Tödlicher Isarfrost (Isar-Krimis 2) Tödlicher Isarfrost (Isar-Krimis 2) - eBook-Ausgabe
Roman
— München-Krimi mit ungewöhnlicher ErmittlerinTödlicher Isarfrost (Isar-Krimis 2) — Inhalt
Viel Kaffee, wenig Schlaf und ungewöhnliche Methoden – Clara Liebig und ihr Team ermitteln. Für Fans von Nele Neuhaus und Susanne Mischke
„Ein riesenhaftes Puzzleteil gefror in der Luft und zersprang in hunderte Eissplitter. Die Erkenntnis brach sich in Claras Kopf, wie ein Wasserfall, der sich tosend über die Fallkante stürzte.“
Im eisigen Winter wird am Englischen Garten eine tote Frau aus ihrem brennenden Auto gezogen. Ein tragischer Unfall, so scheint es, doch dann weist ein gruseliges Detail eindeutig auf Mord hin. Clara Liebig, Hauptkommissarin der Münchner Kripo, kennt das Opfer – wenige Tage zuvor hatte die Frau sie um Hilfe gebeten. Mit viel Kaffee und ungewöhnlichen Methoden gehen Clara und Super-Recognizer Thorwald mit dem Team auf Mörderjagd. Doch dann stößt die erfahrene Polizistin an ihre Grenzen. Und plötzlich geht es um viel mehr, denn dieser Winter hat es in sich …
„Die Autorin schreibt flüssig und lässt verschiedene Handlungstränge nebeneinander laufen und hält daduch die Spannung hoch. Für Freunde von Regionalkrimis eine absolute Leseemfpehlung.“ ((Leserstimme auf Netgalley))
„Nachdem ich schon vom ersten Band der Clara-Liebig-Reihe begeistert war hat sich die Autorin Marie Bonstein nochmals gesteigert. Die Story ist rasant und zugleich witzig geschrieben. Die Leserinnen und Leser erwartet ein großartiges Lesevergnügen.“ ((Leserstimme auf Netgalley))
„Ich bin von diesem 2 Fall hellauf begeistert und kann das Buch sehr empfehlen.“ ((Leserstimme auf Netgalley))
„Tödlicher Isarfrost ist mein bislang erstes Buch von Marie Bonstein, aber ganz gewiss nicht das letzte – Mörderisches Isarflimmern wird demnächst bestellt. Von mir gibt es verdiente fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!“ ((Leserstimme auf Netgalley))
Leseprobe zu „Tödlicher Isarfrost (Isar-Krimis 2)“
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Abgesperrt! Nur mit ihrem Slip bekleidet stand sie im unbeheizten Hausflur, doch sie fror nicht. Langsam, um keinen Lärm zu machen, ließ sie die Türklinke zurückgleiten.
Wo war sie hier nur reingeraten? Oder war es einmal mehr der Wahn, der sie befiel? Aber nein, sie hatte ihre Medikamente genommen.
Sicher gab es eine Erklärung für das Blut, dachte sie verzweifelt. Der Mann, mit dem sie eben noch Sex gehabt hatte, war er etwa ein wahnsinniger Killer? Oder ein Jäger? Das wäre doch möglich. Ein Jäger, so könnte es sein. Und er tat was? Zerlegte das Wild im [...]
1
Abgesperrt! Nur mit ihrem Slip bekleidet stand sie im unbeheizten Hausflur, doch sie fror nicht. Langsam, um keinen Lärm zu machen, ließ sie die Türklinke zurückgleiten.
Wo war sie hier nur reingeraten? Oder war es einmal mehr der Wahn, der sie befiel? Aber nein, sie hatte ihre Medikamente genommen.
Sicher gab es eine Erklärung für das Blut, dachte sie verzweifelt. Der Mann, mit dem sie eben noch Sex gehabt hatte, war er etwa ein wahnsinniger Killer? Oder ein Jäger? Das wäre doch möglich. Ein Jäger, so könnte es sein. Und er tat was? Zerlegte das Wild im Keller seines Reihenhauses?
Schon am frühen Abend, als sie lachend und küssend hereingekommen waren, hatte sie einen Wimpernschlag lang das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte.
Er hatte sie aus ihrem abgetragenen, viel zu dünnen Mantel geschält, seine Arme um ihre Taille geschlungen und sie gierig geküsst. Sie hatte seinen Kuss mit der gleichen Lust erwidert. Der schwere, süßliche Geruch war es gewesen, der sie irritiert hatte. Doch nur für einen kurzen Augenblick. Sie hatte nicht nachdenken wollen. Zu sehr hatte sie sich gewünscht vom Glück zu kosten, sich zu verlieben – so wie „normale“ Leute.
Durch das Guckfenster in der Tür sah sie die Lichter der Straßenlaternen. Ihr sanfter Schein konnte sich gerade so gegen den Schneefall behaupten. Ohne Unterlass fielen dicke weiße Flocken auf den Boden und häuften Schicht für Schicht einen üppigen Schneeteppich auf.
Schwer drückte die Last auf die kleine Tanne im Vorgarten, die Äste bogen sich unter dem Druck. Unschlüssige Sekunden stand sie vor der verschlossenen Tür und starrte auf das Bäumchen draußen. Ihre nackten Füße klebten auf den eisigen Fliesen.
Sollte sie wieder hochgehen ins Bett, zu dem schlafenden Mann? So tun, als wäre nichts gewesen oder sollte sie, so wie sie war, aus einem der Fenster springen und durch die eisige Kälte fliehen?
„Hast du dich ein wenig umgesehen?“, hörte sie ihn hinter sich. Doch bevor sie sich umdrehen konnte, schlug er ihren Kopf hart gegen die Tür und packte sie am Hals. Mit einer gewissen Befriedigung in der Stimme hauchte er ihr ins Ohr:
„Neugier ist der Katze Tod!“
2
„Wegen des Gefrierbrands!“
„Das ist wohl eher ein Fall für den Haustechniker und nicht für die Kripo.“ Hauptkommissarin Clara Liebig lachte kehlig und Kälteschwaden folgten ihrem Atem. Für einen Moment verschwand ihr Gesicht fast vollständig hinter einer Wolke aus kondensierter Luft. Die Kälte kroch trotz ihrer gefütterten Sneakers über ihre Fußsohlen hoch in die Waden. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und dachte sehnsüchtig an den heißen Bluebay-Starter Kaffee, den sie beim Foodtruck vor dem Revier geordert hatte, als der Anruf des Rechtsmediziners Lukas Demirci dazwischen gekommen war.
Ihr Kollege Thorwald von Weidecke lachte nicht. „Für Gefrierbrand ist nicht der Haustechniker zuständig. Ein Hausgerätetechniker wird der richtige Ansprechpartner sein oder vielleicht ein Koch“, stellte der junge Kommissar mit ernster Miene und interessiertem Blick auf die am Boden liegende Leiche fest.
Die tote Frau lag auf einer Plane im Schnee, mitten im Englischen Garten. Ein hastig aufgestellter Sichtschutz der Polizei diente zur Abwehr sensationssuchender Blicke und eisiger Schneeböen. Doch der Wind drängte sich an den Polizeibarrieren vorbei und nahm den Schnee mit sich, der über die Leiche hinweg stob und seine funkelnden Kristalle auf der toten Frau verteilte.
Schaulustige gab es zu dieser frühen Stunde kaum, zwei Hundebesitzer waren vorbeigekommen, doch bei der Kälte und dem frostigen Wind waren sie nur kurz stehengeblieben. Ein in den Boden geschlagener Schirm, auf dem in fluoreszierenden Buchstaben Polizei aufgedruckt war, schützte die Tote vor dem von oben herabfallenden Schnee.
Weiträumig war der Ort des Geschehens mit rot-weißem Polizeiband abgesperrt. Ein einzelner Journalist hatte dem Wetter getrotzt. Er stand hinter der Absperrung und sprach die vorbeieilenden Feuerwehrleute an, um ein Interview zu bekommen. Doch er hatte kein Glück. Alle waren damit beschäftigt, zügig aufzuräumen. Niemand wollte sich länger als nötig den ungemütlichen Wetterbedingungen aussetzen.
Ein kräftiger Wind wirbelte über die Köpfe der Kommissare und des Rechtsmediziners hinweg. Die Äste und Zweige der Bäume bogen sich und wippten mit der Luftbewegung hin und her. Dahinter lag der chinesische Turm, der dunkel in die Morgendämmerung aufragte und dessen hölzerne Geschosse bedrohlich ächzten, wenn eine Windböe sie erfasste.
Einige Meter entfernt stand schräg zu dem schmalen Oberjägermeisterbach, der sich neben der einzigen Straße durch den Englischen Garten schlängelt, ein ramponiertes Auto. Das Dach war rußgeschwärzt und die Scheiben geborsten. Die Feuerwehr hatte es inzwischen vollständig gelöscht.
Der Busfahrer der Linie 54, der an diesem frühen Morgen mit seinem Bus durch den Englischen Garten gefahren war, hatte die Frau aus dem brennenden Fahrzeug herausgeholt. Doch sie war schon tot.
„Vermutlich kennt sich auch ein Metzger mit Gefrierbrand aus, aber ein Haustechniker bestimmt nicht.“ Thorwald zog seinen grobgestrickten Schal fester um den Hals. Auf seiner Mütze bildete sich eine lockere Schneeschicht.
„Das war ein Witz.“ Clara drückte die Hände tief in die Taschen ihres riesenhaften Parkas. Obwohl sie schlank und durchtrainiert war, trug sie bei ihrer beachtlichen Größe von 1,85 m am liebsten lockere, weite Jacken. So sah sie im Halbdunklen, bei dem Schneegestöber und mit dem Scheinwerferlicht der Feuerwehr im Rücken, groß und wuchtig aus. Wie der Schneeyeti persönlich. Ganz im Gegensatz zu Thorwald, dessen lange staksige Beine unter seinem dickwattierten Thermomantel hervorstachen.
„Das wusste ich natürlich.“ Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein peinlich berührtes Grinsen ab. Thorwald war hochintelligent und Super-Recognizer, er erkannte jedes Gesicht, das er einmal gesehen hatte, für den Rest seines Lebens zuverlässig wieder. Doch mit den sozialen Kompetenzen des jungen Norddeutschen war es nicht weit her, genauso wie mit seinem Verständnis für die bayerische Sprache.
„Wollt ihr zwei euch über mich lustig machen oder ist das echt?“ Lukas Demirci schüttelte den Kopf und schaute grantig drein. Demirci war Mitte vierzig, sah aber um einiges jünger aus. Aus seinem selbst im Winter sonnengebräunten Gesicht strahlten die wasserblauen Augen normalerweise vergnügt heraus. Doch heute war seine Laune zum Wetter passend frostig und er trug sie offen zur Schau.
„Ich habe euch gerufen, weil die Tote Spuren von Gefrierbrand aufweist und nicht, weil ich auf dämliche Witze aus bin. Das hier war kein Unfall“, sagte er ungewohnt gereizt. „Wir haben es mit einem Tötungsdelikt zu tun.“
An anderen Tagen ließ Demirci keine Gelegenheit zu einem kleinen Flirt mit Clara aus, selbst wenn sie zwischen Leichenteilen und Blutspuren an einem Tatort standen. Doch heute warf er ihr nur einen strengen Blick zu.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“ Clara lockerte das Band an ihrer Kapuze und schob sie ein Stück zurück. So konnte sie die Umgebung besser in Augenschein nehmen. Die nächste Windböe schaufelte ihr eine Ladung Schnee ins Gesicht. „Bah!“ Sie schüttelte sich wie eine Katze, die ins eiskalte Wasser gefallen war.
„Ich bin heute Morgen nicht zu Scherzen aufgelegt. Ich friere in dieser verfluchten Kälte langsam fest, während ihr eine Comedy-Show à la Joko und Klaas abzieht, anstatt naheliegende Fragen zu stellen.“
„Sorry, schon gut. Wie kommt es zu dem Gefrierbrand? Sie liegt ja noch nicht so lange im Schnee, oder?“ Clara zog ihre Kapuze ganz herunter und versuchte, mit dem vom Schnee durchfeuchten Jackenärmel ihr Gesicht ein wenig zu trocknen. Sie hob den Unterarm schützend über die Augen, um eine bessere Sicht auf Ort und Opfer zu bekommen.
„Das brennende Auto wurde vor einer guten Stunde gemeldet. Doch durch das Unfallgeschehen ist sie nicht gestorben. Ich habe Kompressionsspuren an ihrem Hals entdeckt. Und so bizarr es auch klingen mag, sie wurde tiefgefroren, bevor sie hier im Englischen Garten geröstet werden sollte. An ihrer linken Wange sieht man deutlich, dass sich Gefrierbrand gebildet hat.“
„Dann hat sie das Auto nicht selbst gegen den Baum gefahren.“ Thorwald nickte verstehend und der riesige Bommel auf seiner Wollmütze wackelte hin und her. „Wenn sie vorher schon unsachgemäß schockgefrostet wurde.“
„Unglaubliche Schlussfolgerung“, knurrte Demirci und verdrehte die Augen. „Dann können wir ja jetzt alle Feierabend machen.“
„Der ist aber wirklich übellaunig gestimmt heute“, sagte Thorwald mit gedämpfter Stimme in Richtung seiner Chefin und verzog die Mundwinkel.
Aber sie hörte ihn nicht mehr. Clara hatte den typisch abwesenden Ausdruck, der sich auf ihrem Gesicht breitmachte, wenn sie in Gedanken ihre Theorien entwickelte.
Puzzleteile schwebten in ihrem Kopf heran, verbanden sich zu einem großen Ganzen und flossen ineinander, das kleine Auto, die tote Frau, das Feuer. Das Bild setzte sich langsam in Bewegung. Wie ein verwackelter Film lief es vor ihr ab. Sie sah das Auto mit geringer Geschwindigkeit heranfahren, dann rumste es gegen den Baum. Eine schwarzvermummte Gestalt stieg aus und goss mit einem Kanister Brandbeschleuniger über den Wagen.
Ein Streichholz löste sich aus der Szene und rutschte vor die anderen Teile. Doch ehe das Licht des kleinen Hölzchens sich durch das Schneetreiben hinweg in dem feuchtglänzenden Autodach spiegeln konnte, fuhr eine Stichflamme in die Höhe. Mit ihr verschwand der Täter wie ein Zauberkünstler zwischen den Bäumen des Wäldchens am Englischen Garten.
Clara stellte sich vor, wie der Bus heranfuhr. Die Feuersbrunst, die sich auf dem kleinen Auto entzündete, griff weit nach oben und puffte ihren Qualm wie Rauchzeichen in die Dämmerung. Der Schnee stöberte dagegen und es mutete fast an, wie ein wilder Tanz zwischen Schneeflocken und Flammen, der sich in ihrem Kopf entspann. Der dauerhafte Niederschlag schwächte die Wirkung des Feuers ab, der Täter hatte sicher gehofft, dass es länger unentdeckt brennen würde.
„Clara?“
Wie aus einem Traum prallte sie in die Realität zurück, Thorwald stand mit fragendem Gesichtsausdruck vor ihr.
„Der Oberbrandmeister wollte wissen, ob wir seine Truppe hier vor Ort noch brauchen. Ich meine, sie können abziehen, oder?“
„Einen Moment noch!“ Clara wandte sich an den Feuerwehrmann, der im rußverschmutzten Anzug vor ihr stand. Um seinen behelmten Kopf wirbelte der Schnee. Er nickte Clara zur Begrüßung zu, nahm den Helm ab und zog sich die Flammenschutzhaube vom Kopf. Die anstrengenden Löscharbeiten hatten ihm eine gesunde Röte ins Gesicht getrieben.
„Wie lange würde ein Auto brauchen, um vollständig auszubrennen, sodass alle Beweise vernichtet sind? Oder ist es gar nicht möglich, mit so einem Feuer alle Spuren in einem Auto zu vernichten?“
„Freilich, grundsätzlich ist das möglich. Dafür braucht es eine gescheite Hitze. Es müsste länger brennen, als das hier der Fall gewesen ist. Unter solchen extremen Wetterbedingungen mit dem Schnee ist es eher schwierig, dass man ein Feuer hier zustande bringt, das so dauerhaft brennt.“
„Okay, das bedeutet, wir hatten Glück mit dem Wetter, sonst hätte es hier anders ausgesehen?“
„Aber hallo, das ist immer ein Glück, wenn ein Brand keine optimalen Bedingungen zur Verfügung hat. Auch dass der Busfahrer gleich reagiert hat, war sehr gut. So kann das Opfer leichter identifiziert werden. Aber selbst wenn etwas sozusagen spurlos verbrennt, gibt es uns Hinweise. Das Brandspurenbild zeigt, wie sich Flammen und Ruß entwickeln. Daraus lässt sich in den allermeisten Fällen leicht schließen, welcher Brandbeschleuniger benutzt wurde.“
„Und mit welchem haben wir es hier zu tun?“
„In unserem Fall würde ich anhand des charakteristischen Spurenbildes schon ohne Analyse darauf tippen, dass der Feuerteufel mit Spiritus am Start war. Das ist gut für uns. Flüssige Brandbeschleuniger lassen sich fast immer nachweisen.“ Er öffnete seinen schweren Werkzeuggürtel und drückte einem Kollegen, der auf dem Weg zum Einsatzwagen war, eine Schaufel in die Hand. „Doch um eine gerichtsverwertbare Aussage zur Brandursache zu bekommen, müssen die Brandermittler ran. Wir haben relevante Proben gesichert. Die sind schon auf dem Weg zur Analyse.“
„Hat der Täter das Feuer professionell gelegt, kannte der sich aus?“
„Ich sag mal so: Das war keiner von der Feuerwehr. Euer Täter hatte wenig Ahnung von der Materie. Wenn ich einen Brand legen will, um Beweise zu vernichten oder um die Identität einer Leiche zu verschleiern, würde ich das Feuer im Innenraum des Autos anfachen, nicht auf dem Dach oder der Motorhaube. Das ist ja ein totaler Schmarrn.“
Er gab seinen Leuten ein Zeichen und Schläuche rollten in die Spulen der Fahrzeuge, Äxte landeten in den dafür vorgesehenen Stahlkisten und leere Löschmittelbehälter wurden eingesammelt.
Clara konzentrierte sich wieder. Der Linienbus schwebte weiter auf sie zu, bis er frontal vor ihr zum Stehen kam. Keiner von der Feuerwehr, dachte sie und kein Busfahrer. Denn den Busfahrplan der Linie 54 hatte der Täter ganz sicher nicht auf seinem mörderischen Plan gehabt.
Sie schaute sich wieder am realen Tatort um. Die Schneeschicht war dicht um das Auto herum der Hitze des Feuers gewichen. Der herabfallende frische Schnee bedeckte die Stellen immer wieder neu, doch der zertretene, schmutzige Boden darunter war deutlich zu sehen.
Mit ihren Gerätschaften, Löschmaßnahmen und den schweren Stiefeln hatten die Feuerwehrleute den Tatort verunreinigt. Schaum, Schlamm und Dreck würden es schwierig machen, einzelne Fußspuren eines Täters herauszufiltern.
Und der immer noch fallende Schnee erleichterte ihnen die Arbeit nicht. Weiterführende Spuren im Englischen Garten zu finden, war so gut wie ausgeschlossen. Vor über einer Stunde war der Brand entdeckt worden. Und während der ganzen Zeit hatte es geschneit.
Clara ging neben der toten Frau in die Hocke. Im heller werdenden Licht des Tages wollte sie sich die Leiche genauer ansehen. Sie erstarrte. Ungläubig sah sie von der Toten auf. „Ich kenne die Frau!“, sagte sie und ihr Blick flog zwischen Thorwald und Demirci hin und her. „Ich kenne sie“, wiederholte Clara ein wenig leiser.
„Das tut mir leid!“ Demirci legte eine Hand auf ihre Schulter. Missgelaunt oder nicht, in so einer Situation wollte er sein Mitgefühl ausdrücken.
„Nicht privat, sie war bei mir im Revier.“ Eiskristalle glitzerten auf dem leblosen Körper. Erschüttert kniete Clara sich neben die Leiche in den Schnee. „Sie hat mich um Hilfe gebeten und jetzt ist sie tot.“
3
Der Busfahrer Manuel Müller saß auf der Beifahrerbank in einem Leiterwagen der Feuerwehr. Einer der Feuerwehrleute hatte ihm nach der ersten Versorgung durch die Sanitäter einen Becher mit heißem Kaffee in die Hand gedrückt und ihn in das Fahrzeug geschoben.
Nachdem die Personalien der Passagiere aufgenommen worden waren, war sein Bus ohne ihn abgefahren. Die Stadtwerke hatten einen Vertretungsfahrer geschickt und seine Vorgesetzte aus der Leitstelle war zur Unterstützung hergekommen. Sie saß neben Müller, der sich bei dem Rettungsversuch leichte Verbrennungen an den Unterarmen zugezogen hatte.
„Hallo, können wir uns unterhalten?“ Clara hielt ihren Dienstausweis hoch, sodass Müller ihn sehen konnte, und kletterte hinauf in die Kabine des Feuerwehrfahrzeuges. Sie schwang sich neben Manuel Müller auf die Sitzbank.
„Ich kann gar nicht viel dazu sagen.“ Er hielt sich an dem leer getrunkenen Kaffeebecher fest. „Wie ich mit dem Bus um die Kurve gekommen bin, habe ich das Feuer gesehen. Um 5:08 Uhr habe ich die Leitstelle alarmiert, den Bus in einigem Abstand stehen lassen und bin mit meinem Feuerlöscher losgerannt. Es saß jemand drin und weil es hauptsächlich auf der Motorhaube und dem Dach gebrannt hat, dachte ich, dass ich der Fahrerin noch helfen kann. Ich habe sie herausgezogen, aber sie war schon tot. Ich habe nichts mehr für sie tun können.“ Betrübt sah Müller hinüber zur Unfallstelle an der schrägen Buche.
„Haben Sie sonst jemanden um das Auto herum gesehen? Oder ist Ihnen vorher auf der Fahrt hierher etwas aufgefallen?“
„Wenn ich nur ein bisschen früher da gewesen wäre.“ Er schüttelte den Kopf und stierte weiter nach draußen.
„Ist jemand an der letzten Haltestelle vor dem Englischen Garten eingestiegen?“
Müller sammelte sich und kehrte mit seinem Blick zu Clara zurück. „Das ist die Thiemestraße, ja, ein junger Mann in einer krass auffälligen grünen Steppjacke ist zugestiegen. Ich dachte noch, ob er von einer Party übrig geblieben ist oder ob der arme Kerl auch so früh zur Arbeit muss. Und zwei alte Frauen kamen angelaufen, die sehe ich öfter mal, wenn ich Frühschicht habe.“
Die Fahrdienstleiterin neben Müller mischte sich ein: „Nun haben wir es aber mal fürs Erste, oder? Herr Müller sitzt hier schon ewig herum und er hat Verbrennungen erlitten. Ich möchte ihn ins Krankenhaus bringen.“
Clara sprang aus dem Fahrzeug, doch bevor sie die Tür zuschlug, wandte sie sich noch einmal um. „Sie hätten die Frau nicht retten können. Sie war schon tot, lange bevor Sie eintrafen.“
Thorwald kam ihr entgegen. „Sie hatte einen kleinen Rucksack aus Kunststoff dabei, dementsprechend ist er von Hitze und Feuer in Mitleidenschaft gezogen worden. Ein paar Habseligkeiten sind darin. Schlüssel, angekokelte Fahrzeugpapiere und ihr Personalausweis. Du hattest recht, es ist Anna Schneider.“
Clara hatte sich ausreichend umgesehen und genügend Eindrücke vom Ort des Geschehens und der gesamten Situation gesammelt. Der Busfahrer war der einzige Augenzeuge, der noch da gewesen war. „Check bitte, wer die anderen Zeugen aus dem Bus sind, den jungen Mann mit der grünen Jacke will ich zuerst befragen“, rief sie Thorwald zu und stapfte durch den Schnee davon.
Beim Revier angekommen steuerte Clara auf Balthasars Foodtruck zu. Bevor sie im Büro durchstartete, wollte sie sich ihren Lieblingskaffee und einen buntgestreuselten Donut abholen. Den Kaffee hatte sie dringend nötig, genau wie den Zuckerschub. Ihre Konzentration litt unter dem ewigen Schlafmangel. Ständig schreckte sie nachts hoch und schaffte es nicht, wieder einzuschlafen. Zu viele Gedanken. Zu viele Grübeleien. Zu viele Dämonen.
Der silberblitzende Foodtruck vor dem Revier gehörte Balthasar Hirsch. Es war ein Airstream, den er eigenhändig zum Kaffee- und Brotzeit-Truck umgebaut hatte. „Zum rollenden Hirsch“ stand in großen Lettern über dem Thekenfenster. Vor seiner Karriere als Kaffeeprophet und fahrender Brotzeittandler war er selbst Kommissar bei der Münchner Kripo gewesen, ein vertrauter Kollege von Clara. Nach vielen Jahren hatte der große, bärige Mann den Dienst unerwartet quittiert, weil er keine Lust mehr auf die emotional belastende Arbeit bei der Kripo hatte.
Stattdessen versorgte er seit einigen Monaten die ehemaligen Kollegen mit seinen ausgefallenen Kaffeespezialitäten, für die er sich wohlklingende Namen ausdachte. Clara liebte den Bluebay-Starter, einen kräftigen Arabica-Kaffee, der mit knallig blauem Milchschaum gekrönt wurde. Ein kleines Brotzeitangebot und ein wöchentlich wechselndes Mittagessen rundeten sein Sortiment ab.
Er schob ihr den silberfarbenen Alubecher über die Theke hinweg zu. Der Becher trug Balthasars Markenzeichen, den Aufdruck eines überdimensionierten Hirschgeweihs. „Dachte schon, du willst mir untreu werden. Bist ja vorhin so wirbelsturmmäßig abgehauen. Und das, obwohl ich extra für dich die Kaffeemaschine früher aufgeheizt habe. Was war denn los?“
„Untreu? Niemals! Mit deinem Kaffee ist für mich schon der halbe Tag gerettet.“ Sie griff nach dem Becher, den Deckel hatte sie beim eiligen Aufbruch zuvor automatisch in der Jackentasche ihres Parkas versenkt. „Wir haben eine Leiche im Englischen Garten gefunden, sie saß in einem brennenden Auto und ich kannte die Frau.“
„Oha, das sind die Momente, die kein Polizist erleben will.“
„Ich kannte sie nur dienstlich. Sie war vor einer guten Woche bei mir und wollte, dass ich ihr helfe, eine ältere Frau zu finden. Erzählte etwas wirr von einem Hund. Sie kam mir ehrlich gesagt ein bisschen paranoid vor. Verdammt, ich hätte sie ernster nehmen sollen.“
„Anna?“ Balthasar, der dabei war Claras Donut einzutüten, hielt in der Bewegung inne. Seine Miene wurde ernst. „Eine große, dunkelhaarige Frau? Dürr, schmal, hübsches Lachen und so um die vierzig?“
Clara sah ihn erstaunt an.
„Hat ihre Freundin gesucht und von dem Hund erzählt, dem kleinen Rauhaardackel?“
„Du kanntest sie?“
„Kennen ist übertrieben. Sie ist auch hier bei mir gewesen. Hat sich mit einem Chili-Boom-Kaffee aufgewärmt. Sie hatte ja nur diesen dünnen Mantel an.“ Balthasar legte die Tüte mit dem Donut auf der Theke ab. „Und dabei hat sie mir ihre Geschichte erzählt. Ihre Freundin, eine ältere Obdachlose, war verschwunden. Den Namen habe ich vergessen, aber ihr Hund hieß Gustl. Und Anna war sicher, dass ihre Freundin den Gustl nie zurückgelassen hätte, wenn sie abgehauen wäre. Sie war überzeugt, dass ihrer Freundin was passiert sein musste.“
„Ich habe am nächsten Tag noch in dem Obdachlosenheim nachgefragt, aus dem ihre Freundin verschwunden war. Ohne Ergebnis – mehr konnte ich zu dem Zeitpunkt gar nicht machen“, sagte Clara mehr zu sich selbst als zu Balthasar.
„Die arme Anna. Aber du darfst dir keine Vorwürfe machen. Du wusstest doch nicht, dass sie sich umbringen würde.“
Clara sah das brennende Auto vor sich und eine schwarzgewandete Gestalt, die das Auto mit Spiritus übergoss. Die Täter in ihren Gedankenpuzzles waren immer dunkel gekleidet, ihre Gesichter waren mit schwarzen Masken verdeckt. Sie hatte keine Fantasie übrig für die Täter, nur für ihre Theorien. Die sah sie in leuchtenden Farben vor sich. „Umgebracht hat sie sich nicht. Das war ein eiskaltes Verbrechen!“
Die Ankündigung macht neugierig. Und sofort dachte ich mir:"So ein Buch braucht man so ziemlich zum Anfang des Lebens." Denn als junger Mensch ist man manches Mal unsicher, wie man sich verhalten sollte. Also, es kommt auf meine Liste, vielleicht sogar als "Rundumgeschenk" für die jungen Leute in meiner Familie.
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