. Wieder wurde die Umhängetasche hochgehoben, und ihre Kante erwischte Möller am Hals. Offenbar hatte dort ein störrischer Plastikfaden oder ein Stück Reißverschluss abgestanden, denn Möller spürte etwas Spitzes im Nacken. Reflexhaft griff er an die getroffene Stelle, konnte aber im ersten Moment nichts Ungewöhnliches feststellen. Und die seltsam gekleidete Gestalt war schon wieder aus seinem Blickfeld verschwunden.
Möller ging die Treppe der Talstation hinauf, stellte sich vor der Kasse an und strich seinen Schnauzbart glatt. Kaum hielt er das Ticket in Händen, beeilte er sich, um die nächste Gondel zu erreichen. Vor ihm betraten die beiden Wanderer die Kabine, mit denen er vorher aneinandergeraten war. Er hätte sich gern etwas von ihnen ferngehalten, aber die einzige Lücke in der überfüllten Gondel befand sich ausgerechnet zwischen der Frau, die er angerempelt hatte, und der Glasscheibe. Er wandte sein Gesicht ab, schaute konzentriert durch die Scheibe und hoffte, dass ihn die beiden in Ruhe lassen würden.
Möller spürte mehr Schmetterlinge im Bauch, als er es an diesem wunderschönen Freitag erwartet hätte. Sicher, Alina war eine Wucht, und er hatte mit ihr mehr Spaß als mit den meisten anderen Frauen, die er traf – aber sie würden sich heute ja nicht zum ersten Mal treffen.
Die Gondel setzte sich in Bewegung, der Boden unter seinen Füßen pendelte ein paarmal hin und her, bis sich die Kabine nach einigen Metern Fahrt wieder ausbalanciert hatte. Nur Helmut Möller war es, als stünde er noch immer auf sehr unsicherem Grund.
Gerichtsmedizinerin Dr. Therese Meyer konnte zwei Dinge nicht leiden: immer schon ihren amtlichen Vornamen, weswegen sie unbedingt Resi genannt werden wollte – und neuerdings das Herumeiern von Eike Hansen, was den Termin ihrer Hochzeit anging.
„Mensch, Eike“, hatte sie sich mehr als einmal beschwert, „wenn du als Chef vom K1 der Kripo Kempten auch so unentschlossen wärst, würdest du noch immer erfolglos nach deinem ersten Mörder suchen!“
Hansen wusste ja, dass er sie schon viel zu lange vertröstete. Bald zwei Jahre war es her, als er sie während eines Spaziergangs formlos um ihre Hand gebeten hatte – zu formlos, wie sie ihm später unter die Nase rieb. Und auch schon fast ein Jahr war es her, dass er sich zu einem „richtigen“ Antrag aufgerafft und sich dabei in einen Rest Nassfutter seines vierbeinigen Mitbewohners Ignaz gekniet hatte. Es war keine böse Absicht, dass bisher nichts aus der geplanten Hochzeit geworden war, das versicherte er Resi immer wieder, und er wollte ja auch einen passenden Termin finden – aber bisher hatte es sich einfach nicht ergeben.
Heute aber wollte er Nägel mit Köpfen machen. Er hatte sich extra noch einmal von den Kollegen Hanna Fischer und Willy Haffmeyer die Kalenderfunktion seines neuen Smartphones erklären lassen, er hatte sich in einem Outdoorshop mit sauteurer Wanderkleidung ausstaffiert, und er hatte eigens den heutigen Freitag freigenommen, um erst mit Resi wandern zu gehen und anschließend bei Kerzenschein in der gemütlichen Stube eines Füssener Gasthauses die leidige Terminfrage zu besprechen.
Nun war er mit Resi im Bus von Füssen zur Talstation der Tegelbergbahn gefahren, um sich nicht mit der Parkplatzsuche aufhalten zu müssen. Vor dem Autogewimmel an einem sonnigen Tag wie diesem hatte ihn Haffmeyer gewarnt, der eh alles und jeden im Allgäu zu kennen schien. Hansen hatte das letzte Stück Weg unter die Sohlen seiner fabrikneuen Wanderschuhe genommen und fühlte sich mit der krachledernen Kniebundhose, den groben Strickstrümpfen und dem karierten Hemd so allgäuerisch wie noch nie – nur Resi irritierte ihn ein wenig, weil sie seine Aufmachung ab und zu mit amüsierten Blicken bedachte.
Der unhöfliche Trampel, der Resi so heftig beiseiteschubste, dass er sie auffangen musste und dabei vom Außenspiegel eines vorbeirollenden Vans an der Schulter erwischt wurde, störte ihre Zweisamkeit nur ganz kurz. Und als Hansen dem Fahrer des Vans Bescheid stoßen wollte, zog ihn Resi weg.
„Bitte, lass den Mann“, sagte sie. „Den kannst du doch nicht vor seiner kompletten Familie zusammenfalten!“ Sie zwinkerte ihm zu. „Apropos Familie …“
Hansen unterbrach sie mit einem Kuss, und als er sich wieder von ihr löste, hielt er seinen Zeigefinger an die Lippen, nahm ihre Hand und zog sie in Richtung Talstation. Resi ließ es lachend geschehen, und als sie sich wenig später in die Gondel zu all den anderen quetschten, die das schöne Wetter für einen Ausflug nutzen wollten, störte nur der Schnauzbart, der sich zwischen Resi und die Glasscheibe quetschte und sich demonstrativ von ihnen abwandte.
„Sag mal, Resi, ist das nicht dieser Typ, der dich vorhin angerempelt hat?“, fragte Hansen so laut, dass es der Mann hören musste.
Resi zuckte nur mit den Schultern und küsste ihn. Damit war der Schnauzbart fürs Erste vergessen.
Hansen freute sich mit jedem Meter, den sich die Gondel nach oben arbeitete, mehr auf die würzige Bergluft. Nach den Abgasen auf dem Parkplatz herrschte nun eine wüste Mischung aus unterschiedlichsten Parfüms und aus jenem Schweiß vor, den die Parfüms eigentlich überdecken sollten. Aber zumindest eng genug konnte es ihm und Resi gar nicht sein. Sie drängte sich an ihn, und die Aussicht auf die Füssener Umgebung konnte er immer nur in der kurzen Zeit genießen, wenn Resi ihn gerade nicht küsste. Erst erhaschte er einen kurzen Blick auf Schloss Neuschwanstein im Südwesten, dann konnte er im Nordosten jenseits des Forggensees das alte Bauernhaus, das er bewohnte, mehr erahnen als erkennen.
Am liebsten aber sah er Resi in die blauen Augen, die ihn hinter der randlosen Brille anstrahlten. Jetzt konnte er es kaum mehr erwarten, mit ihr den Hochzeitstermin festzulegen. Nur manchmal zuckten Resis Augen und verengten sich etwas.
„Was ist denn?“, fragte er.
Sie beugte sich wieder zu ihm, und er spitzte in Erwartung des nächsten Kusses schon die Lippen. Aber sie flüsterte ihm ins Ohr:
„Der Typ von vorhin nervt etwas. Ich weiß nicht, ob der betrunken ist, aber er lehnt sich immer stärker mit seinem Gewicht gegen mich.“
„Komm, ich sag jetzt was! Wenn der zudringlich wird, dann müssen wir uns das wirklich nicht gefallen lassen!“
Nun küsste sie ihn doch und lächelte.
„Ach, Eike, mein edler Ritter … Lass dein Schwert ruhig stecken, das halt ich schon noch aus.“
„Mach du dich nur lustig über mich. Vorne küsst du mich, und von hinten lässt du zu, dass sich ein fremder Mann an dich drückt.“
„Ist ja gleich überstanden“, sagte sie und deutete mit dem Kopf den Berg hinauf.
Wenige Minuten später glitt die Tür der Seilbahngondel zur Seite, und die ersten Fahrgäste drängten hinaus. Als sich der Pulk vor ihnen ein wenig auflöste, traten Hansen und Resi auf den festen Boden der Bergstation. Im nächsten Moment war ein seltsam dumpfes Geräusch zu hören und gleich darauf Resis Schreckensruf, weil der Mann hinter ihr einigermaßen heftig gegen ihren Rücken und ihre Waden gestoßen war. Dann gellte das Kreischen einer jungen Frau.
Hansen und Resi drehten sich um. Der Mann mit dem Schnauzbart lag seltsam verrenkt da. Beine und Hintern ruhten auf dem Boden der Gondel, der Oberkörper auf dem harten Untergrund der Ankunftsplattform. Die Arme lagen schlaff neben ihm, offenbar hatte er keine Anstalten unternommen, seinen Sturz zu mildern. Resi hatte sich sofort neben ihn gekniet und ihm den Puls gefühlt – doch der Mann war tot, und auch Resis Wiederbelebungsversuche hatten keinen Erfolg. Daraufhin stand sie auf, zog das Handy hervor und fotografierte den Leichnam von allen Seiten.
Die junge Frau kreischte weiter, bis Hansen sich vor sie stellte und sie an beiden Schultern packte. Aber statt auf seine ruhige Bitte hin zu verstummen, begann sie gegen seine Brust zu trommeln und schrie weiter, während ihre Gesichtsfarbe darauf hindeutete, dass sie demnächst umkippen würde. Schließlich wusste sich Hansen nicht mehr anders zu helfen, als ihr eine Ohrfeige zu geben. Abrupt endete ihr Kreischen, für einen Moment starrte sie Hansen fassungslos an, dann klappte sie den Mund zu und rieb sich die Wange.
Resi hatte inzwischen Einmalhandschuhe aus der Tasche gezogen. Hansen wunderte sich längst nicht mehr darüber, dass seine Freundin auch in der Freizeit stets welche bei sich trug. Und heute hatte sich das ja auch bewährt. Sie machte sich daran, den Toten behutsam mal in die eine, dann in die andere Richtung zu bewegen, drehte und hob auch seinen Kopf ein wenig und legte ihn dann wieder sorgfältig in der ursprünglichen Position ab.
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte Hansen zu der jungen Frau. „Es ging nicht anders. Geht es Ihnen wieder besser?“
„Wieso schlagen Sie mich?“
„Sie haben durch Ihr Kreischen kaum mehr Luft bekommen, in ein paar Sekunden wären Sie zusammengebrochen, und anders konnte ich Sie nicht stoppen, tut mir leid.“
„Also hören Sie mal …“ Dann fiel ihr Blick wieder auf den Mann, der unweit von ihr leblos auf dem Boden lag. Sie holte bereits tief Luft, um einen neuen Schrei auszustoßen, doch Hansen sah sie an und hob warnend den Zeigefinger jener Hand, mit der er eben noch zugeschlagen hatte. Die junge Frau blieb stumm.
„Danke“, sagte er und stellte sich ihr als Kommissar der Kemptener Kripo vor. Als sie seine Wanderkleidung mit unverhohlener Skepsis musterte, fuhr er fort: „Meinen Ausweis habe ich heute nicht dabei, weil ich privat unterwegs bin. Aber sobald wir wissen, ob das hier ein Fall für mein Kommissariat ist, werden wir uns sicher noch unterhalten.“
Sie sah ihn verständnislos an, nickte aber mechanisch.
„Wie heißen Sie denn?“, fragte er.
Sie nickte weiter, ohne zu antworten, und er musste seine Frage wiederholen.
„Beatrix Schüttler“, sagte sie schließlich mit leiser, heiserer Stimme.
„Gut, Frau Schüttler. Sind Sie allein hier, oder haben Sie jemanden dabei, der sich ein bisschen um Sie kümmern kann?“
„Ich …“ Ihr Blick irrlichterte wieder zu dem Mann am Boden. Hansen legte ganz behutsam seine Fingerspitzen unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich hin.
„Frau Schüttler? Sind Sie in Begleitung auf den Tegelberg gekommen?“
„Nein, aber ich wollte zwei Freundinnen hier oben treffen.“
„Ich bringe Sie gleich zu ihnen, ja? Können Sie ganz kurz dort drüben an der Wand auf mich warten?“
Sie nickte wieder, und als sie keine Anstalten machte loszugehen, schob er sie ganz leicht in die entsprechende Richtung. Wie in Zeitlupe schlurfte sie schließlich los.
Das Seilbahnteam hatte den Zwischenfall inzwischen ebenfalls mitbekommen, und während der Kabinenführer, der sie nach oben begleitet hatte, auf die Fahrgäste zuging und sie mit freundlichen Worten und sanftem Druck von der Ankunftsplattform weg in das Gebäude der Bergstation komplimentierte, ging ein Mann von Mitte vierzig auf Resi zu, die noch immer neben dem Schnauzbart auf dem Boden kniete und ihn untersuchte.
„Was machen Sie da?“, herrschte er sie an.
„Einen Moment, bitte“, sagte Resi, ohne zu ihm aufzuschauen.
„Gehen Sie weg da! Nach dem Mann muss dringend ein Arzt schauen, wir haben schon einen gerufen.“
Resi stand auf und reichte dem verärgerten Mann die Hand. Nach einem kurzen Blick auf ihre Einmalhandschuhe verzichtete er auf einen Händedruck.
„Für diesen Herrn“, erklärte Resi, „muss sich kein Arzt mehr abhetzen. Er ist tot.“
„Wie? Was? Wieso …?“
Resi hatte inzwischen die Handschuhe von den Fingern gezupft und die Hände an der Hose abgewischt. Nun hielt sie dem Mann erneut die Hand hin, der sie jetzt auch ergriff.
„Dr. Resi Meyer“, stellte sie sich vor. Hansen fiel auf, dass sie ihren akademischen Titel nannte, auf den sie sonst nicht viel Wert legte. Aber auf die Wirkung war Verlass: Ihr Gegenüber schien innerlich Haltung anzunehmen.
„Ich bin Medizinerin“, fügte Resi hinzu, „kümmere mich aber nur um Tote – und der hier fällt eindeutig in mein Ressort.“
„Ach, du Scheiße!“, entfuhr es dem Mann.
„Und Sie sind …?“
„Oh, entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit: Horst Faulhaber ist mein Name, ich bin der Maschinist der Bergstation, also gewissermaßen der Hausmeister hier oben. Oje, ein Toter … das können wir ja gar nicht brauchen. Kriegt der einfach einen Herzinfarkt und fällt mir in der Gondel um!“
Resi hob eine Augenbraue, und Faulhaber stutzte.
„Äh … ich meine: Er ist doch an einem Herzinfarkt oder etwas in der Art gestorben?“
„Nicht unbedingt“, versetzte Resi und deutete auf Hansen, der schräg hinter Faulhaber stand. „Ich fürchte aber, dafür kommt eher mein Verlobter ins Spiel.“
„Hä?“
Faulhaber wandte sich Hansen zu und sah ihn verständnislos an.
„Kriminalhauptkommissar Hansen, angenehm“, begrüßte der ihn. „Ich leite das Kommissariat 1 der Kripo Kempten.“
Faulhaber sah irritiert zwischen den beiden hin und her.
„Meine Kollegen und ich sind sozusagen zuständig für Mord und Totschlag“, fügte Hansen erklärend hinzu. „Und bis nicht eindeutig feststeht, dass der Tod dieses Mannes eine natürliche Ursache hat, kümmern wir uns um den Fall.“
Der andere wurde blass.
„Sie meinen …?“
Hansen sah Resi an. Sie nickte erneut und trat dicht neben ihn.
„Sieht für mich nicht nach einem Herzinfarkt aus“, raunte sie Hansen so leise zu, dass nur er sie verstehen konnte. „Ich würde eher auf eine Atemlähmung tippen, es könnte auch Gift im Spiel sein.“
Faulhaber sah verzweifelt in den Himmel, dann ließ er seinen Blick über die Plattform schweifen, auf der sie standen, und schaute dann zur Glasscheibe der Bergstation, hinter der sich die Fahrgäste aus der Gondel drängten und zu ihnen herüberstarrten.
„Und was bedeutet das jetzt?“, fragte er mit einem leichten Anflug von Panik in der Stimme. „Ich meine, für die Seilbahn, die Fahrgäste und das Team hier oben?“
„Gute Frage“, versetzte Hansen und musterte den Toten, der halb in der Gondel, halb auf dem Balkon der Bergstation lag.
Faulhaber ging aufgeregt auf und ab, stützte sich schließlich schwer auf den Metallzaun am Rand der Plattform und starrte ins Tal hinunter.
Hansen beachtete ihn nicht weiter, sondern überlegte, was nun am besten zu tun war. Eigentlich hätten sie jetzt alles unverändert gelassen, damit die Kriminaltechnik die Spuren sichern und die Lage der Leiche dokumentieren konnte. Das hieße aber, dass die Tegelbergbahn die ganze Zeit über stillstünde – und auch keine Kripobeamten in den Gondeln auf den Berg gelangen konnten.
„Sag mal, Resi“, erkundigte sich Hansen, „kommt man denn auch mit dem Auto hier herauf?“
„Bis zur Rohrkopfhütte geht’s ganz gut, aber danach …?“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Aha“, machte Hansen, obwohl er keine Ahnung hatte, wo sich die Rohrkopfhütte befand.
Resi grinste.
„Na, da hat mein original Allgäuer Wandersmann wohl noch ein paar Wissenslücken, was?“, neckte sie ihn. „Aber wenn wir dem Willy Bescheid geben, wird der schon wissen, was für Fahrzeuge sie brauchen. Oder wir fragen ihn“, fügte sie hinzu, als Faulhaber wieder auf sie zukam.
„Was wollen Sie wissen?“
„Kommt man auch ohne Gondel hier herauf?“, fragte Hansen.
„Klar, mit dem Hubschrauber. Oder zur Not auch mit Quads, wenn das Wetter mitspielt.“
„Und ein Jeep schafft das nicht?“
„Nein, für einen Jeep ist kurz nach der Rohrkopfhütte Schluss.“
„Ein Quad wird den Kollegen von der Kriminaltechnik nicht viel nützen – also müssen sie doch mit der Gondel nach oben. Kann man diese Kabine denn stilllegen und nur die andere fahren lassen?“
Über Faulhabers Gesicht huschte ein spöttisches Grinsen.
„Eher nicht, die beiden Gondeln sind fest miteinander verbunden. Fährt eine, fahren beide.“
„Gut, dann fährt halt keine“, versetzte Hansen etwas genervt.
„Moment mal!“, meldete sich Faulhaber zu Wort. „Wollen Sie damit sagen, dass wir bis auf Weiteres den Betrieb einstellen müssen?“
„Sieht ganz so aus“, antwortete Hansen.
„Aber das geht doch nicht!“
„Ach, Sie würden sich wundern, was alles geht, wenn möglicherweise ein Mord geschehen ist.“
Damit ließ er den Mann stehen, zückte sein Handy und suchte nach einer Stelle, an der er Netzempfang hatte.
Resi hatte mit der Kriminaltechnik der Kripo Kempten telefoniert. Der Tote lag zwar halb auf der Plattform der Bergstation, doch was zu seinem Tod geführt hatte, war sehr wahrscheinlich nicht hier oben zu finden. Also war KT-Chef Ulf Kayserling damit einverstanden, dass Resi den Leichnam in die Gondel zurückschaffte, damit die andere Gondel genutzt werden konnte, um Polizisten nach oben zu bringen. Resi wiederum blieb mit dem Toten in der Gondel und setzte ihre Untersuchung während der Talfahrt fort.
Wenig später kam die andere Kabine oben an, und ein stattlicher Mann um die sechzig trat heraus, der grobes Schuhwerk und eine ärmellose Lederweste über dem weiten Hemd trug. Er hielt sofort auf Horst Faulhaber zu und redete mit ihm. Hansens Mitarbeiter Willy Haffmeyer verließ mit ähnlich festem Schritt die Gondel, gefolgt von der Kollegin Hanna Fischer, die etwas blass wirkte. Haffmeyer stutzte kurz, als er seinen Chef in der ungewohnten Aufmachung vor sich sah, aber auf dessen warnenden Blick hin riskierte er nur ein knappes „Fesch!“.
„Alles gut, Hanna?“, erkundigte sich Hansen, aber diese winkte nur ab.
„Seilbahnen sind nicht meins, tut mir leid, Chef. Und dass diese blöde Kabine auch noch so rumpeln muss, wenn sie über den Pfeiler gleitet! Und danach schaukelt sie wie verrückt hin und her, und das in dieser Höhe!“
Haffmeyer hob grinsend seine linke Hand. Sie sah etwas gerötet aus. „Ich hab der Hanna angeboten, dass sie sich an mir festhalten kann, dabei hat sie mir fast die Finger zerquetscht.“
„Na, ist das ein Wunder?“, empörte sich die Kollegin. „Da haben wir die Fahrt fast geschafft, dann bleibt dieses Mistding kurz vor der Plattform fast stehen. Ich hab mich nur kurz umgedreht, und schon hab ich mir vorstellen müssen, wie wir wieder nach drunten sausen. Also, ich muss jetzt erst mal verschnaufen! Hätten wir nicht mit dem Auto rauffahren können?“
„Höchstens mit einem Quad“, antwortete Hansen. „Und das klang eher abenteuerlich.“
„Mit dem Quad den Berg rauf?“, warf Haffmeyer begeistert ein. „Au ja, das hätte mir Spaß gemacht!“
„Dir vielleicht …“, maulte Hanna und lugte ängstlich nach Füssen hinunter.
Hansen schilderte seinen beiden Mitarbeitern, was er bisher über die letzten Minuten im Leben des schnauzbärtigen Mannes wusste. Dann kam die Gondel mit dem Toten wieder oben an, und als die Tür zur Seite glitt, winkte Resi sie zu sich. Der Tote lag inzwischen auf dem Bauch, und sie zeigte ihnen einen Einstich im Nacken.
„Eine Giftspritze?“, fragte Haffmeyer.
Resi nickte. „Sieht ganz danach aus. Ich muss natürlich erst herausfinden, um welches Gift es sich handelt – aber im Moment sollten wir davon ausgehen, dass dem Mann die Spritze unten auf dem Parkplatz der Talstation oder auf dem Weg in die Gondel verpasst wurde.“
Haffmeyer schaute zur Bergstation hinüber. Die meisten der gut vierzig Ausflügler glotzten unverwandt zu ihnen herüber.
„Unter denen werden wir unseren Täter kaum finden, oder?“
„Nur wenn er blöd ist“, versetzte Hansen. „Ich jedenfalls würde zusehen, dass ich mich rechtzeitig aus dem Staub mache, bevor das Gift wirkt. Aber die Menschen dort drüben könnten den Täter oder die Täterin gesehen und vielleicht sogar die Tat selbst beobachtet haben.“
„Dann werden wir die Leute gleich mal befragen, Chef. Komm, Hanna, auf geht’s!“
„Ich …“ Die mollige Kommissarin war noch immer etwas blass. „Ich bräuchte noch ein, zwei Minuten. Magst du schon mal allein anfangen, Willy?“
„Kein Problem, Hanna. Atme erst mal ruhig durch.“
Sie lächelte ihn dankbar an und rückte ein wenig vom Rand der Plattform ab.
Haffmeyer deutete derweil auf den Mann, der mit ihnen aus der Gondel getreten war und sich noch immer leise mit Horst Faulhaber unterhielt.
„Das ist Franz Hagleitner. Er ist der zuständige Förster hier“, erklärte Haffmeyer. „Ich hab mir früher ab und zu mit ihm drunten in Schwangau im Hanselewirt eine Schmankerlplatte geteilt.“
„Ich bin gespannt, wann du zum ersten Mal keinen der Leute vor Ort kennst …“, sagte Hansen und grinste. Haffmeyer zuckte mit den Schultern.
„Bitte“, meldete sich Hanna leise zu Wort, „bitte jetzt nicht vom Essen reden.“
„Komm, Hanna“, sagte Haffmeyer, „wir gehen jetzt mal in die Bergstation. Ich beginne mit den Befragungen, und du machst mit, sobald es dir besser geht, okay?“
Die beiden verließen die Plattform. Hansen wandte sich an den Förster und stellte sich vor.
„Schöner Mist“, knurrte Hagleitner mit Blick auf den Maschinisten der Bergstation, der sich inzwischen eine Zigarette angezündet hatte und auf der Ankunftsplattform hin und her tigerte. „Der Horst ist ganz außer sich. Das mit dem Toten ist schon schlimm genug, aber dass ihm die Polizei jetzt auch noch die Bahn sperrt … Wissen Sie, seit 2011 dieser Gleitschirm im Seil hängen geblieben ist und zwei Gondeln per Hubschrauber evakuiert werden mussten, hat der Horst immer nur gehofft, dass nicht wieder was passiert. Toi, toi, toi – bisher ist alles gut gegangen. Nur jetzt halt … Sagen Sie mal, Herr Hansen, kann die Seilbahn denn nicht doch bald wieder Gäste befördern?“
„Erst muss sich die Kriminaltechnik alles ansehen. Aber bestimmt können wir die zweite Gondel bald wieder freigeben.“
Resi und der Tote waren inzwischen wieder talwärts gefahren, und mit der anderen Gondel trafen nun ein Mann und eine Frau ein, die weiße Ganzkörperanzüge trugen. Der Mann, ein sportlicher Typ um die fünfzig, kam zu Hansen und Hagleitner.
„Sehr kleidsam“, sagte er zu Hansen und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, dann stellte er sich dem Förster vor: „Ulf Kayserling. Ich leite die Kriminaltechnik der Kripo Kempten.“
Zunächst ließ er sich von Hansen aufs Laufende bringen.
„Okay“, sagte er nach kurzem Nachdenken. „Es dürfte zumindest auf der Plattform hier oben nicht allzu viele hilfreiche Spuren geben. Sie können dem Maschinisten sagen, dass wir uns beeilen, und danach kann die Seilbahn meinetwegen wieder in Betrieb gehen. Nur die eine Gondel müssen wir noch für uns haben, und drunten in der Talstation sperren wir einen Teilbereich.“
Hagleitner überbrachte seinem Bekannten die gute Nachricht. Dankbar nickte dieser den Beamten zu, schnippte seine Kippe auf den Boden, trat sie aus und ging mit dem Förster zusammen ins Innere der Bergstation.
Hansen wartete mit Kayserling, bis die Gondel mit dem Toten wieder oben eintraf. Zwei weitere Kriminaltechniker waren in der Talstation zu Resi in die Kabine gestiegen und sicherten nun dort Spuren. Resi trat auf die Plattform und beschrieb Kayserling, wo der Mann sie unten auf dem Parkplatz angerempelt und wie er sich später in der Gondel immer stärker gegen sie gelehnt hatte. Danach zeigte sie dem Kriminaltechniker die Einstichstelle.
„Das hatten wir auch noch nicht“, sagte Kayserling schließlich munter, „dass die Kripo live dabei ist, wenn das Mordopfer stirbt.“
Die zwei Kriminaltechniker, die die Gondel untersuchten, betteten den Toten nun auf eine Plastikfolie und schafften ihn auf die Plattform heraus, um in der Gondel mehr Platz zu haben. Hagleitner und Faulhaber hängten eine schwarze Folie als Sichtschutz vor die Fenster der Bergstation.
Hansen bemerkte, dass der Kollege nachdenklich geworden war. „Was ist, Herr Kayserling?“
Der KT-Chef schaute Hansen lange an, bevor er antwortete.
„Der Mann stirbt in der Gondel, mit der Sie hier hochfahren. Er sackt im Sterben gegen Frau Meyers Rücken und steht dann eingeklemmt zwischen Ihnen und der Kabinenwand. Ich nehme an, Sie vermuten, dass dem Mann das Gift nicht allzu lange vor dem Einstieg in die Seilbahn gespritzt wurde?“
Resi nickte.
„Drunten ist ordentlich Betrieb, wie ich vorhin gesehen habe. Ich als Täter hätte mir vermutlich das Gewimmel auf dem Parkplatz ausgesucht, um dem Mann unbemerkt die Spritze zu verpassen. Wie schnell hat man da jemanden wie aus Versehen angerempelt, entschuldigt sich und ist im Handumdrehen wieder in der Menge untergetaucht. Und noch bevor das Opfer die ersten Symptome bemerkt, ist man schon wieder auf dem Weg zum Auto. Und bis er stirbt, ist man längst raus aus Schwangau, ohne dass irgendjemand eine Ahnung haben könnte, in welche Richtung man unterwegs ist.“
„Klingt plausibel“, stimmte Resi ihm zu.
Hansen, der allmählich ahnte, worauf Kayserling hinauswollte, schwieg.
„Das würde aber bedeuten, dass ihr beide nicht nur miterlebt habt, wie das Opfer gestorben ist, sondern dass ihr wahrscheinlich auch ganz in der Nähe wart, als dem Mann die Spritze gesetzt wurde. Sagen Sie, Frau Meyer, Sie haben erzählt, dass der Mann Sie geschubst hat oder gegen Sie gestoßen ist. Könnte er zu diesem Zeitpunkt schon vergiftet worden sein? War er da vielleicht bereits nicht mehr ganz sicher auf den Beinen?“
Resi dachte nach, dann schüttelte sie den Kopf.
„Nein, er wirkte ganz normal. Unhöflich halt, ein Trampel, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er gegen mich getorkelt wäre, weil er sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt hätte. Er schien es einfach eilig zu haben, und er war wohl nicht der Rücksichtsvollste. Jedenfalls hat er sich danach noch ganz unauffällig bewegt. Und auch als er zu uns in die Seilbahnkabine gestiegen ist, fiel mir nichts Ungewöhnliches an ihm auf. Er ist als Letzter reingekommen und hat gleich bemerkt, dass er sich direkt neben der Frau befand, die er kurz zuvor angerempelt hatte – jedenfalls drehte er sich sofort weg, als würde er sich brennend für das interessieren, was hinter der Glasscheibe der Gondel passierte. Vermutlich hatte er ein schlechtes Gewissen und wollte nicht, dass ich ihn zur Rede stelle.“
„Ist Ihnen denn außer diesem Mann in der Menge jemand aufgefallen?“, fragte Kayserling. „Jemand, der es eilig hatte oder der mit dem Mann zusammengestoßen sein könnte oder sich zumindest ganz nahe bei ihm aufgehalten hat?“
„Nein. Eike und ich waren ja privat hier, und wir haben, um ehrlich zu sein, vor allem füreinander Augen gehabt.“
Sie lächelte, und Kayserling seufzte.
„Ach, frisch verliebt, wie schön …“ Er klatschte Hansen auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. „Wär das nicht eine schöne Gelegenheit, mit der Hochzeit Ernst zu machen?“
Hansen verzog das Gesicht. Auch wenn mittlerweile offenbar jeder in der Kemptener Kripodirektion von seinen beiden Versuchen eines Heiratsantrags gehört hatte, fehlte ihm doch die Lust, selbst mit einem netten Kollegen wie Kayserling den Status seiner Beziehung zu diskutieren.
„War nur Spaß, Herr Kollege!“, schob der KT-Chef schnell nach, als er Hansens genervte Miene sah. „Ich mach mich jetzt an die Arbeit, damit die Seilbahn bald wieder Gäste befördern kann.“
Noch vom Tegelberg aus telefonierte Hansen mit Kripochefin Vroni Schliers, die alles in die Wege leitete, damit in der Polizeiinspektion Füssen bald die erste Besprechung der neuen Ermittlungsgruppe stattfinden konnte. Resi wiederum reservierte für den frühen Nachmittag in Kempten, wo sie als Gerichtsmedizinerin arbeitete, einen Termin für die Obduktion des Toten.
Die Befragung der Ausflügler, die mit Hansen und Resi in der Gondel auf den Berg gefahren waren, ergab nichts wirklich Handfestes. Einige wollten einen bulligen Typen mit Schiebermütze gesehen haben, der sich rücksichtslos durch die Menge gedrängt hatte. Dabei habe er in Schulterhöhe eine Umhängetasche vor sich gehalten und damit einige andere regelrecht aus dem Weg geschubst, wie ein paar Leute bestätigten – ob der Bullige aber auch den Mann mit Schnauzbart mit seiner Tasche getroffen hatte, wusste niemand zu sagen. Außerdem war vom Mann mit der Schiebermütze keine genauere Beschreibung zu bekommen. Zwei, drei Ausflügler waren der Meinung, dass er Kopfhörer getragen habe und dass daraus laute Musik dröhnte. Zwei Zeugen glaubten, unter der Mütze eine Glatze gesehen zu haben, andere ließen ihm Haare wachsen, einer sogar lockige – es war zum Verzweifeln. Nur darin, dass der Typ mit Mantel, Mütze und mit Handschuhen viel zu warm angezogen war für den schönen Tag, waren sich praktisch alle einig.
Ein Familienvater hatte sich mit dem Mordopfer gestritten, weil der ihn zugeparkt hatte – wenig später stellte sich heraus, dass der Vater, ein gewisser Thomas Hörkmann, jenen Van gelenkt hatte, dessen Außenspiegel Hansen im Rücken getroffen hatte. Hörkmann war entsprechend zerknirscht, als Hansen ihn darauf ansprach, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, ob der Mann mit dem Schnauzbart auf dem Weg zur Talstation irgendwo mit jemand anderem zusammengestoßen sei.
„Ich habe ja nicht einmal gesehen, dass er Ihre Begleiterin angerempelt hat“, versicherte Hörkmann. „Sonst hätte ich ja damit rechnen müssen, dass Sie vielleicht schnell einen Schritt nach hinten machen. Haben Sie sich denn sehr wehgetan?“
„Nein, alles in Ordnung.“
Hörkmann kaute auf der Unterlippe, und er warf zwei, drei bange Blicke zu seiner Frau hinüber, die ein Stück entfernt mit mäßigem Erfolg versuchte, ihre drei Kinder zu bändigen. Der Mann sah übernächtigt und gestresst aus, und Hansen nahm sich vor, mit Resi irgendwann zu diskutieren, ob sie denn eigentlich Kinder haben mussten.
„Ich … äh …“, begann Hörkmann nach einer kurzen Pause neu. „Ich müsste Ihnen noch etwas gestehen, und ich weiß gar nicht …“
„Jetzt reden Sie schon.“
„Als ich ausgestiegen bin, um diesem Mann, der jetzt tot in der Gondel liegt, die Meinung zu sagen, weil er mich eingeparkt hatte …“
Hansen horchte auf. Würde es noch ein paar verwertbare Informationen geben?
„Da … da habe ich in der engen Parklücke wohl meine Fahrertür ein bisschen zu weit aufgedrückt. Und da ist meine Tür gegen das Auto links von mir gestoßen. Nur ein ganz klein wenig, aber … aber vielleicht hat das dort eine Schramme hinterlassen. Und wo ich doch aus lauter Aufregung einfach weitergefahren bin, ohne mich um den Schaden zu kümmern, da …“
„Herr Hörkmann“, unterbrach ihn Hansen, und er gab sich erst gar keine Mühe, zu verbergen, wie genervt er war. „Wir ermitteln hier in einem Mordfall! Wie sehr, glauben Sie, treibt mich da eine Schramme im Lack eines Wagens um?“
„Aber es war doch gewissermaßen Fahrerflucht, also ich meine, wenn mir jemand unbedingt einen Strick daraus drehen will und …“
„Herr Hörkmann!“
Der Familienvater verstummte mitten im Satz und schloss langsam den Mund.
„Sie geben einem meiner uniformierten Kollegen Ihre Telefonnummer, und der wird sich drum kümmern, okay?“
„Ja, aber ich dachte, weil ich gerade mit Ihnen rede, dass Sie vielleicht für mich ein gutes Wort …“
„Ich leite die Mordkommission in Kempten. Lackschäden sind nicht mein Metier.“
Damit ließ Hansen den Mann stehen und ging kopfschüttelnd zurück auf die Plattform für die ankommenden und abgehenden Gondeln. Aus der nächsten eintreffenden Kabine stiegen einige uniformierte Polizisten und zwei Männer in schwarzen Anzügen, die einen metallenen Transportsarg mitbrachten. Die Bestatter nahmen den Deckel ab, betteten den Toten vorsichtig in den Transportsarg und verschlossen diesen. Dann trugen sie ihre Fracht in die Gondel. Und weil Haffmeyer, Hanna, Resi und Hansen hier oben fürs Erste nichts weiter tun konnten, beschlossen sie, mit dem Mordopfer zusammen talwärts zu fahren.
In der Talstation war die Seite der Plattform, über die Hansen und Resi zusammen mit dem späteren Mordopfer ihre Gondel bestiegen hatten, abgesperrt. Mit Trassierband war dort nur ein schmaler Weg als Zugang für den Staatsanwalt und die Polizei markiert. Das normale Publikum war bisher von einigen uniformierten Kollegen auf Abstand gehalten worden. Als die Bestatter mit dem Sarg das Gebäude der Talstation verlassen und ihre Fracht in den Leichenwagen verladen hatten, gaben die Polizisten den Weg frei, und die ersten Ausflügler drängten in die bereitstehende Kabine. Hansen sah dem Treiben noch einen Augenblick lang zu, dann ruckelte die Kabine los.
„Kommst du, Chef?“ Willy Haffmeyer war neben ihn getreten. „Resi hat gesagt, ihr seid mit dem Bus da. Wir könnten euch zu dir nach Hause bringen, dann kann sich Resi von dort aus gleich mit dem Auto auf den Weg in die Gerichtsmedizin machen, und wir drei fahren zur Füssener Inspektion.“
„Gut, so machen wir das“, versetzte Hansen erleichtert. „Dann kann ich mich auch gleich noch umziehen …“
Der Raum, der in Füssen für die Besprechungen der neuen Ermittlungsgruppe eingerichtet worden war, war fast zu klein. Die Anwesenden saßen ein wenig enger beisammen als sonst, doch die meisten im Raum kannten sich eh schon – und konnten sich obendrein bis auf wenige Ausnahmen recht gut leiden. Die Tische waren zu einem U zusammengeschoben worden. An der Stirnseite saßen Kripochefin Vroni Schliers, Pressesprecher Christoph Ohser, Polizeipräsident Benedikt Huthmacher, Hansen, KT-Chef Kayserling und Gudrun Labranz von der Staatsanwaltschaft Kempten, in deren Zuständigkeitsbereich Füssen fiel. An den anderen Tischen verteilten sich Beamte der Polizeiinspektion Füssen und der Kripo Kempten.
Haffmeyer hatte sich zu einem Endvierziger mit buschigen Augenbrauen und dichtem Schnurrbart sowie einem gemütlich wirkenden Mittfünfziger gesellt. Hansen hatte bei seinem ersten Mordfall im Allgäu mit ihnen zu tun gehabt. Ihre Namen fielen ihm im Moment nicht mehr ein, aber er glaubte sich daran zu erinnern, dass sie alte Kegelbrüder von Haffmeyer waren. Hanna saß auf dem letzten Platz neben der Tür. Sie wohnte in Füssen in der Pappenheimer Straße, kaum zweihundert Meter von der Polizeiinspektion in der Herkomerstraße entfernt, und war vor der Besprechung noch kurz nach Hause geflitzt, um sich ein Leberwurstbrot zu schmieren. Den Besprechungsraum hatte sie deshalb als Letzte erreicht, doch das störte sie nicht weiter. Sie aß ihr Vesper mit großem Appetit und musterte zwischen den Bissen ungerührt die Bilder des Toten, die an die Wand hinter Hansen projiziert wurden.
Es waren aber auch vergleichsweise harmlose Bilder: Auf den meisten von ihnen war der auf dem Rücken liegende Tote im Ganzen zu sehen, oder es waren Teile des Bildes vergrößert dargestellt, die aber auch keine blutigen Details zeigten. Den hervorquellenden Augen und dem aufgerissenen Mund nach zu urteilen, war der Mann elend erstickt. Für einige weitere Fotos war die Leiche umgedreht und von hinten fotografiert worden.
Hansen referierte zunächst die Informationen, die sie bisher zusammengetragen hatten. Kripochefin Vroni Schliers, die mit der Leitung der Soko Tegelberg betraut worden war, trug vor, was die Kollegen vom Innendienst über die Person des Toten in Erfahrung gebracht hatten. In seiner rechten Hosentasche hatte man einen Autoschlüssel gefunden, in der Gesäßtasche steckte eine Brieftasche, in der sich neben einigem Bargeld, EC-Karten und diversen Papieren auch sein Personalausweis befand. Demnach handelte es sich bei dem Toten um Helmut Möller, geboren am 23. April 1976. Sein Wagen war ein Mittelklassekombi in unauffälliger Lackierung, der recht gepflegt wirkte und in dem außer einer Straßenkarte, einer Parkscheibe und einigen Pfefferminzbonbons nur ein Schlüsselbund entdeckt worden war – einer der Schlüssel passte zu seiner Wohnung. Er war in der Heisinger Straße in Dietmannsried gemeldet, und die Beamten, die momentan seine kleine Mietwohnung untersuchten, hatten als ersten Eindruck durchgegeben, dass Möller offenbar ein sehr ordentlicher Mensch gewesen war: Nichts lag dort herum, und er schien allein gelebt zu haben.
„Möller ist für uns ein unbeschriebenes Blatt“, fuhr Vroni Schliers fort. „Er hat offenbar nichts angestellt, hatte nie Ärger mit der Polizei, nicht einmal geblitzt wurde er. Nach Dietmannsried ist er vor vier Jahren gezogen, der Innendienst versucht noch herauszufinden, wo er vorher gelebt hat.“
„Wie meinen Sie das?“, hakte die Staatsanwältin nach. „Ist das denn im Einwohnermelderegister nicht verzeichnet?“
„Doch, aber das ist eigenartig: Die angegebene Adresse in Kassel kann nicht stimmen – dort befindet sich eine Metallwarenfabrik, und weder hat es dort jemals Wohngebäude gegeben, noch existiert auf dem Fabrikgelände eine Hausmeisterwohnung. Vermutlich wissen wir aber bald mehr. Und wir gleichen natürlich alle Fingerabdrücke und DNA-Proben aus Möllers Wohnung routinemäßig mit der Zentraldatei des BKA ab. Zwei Kollegen sind gerade unterwegs zu einer kleinen Import-Export-Klitsche in Altusried, in der Möller gearbeitet hat. Auf diese Firma ist übrigens auch sein Wagen zugelassen. Zwei andere Kollegen befragen derzeit noch die Nachbarn in Dietmannsried, bisher hat das aber nicht viel ergeben.“
Für die Kriminaltechnik fasste Ulf Kayserling zusammen, welche Spuren bisher gesichert worden waren. Alles sprach dafür, dass Möller spätestens auf dem Weg über den Parkplatz ein Gift injiziert wurde, an dem er in der Gondel starb, kurz vor Erreichen der Bergstation.
Von allen Fahrgästen, die sich in derselben Kabine befunden hatten, waren Fingerabdrücke und Speichelproben genommen und die Personalien notiert worden. Kleidungsstücke, Taschen und Rucksäcke waren durchsucht, aber bei niemandem war eine Spritze oder etwas anderes gefunden worden, was im Zusammenhang mit Möllers Tod stehen konnte. Auch in der Kabine, auf den Plattformen oder in den Mülleimern der Bergbahnstationen war keine Spritze gefunden worden.
„Der Täter scheint sich aus dem Staub gemacht zu haben, bevor Möller die Talstation betrat“, schloss Kayserling seinen Bericht. „Er oder sie hat die Tatwaffe mitgenommen und anderswo entsorgt. Sobald Frau Dr. Meyer mit der Obduktion fertig ist, wissen wir, welches Gift ihm gespritzt wurde und wann – und können daraus Rückschlüsse ziehen, wo sich Möller und sein Mörder zu diesem Zeitpunkt befanden.“
„Wissen wir, wann Frau Dr. Meyer mit der Leiche fertig sein wird?“
Die Staatsanwältin sah die Kripochefin an, aber zu Wort meldete sich Hansen. Gudrun Labranz lächelte und lud ihn mit einer Geste ein, vom derzeitigen Stand der Dinge zu berichten.
„Frau Dr. Meyer meint, dass die Spritze von jemandem gesetzt wurde, der sein Handwerk beherrscht. Das Injizieren einer Spritze, während sich Möller offenbar bewegte, erfordert schon einige Übung. Was die Art des Giftes angeht, müssen wir abwarten, bis die Ergebnisse vorliegen.“
„Also müssen wir erst einmal herausfinden, wo dieser Möller bis 2014 gesteckt hat, wofür er in dieser Import-Export-Firma zuständig war, ob er auf dem Tegelberg etwas Bestimmtes vorhatte oder ob er sich einfach nur etwas Bergluft um die Nase wehen lassen wollte“, fasste die Staatsanwältin zusammen und deutete auf eines der Bilder an der Wand. „Und dann wüsste ich gern, warum sich die Einstichstelle an einer so exponierten Stelle befindet. Also, wenn ich jemanden mit einer Giftspritze töten wollte, dann würde ich die Nadel so setzen, dass ich eine Stelle unter der Kleidung treffe. Mit etwas Glück stellt der herbeigerufene Arzt einfach nur Herzstillstand fest, und wenn die Stelle gut genug gewählt ist, fällt der kleine Piks vielleicht gar nicht auf. Warum ausgerechnet am Hals?“
„Vielleicht hat sich der Täter nicht zugetraut, durch die Kleidung hindurch mit der Nadel bis zur Haut vorzustoßen?“, schlug Vroni Schliers vor.
„Also würden wir eher einen Amateur suchen?“
„Oder jemanden, der will, dass wir einen Amateur suchen. Auf die meisten tödlichen Gifte haben nur wenige Zugriff. Im besten Fall könnten wir unsere Ermittlungen auf einen sehr eng gefassten Personenkreis konzentrieren.“
Als die Soko-Besprechung zu Ende war, warteten Hanna und Hansen, bis sich Haffmeyer von seinen beiden Bekannten aus Füssen verabschiedet hatte. Gerade verabredeten die Männer, dass sie nach Auflösung des Mordfalls einen Abend in einer Füssener Kegelbahn verbringen würden, da eilte Vroni Schliers auf Hansen zu.
„Hier, Kollege, das ist wohl eher was für Sie!“
Sie reichte ihm ihr Handy, und Hansen meldete sich. Am anderen Ende war einer der Polizisten, die oben in der Bergstation dafür sorgen sollten, dass niemand in die Gondel einstieg, in der die Kriminaltechnik noch immer bei der Arbeit war.
„Ich habe hier eine Frau Schwerdtfeger, die …“ Er senkte seine Stimme zu einem Raunen. „… die auf dem Tegelberg mit unserem Opfer verabredet war. Die gute Frau ist völlig außer sich. Sie hat von einem der Ausflügler aufgeschnappt, dass es einen Toten gegeben hat, und jetzt ist sie kaum mehr zu beruhigen.“ Wie auf ein Stichwort hin erhob sich jetzt im Hintergrund eine hysterische Frauenstimme. „Sie hören es ja selbst. Was soll ich machen? Bring ich diese Furie zu euch runter in die Inspektion?“
„Nein, sorgen Sie bitte dafür, dass sie oben bei Ihnen bleibt. Wir kommen, so schnell es geht.“
Hansen gab der Kripochefin das Handy zurück und scheuchte Haffmeyer und Hanna zum Aufbruch.
„Oh, oh“, seufzte Hanna. „Schon wieder mit der Seilbahn nach oben?“
„Du kannst ja raufklettern“, nahm sie Haffmeyer gutmütig auf die Schippe. „Außerdem bist du mir eine schöne Allgäuerin! Hast Angst vor den Bergen, statt sie zu lieben!“
„Ich liebe die Berge, aber von unten. Weißt du, Willy, ich schau mir das alles sehr gern aus dem Tal an. Und solange die Berge oben bleiben und ich unten, gefällt es mir am besten. Ich bin halt nicht so die Bergziege!“
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