The Game – Wild Desire (The Game 1) — Inhalt
Ein verlockender Deal, ein Spiel mit dem Feuer ...
Schon bei ihrer ersten Begegnung sprühen zwischen Journalistin Georgina und dem schwerreichen Musikproduzenten Reed die Funken. Doch nach dem heißen Flirt findet Reed heraus, dass Georgina durch ihn ihre Karriere vorantreiben will. Er schlägt ihr einen Deal vor: Sie darf eine Exklusivstory über ihn machen – wenn sie für eine Woche ganz ihm gehört.
Reed Rivers aus der Erfolgsreihe „The Club“ bekommt endlich seine eigene Trilogie! Darauf haben die Fans der Bestsellerautorin Lauren Rowe nach „The Club“ und „True Lovers“ sehnsüchtig gewartet.
Band 1: The Game – Wild Desire
Band 2: The Game – Hot Passiion
Band 3: The Game – Burning Love
„Lauren Rowes Talent hat mich umgehauen. Sie hat die ganze Bandbreite an Emotionen eingefangen: die Ekstase, den Biss und die Schärfe einer Geschichte, die aus Gegnern Liebende macht. Diese leidenschaftlichen Momente ... Ich bin hingerissen von diesem Buch!“ PP's Bookshelf
„Meisterhaftes Storytelling, tolle Charaktere, Verbindung, Emotionen, Hitze, Humor, ALLES! The Game steht ganz oben auf meiner Liste der denkwürdigen Lektüren!“ Sophie, Bookalicious Babes Blog
„Beeindruckend, verführerisch, süchtig machend! Ich bin verliebt in diesen Roman! Er bietet alles, was ich in einem Buch brauche.“ Keeana, Bookalicious Babes Blog
„Lauren hat wieder einmal pure Perfektion abgeliefert, wie nur sie es kann! Dieses Buch hat 10 Sterne verdient!“ Tina, Bookalicious Babes Blog
„Reed und Georgina sind einfach nur heiß!“ Jessie, A Bibliophile's Desire
Leseprobe zu „The Game – Wild Desire (The Game 1)“
EINS
Reed
Vor fünfzehn Jahren
Als die Verbindungsstudentin mit der lila Krawatte vor mir kniet und mich eifrig mit ihrem Mund bearbeitet, lehne ich mich in meinem Sessel zurück und versuche einen klaren Kopf zu bekommen. Ich will nicht an den leblosen Körper meines Vaters denken, der in seiner Gefängniszelle hängt, während mir dieses Mädchen einen bläst. Eigentlich will ich überhaupt nicht daran denken. Aber nachdem ich heute Morgen diesen schrecklichen Anruf bekommen hab, kann ich nicht aufhören, mir diese grausige Szene vorzustellen. Ich dachte, wenn ich [...]
EINS
Reed
Vor fünfzehn Jahren
Als die Verbindungsstudentin mit der lila Krawatte vor mir kniet und mich eifrig mit ihrem Mund bearbeitet, lehne ich mich in meinem Sessel zurück und versuche einen klaren Kopf zu bekommen. Ich will nicht an den leblosen Körper meines Vaters denken, der in seiner Gefängniszelle hängt, während mir dieses Mädchen einen bläst. Eigentlich will ich überhaupt nicht daran denken. Aber nachdem ich heute Morgen diesen schrecklichen Anruf bekommen hab, kann ich nicht aufhören, mir diese grausige Szene vorzustellen. Ich dachte, wenn ich dieses hübsche Mädchen dazu kriegen könnte, mir einen zu blasen, würde mich das von den Bildern in meinem Kopf ablenken.
Falsch gedacht.
Ich sollte sie vielleicht von mir wegziehen, ihr die üblichen fünfzig Dollar zahlen und ihr erklären, dass ich heute nicht in der Stimmung bin. Aber mein Schwanz in ihrem Mund ist steinhart – trotz des Chaos, das in meinem Kopf herrscht. Also, was soll’s … ich lehne mich zurück, schließe die Augen und lasse meinen Verstand von ihrem talentierten Mund in ein vorübergehendes Stadium der Amnesie versetzen.
Das Mädchen ist keine Professionelle, auch wenn es ganz den Anschein macht und sie mir gerade für Geld einen bläst. Sie studiert hier an der UCLA – genau wie ich. Sie ist eine Verbindungsstudentin, die ich vor einem Monat auf einer Kostümparty in meinem Verbindungshaus kennengelernt habe. Das Motto der Party war „Nutten und Zuhälter“, und sie war als Pretty Woman verkleidet. Die ganze Nacht lang wurden natürlich dreckige Witze gerissen, die letztendlich dazu führten, dass sie mit mir aufs Zimmer gegangen ist und wie eine Professionelle mit mir geschlafen hat.
Als die Kleine in dieser Nacht ihre Aufgabe erledigt hatte, habe ich ihr den Kopf getätschelt, sie zu ihrer guten Arbeit beglückwünscht und ihr einen Fünfzigdollarschein gegeben. Das war natürlich ein Scherz. Ein ziemlich mieser Scherz. Aber diese hübsche Frau hat mich damit überrascht, dass sie das Geld bereitwillig genommen, es in ihren BH gesteckt und dann gesäuselt hat: „Ruf mich an, wenn du wieder fünfzig Dollar übrig hast.“ Und seitdem habe ich sie immer für den Sex bezahlt. Fünfzig Dollar für einen Blowjob, hundert für Geschlechtsverkehr. Wenn ich sie noch dazu lecken darf, gibt es zwanzig Dollar extra. Das ist dumm von mir, ich weiß. Das Mädchen sollte eigentlich mich dafür bezahlen, dass ich sie ins Paradies befördere, vor allem, wenn man bedenkt, wie gut ich darin bin. Ich bringe sie jedes Mal so richtig zum Höhepunkt. Aber es ist okay – ich nehme an, ich habe mit meinen neunzehn Jahren schon für dümmere Sachen zwanzig Mäuse ausgegeben, als dafür, ein Mädchen zum Orgasmus zu bringen.
Ich muss schon sagen, diese ganze Pretty-Woman-Geschichte hat mir etwas Interessantes über mich selbst beigebracht. Etwas, das ich vorher noch nicht wusste. Nämlich, dass ich darauf stehe, für Sex zu bezahlen. Es ist egal, wer von uns beiden zum Höhepunkt kommt oder welche spezielle Sexpraktik wir ausüben. Ich habe festgestellt, dass ich gerne dafür bezahle, weil es die Dinge unkompliziert macht. Wir wissen beide, was wir kriegen und was nicht. Vor allem aber wissen wir, dass keine Gefühle im Spiel sind. Ich bin nicht ihr Märchenprinz, und sie weiß das. Ich im Gegenzug bin davor gefeit, diese ganzen Sachen zu hören, die mir Frauen immer nach etwa einem Monat sagen. Sätze, die mich um mein Leben rennen lassen. Lass deine Mauern runter, Reed. Ich will, dass du mich zu dir durchdringen lässt. Bin ich jetzt deine Freundin oder nicht, Reed? Und natürlich der schlimmste Satz von allen: Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt, Reed.
Ich berühre das lila Haar meiner falschen Nutte, während sie voller Elan mit ihrer Arbeit weitermacht, und versuche meinen Kopf frei zu kriegen. Aber es hat keinen Sinn. Sogar, während sie mir einen bläst, kann ich nicht aufhören, an den leblosen Körper meines Vaters zu denken, wie er in seiner Gefängniszelle von der Decke baumelt.
Warum hat er das getan?
Ich kenne den Grund, der ihn heute Morgen dazu getrieben hat, sich einen Strick um den Hals zu legen: Die Bundespolizei hat auch das letzte seiner Schwarzgeldkonten entdeckt. Ich verstehe nur nicht, warum gerade das meinen Vater dazu gebracht hat, sich das Leben zu nehmen, nach alldem, was in den letzten zehn Jahren gewesen ist.
Ich meine, mein Vater hat sich nicht während der schmutzigen Scheidung meiner Eltern und dem Sorgerechtsstreit umgebracht. Oder direkt danach, als Mom einen Nervenzusammenbruch erlitten hat und eingewiesen werden musste. Dad hat sich auch nicht umgebracht, als der Richter ihn vor sechs Jahren wegen Finanzbetrug ins Gefängnis geschickt hat. Oder als Dads Foto als Inbegriff der Habgier durch die Nachrichten ging. Wenn mein Vater sich erhängen wollte, warum hat er es nicht nach einem dieser Ereignisse getan? Oder wenigstens während der ersten paar Jahre seiner Inhaftierung, als er dabei zusehen musste, wie sein dreizehnjähriger Sohn von einem entfernten Verwandten zum nächsten gereicht wurde, bevor er schließlich im Alter von vierzehn Jahren in einem Heim für verstoßene Teenager gelandet ist. Ehrlich gesagt, hätte ich es vorgezogen, wenn Dad seinem Leben ein Ende gesetzt hätte, als sein Sohn in diese Hölle von einem Heim geschickt wurde. Das hätte mir zumindest das Gefühl gegeben, dass mein Dad sich tatsächlich etwas aus mir macht und sich nicht nur um seine zerstörte Zukunft schert.
Aber nein, anscheinend konnte Terrence Rivers sehr gut damit leben, ein inhaftierter Verbrecher mit einer Frau im Irrenhaus und einem vierzehnjährigen Versagersohn im Heim zu sein. Solange er nur immer noch seinen Topf voller Gold hatte. Aber Gott bewahre, dem Mann wurde sein letzter illegaler Penny geraubt, und plötzlich war sein Leben nicht mehr lebenswert. Arschloch.
Aber ich habe Neuigkeiten für dich, Dad: Du bist nicht der Einzige, der heute total pleitegegangen ist. Dank deines vermeintlich unauffindbaren Treuhandfonds, den du für mich zur Seite gelegt hast und den ich an meinem einundzwanzigsten Geburtstag bekommen sollte, bin ich jetzt der ärmste Kerl in meiner Studentenverbindung. Aber werde ich mich deshalb umbringen? Nein. Denn anders als du, Dad, weiß ich, dass ich am Ende immer wieder aufstehen werde, egal, welche Steine mir das Leben in den Weg legt – die sich übrigens in meinen neunzehn Jahren ziemlich angehäuft haben. Trotz allem, was ich in den letzten zehn Jahren durchgemacht habe, trotz allem, wogegen ich mich stählen, gegen das ich kämpfen und das ich überwinden musste, habe ich nie meine Zukunftsvision aus den Augen verloren – die, die ich in meinen Träumen gesehen habe. Und ich werde nicht zulassen, dass mich irgendjemand davon abbringt. Nicht einmal du.
Dank dir hören die Leute meinen Nachnamen und denken an „Lügner“, „Dieb“ und „Betrug“. Aber eines Tages werde ich mein eigenes Imperium errichtet haben, aus meinem eigenen Blut, meinem Schweiß, meinen Tränen und meiner Zielstrebigkeit. Und dann werden die Leute den Namen Rivers hören und an Dinge wie „Mogul“, „Gewinner“ und „Selfmade-Millionär“ denken. Und wenn sie an nichts davon denken, dann werden sie sich wenigstens sagen: „Hey, dieser verdammte Mistkerl lebt das Leben, das ich mir immer erträumt habe.“ Denn, wenn ich mir dank deines Namens den Respekt der Welt nicht verdienen kann, dann werde ich wenigstens ihren Neid bekommen.
Bei diesem letzten Gedanken packe ich das falsche Haar meiner falschen Nutte, schiebe mich noch tiefer in ihren Mund und komme mit lautem Stöhnen. Als ich mich kurz darauf aus ihr rausziehe, zittere ich – aber nicht wegen der körperlichen Anspannung. Nein, in diesem Moment erschaudere ich wegen der Entschlossenheit, die durch meine Adern rauscht.
„Ich brauche ihn nicht“, presse ich durch meine zusammengekniffenen Lippen hervor. Und ich schwöre bei Gott, zum ersten Mal in meinem Leben bin ich mir sicher, dass das die Wahrheit ist. Tatsache ist, ich brauche niemanden. Bei meiner Bemerkung blickt mich die Studentin verwirrt an. Aber bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, ziehe ich einen Fünfzigdollarschein aus meinem Geldbeutel und werfe ihn auf den braunen Teppich, auf dem sie kniet. „Gut gemacht, Pretty Woman. Und jetzt geh. Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen.“
Sie schaut mich überrascht an. „Jetzt? Es ist Mitternacht?“
„Und ich bin schon spät dran.“
Sie verzieht beleidigt das Gesicht, und für einen kurzen Moment denke ich, dass sie mich zum Teufel schicken wird, was sie auch tun sollte. Aber nein, das rückgratlose Mädchen, das sich so danach sehnt, gemocht zu werden, steht auf und setzt sich auf meinen Schoß. „Was ist heute mit dir los? Du warst schon den ganzen Abend so seltsam.“
Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, diesem Mädchen meine Seele zu offenbaren. Oder auch nur irgendjemandem. Also sage ich nichts.
Seufzend legt sie ihre Arme um meinen Hals und drückt ihre Nase gegen meine. „Lass uns aufhören, Pretty Woman zu spielen. Ich bin dieses Spiel leid. Zuerst hat es Spaß gemacht, aber jetzt nicht mehr.“
Verflucht. Ich habe den leisen Verdacht, dass jetzt einer dieser Sätze auf mich zukommt.
„Sag mir, was los ist“, schnurrt sie und streichelt über meine Wange. „Du schaust so traurig aus – als ob du weinen könntest. Komm schon, Reed. Lass mich zu dir durchdringen.“
Und da ist er auch schon. Wie auf Bestellung. Lass mich zu dir durchdringen. Ich hole tief Luft und packe ihr Handgelenk, damit sie mich nicht weiterstreicheln kann. „Du verstehst das ganz falsch, Audrey. Dieser Blowjob war so verdammt gut, dass er mich fast zum Weinen gebracht hat.“
Sie hält meinem Blick einen Moment lang stand, und ihre blauen Augen sagen mir, dass sie mir den Blödsinn nicht abkauft. Aber macht sie einen Rückzieher? Nein, natürlich nicht. Weil sie ein Fußabstreifer ist. Mit einem lauten Seufzer steht sie auf, streift sich ihre lila Perücke ab und entblößt ihre blonde Mähne darunter. Dann bewegt sie ihren kleinen, straffen Hintern in Richtung Tür. „Rufst du mich morgen an?“, fragt sie mit der Hand auf der Türklinke.
Ich schnaube. Ich werde dieses Mädchen morgen nicht anrufen – oder überhaupt je wieder. Nicht jetzt, da ich weiß, dass sie mehr will, als ich zu geben bereit bin. Aber mit dem Wissen, dass ich Größeres vor mir habe, als diesem hübschen Mädchen ihre dumme Schwärmerei für mich auszureden, antworte ich nur: „Nicht zu wissen, was der nächste Tag bringt, ist eines der größten Vergnügen des Lebens.“
Sie zieht hörbar die Luft ein, und ein Teil von mir hofft, dass sie endlich den Mut aufbringt, mir zu sagen, was ich für ein Arschloch bin. Aber nein, die passive, kleine Audrey Meisner verdreht nur die Augen, wirft mir eine Kusshand zu und verschwindet sang- und klanglos durch die Tür, ohne zu wissen, dass sie nie wieder in mein Zimmer kommen wird.
Als das Mädchen weg ist, stecke ich mir Kopfhörer in die Ohren und widme mich meiner neuesten Leidenschaft – einer Indie-Band, die ich auf YouTube entdeckt habe. Ich schwöre, wenn diese Jungs sich nur anständig vermarkten würden, wäre ihnen der große Durchbruch sicher. Laut Musik hörend, schnappe ich mir eine Whiskeyflasche und einen Joint und lehne mich in meinem Sessel zurück mit dem festen Vorhaben, mich total zuzudröhnen.
Aber schon nach ein paar Schlucken von dem Whiskey und ohne den Joint überhaupt angezündet zu haben, fällt mir plötzlich etwas ein, das ein Verbindungsbruder vor ein paar Monaten während eines Pokerspiels gesagt hat – eine Bemerkung, die in mir plötzlich den Wunsch weckt, ihn zu meiner einsamen Selbstmitleidsparty einzuladen.
Josh Faraday.
Er ist der reichste Kerl in unserer Verbindung. Vielleicht sogar an der ganzen Uni. Er hat letztes Jahr Unmengen Geld geerbt, das er nur mit seinem Zwillingsbruder teilen musste. Aber es ist nicht das Geld, das mich veranlasst, Josh plötzlich anrufen zu wollen. Es ist das Schockierende, das er gesagt hat.
Ich saß an diesem chaotischen Pokertisch neben Josh, als ein anderer Verbindungsbruder, ein Feierbiest namens Alonso, durch die Tür gestolpert kam und wie ein betrunkener Penner in der Gosse ausgesehen hat. Natürlich haben sich sofort alle über Alonso lustig gemacht – ihm gesagt, wie scheiße er aussieht, und so weiter. Das Übliche eben – außer dem, was Josh gesagt hat. „Verdammt, Alonso“, hat Josh gerufen. „Du siehst so fertig aus wie mein Vater, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe – und da hatte er sich gerade das Gehirn weggepustet.“
Joshs Bemerkung hat mich schockiert. Ich wusste zwar, dass Joshs Vater gestorben ist, kurz bevor Josh an die UCLA gekommen ist, aber wie alle anderen habe ich gedacht, er wäre eines natürlichen Todes gestorben. Außerdem wusste ich, dass Josh verständlicherweise nicht über seinen Verlust sprechen wollte. Nicht, dass ich Josh nach dem Tod seines Vaters gefragt hätte. Ich frage Menschen nie nach ihren Eltern, aus Furcht, sie könnten auf die blöde Idee kommen, mich nach meinen zu fragen. Aber jetzt, wo ich in meinem Studentenzimmer sitze und nur Jack und Mary Juana bei mir habe, fallen mir plötzlich tausend Fragen ein, die ich Josh über die schockierende Bemerkung, die er an diesem Abend neben mir am Pokertisch gemacht hat, stellen möchte.
Mit rasendem Herzen ziehe ich die Kopfhörer aus den Ohren und greife nach meinem Handy.
„Bist du im Haus?“, frage ich Josh, ohne seine Begrüßung abzuwarten.
„Nein, ich bin im Auto. Vor fünfzehn Minuten losgefahren. Was ist passiert?“
Ich muss schlucken. „Erzähl es niemandem, aber mein Dad war die letzten sechs Jahre im Knast, und heute habe ich erfahren, dass er sich erhängt hat. Ich hatte gehofft, du könntest mir ein paar Weisheiten zukommen lassen, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.“
Seufzend sagt Josh mir, dass es ihm leidtut und dass er umdreht. „Aber wegen der Sache mit der Vertraulichkeit …“, sagt er. „Du bist gerade auf Lautsprecher, und Henn sitzt neben mir. Sorry, ich habe nicht daran gedacht, es zu erwähnen, bevor du gesprochen hast. Aber keine Sorge, Henn ist verschwiegen wie ein Grab.“
Henns Stimme ertönt: „Absolut.“
„Henn ist der beste Kerl der Welt, den man um sich haben kann, wenn Scheiße passiert, Reed. Wäre es okay für dich, wenn ich ihn mitbringen würde? Ich glaube, wenn du ihn erst einmal kennengelernt hast, wirst du froh sein, dass ich ihn mitgebracht habe.“
Ich zögere. Ich hatte schon ein paarmal mit Peter „Henn“ Hennessy zu tun – ein witziger Hacker-Nerd aus unserem Erstsemesterkurs. Aber bisher habe ich ihn nur in großen Gruppen getroffen. Ich bin mir nicht sicher, ob heute Nacht der richtige Zeitpunkt ist, ihn besser kennenzulernen.
Als könne er meine Gedanken lesen, sagt Josh: „Abgesehen von meinem Bruder, ist Henn der einzige Mensch, mit dem ich über meinen Dad geredet habe. Ich weiß wirklich nicht, was ich im vergangenen Jahr ohne Henn getan hätte. Er war mir der beste Freund, den sich ein Kerl nur wünschen kann. Mein Fels in der Brandung.“
Plötzlich werde ich von meinen Gefühlen überwältigt, und meine Kehle wird eng. Ich hatte noch nie einen „besten Freund“, ganz zu schweigen von einem „Fels in der Brandung“. Aber jetzt wünschte ich mir sehnlichst, ich hätte beides. Ich hole tief Luft und schlucke meine Emotionen runter – etwas, das ich in den letzten zehn Jahren nur allzu gut gelernt habe. „Henn kann mitkommen – solange er bereit ist, sich zuzudröhnen. Das kostet der Eintritt zu dieser speziellen Selbstmitleidsparty.“
„Ich bin dabei“, sagt Henn. „Was immer du brauchst, du kannst auf mich zählen.“
„Dasselbe gilt für mich“, fügt Josh hinzu. „Was immer du brauchst, wir sind für dich da.“
„Danke. Ich werde euch genau sagen, was ich brauche. Drei Dinge. Erstens will ich mich heute bis zur Besinnungslosigkeit zudröhnen – bis die Bilder in meinem Kopf schwarz werden. Zweitens will ich mit jemandem reden, der mir helfen kann, diese beschissene Situation zu verstehen, bevor ich bewusstlos werde. Und drittens – und das ist das Wichtigste – brauche ich einen Plan B.“
„Einen Plan B? Wofür?“
Ich hole tief Luft. „Um die Welt zu erobern. Ganz allein.“
ZWEI
Georgina
Heute
Als ich auf meinem Weg über den Campus an Schwärmen von Studenten vorbeilaufe, bekomme ich einen Anruf von meiner Stiefschwester Alessandra. Na ja, eigentlich von meiner Ex-Stiefschwester. Obwohl wir beide sehr beschäftigt sind – sie studiert Musik in Boston, während ich hier an der UCLA Journalistik studiere, und wir haben beide noch Teilzeitjobs –, schaffen wir es trotzdem, mehrmals täglich zu telefonieren.
„Bist du gerade auf dem Weg zu diesem Karrierevortrag für Journalistikstudenten?“, fragt mich Alessandra.
Ich presse mein Handy ans Ohr, um die leise Stimme meiner Stiefschwester über die Hintergrundgeräusche des Campus hinweg zu verstehen. „Ich gehe gerade hin, ja. Aber die Veranstaltung ist nicht für Journalistikstudenten, sondern für Musikstudenten. CeeCee Rafael ist die einzige Journalistin in der Diskussionsrunde.“
„Wer sind die anderen Teilnehmer?“
„Große Namen der Musikbranche, nehme ich an.“
Alessandra schnappt nach Luft, was nicht besonders überraschend ist, wenn man bedenkt, wie besessen sie von der Musik ist. „Welche großen Namen?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe CeeCees Namen gesehen und nicht weitergelesen. Warte kurz.“ Ich schicke Alessandra den Flyer der Veranstaltung. „Ich bete, dass ich die einzige Journalistikstudentin bin, die die Idee hat, auf einer Veranstaltung der Musikfakultät aufzutauchen, um einen Job zu ergattern.“
„Du bist einfach ein Genie.“
„Nur, wenn es funktioniert.“
Ich habe leider meine Gründe, skeptisch zu sein, wenn ich an die unzähligen Bewerbungen denke, die ich in den letzten zwei Monaten erfolglos verschickt habe. Zum Glück habe ich noch meinen Kellnerinnenjob, in den ich nach meinem Abschluss nächste Woche wieder zurückkehren kann, und mein Chef Bernie hat schon gesagt, dass ich während des Sommers zusätzliche Schichten übernehmen kann. Das war ein nettes Angebot, und ich weiß es zu schätzen, aber wenn ich ehrlich bin, fände ich es ziemlich erniedrigend, mit meinem Abschluss in der Hand noch kellnern zu gehen. Außerdem müsste ich jeden Tag eine ziemliche Strecke pendeln, wenn ich im Sommer kellnere, aber nach dem Abschluss wieder ins Haus meines Vaters im Valley ziehe, was ich vorhabe.
„CeeCee werden deine Noten egal sein, wenn sie dich erst einmal kennengelernt hat“, versichert mir Alessandra. „Sei einfach ehrlich und erkläre ihr gleich, warum deine Noten im letzten Jahr abgesackt sind. Sie ist dafür bekannt, sehr aktiv in Krebsstiftungen zu sein. O mein Gott, Georgie! Ich schaue mir gerade den Flyer an, und da steht …“
Bamm.
Nachdem ich um eine Kurve gegangen bin, laufe ich mitten in die breite Brust der Person, die ich am allerwenigsten sehen möchte: Bryce McKellar, der Football-Gott der UCLA. Ich habe Bryce vor Monaten zum ersten Mal getroffen, als ich auf dem Campus in einem Café in der Schlange stand – und sofort sind die Funken geflogen. Er war nicht nur körperlich anziehend, sondern auch charismatisch und frech. Und er hatte so eine dunkle Aura an sich. Eine Macho-Ausstrahlung. Was mich leider ziemlich anmacht, wie ich gestehen muss. Aber da ich damals dummerweise noch dachte, dass meine Beziehung mit Shawn, dem größten Arschloch von allen, immer noch intakt sei, habe ich meinen Kaffee genommen und bin gegangen, ohne mit Bryce zu flirten.
Als ich herausgefunden habe, dass Shawn ein verlogener, mich betrügender Mistkerl ist, habe ich natürlich Ausschau nach Mr Football-Gott gehalten und gehofft, ihn wiederzutreffen. Aber leider ist das nie passiert … bis vor ein paar Tagen. Da habe ich Bryce wie aus heiterem Himmel vor der Royal Hall stehen sehen, und er hat noch viel schärfer ausgeschaut als vor ein paar Monaten in dem Café. Zu meiner großen Freude haben seine Augen genau wie bei unserem ersten Treffen geleuchtet, als er mich entdeckt hat.
Sofort ist Bryce an diesem Tag auf dem Campus zu mir rübergejoggt, und wir haben ein bisschen geflirtet. „Ich habe nach dir Ausschau gehalten“, hat Bryce mir erzählt und mir sein charmantes Lächeln geschenkt. Aber da wir es beide eilig hatten – Bryce musste zu einem Kurs, und ich war auf dem Weg zum Fitnessstudio des Campus, um einen Spinningkurs zu halten –, hat er mich nur schnell nach meiner Nummer gefragt und mir versprochen, dass er mir „sehr bald“ schreiben würde. Was er getan hat. Zehn Minuten später, um genau zu sein. Und dann noch mal am selben Nachmittag. Und dann wieder am Abend. Aber jedes Mal, wenn er mir geschrieben hat, hat Bryce mich zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt, und ich konnte nie lange mit ihm schreiben. „Verdammt, du bist ja beschäftigter als ich“, hat Bryce geschrieben. Daraufhin habe ich geantwortet: „Eifer schlägt Talent, wenn das Talent nicht übereifrig ist, Baby.“
Wir haben ausgemacht, am nächsten Tag zu telefonieren, um unsere Terminkalender miteinander abzugleichen und einen Zeitpunkt zu finden, um uns zu „treffen“. Ich habe gebetet, dass das ein geheimer Code für „Sex haben“ ist. Denn ich bin wirklich mehr als bereit, mit einem scharfen Typen so richtig guten Sex zu haben. Ohne weitere Verpflichtungen. Ich hatte seit Shawn keinen Sex mehr und bin sozusagen auf körperlichem Entzug. Aber da das Letzte, was ich gerade will, eine feste Beziehung ist, vor allem nicht mit noch einem Sportler, ist ungezwungener Sex das Einzige, was für mich infrage kommt.
Leider ist nicht alles nach Plan verlaufen. Als Bryce und ich am nächsten Tag endlich telefoniert haben – eine ganze Stunde lang –, wurde schnell klar, dass wir nicht auf einer Wellenlänge schwimmen. Ganz und gar nicht. Wie sich herausgestellt hat, war Mr Football-Gott nicht der sexy, freche Bad Boy, als den ich ihn mir vorgestellt hatte. Zu meinem großen Entsetzen hat er mir während unseres Telefonats erzählt, dass er von seiner gläubigen Mama zu einem Mann erzogen worden ist, der auf der Suche nach der einen Richtigen ist. Der immer, immer nach dem einen Mädchen sucht, das er heiraten kann.
Von da an wurde es nur noch schlimmer. Während ich am anderen Ende der Leitung fast ausgeflippt bin, hat Bryce weiter erklärt, dass er nicht auf der Suche nach einer „einfältigen“ Frau ist, wie all die Mädchen, die sich ihm jeden Tag an den Hals werfen. Er will ein treues, loyales Mädchen, das ihn während des NFL-Drafts, wenn sich die Teams der National Football League die besten Nachwuchsspieler sichern, „religiös unterstützt“. Ein Mädchen, dem er vertrauen kann. Ein Mädchen, auf das er sich verlassen kann. Ein Mädchen, das ihn bedingungslos liebt und dem sein zukünftiges Geld und der bevorstehende Ruhm egal sind. Ich fand das ziemlich viel für unser erstes Telefonat. Ich meine, ist es wirklich so verwerflich für ein junges, geiles Mädchen, einen scharfen Kerl nur wegen seines charmanten Lächelns und seines traumhaften Körpers zu wollen? Aber Bryce hat während diesem verrückten Telefonat noch mehr Bomben platzen lassen. Während ich ihm total perplex zugehört und mir überlegt habe, ob ich vielleicht verarscht werde, hat er gefragt: „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, Georgie?“
„Ähm, nein“, habe ich ehrlich geantwortet, und bei der Erkenntnis, wie falsch ich ihn doch eingeschätzt habe, hat es mir den Magen umgedreht. „Warum? Du etwa?“ Ganz offensichtlich hätte ich diese letzte Frage nicht stellen sollen. In dem Moment, in dem sie mir über die Lippen gekommen ist, wusste ich schon, dass ich einen Fehler gemacht hatte.
„Nicht bevor ich dich getroffen habe“, hat Bryce geantwortet. Ich schwöre, ich musste würgen – nur ein kleines bisschen, kaum merklich. Mit einem Schlag war jegliche Anziehungskraft, die er in dem Café noch auf mich ausgestrahlt hatte, verflogen, und ich konnte das Telefonat gar nicht schnell genug beenden.
In diesem Moment wusste ich, dass ich mit Bryce Klartext reden und ihm gestehen muss, dass ich nicht die zukünftige Ehefrau bin, die er in mir sieht. Dass ich in dieser Phase meines Lebens wahrscheinlich näher an den „einfältigen Frauen“ bin, die sich ihm jeden Tag an den Hals werfen, nachdem mich die letzten Jahre emotional ausgelaugt hinterlassen haben und ich davon überzeugt bin, eine Zeit lang solo zu bleiben. Aber in diesem Moment war ich zu überrumpelt, um Bryce so eine Ansage zu machen. Also habe ich das Telefonat beendet, ohne etwas davon gesagt zu haben, aber auch, ohne Pläne für ein weiteres Treffen zu bestätigen.
Aber jetzt steht Bryce hier. Er hält mich an den Schultern fest, damit ich nicht stürze, nachdem ich an seiner harten Brust abgeprallt bin. Dieses Mal kann ich nicht einfach auflegen, um ihm aus dem Weg zu gehen.
„Bryce“, sage ich und winde mich aus seinem festen Griff.
„Bist du okay?“, fragt er lachend.
„Ja. Sorry. Ich hatte es eilig.“
„Das konnte ich sehen.“ Er grinst. „Ich wollte dir gerade schreiben.“
„Ach ja? Wow. Warte mal kurz.“ Ich hebe mein Handy vom Boden auf und stelle erleichtert fest, dass das Display nicht gebrochen ist. Außer Atem sage ich meiner Stiefschwester, dass ich sie zurückrufen werde.
„Hast du Bryce gesagt?“, fragt Alessandra.
„Das habe ich.“
„Mr Football-Gott?“
„Korrekt.“
„Tu nur so, als würdest du auflegen. Ich will lauschen.“
„Okay, mach’s gut.“
Wie befohlen tue ich so, als würde ich das Telefonat beenden, und wende mich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch wieder Bryce zu.
Bryce sagt: „Ich wollte dir schreiben und dich fragen, was du heute Abend machst.“
„Tut mir leid, ich arbeite bis ungefähr halb drei in der Bar.“
„Hey, das passt mir wunderbar“, sagt er. „Ich bin eine Nachteule.“
Scheiße. Verdammt. „Ich kann nicht. Ich habe am Freitagmorgen Kurse und gehe nach meiner Nachtschicht am Donnerstag immer gleich nach Hause, damit ich noch ein paar Stunden Schlaf kriege.“ Ich schaue auf die Uhr. „Mist. Ich komme zu spät zu einer Veranstaltung auf dem Nord-Campus. Ich muss los!“ Und weg bin ich – fest dazu entschlossen, Bryce morgen anzurufen und ihm die Wahrheit zu sagen: Ich bin nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung. Ich bin momentan nicht daran interessiert, die Träume irgendeines Kerls „religiös“ oder anderweitig zu unterstützen. Zwischen uns passt es einfach nicht.
In dem Moment, in dem ich außer Hörweite von Bryce bin, halte ich das Handy wieder ans Ohr. „Ally?“
Alessandra lacht. „Feigling.“
„Ich weiß. Ich rufe ihn morgen an und stelle das richtig.“
„Du weißt schon, dass du das einzige Mädchen an der UCLA bist, das diesen Typen abweist, oder?“
„Mein Gott, er ist auf der Suche nach einer verdammten Ehefrau.“
„Wenn du die ganze Zeit vor ihm davonläufst, wird er dich nur noch mehr wollen. Ich bin mir sicher, er ist Mädchen gewöhnt, die ihm hinterherlaufen.“
„O ja, das ist er. Und sie können ihn haben. Für mich ist er viel zu sehr Muttersöhnchen.“
„Der pure Horror. Ein wirklich netter Kerl.“
„Du weißt, was ich meine. Ich bin immer noch in meiner Bad-Boy-Phase, wie es auch sein sollte. Das wird mich auf den Richtigen vorbereiten, wenn der mir in sechseinhalb Jahren über den Weg läuft.“
„Ich bin schockiert, dass du Bryce nicht mal eine Testfahrt ermöglichen willst, bevor du ihn sausen lässt. Auch wenn er eine Klette ist – warum solltest du diesen super Körper nicht so richtig ausnutzen, bevor du ihn zum Teufel jagst? Er ist atemberaubend, Georgie. Ich habe ihn im Internet gesucht, nachdem du mir von ihm erzählt hast, und ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als ich gesehen habe, wie scharf er ist.“
„Ich weiß. Und wenn er nur annähernd so cool gewesen wäre, wie er in dem Café getan hat, hätte ich diesen scharfen Körper noch diese Woche so richtig vernascht. Aber so, wie die Dinge stehen, kann ich nicht schnell genug davonrennen.“ Ich seufze laut auf beim Gedanken an diese missliche Lage. „Aber worüber haben wir geredet, bevor ich in Mr-Liebe-auf-den-ersten-Blick reingerannt bin?“
„Reed Rivers. Ich bin ausgeflippt, als ich seinen Namen auf der Teilnehmerliste gesehen habe.“
„Das habe ich nicht mitbekommen. Wer ist Reed Rivers?“
„Der Gründer von River Records – dem Plattenlabel.“
„Noch nie davon gehört.“
„Nun ja, von den Bands und Sängern hast du bestimmt schon was gehört. Warte kurz. Ich schaue auf Google nach.“ Alessandra hält kurz inne. Und dann: „Heilige Scheiße. Die Bands, die bei River Records unter Vertrag stehen, sind der Wahnsinn. Sie haben sowohl Red Card Riot als auch 22 Goats. Außerdem noch Danger Doctor Jones, Laila Fitzgerald, 2Real, Aloha Carmichael, Fugitive Summer, Watch Party …“
„Krass.“
„Ja, oder? Und die Liste geht noch weiter. Das sind nur die ersten darauf. Die nächsten sind immer noch ziemlich beeindruckend.“
„Das sind alles meine Lieblingsbands.“
„Das sind jedermanns Lieblingsbands. Deshalb würde jeder Student und jede Studentin an meiner Fakultät seine Seele verkaufen, um bei River Records unter Vertrag zu kommen.“
„Du auch?“
„Ich würde meine Seele, meine Niere und meine verdammte Jungfräulichkeit verkaufen, um dort unterschreiben zu können.“
Ich zucke zusammen. „Bitte mach keine Witze darüber, deine Jungfräulichkeit zu verkaufen. Ich habe in diesem Semester einen Kurs über Sexhandel belegt, und es war schrecklich.“
„Das war natürlich nur ein Scherz.“
„Ich weiß. Aber das wäre wirklich eine eklige Weise, deine Jungfräulichkeit zu verlieren – an irgendeinen perversen alten Kerl, den du nicht einmal magst. Pass lieber auf, was du sagst. Ich habe gehört, dass die Musikbranche voller Raubtiere ist, genau wie das Filmbusiness. Voller Irrer, die einer süßen, kleinen Jungfrau die Sonne und den Mond versprechen würden, nur um sie ins Bett zu kriegen.“
Alessandra lacht. „Interessant, dass dein mütterlicher Beschützerinstinkt zum Vorschein kommt, wenn es um den Verkauf meiner Jungfräulichkeit geht, aber nicht bei meiner Niere oder meiner Seele.“
„Nur eins dieser Szenarien erscheint mir real.“
So, wie ich Alessandra kenne, verdreht sie in diesem Moment ihre Augen. Aber mit einem Lächeln im Gesicht. „Okay, Georgie“, sagt sie. „Ich verspreche dir, dass ich meine Jungfräulichkeit an niemanden verkaufen werde. Nun ja, außer an Reed Rivers. Was ihn angeht, kann ich dieses Versprechen nicht machen. Dieser Mann kann alles haben, was er will.“
„Stopp.“
Sie kichert. „Googel ihn mal, und du wirst sehen, was ich meine. Im Ernst, Reed müsste mir gar nicht die Sonne und den Mond versprechen, um an meine Jungfräulichkeit zu gelangen. Nur eine Taxifahrt nach Hause. Obwohl – nicht einmal das. Ich würde nichts von ihm dafür verlangen. Nimm meine Jungfräulichkeit, Reed Rivers! Bitte!“
Ich kann nicht anders, als in ihr Kichern einzustimmen. „Wie alt ist er?“
„Mitte dreißig, glaube ich. Nicht älter als vierzig.“
Oh, meine süße Alessandra. Das Mädchen hat so sicher einen Vaterkomplex, wie ich einen Mutterkomplex habe. Als unsere Eltern zusammenkamen, hatte Alessandra gerade ihren Vater durch einen Unfall mit Fahrerflucht verloren, und ich meine Mutter bei einem Autounfall. Unsere beiden Eltern dachten fälschlicherweise, dass sie Trost und Zuspruch sowie einen Neubeginn finden könnten, indem sie einen anderen trauernden Menschen heiraten.
Leider haben sie schnell herausgefunden, dass das eine blöde Idee war. Die Ehe inmitten der tiefsten Trauer und auch noch mit einem Menschen, mit dem sie nichts gemeinsam hatten, hat den beiden ein zehnmal schlimmeres Gefühl gegeben, als sie sowieso schon hatten. Aber wie dem auch sei, so verwirrend und chaotisch, so kurzlebig wie die Ehe zwischen meinem Vater und Alessandras Mutter auch gewesen sein mag, ich würde sie nicht rückgängig machen wollen, selbst wenn ich könnte. Denn sie hat mir meine geliebte Schwester Alessandra geschenkt.
Als ich bei dem Vorlesungssaal, in dem die Musikveranstaltung abgehalten wird, ankomme, bin ich vom Joggen über den Campus ziemlich außer Atem. Also setze ich mich noch kurz auf eine Bank, um den Anruf zu beenden. „Also, welche drei Lieder von dir soll ich auf einen USB-Stick laden, um sie dem Platten-Typen zu geben? Ich werde dich bei River Records unter Vertrag bringen, Baby. Und es wird nicht nötig sein, dass du dafür deine Jungfräulichkeit verkaufst.“
Alessandra seufzt. „Ach, Georgie. Du bist so süß. Aber mich bei River Records unter Vertrag zu bringen – besonders bei einer Veranstaltung wie dieser – wäre, wie auf der Erde einen Golfball zu schlagen und ihn auf dem Mond in einem Loch zu versenken. Letztes Jahr hat die beste Singer-Songwriterin meiner Schule einen Wettbewerb gewonnen, bei dem der Hauptpreis war, dass Reed sich persönlich ihre Musik anhört. Und rate mal – er hat sie sich angehört und sie abblitzen lassen.“
„Weil sie nicht du war.“
„Sie ist besser als ich.“
„Unmöglich. Aber sagen wir der Einfachheit halber mal, sie ist so gut wie du – dann war der Grund, warum sie abgewiesen wurde, dass sie keinen Fan wie mich hatte, der sie in den höchsten Tönen lobt.“
„Die Chancen, dass du überhaupt mit ihm reden wirst, sind minimal. Und wenn du es tust, dann wird das Gespräch vier Sekunden dauern, in denen du nicht den Hauch einer Chance haben wirst, ihn mit deiner Georgina-Ricci-Magie um den Finger zu wickeln. Wenn die Situation eine andere wäre – wenn du ihn persönlich treffen würdest –, dann würde ich wetten, dass du ihn verzaubern könntest, wie du es bei jedem schaffst. Es ist überall bekannt, dass er schöne Frauen liebt, und ich bin mir sicher, du würdest seine Aufmerksamkeit auf dich lenken. Aber bei dieser Veranstaltung werden Hunderte Musikstudenten sein, die ihm alle USB-Sticks in die Taschen stecken werden.“
Ich lasse die Schultern hängen. „Vielleicht. Aber es schadet ja nichts, wenn ich es versuche, oder?“
„Falsch. Ich will nicht, dass du dich bei deiner Unterhaltung mit CeeCee beeilst, nur weil du damit beschäftigt bist, zu versuchen, wegen mir mit Reed Rivers ins Gespräch zu kommen. Ich habe noch zwei Jahre bis zum Abschluss. Du hast noch eine Woche. Stell nur dieses eine Mal meine Träume hintan und denk an dich, Süße.“
Ich sehe, wie eine Gruppe von Studenten in den Vorlesungssaal geht, und schaue auf die Uhr. „Ally, ich habe dich verstanden. Aber ich kann nicht in demselben Raum mit einem Mann sein, der deine Träume wahr werden lassen könnte, und nicht …“
„Stopp“, sagt Alessandra bestimmt. „Du brauchst einen gut bezahlten Journalisten-Job, Georgie. Nicht nur für dich, auch für deinen Dad. Und jetzt hör auf, mit mir darüber zu streiten, geh da rein, und bring CeeCee Rafael dazu, deine Schreibproben zu nehmen, damit deine Träume wahr werden können.“
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