Touch of Dust and Decay – Schattenseele Touch of Dust and Decay – Schattenseele - eBook-Ausgabe
Roman
— Düstere Urban Fantasy in London mit ungewöhnlichen ProtagonistenTouch of Dust and Decay – Schattenseele — Inhalt
Wenn er dich berührt, bist du tot! Düstere, packende Urban Fantasy in Londons dunklen Ecken für Fans von Laura Kneidl und Sarah J. Maas
„Die Macht der Liebe kann Monster erschaffen oder das Einzige sein, was sie besiegt.“
Wenn die Schatten sich erheben, lauf! Die junge Willow hätte die Warnungen besser beherzigen sollen, als sie den Job in dem verstaubten Buchladen in der hintersten Ecke Londons annahm. Denn offensichtlich hat Mr. Hunt, der merkwürdige alte Ladenbesitzer, ein Geheimnis. Etwas Hungriges lauert in dem abgesperrten Antiquariat, und es ist eng verwoben mit dem mysteriösen Clay, der sie immer wieder aus dem Dunkel heraus beobachtet. Nun soll Willow mit der Hilfe einer bunten Gruppe an Sonderlingen jemanden finden, der nicht in ihre Welt gehört. Und der mit einer einzigen Berührung töten kann. Auf seinen Spuren zieht das ungewöhnliche Gespann durch Londons Schatten, in denen Willow einer flammenden verbotenen Liebe und dem eiskalten Tod begegnet und sich der tiefsten Dunkelheit ihrer eigenen Seele stellen muss ...
„Freya Dawn hatte mich schon auf der ersten Seite vollständig in ihrem Bann. Ganz großes Lesekino voller Spannung, Magie und Herzklopfen!“ – Sarah Stankewitz
Leseprobe zu „Touch of Dust and Decay – Schattenseele“
1. WILLOW
Ich folgte dieser Ratte jetzt bereits seit geschlagenen dreißig Minuten. Immer, wenn ich stehenblieb, drehte sie sich zu mir um und blickte mich aus ihren schwarzen Knopfaugen auf eine fast schon hypnotische Art an. Für mich gab es quasi keine andere Option als ihr zu folgen, denn sobald ich mich erdreistete, einen anderen Weg einzuschlagen, ging sie nahtlos dazu über, mir zu folgen.
Ja, okay, normale Leute liefen vielleicht netten Katzen nach oder maximal noch einem klugen Raben, aber ich war Willow Bailey und normal war nicht unbedingt mein [...]
1. WILLOW
Ich folgte dieser Ratte jetzt bereits seit geschlagenen dreißig Minuten. Immer, wenn ich stehenblieb, drehte sie sich zu mir um und blickte mich aus ihren schwarzen Knopfaugen auf eine fast schon hypnotische Art an. Für mich gab es quasi keine andere Option als ihr zu folgen, denn sobald ich mich erdreistete, einen anderen Weg einzuschlagen, ging sie nahtlos dazu über, mir zu folgen.
Ja, okay, normale Leute liefen vielleicht netten Katzen nach oder maximal noch einem klugen Raben, aber ich war Willow Bailey und normal war nicht unbedingt mein Ding. Also lief ich diesem struppigen Nagetier hinterher, bis wir irgendwann dort ankamen, wo es mich haben wollte.
„Was für ein Blödsinn, Willow“, tadelte ich mich selbst, weil diese Situation einfach zu bescheuert war. Alles, dieser ganze Wahnsinn, der sich mein Leben nannte, war bescheuert.
Wahrscheinlich stellte es einfach den traurigen Höhepunkt meines bisherigen Daseins dar, einer Ratte in London den schmutzigen Bordstein entlangzufolgen.
Du bist echt unten angekommen, Willow Bailey, verdammt weit unten.
Fast schon empört stellte sich das wohlgenährte Nagetier auf die Hinterbeine, fixierte mich und wackelte mit den Schnurrhaaren.
„Ja, ich weiß.“ Seufzend zuckte ich die Achseln. „Ist ja nicht alles schlecht.“ Immerhin konnte ich mich jetzt offiziell Bachelor of Arts nennen. Oder hieß das Bachelorette? Kurz musste ich an den Kerl mit den Rosen und Verehrerinnen denken … Ich hatte keine Verehrer, ich war nur Willow.
Und dieser Abschluss war wie ein Neubeginn für mich. Ein Neubeginn zwischen den schmutzigen Rinnsteinen Londons.
Leider war es immer so eine Sache mit diesen Anfängen … Viel zu selten gab es leuchtende Pfeile am Boden, die einem vorgaben, welche Abzweigung es zu nehmen galt. Das Leben bestand aus einer Aneinanderreihung von Enden und Anfängen und man wusste zu Beginn nie, wo man letztlich stehen würde.
„Also, was ist? Gehen wir jetzt weiter?“ War mein neuer kleiner Kumpel vielleicht einer dieser leuchtenden Pfeile? Oder wurde ich langsam einfach nur verrückt, weil ich noch nicht wusste, was ich mit meiner Chance anfangen sollte? Wenn es denn eine war.
Wo stand ich inzwischen?
Ich besaß einen druckfrischen Universitätsabschluss in Literatur und sonst kaum etwas. Ich trug immer noch abgewetzte Jeans, staubige Chucks und einen Haarschnitt, der dringend mal wieder eine Auffrischung brauchte. Keine Ahnung, ob man als Professorin an einer Uni mit krummem Pony und violetten Strähnen so gut ankam. Wohl eher nicht. Denn genau das war während des Studiums immer mein Wunsch gewesen: Selbst zu lehren, den Studierenden all die Welten zu zeigen, die mir einmal eröffnet worden waren. Geschichten hatten mich gerettet, aber nach all den magischen Reisen zu anderen Orten und Zeiten war ich doch wieder nur zu Willow Bailey geworden. Bücher mochten eine Flucht vor der Realität ermöglichen, aber man konnte nicht auf ewig vor seinen Problemen davonlaufen. Wenn ich mir all die Menschen hier in meiner Stadt so ansah, wie sie in ihrem Hamsterrad aus Büro, Smartphone und kurzem Feierabend strampelten, begann ich daran zu zweifeln, dass auch nur irgendetwas auf dieser Erde magisch sein sollte. Sie waren verloren, ich war verloren, wahrscheinlich waren wir es alle.
Ich hatte jetzt meinen Abschluss, toll. War wohl auch nur der Startschuss dafür, mir mein Hamsterrad in diesem System zu suchen.
Die Ratte starrte mich noch immer an, als wollte sie sagen: Gott, hör endlich auf mit dieser Melodramatik!, dann quiekte sie und schob ihren – eindeutig zu dicken – Bauch um eine Straßenecke in eine verlassene Seitengasse hinein. Und ich? Folgte ihr natürlich.
„Willst du mich hier hinten ausrauben?“ Skeptisch blickte ich mich um. Dampfende Gullydeckel, ein paar vereinzelt gepflanzte Bäume und sonst nichts als graue Hauswände. Ich hatte ja ursprünglich vorgehabt, meinem haarigen Fremdenführer ein Stück Keks aus meiner Tasche abzugeben, aber wenn er jetzt einen auf Messerstecher machte, würde ich mir das ernsthaft nochmal überlegen müssen.
Er – eigentlich wusste ich überhaupt nicht, ob es ein Er oder eine Sie war, wie stellte man das bei Ratten überhaupt fest, ohne ihnen zu nahe zu treten – erhob sich auf die rosafarbenen Hinterpfoten und verschwand dann einfach so in einem der Gullydeckel.
„Hey!“ Hilflos warf ich die Arme in die Luft. „Nicht dein Ernst, Kumpel! Was soll ich jetzt hier? Hallo?“
Ach, ich war doch selbst schuld. Wer folgte schon eine halbe Ewigkeit einer Ratte? Diese Tiere lebten in der Kanalisation, war doch klar, dass sie irgendwann auch wieder dorthin zurückkehrten. Was hatte ich bitte erwartet? Dass sie mich zu einer Universität führte, vor deren Toren mir ein adretter Professor Dr. irgendwas in die Arme lief, der glücklich rief: „Oh, Miss Willow Bailey, welch Freude! Wir suchen gerade exakt so einen abgewetzten Nerd mit krimineller Vergangenheit, wie Sie es sind! Hier, Ihr Arbeitsvertrag. Ihre neuen Studierenden warten bereits.“?
Freudlos lachend wollte ich den Rückweg antreten, falls ich ihn noch fand, als mein Blick auf ein handgeschriebenes Schild hinter einer vergilbten Scheibe fiel.
Bezahlter Abenteurer gesucht.
Was bitte war das hier? Ein Escape-Room, oder was?
Ein paar staubige Bücher befanden sich in der Auslage, die offensichtlich seit Jahrzehnten keiner mehr ausgetauscht hatte.
Die Sehnsucht des Highlanders?
Waren diese halbnackten, langhaarigen Kerle mit aufgebauschten Hemden auf Buchcovern nicht schon vor Urzeiten aus der Mode gekommen?
Ein Buchladen, ganz eindeutig, aber hatte dieses angestaubte Exemplar überhaupt noch geöffnet?
Bezahlter. Abenteurer. Gesucht.
Es musste so aussehen, als sei ich hier draußen angewurzelt und ich wusste noch nicht einmal, warum diese drei einfachen Worte mich so sehr in ihren Bann zogen.
Der Laden wirkte muffig und alt, befand sich in der letzten verwinkelten Seitenstraße Covent Gardens und selbst jetzt, wo das Viertel normalerweise vor Touristen überquoll, verirrte sich niemand hierher.
Geh weiter, Willow, sei nicht dumm! Du willst Dozentin werden, nicht so etwas hier!
Aber die Ratte …
Du spinnst! Vergiss die Ratte!
„Komm rein, Kind, gut, dass du da bist!“
Ich erschrak mich halb zu Tode, als ein alter Mann wie aus dem Boden geschossen vor mir stand und das helle Glöckchen über der Tür gar nicht mehr aufhören wollte, zu bimmeln.
Er hatte wässrige, blaue Augen hinter einer dicken, runden Brille und trug ein graues Hemd mit Kragen, das schon zu Zeiten meiner Großeltern aus der Mode gekommen sein musste.
Hilflos deutete ich auf einen der dampfenden Gullydeckel.
„Ich … ich wollte eigentlich gerade …“
„Sei nicht albern! Komm schon.“ Der Fremde legte seinen dünnen Arm um mich und zog mich unausweichlich mit sich. Die Haut seiner Hand wirkte dünn wie Pergament und er roch nach Mottenkugeln und Kräutern.
„Hören Sie, ich …“ Oh, wie ich es hasste, einfach so angefasst zu werden, aber trotz seines Alters war dieses dürre Männchen erstaunlich kräftig. Er dirigierte mich ins Ladeninnere, das nach Staub und vergilbtem Papier roch. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, ließ er mich endlich los und ging hinüber zu einer uralten Registrierkasse, um murmelnd etwas in den Schubfächern darunter zu suchen.
Und ich … ich sah mich um. Direkt neben mir stand ein Tisch mit neueren Büchern. Ja, gut, Harry Potter war jetzt nicht wirklich neu, aber immerhin ein literarischer Evergreen. Und Moby Dick … Genau die Ausgabe, die ich selbst damals gelesen hatte. Liebevoll strich ich mit den Fingern über den Einband. Links und rechts von mir türmten sich die Bücher in dunklen Schränken kreuz und quer bis zur Decke. An einem besonders hohen Regal lehnte eine Holzleiter und Kletterpflanzen hatten einige der Fächer erobert. Eine blühte sogar. Direkt vor mir hockte die Statue eines Drachen und wirkte so lebensecht, als sei er gerade erst zu Stein erstarrt. Er bewachte das Regal Fantastisches.
Vor der Abteilung Gefühl stand die Skulptur einer griechischen Göttin, die einen Korb mit Rosen in ihrer weißen Hand hielt.
Ein verbeultes Schild wies den Weg in den hinteren Teil des Geschäfts. Antiquariat – Zutritt verboten! Der Gang war mit einer Kette abgesperrt, als handele es sich um den baufälligen Teil eines alten Schlosses. Ein tiefer Atemzug strömte in meine Lunge, während ich langsam nach oben blickte. Die Decke war viel höher als es von außen den Anschein gemacht hatte, und überall fanden sich kleine Fresken. Engel, Drachen, Liebende, ein Garten voller Blumen, Felsen, eine Burg. So viele Welten vereint in einer einzigen. Für einen Moment vergaß ich, zu atmen. Dieser Laden … er machte etwas mit mir. Keine Ahnung, ob das etwas Gutes war, aber es war zumindest etwas.
„Ja, der Rattenfänger … leistet gute Arbeit“, säuselte der Ladenbesitzer, während er den Staub von einem Stapel Papiere auf seinem Tresen pustete.
„Rattenfänger? Ich? Flöte ist so gar nicht meins, da muss ich Sie enttäuschen“, erwiderte ich, während ich mit den Fingerspitzen über die Buchrücken im Regal Fremde Welten fuhr.
Der Alte lachte hell und als ich aufblickte, blitzte der Schalk in seinen Augen. „Doch nicht du, du Witzbold. Er!“
Er? Was war los mit diesem Kerl? Brachte das fortschreitende Alter vielleicht Halluzinationen mit sich?
„Er? Wer er?“ Fragend sah ich mich um, da war er auch schon wieder bei mir und hielt mir ein vergilbtes Papier und einen Füller unter die Nase. „Bitteschön, kleine Miss Bailey. Gut, dass du nun da bist.“
„Miss … was … aber ich …“ Mein Stammeln ging mir selbst auf die Nerven, aber ich hatte ihm meinen Namen doch nie gesagt oder doch? „Woher wissen Sie, wie ich heiße?“
Er schmunzelte und in seinen blauen Augen lag die gebündelte Weisheit der Welt, als er antwortete: „Ich weiß viel, mein liebes Kind. Für irgendetwas muss es doch taugen, dass man alt wird wie eine knorrige Eiche.“
Schön und gut, aber die Namen von Wildfremden kannte man nicht plötzlich, nur weil man zweihundert Jahre alt war. Es sei denn, man war Rain Man oder …
„Sind Sie ein Stalker oder so was?“ Misstrauisch äugte ich auf das Papier, das er mir unter die Nase hielt.
Ein Arbeitsvertrag.
Hunting Adventures.
Was für ein unglaublich passender Name für diesen verschrobenen Laden mit seinem noch viel skurrileren Besitzer.
Als ich aufblickte und den kauzigen Kerl ansah, wirkte sein Gesicht wie das eines verschmitzten kleinen Jungen.
„Ich bin viele Dinge. Aber für dich vorerst nur Mr. Hunt.“
Okay, etwas stimmte definitiv nicht mit ihm. Und doch hatte all das hier etwas an sich. Etwas vertrautes. Gab es vielleicht doch leuchtende Pfeile am Boden? Oder war ich diejenige, mit der etwas nicht stimmte?
„Was zahlen Sie denn?“ Eine wichtige Frage. Immerhin wollte ich nicht für ewig in meinem heruntergekommenen Hausboot versauern. Es wäre schon mal ein Anfang, wenn ich die Löcher stopfen könnte.
Ein Anfang, Willow. Die Dinge müssen immer irgendwo anfangen. Ein Übergangsjob, um Fuß zu fassen, und dann kannst du immer noch Dozentin werden.
„Ich zahle dir, was auch immer du willst.“ Mr. Hunt zwinkerte mir herausfordernd zu. Wenn er ungefähr hundert Jahre jünger gewesen wäre, hätte ich gedacht, er wolle mich anbaggern. Aber so wirkte es einfach nur merkwürdig. Allerdings klang was auch immer du willst gar nicht schlecht. Ganz und gar nicht schlecht.
„Also, wenn ich wirklich hier arbeiten soll, muss der nackte Highlander aus dem Schaufenster.“ Meine Stirn kräuselte sich unter meinen Worten, damit er auch wirklich verstand, was er sich hier gerade ins Haus holte. Ich würde in diesem Laden so einiges umkrempeln. Das Hunting Adventures brauchte dringend frischen Wind und ich würde die Türen aufreißen, bis die Böen ihm den Mottenkugel-Mief aus der antiquierten Kutte pusteten.
Der Holzboden knarrte unter seinen Pantoffeln, als er noch näher auf mich zukam. Er drückte mir den Federhalter in die Hand und über seine faltigen Züge huschte ein Strahlen, hell wie die Sonne, als er sagte: „Du bist spät dran, Willow Bailey, aber jetzt … jetzt ist die Zeit endlich gekommen.“
2. WILLOW
Als ich am Abend in meinem zugigen Hausboot saß und an einer Tasse Tee nippte, wusste ich eigentlich schon gar nicht mehr, warum ich den Vertrag überhaupt unterschrieben hatte. Was, wenn der antiquarische Teil des Ladens gar kein antiquarischer Teil war, sondern sich dort eine Klappe zum Keller befand, in dem er naive Dummköpfe wie mich einsperrte und wer weiß was mit ihnen anstellte? Immerhin hatte er meinen Namen gewusst. Meinen vollen Namen. Vielleicht suchte er sich wahllos Neu-Absolventen irgendwelcher Studiengänge aus, die meinten, ihnen stünde die Welt offen und schickte ihnen seine dressierten Ratten? Rattenfänger … hatte er nicht irgendetwas in der Art gemurmelt?
Ich rührte ein Stück Kandis in meinen Tee und blickte nachdenklich nach draußen auf den Fluss.
Die ältere Lady auf dem Hausboot gegenüber frisierte gerade fröhlich ihre üppige Blumenpracht auf dem Oberdeck. Sie trug dabei immer einen Strohhut und rosafarbene Gartenhandschuhe, als würde sie den lieben langen Tag auf einem Erdbeerfeld schuften. Ihr schien eindeutig die Sonne aus dem Arsch.
Alle anderen Boote hier in Little Venice waren wesentlich farbenprächtiger und gepflegter als meines. Der Makler, dem ich auf den Leim gegangen war, hatte alle Register gezogen. Entweder stammten die Fotos, die er mir damals geschickt hatte, von einem ganz anderen Boot oder sie zeigten dieses hier vor einhundert Jahren.
Und genau das passierte, wenn man sich freute, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Man musste den ganzen Tag heißen Tee trinken und im eigenen Wohnzimmer einen Wintermantel tragen. Der Kerl war natürlich auf und davon, nachdem er meine romantische Vorstellung eines Lebens auf dem Regent’s Canal ungehemmt zerstört hatte. So war das doch immer.
Ich hatte Glück, dass gerade Sommer war. Den Wintermantel musste ich erst abends aus dem Schrank holen und das Wasser draußen glitzerte so sehr, dass es die abgebröselte Farbe meines Wohnorts übertünchte. Trotzdem brauchte ich dringend Geld, wenn ich nicht mehr das hässliche Entlein des Kanals sein wollte.
Draußen fuhr ein Motorboot mit winkenden Touristen vorbei und ich beobachtete die kleine Welle, die über meine undichte Schwelle schwappte und erst kurz vor meinen Chucks Halt machte.
Okay, hässliches Entlein war nahtlos untertrieben. Ich stand kurz vorm Kentern. Und ohne Geld war keine Rettung in Sicht.
Ich zahle dir, was auch immer du willst.
„Gut, Mr. Hunt.“ Mein Tee war inzwischen nur noch lauwarm. „Ihr Keller kann wohl kaum schlimmer sein, als hier draußen abzusaufen.“
Meine Nachbarin rief etwas zu mir herüber, das ich über die Entfernung nicht verstand, und winkte, dass ihre fülligen Wangen glühten.
Grüßend hob ich die Hand und nickte. Im Prinzip wusste ich, was sie sagen wollte, weil es immer dasselbe war.
Wollen Sie nicht mal Ihre Fassade streichen, Miss Bailey?
Oder an unserem wöchentlichen Nachmittagstee teilnehmen?
Immer nur die Nase in Ihren Büchern, das kann doch nicht gesund sein.
Die Wahrheit war: Ich mochte andere Menschen nicht besonders. Deshalb hatte ich auch nicht das Bedürfnis, ihr zu erzählen, dass ich nicht wie sie war. Oder wie die anderen netten Ladys beim Nachmittagstee.
Das Leben und ich hatten einander ein paar unschöne Dinge angetan. Allein Bücher hatten mich da wieder herausholen können. Andere Leben als dieses hier zu bereisen. Andere Welten als die reale, die mir so viel Schmerz bereitet hatte.
Ganz genau, ohne meine Bücher wäre ich jetzt nicht hier, sondern wahrscheinlich im Gefängnis, aber das wäre Ihnen am Ende vermutlich sogar lieber.
Müde betrachtete ich Superwoman auf meiner angeschlagenen Teetasse. Wie eine Heldin hatte ich mich gefühlt, als sie mir mein Zeugnis überreicht hatten. Wie jemand, der alles schaffen konnte. Es war wie der Beginn eines neuen Buches. Oder wie diese merkwürdige Sache im Laden vorhin. Als hätte Mr. Hunt alles schon vor langer Zeit für mich beschlossen. Du bist spät dran.
Es könnte also der Beginn eines Horror-Thrillers sein. Oder auch von etwas ganz Wunderbarem.
Man erfuhr nie, wo Wege endeten, wenn man sie nicht beschritt. Meine Nachbarin winkte wieder und ihr erneutes Rufen klang dabei noch etwas drängender. Diese Nachmittags-Tee-Kränzchen … Die waren definitiv ein Weg, den ich nie beschreiten würde.
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