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Stone Man. Die Rückkehr (Stone Man 2)

Stone Man. Die Rückkehr (Stone Man 2) - eBook-Ausgabe

Luke Smitherd
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Stone Man. Die Rückkehr (Stone Man 2) — Inhalt

Schonungslose Fortsetzung des Bestsellerautors Luke Smitherd

Fünf Jahre sind seit der Ankunft der mysteriösen Stone Men vergangen, als an der Westküste Englands eine neue Bedrohung für die Menschheit eintrifft. Eine unaufhaltsame weiße Gestalt des Terrors: Der Empty Man. Dieser scheint nach einer ganz bestimmten Person zu suchen: Maria Constance, eine Gezeichnete, die noch unter den Folgen einer Begegnung mit den Stone Men leidet. Währenddessen deckt Eric Hatton, ein Stone-Man-Verschwörungstheoretiker, im britischen Hauptquartier den neuen, schrecklichen Plan der fremden Wesen auf.

Für alle Fans von Stephen King und Roland Emmerich!

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.09.2021
Übersetzt von: Andreas Decker
384 Seiten
EAN 978-3-492-99842-0
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Leseprobe zu „Stone Man. Die Rückkehr (Stone Man 2)“

Prolog


Es war nur eine halbe Stunde. Trotzdem waren sich die Kinder bewusst, dass man sie früher abholte als sonst.
„Simon, deine Jacke. Ja, ich kümmere mich gleich darum, aber ihr alle müsst eure Jacken anziehen und euch auf den roten Teppich setzen. Okay? Die Jacken!
Kleine Menschen mit aufgeregten oder ängstlichen Mienen – bei den meisten war es eine Mischung aus beidem – begaben sich zu der hüfthohen Garderobe neben der Klassenzimmertür. Dabei waren sie ungewöhnlich leise, was das stille Chaos des Augenblicks nur unterstrich. Maria tat ihr Bestes, die [...]

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Prolog


Es war nur eine halbe Stunde. Trotzdem waren sich die Kinder bewusst, dass man sie früher abholte als sonst.
„Simon, deine Jacke. Ja, ich kümmere mich gleich darum, aber ihr alle müsst eure Jacken anziehen und euch auf den roten Teppich setzen. Okay? Die Jacken!
Kleine Menschen mit aufgeregten oder ängstlichen Mienen – bei den meisten war es eine Mischung aus beidem – begaben sich zu der hüfthohen Garderobe neben der Klassenzimmertür. Dabei waren sie ungewöhnlich leise, was das stille Chaos des Augenblicks nur unterstrich. Maria tat ihr Bestes, die Anspannung aus ihrer Stimme zu halten, aber es gelang ihr nicht.
Etwas sehr, sehr Schlimmes war geschehen.
War da nicht schon vor dem Anruf, vor dem Nachrichten-Alarm auf ihrem Handy – verdammt, bevor der Tag überhaupt richtig angefangen hatte –, dieses Gefühl gewesen, dass etwas nicht stimmte? Eigentlich sogar schon die ganzen letzten Tage? Marcus, ihr Mann, war keine Hilfe gewesen. Subtil – also in Wirklichkeit alles andere als subtil – hatte er sie gefragt, ob ihre Hormone verrücktspielten. Und als sie ihn angefaucht hatte, dass das nicht der Fall sei, hatte sein Nicken, das deutlich besagte Wie du meinst, aber gerade hast du mir recht gegeben, ihre Anspannung nur noch vergrößert.
Und dann der Anruf. Natürlich über den Festnetzanschluss, weil ihr Handy plötzlich kein Signal mehr hatte, und als es wieder da war, konnte sie nicht telefonieren. Selbst die Festnetzverbindung war kaum zu verstehen gewesen. Anscheinend hatten sämtliche Netzwerke große Probleme.
Die Polizei war am Apparat gewesen.
Als sich Maria bereit erklärt hatte, bei Karens Nachmittagsbetreuung einzuspringen – Yogaunterricht war nicht besonders einträglich, und sie und Marcus hatten noch immer Kreditkartenschulden von ihrer Hochzeitsreise –, hatte sie nun wirklich keinen Anruf von der Polizei erwartet. Was der Beamte gesagt hatte, war Furcht einflößend gewesen, und zwar wegen dem, was er nicht gesagt hatte.
Ein Bus würde die Kinder abholen. Nicht ihre Eltern, sondern ein Bus. Man würde sie zu einer „Sammelstelle“ bringen.
„Was ist passiert?“, hatte sie gefragt.
„Das wissen wir noch nicht“, hatte die Antwort gelautet, „und es steht uns nicht frei, darüber zu spekulieren. Bitte bereiten Sie die Kinder vor, ein Beamter kommt. Wir informieren die Eltern.“
Schockiert und verängstigt war ihr die Frage entschlüpft – die selbstsüchtige Frage, die sie in der Sekunde bereut hatte, in der sie ihr über die Lippen gekommen war: „Und was soll ich machen?“
„Wir raten Ihnen, in den Bus zur Sammelstelle einzusteigen oder sich selbst so schnell wie möglich dorthin zu begeben. Hier ist die Adresse, haben Sie einen Stift?“
Natürlich hatte sie – schließlich befand sie sich in einem Klassenzimmer –, und sie hatte alles aufgeschrieben. Dabei war ihr aufgefallen, dass sich die Sammelstelle außerhalb der Stadt befand; zugleich hatte sie über ihre emotionale Distanz gestaunt. Sie hatte Karen angerufen, war aber augenblicklich auf der Mailbox gelandet, also genau das, wovon Karen hoch und heilig versprochen hatte, dass es nicht passieren würde.
Ein Terrorangriff, hatte sie gedacht. Es gab einen Terrorangriff. Nahe genug, dass man alle in Sicherheit bringen will, die Kinder aus der Stadt schaffen will.
Der nächste Gedanke war gewesen: Moment mal! Es gab einen Terrorangriff in Coventry? Warum zum Teufel sollte jemand Cov angreifen?
Chloe, die andere Betreuerin, sah genauso verängstigt aus wie die Kinder, während sie wiederholt versuchte, ihren Freund zu erreichen – mit einundzwanzig war sie beinahe selbst noch ein Kind –, und auch wenn Maria sie mochte, befürchtete sie, sich auch noch um das krampfhaft hip aussehende Mädchen kümmern zu müssen. Kopfschmerzen meldeten sich an. Das war merkwürdig. Die bekam sie so gut wie nie.
„Chloe“, sagte sie freundlich, „ich habe hier alles unter Kontrolle. Warum gehst du nicht raus, vielleicht ist das Signal dort besser.“ Das stimmte nicht, wie sie nur zu gut wusste. Das hatte sie bereits versucht.
„Ja. Ja, okay.“ Chloe verschwand. So war es besser.
Auf dem roten Teppich saßen nun elf Kinder und redeten miteinander, während Maria nervös auf und ab schritt. Das zwölfte Kind stand noch immer vor der Garderobe, einen Arm in der Jacke, in der anderen Hand das Handy. Die Sorge war seinem Gesicht abzulesen. Es war Cecily, ein gemischtrassiges Mädchen mit wunderschönen dunklen Locken.
„Cecily“, sagte Maria leise. „Bitte zieh deine Jacke an und setz dich auf den roten Teppich.“
„Mein Handy“, erwiderte Cecily mit einer bebenden Stimme, die Maria das Herz brach. „Es geht nicht. Etwas stimmt nicht.“ Maria wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Schließlich hatte das Kind völlig recht.
„Da ist nur das Signal gestört.“ Sie versuchte, überzeugt zu klingen. „Das ist bald wieder in Ordnung. Versprochen.“
„Können Sie meine Eltern anrufen? Können Sie es versuchen?“
„Wenn du dich auf den Teppich setzt, ja. Ich versuche es über Festnetz. Okay? Gib mir die Nummer.“
Mürrisch gehorchte Cecily. Sie suchte Mummy im Adressbuch und gab Maria das Handy. Dann schleppte sie sich wie mit Bleischuhen an den Füßen zu ihren Klassenkameraden. Maria behielt die Gruppe der kleinen Menschen im Auge und wählte die Nummer. Die Mailbox, ebenso wie bei Daddy. Sie gab Cecily das Handy zurück. Die Sorge des Mädchens verstärkte sich. Das mit ansehen zu müssen, tat Maria weh.
„Ich bin auch nur auf der Mailbox gelandet“, sagte sie, „aber da hat bestimmt nur das Netz Probleme. Das ist okay, kein Grund zur Sorge.“
Eine Geschichte. Lies ihnen eine Geschichte vor, bis die Polizei kommt, das wird uns alle ablenken.
Das stimmte nur zur Hälfte. Sie konnte sich nicht ablenken, wurde völlig verrückt. Dabei ergab diese Unruhe nicht einmal Sinn. Natürlich waren Terroranschläge beunruhigend, aber das hier fühlte sich an wie etwas Persönliches. Der Gedanke war albern, traf es aber am besten. Sie zwang sich zu einem Lächeln und fühlte sich etwas besser, da es von zwölf sitzenden, erwartungsvollen Augenpaaren vor ihr erwidert wurde.
Wenn die Kinder die Nerven behalten konnten, konnte sie das verdammt noch mal auch.
„Alle bereit?“
Sie fing mit ihrer Geschichte an.
Kurz darauf kam Chloe zurück und gab Bescheid, dass der Bus da war. Er war so schnell eingetroffen, dass sich ein paar der Kinder sogar darüber beschwerten, das Ende des Kapitels nicht mehr hören zu können. Zu Marias Überraschung wurde der Bus von einem Streifenwagen begleitet. Der Anblick munterte die Kinder auf – das war ja noch aufregender als ein Bus! –, aber Marias Anspannung verschlimmerte sich nur noch, genau wie die Kopfschmerzen.
Etwas stimmt nicht. Das fühlst du …
Sie atmete scharf ein und ermahnte sich, sich auf ihren Job zu konzentrieren. Sie führte die Kinder hinaus.
„Schön langsam, hört ihr?“ Zusammen mit Chloe begleitete sie die Kinder über den Parkplatz. Die Bustür öffnete sich mit einem Zischen. „Es wird nicht gedrängelt. Und es läuft auch keiner. Stephanie, ich habe dich im Auge.“ Sie täuschte eine finstere Miene vor, die Stephanie lächeln ließ. Aber das Lächeln wurde so schnell von Sorge ersetzt, dass Maria das Mädchen am liebsten in den Arm genommen hätte.
Normalerweise hätte sie zuerst mit den Polizisten gesprochen, um herauszufinden, was hier eigentlich los war. Aber heute würde sie keine Zeit verschwenden. Sie musste die Kinder in den Bus schaffen, damit sie hier wegkamen. Fragen mussten bis später warten. Das wusste sie instinktiv mit jeder Faser ihres Wesens. Wie sie das wissen konnte, konnte sie später ergründen.
Hier geschieht etwas Schreckliches. Etwas Schreckliches kommt.
Aber da wisperte nur der Teil ihres Gehirns, in dem der Affe lauerte, der wie gewöhnlich in Panik geriet und so vertraut wie ein alter Exfreund war, die Art, die immer nur dann auftauchte, wenn man verletzlich und einsam war und einfach nur reden wollte. Marcus hatte ihr vor langer Zeit geholfen, die Panikanfälle unter Kontrolle zu bekommen. Trotzdem wollte die Stimme in ihrem Kopf nicht verstummen.
Du musst die Kinder hier wegbringen, du musst hier weg. Du musst dich irgendwo in ein kleines Loch verkriechen …
Was ist das für ein Gefühl?
Anspannung.
Wo manifestiert sie sich in meinem Körper?
So wie immer. Brust. Magen. Nacken.
Okay. Der Gedanke, den ich habe, ist Anspannung.
Der Polizist war aus dem Wagen gestiegen und stand neben der Bustür, versuchte die Kinder freundlich anzulächeln, während sie in den Bus stiegen. Der Bus war leer. Maria hatte sich gefragt, ob er bereits gefüllt sein würde.
Ich akzeptiere, dass ich Anspannung fühle. Ich bin nicht der Gedanke. Er ist einfach nur gerade da.
Mehr brauchte es für gewöhnlich nicht. Dank der Übungen reichte das aus, um ihrem kreischenden Affenhirn eine Banane zu geben und es ins Bett zu schicken.
„Sind das alle, Miss?“, fragte der lächelnde Beamte, nachdem das letzte Kind im Bus war. Sie las Anspannung aus seinem Blick und seiner blassen Haut; er zwang sich zu seinem ruhigen Ausdruck. Er hatte Angst.
„Zwölf müssen es sein, und genauso viele habe ich gezählt“, erwiderte Maria und blieb auf der ersten Stufe stehen. „Hören Sie, mein Lieber“, flüsterte sie. „Was ist denn passiert?“ Sie rechnete nicht mit einer Antwort, hatte aber gehofft, dass die Worte mein Lieber trotz ihres üblichen Unbehagens in Gegenwart von Uniformierten oder von Behörden eine Reaktion auslösen würden. So nach dem Motto Ich bin eine ganz normale Frau und du ein ganz normaler Kerl. Es funktionierte nicht.
„Ich weiß es nicht, Miss.“ Das Lächeln verschwand. Er war kaum älter als sie. „Ich wünschte, ich täte es. Man hat mir befohlen, Ihnen nur zu sagen, dass wir zu einer Sammelstelle in Bell Green fahren. Aber was man mir gesagt hat, hat sowieso keinen Sinn gemacht. Sie müssen nicht bleiben, aber die Kinder schon, damit sie später ihren Eltern übergeben werden können. Wir können nicht alle erreichen, und die Straßen in der Stadtmitte sind alle verstopft. Sie müssen nicht mitkommen, aber es würde uns wirklich helfen, wenn Sie im Bus mitfahren, damit sich die Kinder sicher fühlen. Auch Sie wären in der Sammelstelle in größerer Sicherheit, es gibt einen Arzt …“
„Aber warum können Sie mir nicht sagen, was …“
„Miss, es tut mir wirklich leid, das ist mein völliger Ernst, ich kann mir vorstellen, wie frustrierend das alles sein muss, aber ich habe Ihnen wirklich alles gesagt, was ich kann. Ich will das nur erledigen, damit ich versuchen kann, nach Hause zu meiner Frau zu kommen. Also könnten Sie …“ Er biss die Zähne zusammen, und Maria konnte die Frustration sehen, die er zurückhielt. Dieser Mann hatte einen schweren Tag. „… bitte?“, beendete er den Satz und schloss die Augen.
„Äh … ja. Ja, tut mir leid“, sagte Maria. Der Kopfschmerz pochte nun mit einem dumpfen Pulsschlag.
„Nein, es ist … machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte sie der Beamte, brachte sich wieder unter Kontrolle und trat zurück, damit Maria in den Bus steigen konnte. Oben drehte sie sich zu Chloe um. „Chloe“, sagte sie zu der nun leichenblassen jungen Frau. „Du musst nicht mitkommen. Ich weiß, es ist gegen die Regeln, aber ich glaube … das ist ja ein Notfall, also …“
„Bist du sicher? Ich kann …“
„Es ist okay.“
Chloe trat einen Augenblick unbehaglich auf der Stelle und lief dann zu Maria, um sie zu umarmen.
„Vielen Dank!“
Sie rannte – sie rannte tatsächlich – zu ihrem alten, verbeulten Micra, dabei winkte sie den Kindern im Bus zu. Die winkten zurück, wenn auch nicht besonders enthusiastisch.
Maria beobachtete sie voller Neid. Auch sie wollte nach Hause zu ihrem Mann Marcus, das musste sie unbedingt. Aber sie würde die Kinder nicht im Stich lassen. Sie bestieg den Bus, und der Polizist gab dem Fahrer ein Handzeichen, bevor er zurück zu seinem Wagen ging, um sie zu eskortieren.
Maria blickte den Mittelgang entlang; die Köpfe der Kinder reichten kaum über die Lehnen der verschlissenen Sitze. Obwohl es eine Schrottkarre war, war es trotzdem ein ganz normaler Bus. Bestimmt würden sie noch mehr Leute einsammeln.
„Können Sie das Radio anmachen?“, bat sie den Fahrer. Es würde Nachrichten geben.
„Man hat mich angewiesen, das nicht zu tun, Miss.“ Der Fahrer sah aus, als wäre er Jahrzehnte vor dem uralten Bus geboren. „Es funktioniert sowieso nicht richtig.“
Die Tür schloss sich, der Bus fuhr los.
Die Kinder waren nun eher aufgeregt als ängstlich, und das Geplapper wurde zu einem lauten Summen, als der Wagen auf die Straße fuhr und die Kinder lachten und lärmten. Die Kopfschmerzen waren jetzt so schlimm wie noch nie zuvor in Marias Leben – sie machte sie auch für ihre wachsende Benommenheit verantwortlich –, aber sie würde die Kinder nicht bitten, still zu sein. Solange sie lachten, hatten sie keine Angst. Maria schloss die Augen und atmete langsam, während sie auf der Suche nach Informationen die Straßen musterte. Am Himmel flog ein Hubschrauber im Tiefflug vorbei.
Ich akzeptiere, dass ich die Anspannung fühle. Ich fühle sie im Kopf. Es tut wirklich scheißweh.
Fünf Minuten später kamen sie zu einer zweispurigen Straße und blieben stehen.
Nach weiteren fünf Minuten wurden die Scheinwerfer und die Sirene des Streifenwagens eingeschaltet, und Maria glaubte, er würde ihnen einen Weg bahnen. Stattdessen ließ er sie zurück und drehte um, während die umstehenden Wagen unbeholfen Platz machten. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Der Streifenwagen schlich an zwei Autoreihen vorbei, die sich zögernd für ihn öffneten und in der nächsten Sekunde aggressiv wieder zusammenschnappten.
Maria kontrollierte ihr Handy. Noch immer kein Signal. Der Stau war in einer Wohngegend, die sie nicht erkannte. Die Straße wurde von Reihenhäusern gesäumt. Ein Laden an der Ecke. Ein paar Leute standen vor ihren Häusern, die Arme angespannt vor der Brust verschränkt. Maria warf einen Blick durch die Windschutzscheibe. Kein Wagen bewegte sich. Minuten vergingen. Sie kamen nicht von der Stelle.
Maria fiel auf, dass ihre Nase blutete, und fummelte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Ihre Hände zitterten. Sie sah zu, wie sich die Leute auf der Straße unterhielten, und bei Gott, sie wollte Antworten.
„Ich steige kurz aus“, sagte sie zu dem Fahrer. Bevor er etwas erwidern konnte, stand sie auf und wandte sich den Kindern zu. „Okay, alle mal ruhig sein. Alle eine Sekunde mal ruhig sein! Anscheinend bleiben wir eine Weile hier stehen, also steige ich aus und versuche in dem Laden dort drüben etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Vielleicht ein paar Chips zur Belohnung, weil ihr alle so brav seid.“ Die Kinder gaben ein begeistertes Jaaa von sich. Normalerweise hätte sie ihnen niemals unerlaubte Snacks gegeben.
„Aber aufgepasst! Hört zu … hört zu. Danke! Der Fahrer wird mir sagen, ob sich jemand danebenbenommen hat, und derjenige bekommt keine Chips. Okay?“ Alle nickten eifrig. „Okay. Ich bin in einer Sekunde wieder da.“ Sie drehte sich um und sah den Fahrer erwartungsvoll an. Lady, ich versuche hier nur meinen Job zu machen, besagte sein finsterer Ausdruck, aber dann seufzte er und schlug auf den Schalter, der die Tür öffnete.
Maria verließ energisch den Bus und überquerte die Straße, konnte es aber sofort riechen. Rauch. Sie schaute über die Häuserdächer, und tatsächlich, da war Rauch. In unmittelbarer Nähe stiegen weitere Rauchsäulen in den Himmel. Das war eine große Sache. Das war übel. Mehrere Fahrer waren ebenfalls ausgestiegen und musterten die Rauchwolken. Maria zwang sich, die Gerüche und den Anblick zu ignorieren und direkt auf ihr Ziel zuzuhalten, ein junges Pärchen, das vor seinem Haus stand und mit einer älteren Nachbarin sprach. Dabei fiel ihr Blick unwillkürlich auf den Porsche in der Auffahrt, ein auffälliger Wagen, der nicht zur Einkommensgruppe der Gegend passte.
„Entschuldigung“, sagte sie. Das Zittern in ihrer Stimme entging ihr nicht. Die drei Leute wandten sich höflich zu ihr um. Zu ihrer Überraschung erschienen sie keinesfalls besorgt, eher aufgeregt. „Wissen Sie, was eigentlich los ist? Ich habe einen Bus voller Kinder, man bringt uns zu einer Sammelstelle.“
„Niemand weiß etwas“, sagte die junge blonde Frau und schien das Geheimnis zu genießen. Ihr Freund und die alte Nachbarin nickten aufgeregt zur Bestätigung. „Online gibt es Bilder, und viele halten es für CGI, aber ich glaube …“
Plötzlich donnerte es ein Stück entfernt. Aber wiederum auch nicht so weit weg. Alle zuckten zusammen, die alte Frau legte eine Hand auf die Brust. Maria und die beiden anderen streckten die Hand nach ihr aus, aber die Frau winkte ab.
„Mir geht es gut, mir geht es gut“, sagte sie, dann donnerte es erneut. Lauter. Näher. Die alte Frau schnappte nach Luft. „Oh, das war nahe, wirklich in der Nähe. Was glauben Sie, sollten wir …?“ Der junge Mann zuckte mit den Schultern und drehte sich behäbig wieder zu der Autoschlange auf der Straße um. Er war betrunken, wie Maria nun klar wurde.
„Wo sollen wir denn hin?“, fragte er rhetorisch und zuckte mit den Schultern.
„Aber was haben die Nachrichten denn gesagt?“, fauchte Maria und versuchte, die Frustration in ihrer Stimme zu verbergen. „Sie haben eben Computeranimationen erwähnt, was haben Sie damit …“
Sirenengeheul erfüllte die Luft. Ein Polizeimotorrad hielt an, und der Fahrer fing an, den Leuten auf der Straße etwas zuzubrüllen. Er war so aufgeregt, dass er nicht einmal daran dachte, den Lautsprecher des Motorrads zu benutzen.
„Sie müssen hier weg! Sie müssen hier verschwinden, Sie alle, Sie müssen …“ Ihm fiel der Lautsprecher wieder ein, und er schnappte sich das Mikro. „SIE MÜSSEN ALLE SOFORT DIESE GEGEND VERLASSEN, SIE SIND IN GEFAHR, VERLASSEN SIE IHRE WAGEN UND HÄUSER. SIE MÜSSEN AUF DER STELLE LOS, GEHEN SIE ZU FUSS ZUM ENDE DER STRASSE UND DANN WEITER NACH WESTEN: SOFORT! SIE ALLE!“ Plötzlich fuhr er dreißig Meter weiter und wiederholte den Befehl, und die Autofahrer, die auf der Straße standen, eilten auf ihn zu, um Fragen zu stellen. „KEINE FRAGEN, BITTE GEHEN SIE SOFORT! FALLS SIE IN EINEM FAHRZEUG SITZEN, MÜSSEN SIE ES AUF DER STELLE VERLASSEN. KOMMEN SIE ZURÜCK, WENN DIE GEGEND WIEDER SICHER IST. SIE MÜSSEN DIESE GEGEND SOFORT EVAKUIEREN.“ Das Motorrad fuhr wieder ein Stück weiter, und Marias Knochen fühlten sich leicht und hohl an. Ein paar der Anwohner verstanden die Botschaft und gingen schnell die Straße entlang. Andere folgten ihnen unsicher, wollten nicht gehen.
„Sollen … sollen wir gehen?“, fragte die Blondine ihren Freund, dann hallte das nächste KRACHEN durch die Luft, gefolgt vom klar erkennbaren Geräusch vieler stürzender Ziegel. Erbebte da der Boden?
„O mein Gott“, sagte die alte Frau, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging so schnell sie konnte die Straße hinunter. Andere Leute fingen an zu laufen. Maria fuhr zu dem Bus herum. Der Fahrer stand nun vor dem Wagen. Er starrte das Motorrad an, das die Straße weiter entlangfuhr. Maria schaute auf und sah zwölf kleine Augenpaare zu etwas über den Häusern hinter ihr blicken. Sie folgte der Richtung. Staub und Qualm färbten den Himmel grau, neue Rauchwolken stiegen auf, nun bedeutend näher. Kam das von der Parallelstraße?
Der Laden, rief sie sich mühsam zur Ordnung. Du hast ihnen versprochen, etwas zum Knabbern mitzubringen.
Wie benommen machte Maria zehn Schritte auf den Laden zu. Aber der Ladenbesitzer stürmte aus dem Gebäude, und der Anblick riss sie aus ihrer Trance. Scheiß auf das Knabberzeugs, kreischte das Affenhirn, der stärkste Teil von ihr, der sich den Weg in den Vordergrund bahnte. Wenn es ums Überleben ging, wusste es Bescheid. Schaff die Kinder aus dem Bus! JETZT!
Maria rannte zum Bus, während es hinter ihr erneut donnerte. Sie schlug die Hände auf die Ohren. Dieses Getöse war überwältigend; etwas bewegte sich in ihre Richtung und war fast da.
Du hast es gewusst!, kreischte das Affenhirn. Du hast es schon seit Tagen gespürt. Wieso?
Sie drängte sich an dem nutzlosen Fahrer vorbei, der auf die Häuserreihe starrte, und stürmte die Stufen hinauf. Das schreckliche, ständige, langsame Dröhnen konnte man jetzt bereits durch den Wagenboden spüren. Der fröhliche Lärm, den sie zurückgelassen hatte, war verstummt. Die Kinder hatten Angst. Alle starrten Maria auf der Suche nach Antworten an.
„Wir steigen sofort aus“, sagte sie, versuchte ruhig zu klingen und scheiterte kläglich. „Also jeder steht jetzt auf und …“
RUMMS!
Das Dach neben ihnen stürzte ein, während die Vorderseite des Hauses in einer Eruption aus Ziegeln und Mörtel nach außen explodierte. Mit einem ohrenbetäubenden Donnern verschwand das Gebäude in einer Wolke aus Staub und Schutt; Betonstücke und Holz prasselten lautstark zu Boden, während gerissene Stromleitungen in den einstürzenden Trümmern Funken schlugen. Entsetzt fasste sich das junge Paar bei den Händen und rannte, ohne zu zögern, aus Marias Sichtfeld die Straße hinunter. Die Kinder schrien und klammerten sich aneinander, dann nahmen die Schreie noch an Lautstärke zu, denn nun sahen sie, dass etwas auf sie zukam, das, ohne ins Stolpern zu geraten, direkt durch das einstürzende Gebäude schritt.
Es war groß, es war unaufhaltsam.
„Okay, wir müssen hier weg“, brüllte Maria. „Wir müssen weg, los, los, los!“
Während die Kinder losstürmten, wurden die Umrisse des näher kommenden Dings klarer. War es ein Tier? Ein Tier wäre nicht groß genug, aber es ging wie ein Mensch, und kein Mensch konnte …
Ein Range Rover wollte an dem Bus vorbeiziehen.
Ein Fluchtversuch inmitten von zwei Autoreihen, die in beiden Richtungen stillstanden, war ein sinnloses Unternehmen, blinde Panik angesichts eines unmöglichen Schreckens. Vielleicht glaubte der Fahrer in seiner Angst, dass er einfach den Mittelstreifen entlangfahren und die Wagen rechts und links zur Seite schieben konnte. Das Timing war lausig; ein Motorrad auf der Gegenspur wählte überrascht vom Einsturz des Hauses diesen Augenblick zur Flucht und gab Gas.
„Nein!“, rief Maria, der alles wie in Zeitlupe erschien. Irgendwie gelang es dem Range Rover, ein paar Meter an dem Bus vorbeizukommen, er schaffte fast die ganze Länge – die wenigen überraschten Fahrer auf der Gegenspur, die dummerweise in ihren Wagen sitzen geblieben waren, lenkten ihre Fahrzeuge zur Seite, um nicht beschädigt zu werden –, aber als der verrückte Fahrer die neue, auf sich zukommende Bedrohung entdeckte, verriss er das Steuer. Ein scharfer Ruck ging durch den Bus, als der Range Rover an seiner Seite entlangschrammte; Blech verformte sich mit einem schrillen Kreischen. Maria wurde auf den Fahrersitz gestoßen. Die Kinder stürzten schreiend zu Boden, der Range Rover blieb stehen, weil das Auto vor ihm den Weg versperrte; sein Besitzer hatte schon lange die Flucht ergriffen.
„Festhalten! Festhalten!“, rief Maria sinnlos und klammerte sich am Lenkrad fest. Die Welt vor ihren Augen verfärbte sich grau. Der Lärm aus allen Richtungen, das einstürzende Haus, der Range Rover, der Zusammenstoß, die Schreie der Kinder und die rhythmischen Erschütterungen sprengten ihren Verstand.
Das sind Schritte. Es kommt näher.
„Alle raus aus dem Bus!“, schrie sie und fing an, Kinder auf die Füße zu zerren, sie zum Einstieg zu stoßen. „Alle aufstehen, kommt schon, hoch mit euch!“ Verzweifelt schaute sie aus dem Fenster, während sie mit fliegenden Fingern Kinder in die Höhe riss, derweil die, die bereits aufgestanden waren, an ihr vorbeieilten. Sie sah, was durch das Haus gebrochen war. Es raubte ihr den Atem.
Es war ein Mann aus Stein. Sein Körper war unproportioniert und ohne Gesichtszüge, und das Ding marschierte.
Es zog eine Staubwolke hinter sich her, war von dem Gang durch ein ganzes Gebäude völlig unbeschädigt. Es ging einfach über den Porsche in seinem Weg, stieg nicht darüber wie über einen Hügel, sondern bewegte sich wie ein Mensch, der auf einen Pappkarton trat. Der Porsche wurde unter dem Schritt zerdrückt, als wäre das Fahrzeug hohl und aus Alufolie gemacht.
Das war unmöglich …
„Maria! Maria!“ Das war Cecily. „Wir kommen nicht aus dem Bus!“
Maria drehte sich um, obwohl das Affenhirn zeterte, dass so etwas unmöglich war, und sie daran hindern wollte, den Blick abzuwenden. Wie benommen und entsetzt schaute sie nach unten. Der Range Rover versperrte den Einstieg, war so fest mit dem Bus verkeilt, dass sich der Fahrzeugrahmen verzogen hatte. Der Besitzer war nirgendwo in Sicht. Maria wusste sofort, dass sie höchstens zwei Kinder aus der kleinen Lücke an der linken Türseite quetschen konnte, aber das war es auch schon. Sie hatten keine Zeit mehr. Die Luft draußen war voller Qualm und Schreie, Menschen rannten weg, und …
BUMM! BUMM! BUMM! Das Ding ging über ein verlassenes Auto und zerquetschte es dabei wie zuvor den Porsche. Jetzt kam es auf der Straße genau auf sie zu, war nur noch wenige Schritte entfernt.
Es würde den Bus treffen.
Die Schritte waren wie ein Trommelschlag, ein Todesmarsch. Zwölf weit aufgerissene Augenpaare voller Tränen waren auf Maria gerichtet und warteten auf eine Antwort. Bis zum Zusammenstoß waren es nur noch ungefähr vier Sekunden.
Hinten! Der Notausstieg. Wie hatte sie den Notausstieg vergessen können? Aber würde er überhaupt funktionieren, der Bus war so alt.
„Alle nach hinten! Alle nach hinten zu den Sitzen! Sofort! Los, los, los!“
Maria sprang aus dem Fahrersitz und schob die Kinder wie eine kleine Welle vor sich her. Draußen kam die Monstrosität immer näher und füllte die Windschutzscheibe aus, war nur noch einen Augenblick und eine hauchdünne Barriere von ihnen getrennt. Maria wusste, dass es zu spät war. Ihnen würde nicht einmal genügend Zeit bleiben, den Notausstieg zu öffnen, bevor das Ding sie traf.
Es ist wie ein Mann, ein Mann, der zum Monster wurde, das ist doch nicht möglich …
„Auf den Boden! Auf den Boden! Bedeckt eure Augen, bedeckt eure Augen …“
Der letzte Kopf eilte an ihrer Hüfte vorbei, und Maria machte einen Satz nach vorn, während das Monster mit dem Bus kollidierte. Es klang wie eine Bombenexplosion. Sämtliche Fenster explodierten nach innen, während sich die ganze Fahrzeugseite mit einem lauten Kreischen verzog und dann nachgab, weil das Ding einfach weiterging.
Mehrere Kinder wurden von den Beinen gerissen und rollten über den Boden. Maria hörte deutlich, wie kleine Gliedmaßen und Köpfe von unbeweglichen Oberflächen abprallten, während das Ende des Busses nach rechts schwang. Das Fahrzeug knickte wie ein Knicklicht in der Mitte ein. Und das Ding ging immer weiter. Maria schrie nun, hielt sich die Ohren zu, als das Kreischen von zerreißendem Blech eine schmerzhafte Intensität annahm. Leere Sitze wurden zur Seite geschleudert, als das Ding einfach durch den Bus marschierte; seine Beine bahnten sich einen Weg durch den Fahrzeugboden wie ein Mann, der am Strand bei Ebbe durch die ablaufenden Wellen ging.
Ein paar ohrenbetäubende Sekunden lang sah Maria dem Ding bei seinem Weg zu, als wäre sie tief unter Wasser und ein Blauwal plötzlich in unmittelbarer Nähe an ihr vorbeigeschwommen. Seine schiere Größe vermengte Ehrfurcht und Entsetzen und gab ihr verrückterweise das Gefühl, lebendig zu sein. Es gehen zu sehen, änderte alles, das man über die Naturgesetze und Abläufe der Welt wusste; man brauchte die Gesetze der Physik nicht zu kennen, um zu wissen, dass ein Apfel ein gewisses Gewicht hatte oder ein Stock eine gewisse Distanz auf eine gewisse Weise zurücklegte, wenn man ihn so kräftig schleuderte, wie man konnte. All diese Dinge wusste man, sobald man alt genug war, bewegliche Gegenstände um sich herum wahrzunehmen. Dieses Ding konnte es nicht geben. Und doch war es da.
Hinter Marias weit aufgerissenen, ungläubigen Augen jagten sich die Gedanken.
Danach wird nichts mehr so sein wie zuvor, was auch immer das Ding ist.
Es wird einfach geradeaus weitergehen. Es ist nicht wegen uns gekommen. Die Kinder sind verletzt, aber ich glaube, es ist nicht schlimm.
Wir werden überleben.
Und dann musste sie sich widerwillig eingestehen: Es ist prächtig.
Da wandte der Stone Man den Kopf und sah sie an.
Er blickte nicht ungefähr in ihre Richtung, nicht zu den Kindern, sondern sah genau Maria an. Sie wusste es durch die Weise, auf die sich ihr Magen schmerzhaft verkrampfte, während das konturlose Gesicht des Dings sie musterte. Es hatte sie gespürt. Sie markiert?
Nicht mich …“, flüsterte Maria verzweifelt, war sich nicht einmal ihrer Worte bewusst, aber dann war der Augenblick vorbei, denn der Steinkopf richtete sich wieder nach vorn, und jetzt hatten seine Beine die gegenüberliegende Sitzreihe erreicht, während Funken aus dem Fahrzeugboden sprühten. Einen Moment lang wurde die ganze Welt verrückt, als der Bus sich irgendwie an der Kreatur verfing und von ihr mitgerissen wurde. Das dauerte nur eine Sekunde, bis das Blech den Kampf aufgab und der überlegenen, unwiderstehlichen Kraft erlag. Abgelenkt vom Lärm und der magischen Verwüstung direkt vor ihren Augen, begriff Maria zu spät, dass das Glas auf der anderen Seite nach außen fliegen würde. Sie öffnete den Mund, um die Kinder zu warnen, aber ihre Worte wurden von dem Krachen übertönt; die Gewalt des Zusammenstoßes war so stark, dass jedes Fenster auf der Seite explodierte. Mit einem letzten metallenen Kreischen bahnten sich die Beine und der Torso des Monsters ihren Weg durch die andere Busseite. Ein paar Sekunden lang wurde die Welt leiser, ein plötzliches und unheimliches Ende der Kakofonie aus zerreißendem Metall und Funken sprühenden Leitungen, das nur vom Rhythmus der stampfenden Füße des Dings gebrochen wurde.
Maria nahm die Hände von den Augen und blinzelte, als die Kinder sich aus ihrer eigenen schockierten Stille lösten und zu weinen anfingen; der nächste Knall ertönte, als der Stone Man vermutlich seinen Weg durch die nächste Reihe von Reihenhäusern begann. Aber der Hall einstürzenden Mauerwerks war nur von wenig Interesse, wenn man es mit der Erkenntnis verglich, dass sie noch am Leben waren. Maria schaute durch die unregelmäßige Lücke, durch die das Ding den Bus betreten hatte, ein Fenster ins Unmögliche. Sie sah die zerdrückten Autos, die Menschen, die in der Nähe zusammenkamen.
Sie roch Benzin.
Sie betrachtete die Funken.
„Alles aufstehen! Sofort, jeder muss aufstehen, kommt schon, gleich brennt …“ Aus leisem Schluchzen wurde lautes Heulen, und sie zerrte kleine Hände wieder in die Höhe. Schnell führte sie ihre Schützlinge zu dem Loch im Bus; es war viel größer als der Notausgang und würde einen viel schnelleren Ausgang bieten. Zuschauer, die das Weinen der Kinder hörten, versammelten sich bereits, anscheinend um ihnen zu helfen, aber auch um zu sehen, wie der Stone Man jenseits der Blockade aus zerstörtem Bus und Autos vorankam. Atemlos drückte Maria weinende Kinder in die Arme von Fremden. „Hier, bringen Sie sie zu den Leuten dort drüben, bitte helfen Sie uns …“ Eine Kette wurde gebildet, und das war gut, damit konnte sie arbeiten. Der Affe in ihrem Kopf raste und brach aus.
WAS ZUM TEUFEL WAR …
Nicht jetzt! Mühsam sperrte sie ihn zurück in seinen Käfig – die viele Meditation machte sich nun bezahlt. Sie musste die Kinder aus dem Bus schaffen.
Bald waren alle zwölf Kinder vom Wrack entfernt, ein hektisches Unternehmen, untermalt vom leiser werdenden Hintergrund der Explosionen und einstürzenden Gebäude, während sich der Stone Man von ihnen fortbewegte. Neben dem zerstörten Porsche konnte Maria ihre Schützlinge zählen, die sich auf der Straße zusammendrängten. Der Besitzer, der mit seiner Freundin zurückgekehrt war, um sich den Schaden anzusehen, saß schluchzend neben seinem größten Schatz. Nachdem Maria die Kinder auf Verletzungen überprüft hatte – es gab Prellungen, Beulen und hier und dort etwas Blut, aber glücklicherweise nichts Ernstes – und danach nicht wusste, wie es weitergehen sollte, schickte sie einen hilfsbereiten Teenager in den Laden, um Verbandszeug und Eis zu holen. Danach saßen sie relativ zufrieden dort und verschlangen ihre Süßigkeiten, ohne glücklicherweise zu fragen, wo ihre Eltern waren. Gelegentlich gab es widersprüchliche Informationen aus den Nachrichten, aber nichts Konkretes. Es ist nur der eine, hieß es. Es gibt zahllose von ihnen. Maria bemühte sich, die Kinder bei Laune zu halten, und machte sich schreckliche Sorgen um Marcus, ob er in Ordnung war. Ständig kontrollierte sie das Signal ihres nutzlosen Handys. Ungeduldig wartete sie auf Hilfe.
Dann würde sie sich mit allem auseinandersetzen. Dann konnte der Affe alles zusammenbrüllen.
Der Rauch am Horizont war nun immer weiter entfernt.
Irgendwie wird sich eine Lösung finden, dachte sie. Wo spürst du die Angst?
Im Hals. In der Brust.
Aber ihre Hände wollten nicht aufhören zu zittern. Sie versuchte, die Kinder das nicht sehen zu lassen.
Eine Stunde verging. Die zerstörten Autos hatte man auf den Bürgersteig geschoben oder zumindest so weit, wie es die hilfreichen Leute riskiert hatten. Der Verkehr kam wieder in Bewegung. Mittlerweile klagten die Kinder immer häufiger und sorgten sich um ihre Eltern, und hilfsbereite Hausbesitzer schienen sich nicht an dem häufigen Klopfen an der Haustür zu stören, bei dem um Toilettenbesuche gebeten wurde. Gerade als Maria sich fragte, ob sie wohl irgendwo hingehen konnten, wo zwölf Kinder eine Unterkunft finden würden – sie wünschte sich, sie hätte das Risiko eingehen können, sie zu zweit in vorbeifahrende Autos zu packen, die sie dann in die Sammelunterkunft bringen würden –, traf endlich ein Streifenwagen ein. Ein Beamter informierte sie darüber, dass in ungefähr einer halben Stunde ein neuer Bus eintreffen würde. Der Plan hatte sich nicht geändert, die Sammelstelle stand noch, und die Eltern waren entweder dort oder auf dem Weg.
„Was passiert hier? Was ist das für ein Ding?“, fragte sie umgeben von einer Gruppe von brüllenden Leuten, die die gleichen Antworten haben wollten. Der Polizist kam noch gerade rechtzeitig in seinen Wagen, bevor die Gruppe zum Mob wurde.
„Eine halbe Stunde“, sagte der Beamte durch die heruntergefahrene Seitenscheibe, bevor er losfuhr. Maria informierte die Kinder, und sie jubelten, während am Himmel Hubschrauber mit erstaunlicher Geschwindigkeit vorbeiflogen.
Anderthalb Stunden vergingen.
Schließlich traf der zweite Bus ein. Vor ihm fuhr ein anderer Streifenwagen mit Blaulicht. Mittlerweile floss der Verkehr langsam wieder ganz normal. Maria fragte sich, ob der Weg des Dings aus dem Stadtzentrum bedeutete, dass sich die Bürger wieder zu Hause sicher fühlten, wo sie die Nachrichten verfolgen konnten. Die Kinder zögerten verständlicherweise etwas, in den Bus zu steigen, aber dann taten sie es doch, saßen da und unterhielten sich leise. Der Geräuschpegel war beträchtlich niedriger als zuvor.
„Einer von uns begleitet sie zur Sammelstelle, Miss“, sagte der Beamte zu Maria. Sie standen vor dem Bus. Er war jung, vielleicht noch neu bei der Truppe. Maria fragte sich, wie er auch nur halbwegs auf das hatte vorbereitet sein können, was hier geschah. „Sie haben genug getan.“
Maria zögerte, hin- und hergerissen. Sie wollte unbedingt nach Hause, aber die Kinder …
„Okay.“
„Wohin müssen Sie nach Hause?“
„Earlsdon“, antwortete Maria. Sie war froh, gehen zu können, aber sie wusste, dass sie jetzt, wo ihre Aufgabe endete, genügend geistigen Freiraum für die seltsame Angst haben würde, die unentwegt an ihr nagte.
„Ich fürchte, das ist nicht unsere Richtung, Miss“, sagte der Polizist. Er klang unglaublich erschöpft. „Wir fahren am Krankenhaus vorbei. Wenn Sie möchten, können wir Sie dort rauslassen. Sie untersuchen lassen. Das Krankenhaus steht noch, aber es wird eine Weile dauern.“ Er schüttelte bitter den Kopf – Maria fragte sich, was er wohl alles gesehen hatte –, bevor ihm bewusst wurde, was er da angedeutet hatte. Es steht noch. Der Mann versteifte sich, denn das hätte er nicht sagen dürfen. Zu spät. Der Affe hatte etwas gewittert und regte sich bereits.
„Wie viele Häuser sind denn zerstört worden?“, fragte sie, aber der Polizist hörte die eigentliche Sorge hinter der Frage.
„Ich sollte mit den Kindern los“, sagte er viel zu schnell und wandte sich seinem Wagen zu. „Wir müssen wieder an die, äh, Arbeit. Wenn Sie nicht ins Krankenhaus wollen, dann viel Glück. Und passen Sie auf sich auf.“
„Häuser im Zentrum?“ Ihre Stimme brach.
„Ja, ein paar Häuser“, erwiderte der Polizist schnell und öffnete die Wagentür.
„Etwa das … Verkehrsmuseum?“ Sie hatte Angst, diese Frage zu stellen. „Am Millennium Place? Ist etwas mit dem Verkehrsmuseum passiert?“ Der Polizist hob zum Abschied die Hand und senkte beim Einsteigen den Kopf. Maria eilte auf ihn zu.
„Mein Mann arbeitet im Verkehrsmuseum“, sagte sie leise. Der Polizist erstarrte auf halbem Weg in seinen Wagen. „Er ist dort Sicherheitsbeamter. Können Sie mir nicht einfach sagen, ob dort etwas passiert ist?“
Der Mann richtete sich wieder auf und starrte sie kurz an. Das Sonnenlicht ließ ihn blinzeln.
„Könnten Sie bitte einen Moment warten?“, sagte er.
Etwas krampfte Marias Magen zusammen.
„Ja.“
Der junge Polizist stieg in seinen Wagen, und Maria erkannte erst jetzt, dass auf dem Beifahrersitz jemand saß. Die Sonne spiegelte sich zu stark auf der Windschutzscheibe, um viel sehen zu können, aber sie glaubte, dass dieser Mann mit dem Funkgerät beschäftigt war. Der junge Polizist stieg wieder aus, warf Maria einen kurzen Blick zu, dann ging er mit gesenktem Kopf an ihr vorbei zum Bus und stieg ein.
„Was ist passiert?“, rief ihm Maria hinterher. Keine Antwort. „Sir? Sir, was ist passiert?“
Der junge Polizist sagte etwas zu dem Busfahrer. Augenblicklich schloss sich die Tür, und Maria konnte nur noch ihr Spiegelbild in der Scheibe betrachten. Hastig wandte sie sich dem anderen Polizisten zu, der jetzt ausstieg. Sie würde seinen Anblick niemals vergessen: die Sonnenbrille, der kahle Schädel, der kräftige Körper in der Polizeiuniform. Er wirkte fehl am Platz, wie ein amerikanischer Kleinstadtsheriff oder ein State Trooper vom Land, wie man sie im Film immer Autos anhalten sah. Noch immer war da etwas in ihrem Inneren, das nicht verstummen wollte. Instinktiv griff sie nach der Frage, aber es kamen keine Antworten.
Plötzlich klopfte Cecily gegen das Busfenster und versuchte Marias Aufmerksamkeit zu erregen. Sie schaute auf. Das Mädchen sah besorgt aus.
„Maria“, kam Cecilys gedämpfte Stimme durch das Glas. „Alles in Ordnung? Was stimmt denn nicht? Kommen Sie nicht mit uns?“
Da ist etwas, dachte Maria und kam sich wie in einem Traum vor. Was fühle ich?
Ihr fiel die Antwort ein, und sie war furchtbar.
Etwas Schreckliches. Das ist kein Gefühl. Du weißt etwas Schreckliches.
„Mir … mir geht es gut, Cecily.“
Das Mädchen blinzelte. Sie wusste, dass Maria gelogen hatte, wollte aber keine Erwachsene korrigieren.
„Hallo“, sagte der Polizist leise. Wie betäubt wandte sich Maria ihm zu. Er nahm die Sonnenbrille ab. Es war heiß. Er streckte nicht die Hand aus. „Hallo! Ich bin PC Watterson. Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Maria antwortete nicht. Der erfahrene PC Watterson schoss vor und legte den Arm um sie, um ihren schwankenden Körper zu stützen.
„Okay, okay“, grunzte er und warf einen Blick über die Schulter. Grimmig fing er den Blick seines Kollegen durch das Busfenster ein. Der junge Mann begriff und scheuchte die Kinder vom Fenster, die die Finger ausstreckten und voller Sorge um Maria zu schreien anfingen. Sie mochten sie. „Suchen wir Ihnen einen Platz zum Sitzen.“
Maria stieß ihn weg, richtete sich auf und setzte sich in Bewegung, bevor er sie aufhalten konnte. Dann drehte sie sich um und ergriff seinen Arm. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke.
„Mein Mann … Marcus, mein Mann“, keuchte sie. Von irgendwo her kam eine kühle Brise, die so gar nicht zu der Bullenhitze der Sonne passte. „Das Verkehrsmuseum, er arbeitet dort. Ist er … ist er …?“
Der Polizist senkte den Blick.
„Lassen Sie uns zuerst …“
Sie wusste es.
Ich fühle es im Herzen. Im Kopf.
Eine schreckliche Last senkte sich auf sie, drang tief in ihre Knochen und schien ihr Mark wie Fäulnis zu infizieren.
Ich fühle es in meiner Wirbelsäule. In meinem Gehirn. In meinen Augen.
In meinem Gehirn, für alle Ewigkeit.
Sie wusste, dass das die Wahrheit war.
Und dann erreichte das Gefühl, das sich bereits den ganzen Tag lang angestaut hatte, im vorstellbar schlechtesten Augenblick plötzlich seinen Höhepunkt. Die schrecklichen Kopfschmerzen erreichten ihren Höhepunkt, als das, was auch immer ihr zuckendes, wissendes Gehirn aufgefangen hatte, endlich mit verheerender Macht durchschlug.
Die Krämpfe trafen sie.
Etwas raste ihre Wirbelsäule entlang, unwillkürlich entleerte sich ihre Blase in die marineblauen Leggings. Der Urin tränkte den Stoff und erschuf einen gewaltigen dunklen Kreis in Marias Schoß, während sich ihre Lippen stumm bewegten und ihre Finger zitterten, als würde sie einen Stromschlag erhalten. Und während die Welt um sie herum starb, kam bizarrerweise und in dieser Situation völlig unpassend die Vision, trieb wie eine in der Tiefe gelöste Luftblase an die Oberfläche ihres Bewusstseins.
Ein Mann. Ein dürrer, verängstigter blonder Mann.
Sie sah ihn so deutlich vor sich, als hätte sie sich die Hand vor die Augen gehalten. Sie hörte den Polizisten nach einem Krankenwagen rufen – Hier gibt es einen Notfall! –, dann wurde ihr bewusst, dass sie zu Boden gestürzt war und er sie hielt. Aber sie konnte nur diesen seltsamen blonden Mann sehen.
„Sie hat einen Krampfanfall, ich brauche Hilfe!“, hörte sie den Beamten jemandem zurufen.
Und dann war der blonde Fremde verschwunden, und sie konnte wieder die Straße sehen. Die Ablenkung war vorbei, denn nur das war es in diesem Augenblick voller Wahnsinn und Schmerz – Marcus, Marcus, Marcus – gewesen, und sie schaute auf und entdeckte Cecilys entsetztes Gesicht hinter dem Fenster des neuen Busses. Maria krümmte sich in den Armen des Polizisten zusammen und fing an zu schreien.
Die Vision des blonden Mannes würde sie den Rest des Tages noch mehrmals heimsuchen – auch in der Nacht, in der sie mit Medikamenten vollgepumpt in einem Krankenhausbett lag –, und das sollte sich auch am folgenden Tag nicht ändern, bis Patrick Marshall, der blonde Mann in ihrer Vision, schließlich von dem Stone Man geholt wurde.
Denn das war der Tag, an dem der Stone Man kam, ein Tag, der als Erste Ankunft bekannt werden würde. Die Bürger von Coventry waren das erste Opfer beim unaufhaltsamen Marsch des Caementum quer durchs Land. Das erste Opfer beim Marsch des Stone Man, wie es die Medien später nennen würden, von der Ersten Ankunft bis zur Dritten. Aber das alles interessierte Maria nie. Es war ihr egal, als der Journalist und Fernsehprominente Andy Pointer später in den Nachrichten erschien und sich die Welt kurz um ihn drehte, so wie es ihr egal war, dass der Stone Man zweimal mit seinen Kameraden zurückkehrte und das Land, das sie Heimat nannte, verwüstete. Hätte ihr Andy in diesem Augenblick erzählt, dass sich eines Tages die Welt um sie und ihre Entscheidungen drehen würde, wäre ihr auch das egal gewesen.
Im Augenblick hatte sie nur den Verlust, der ohne Vorwarnung eingetreten war, und den Rest ihres Lebens, um das zu ertragen.
Das Ding hat mich angesehen. Es ist in mir. Es ist in mir.

Luke Smitherd

Über Luke Smitherd

Biografie

Luke Smitherd ist ein ehemaliger Musiker und Sänger und steht hinter dem Podcast „Are You Sure? With Smitherd und Shaw“, der sich zwischen philosophischer Diskussion und bitterbösem schwarzem Humor bewegt. Er hat bereits mehrere Romane geschrieben, darunter „Stone Man“, der in seiner britischen...

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