Treue ist auch keine Lösung Treue ist auch keine Lösung - eBook-Ausgabe
Ein Plädoyer für mehr Freiheit in der Liebe
— Ein Buch über Polyamorie und offene Beziehungen„Ein ebenso unterhaltsames wie fundiert recherchiertes Buch, das bekannte Lebens- und und Liebesmodelle auf den Kopf stellt.“ - Emotion
Treue ist auch keine Lösung — Inhalt
Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Treue ist die Ausnahme, nicht die Regel. Und: Untreue kann Liebe sein, Treue dagegen lieblose Gewohnheit. Noch nie zuvor waren so viele Ideen zu diesem Thema gleichzeitig verfügbar. Trotzdem sind Partnerschaften nach wie vor fest mit dem Wunsch nach Treue verknüpft. Fremdgehen stellt für viele eine der größten vorstellbaren Krisen dar. Was sind die richtigen Lösungsstrategien für das Dilemma aus Treuewünschen und Untreuesehnsüchten?
Leseprobe zu „Treue ist auch keine Lösung“
PROLOG BEI FISCH UND CHIPS
„Wovon handelt eigentlich das neue Buch von dir und deinem Kollegen Holger Lendt?“, fragt Conny interessiert beim Warten im beliebten Fisch- und Chips-Imbiss an der Elbe.
„Von der Liebe“, antwortet Lisa Fischbach. „Versteh ich nicht“, erwidert Conny, „im Titel stand doch was von Treue und dass sie keine Lösung ist.“
„Stimmt“, fährt Lisa fort, »aber das Buch hat nichts mit einer Fremdgehfibel zu tun. Es geht vor allem um die Freiheit, sich seiner Bedürfnisse in der Liebe bewusster zu werden. So verblüffend es sich zunächst [...]
PROLOG BEI FISCH UND CHIPS
„Wovon handelt eigentlich das neue Buch von dir und deinem Kollegen Holger Lendt?“, fragt Conny interessiert beim Warten im beliebten Fisch- und Chips-Imbiss an der Elbe.
„Von der Liebe“, antwortet Lisa Fischbach. „Versteh ich nicht“, erwidert Conny, „im Titel stand doch was von Treue und dass sie keine Lösung ist.“
„Stimmt“, fährt Lisa fort, „aber das Buch hat nichts mit einer Fremdgehfibel zu tun. Es geht vor allem um die Freiheit, sich seiner Bedürfnisse in der Liebe bewusster zu werden. So verblüffend es sich zunächst anhört, doch auch Untreue kann Liebe sein. Das hängt schließlich nur von der Perspektive ab.“
„Stimmt“, fällt Sybille aus dem Controlling ein. „Eine Freundin von mir ist seit fünf Jahren mit einem verheirateten Mann zusammen. Verrückt, sie hat sogar ein Kind von ihm. Er war bei der Geburt dabei, sie waren schon zusammen im Urlaub. Keine Ahnung, wie er es hinkriegt, dass seine Frau nichts davon mitbekommt. Ich habe ihn kennengelernt, er ist an jedem ihrer Geburtstage mit dabei. Seine Frau scheint nichts zu ahnen, verlassen wird er sie wohl auch nicht. Meine Freundin will sich aber nicht von ihm trennen, irgendwie hat sie sich damit arrangiert. Sie spricht immer von Liebe. Er übrigens auch.“
„Hm, super“, platzt Johanna kopfschüttelnd heraus. „Seine Frau würde das bestimmt anders nennen. Typisch Mann. Die sind doch eh alle untreu“, flucht sie und steckt sich zur Beruhigung ein Stück knusprigen Fisch in den Mund.
„Frauen sind doch auch nicht besser“, wirft Conny ein. „Die sind nur raffinierter im Vertuschen.“ Johanna unterbricht genervt: „Glaube ich nicht, Conny. Männer gehen ganz sicher öfter fremd.“
„Also, mein Bauchgefühl sagt mir, dass Frauen es ähnlich oft tun, nur eher die Klappe halten, weil eine Frau mit vielen Lovern …“
„Eben“, mischt sich Sybille ein. „Aber die Kerle sind tolle Hechte, wenn sie Eroberungen sammeln. Wir leben im 21. Jahrhundert und sind immer noch nicht bei der sexuellen Gleichberechtigung angekommen.“
„Also, ich will Treue, aber ich bin auch überzeugt, dass das nicht auf Dauer klappt.“ Johanna wirkt nachdenklich.
„Laut Statistik ist das wohl wirklich ein Trend“, wirft Lisa ein. „Gunter Schmidt, bei dem ich hier am UKE in Hamburg Sexualwissenschaften studiert habe, hat mal sinngemäß geschrieben, dass Partnerschaften in den letzten dreißig Jahren kürzer, aber treuer geworden sind.“
„Na, dann ist das ja wohl kein Kunststück. Aber sag mal, Johanna, wenn du dich schon so aufregst, wo fängt denn für dich Untreue an?“, will Sybille wissen. „Ist das nicht für jeden unterschiedlich?“
„Also, für mich ist das ganz klar: eben wenn was passiert. Was Körperliches halt“, antwortet Johanna.
„Wie, etwa schon beim Küssen?“, hakt Sybille nach.
„Na klar. Für mich geht das gar nicht. Küssen ist doch voll intim.“
„Du würdest dich von deinem Freund trennen, nur weil der auf ’ner Party völlig betrunken mit einer anderen geknutscht hat, auch wenn das Ganze völlig bedeutungslos war?“
„Ja, das geht für mich zu weit.“
„Wow! Nur gucken, nicht anfassen, was?“, meint Conny.
„Genau, da hört’s auf. Schluss mit lustig“, unterstreicht Johanna energisch.
„Ach, Mädels, das ist so leicht gesagt. Wenn es dann passiert, sieht es doch ganz anders aus“, wirft Conny ein.
Sybille nickt: „Lässt sich hier bei Pommes leicht drüber quatschen. Aber ich finde das echt schräg, Johanna. So eine blöde Knutscherei fändest du echt schlimmer, als wenn dein Freund sich beim Onanieren eine andere vorstellt?“
„Ja“, bestätigt Johanna.
Sybille bleibt hartnäckig: „Und es würde dich auch nicht stören, wenn er in eine Kollegin verliebt wäre, die er so heiß findet, dass er an sie denkt, wenn er mit dir schläft?“ Johanna: „Stören würde mich das schon, aber das ist nicht untreu für mich. Da ist doch nix passiert.“
„O Gott, ich bekomme schon bei der Vorstellung Herzrasen. Das geht doch gar nicht. Das ist voll wie benutzt zu werden“, entgegnet Conny.
„Tja, die Gedanken sind frei“, grinst Sybille. „Man muss ja nicht alles wissen.“
„Dass du kein Engel bist, ist mir schon klar. Stille Wasser sind tief, ne?“ Conny knufft Sybille in die Seite und fügt schelmisch hinzu: „Wer von uns noch nie untreue Gedanken hatte, werfe den ersten Stein … Oh, Leute, wir müssen los, wir haben uns verquatscht.“
Beim Zahlen kommentiert Sybille abschließend: „Spannend, Lisa, womit du dich beruflich so beschäftigen darfst. Das sind Themen, über die man viel zu selten spricht. Morgen wieder gleicher Ort, gleiche Zeit?“
Ja – die Damen werden sich wiedersehen, um bei Fish & Chips in der Mittagspause weiter in das Mysterium der Liebe vorzudringen … mitten im Leben!
VORGESCHMACK
If you love somebody, set them free.
Sting
Haben Sie kurz Zeit? Dürfen wir Sie mal eben mit ein paar scheinbar haltlosen Behauptungen reizen? Ja? Wunderbar, dann legen wir gleich los:
Treue ist Liebe – Untreue auch!
Untreue ist statistisch ebenso normal wie Treue.
Es ist jedem Menschen möglich, mehrere andere Menschen gleichzeitig zu lieben.
Definitionen von Untreue gibt es so viele, wie es Menschen gibt.
Die meisten Menschen halten sich für treuer, als sie sind. Kein Mensch kann sich in Sachen Treue mit einer Amöbe messen – das sollte zu denken geben.
Es soll möglich sein, offener zu lieben … Das hat man mal irgendwo gehört oder gelesen, aber als Option wahrgenommen hat man es nicht. In der Beziehungsleitkultur der Monogamie werden andere Modelle als nicht lebbar abgeurteilt, nach dem Motto: „Die freie Liebe ist gescheitert!“ Tja – ist sie das?
Wir haben sie seit längerer Zeit beobachtet und verraten Ihnen ein Geheimnis: Sie treibt sich herum, sie zieht um die Häuser, sie lebt da, wo keiner sie vermuten würde. Sie ist ein Kind der Freiheit, und das spüren wir auch, wenn sie uns richtig erwischt!
Wenn wir verliebt sind, dann scheint alles möglich. Es herrscht ein Gefühl der Freiheit und Grenzenlosigkeit, das uns glauben lässt, der Horizont sei nur einen Schritt entfernt. Dieses Gefühl trägt uns durch jede Minute des Tages. Wir haben uns in jemand anderem und damit eine Erweiterung unserer selbst gefunden: Das Wir, nach dem wir uns vielleicht schon lange gesehnt haben, ist plötzlich Wirklichkeit. Ein Blick aus den Augen des geliebten Menschen verleiht uns Flügel, und wir spüren, wer und warum wir sind.
Was dann einsetzt, ist ein leiser, vollkommen unschuldiger Impuls des Festhaltens am frisch erblühten Glück. Augenblick, verweile doch! Ebendieser Impuls dreht dem ganzen Zauber über kurz oder lang ziemlich zuverlässig den Saft ab. Mit einem Mal geht es um Festhalten, um „Verträge“ und Sicherheit, denn unser Garten Eden (und das ist er ohne Zweifel) soll natürlich ewig blühen. Haben wir nämlich unser „Ich“ auf ein „Wir“ erweitert, hängen wir daran fast so wie an unserem Leben.
Wer dies für übertrieben hält, ist vermutlich noch nie betrogen worden. Es gibt wenige Erlebnisse, die von Betroffenen als vernichtender und qualvoller erlebt werden. Der Seitensprung des Partners ist für den Großteil der Betrogenen ein Fall ins Bodenlose, ein Trauma, das viele niemals überwinden. Oft bleibt das
Erlebte unverarbeitet an ihnen haften und begleitet sie in weitere Beziehungen. Der Realitätsverlust, den der Betrogene erlebt, ähnelt einer Psychose. Unsere Welt reißt entzwei und uns selbst gleich mitten durch, und nichts und niemand kann diesen gähnenden Abgrund schließen. Absturz ins Nichts, Trennung, Bauchlandung, Ende der Durchsage!
Es ist verständlich, dass wir uns eine solche Erfahrung gerne ersparen möchte. Also schwören wir einander vorsorglich die Treue und erwarten, dass dieser Deal bis auf Widerruf Bestand hat. Nur übersehen wir dabei eine winzige, aber bedeutsame Kleinigkeit: Wir begegnen unserem Schicksal oft auf ebendem Weg, den wir gewählt haben, um ihm zu entfliehen!
Mit einem distanzierten Blick auf die Sache mit der Treue und der Liebe wird schnell das Dilemma deutlich, in dem die Liebe in unserer Gesellschaft steckt. Noch vor zwei bis drei Jahrzehnten waren Beziehungen laut einer Studie der Universität Hamburg untreuer, aber dafür dauerhafter. Wer heutzutage bei Menschen auf Partnersuche nachfragt, bekommt Treue zuverlässig als höchstes Gut für die künftige Beziehung genannt. Wer hingegen langjährig gebundene Paare befragt, wird Treue oft nicht mal in den Top Ten der Erfolgsfaktoren vorfinden.
Unsere Beziehungen ächzen unter der Last der Ansprüche, die wir an sie stellen und die an der Realität vorbeizugehen scheinen. Nun ist die Frage berechtigt, ob dieses Dilemma wirklich neueren Datums ist oder ob dieser Konflikt zwischen Hirn, Herz und Hose nicht seit Urzeiten zum menschlichen Dasein dazugehört. Unsere Antwort ist ein entschiedenes „beides“!
Natürlich gibt es im Menschen widerstreitende Stimmen. Sogar die moderne Forschung teilt unser Gehirn in drei Teile ein: Hirn, Herz und Hose heißen dort nur anders, nämlich Neocortex, limbisches System und Stammhirn. Jeder Teil hat ganz andere Aufgaben, und es gibt durchaus Kompetenzgerangel im Kopf des Homo sapiens. Wenn wir den vernunftbegabten Teil entscheiden lassen, sagt der vielleicht entschlossen: „Treue“, aber sehr viel weiter unten werden ganz andere Entscheidungen getroffen, und es gelten völlig andere „Werte“. Unter Umständen nimmt das Stammhirn bei der Arbeit am Fortbestand der Art den Wunsch nach Treue von oben kaum wahr, geschweige denn ernst, und so passiert zwei angeblich vernunftgeleiteten Wesen das, was nicht passieren darf.
Diese innere Dreifaltigkeit gibt es also seit Menschengedenken, aber der Umgang mit dieser Tatsache war noch bis vor zwei-, dreihundert Jahren ein völlig anderer. Bis zum Zeitalter der Romantik war nie in großem Maßstab versucht worden, eine gesellschaftliche Institution wie die Ehe mit einem Gefühl wie der Liebe zusammenzubringen.
Die Idee der Treue, also der Zuverlässigkeit und Sicherheit, ist für eine Wirtschaftsgemeinschaft, wie es die Ehe stets war, sehr sinnvoll, denn die Werte, die dort geschaffen wurden, waren auf Verlässlichkeit angewiesen. Ein Gefühl hingegen konservieren zu wollen, widerspricht seinem Wesen, denn schon im Wort Emotion steckt die Beweglichkeit. Und was sich bewegt, bringt Veränderungen und damit Risiko mit sich, nicht Festigkeit und Halt.
Man könnte also sagen, Liebe und Treue beißen sich irgendwie! Sind Sie noch da? Reden Sie noch mit uns? Phantastisch!
Vielleicht dürfen wir uns kurz vorstellen, bevor wir auf den restlichen Seiten dieses Buches die Thesen einer freiheitlich gedachten Liebe mit Leben füllen und klarmachen, dass wir trotzdem viel von intelligenter, individueller Treue halten und Fremdgängerei wie auch Eifersucht für tragische Übel der Monogamie.
Lisa Fischbach – freut mich! Holger Lendt – angenehm!
Wir haben uns in unserem Leben bereits früh und eingehend mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beschäftigt. Beide erlebten wir als Kinder äußerst stabile eheliche Bilderbuchverhältnisse zu Hause. Wir fanden in unseren Eltern beste Voraussetzungen dafür, Monogamie unhinterfragt als Selbstverständlichkeit zu sehen. Tatsächlich entwickelten wir aber völlig unabhängig voneinander vor dem Hintergrund dieser recht luxuriös bereiteten Nestwärme die Neugier für den Blick über den Tellerrand. Daheim konnten wir lernen, dass Beziehungen auch mit bewusstem Bemühen zu tun haben und nicht bezugsfertig vom Himmel fallen, sondern ein recht arbeitsintensives Gemüse sind. Beide empfanden wir die Liebesbeziehung als Königsdisziplin des menschlichen Miteinanders und entwickelten entsprechende Wertehaltungen. Als wir später Beziehungen beobachten konnten, die so ganz anders zu funktionieren schienen – wo es nämlich möglich war, dass zwei Liebende im Streit urplötzlich in Hass und Abwertung verfielen –, interessierte es uns umso mehr, wie es zu einer solchen Entwicklung kommen kann. Deshalb trafen wir beide recht früh den Entschluss, Psychologie zu studieren und unser leidenschaftliches Interesse für Herzensdinge zum Beruf zu machen. Im Studium der Sexualwissenschaften lernten wir uns kennen und stellten bald fest, dass uns das Ungewöhnliche nie schockierte, sondern als Bezugspunkt für das gemeinhin Normale interessierte – man könnte sagen: Nichts Menschliches ist uns fremd –, auch wenn es uns und unseren Werten nicht entsprechen sollte. So können wir noch heute vieles erst einmal vorurteilsfrei betrachten. Gerade Extreme helfen uns häufig dabei, grundlegende Prinzipien zu verstehen. Das betrifft auch das Thema Treue.
Untreue ist zum Beispiel gar keine pathologische Ausnahme und ist es in der Menschheitsgeschichte nie gewesen. Wir möchten in diesem Buch deshalb eine Perspektive „gegen“ die Monogamie entwickeln, die sich nicht gegen die Monogamie an sich richtet, sondern gegen das hochproblematische Dogma, das aus ihr gemacht wurde.
Wir tun dabei etwas, das wir im Kontext einer Paarberatung nur sehr begrenzt tun können: Wir ergreifen Partei und beziehen eine Position, um einen wichtigen Gedankengang ausführlicher darzustellen, der für viele gewinnbringend sein könnte.
Wenn Menschen, die durch die Untreue ihrer Partner tief verletzt wurden, einzeln oder als Paar zu uns kommen, steht meist der Schmerz im Vordergrund. In solchen Fällen ist es wichtig zu verstehen, dass Liebe und der Wunsch nach Treue fast automatisch Hand in Hand gehen; der Betroffene soll das eigene Selbstwertgefühl in einem Scherbenhaufen wiederfinden, was in diesem Stadium eine Grundsatzdiskussion über die Treue an sich ziemlich absurd erscheinen ließe. Dennoch ist es wichtig zu erkennen, dass an der höchst leidvollen Situation vor allem die
Umstände schuld sind und dass es etliche Paare oder sogar ganze Kulturen gab und gibt, die Eifersucht völlig anders bewerten und offen mit anderen Partnern Umgang pflegen. Wir kennen Paare, die genussvoll, einvernehmlich und geplant Hochverrat am Treueideal begehen und damit sehr zufrieden leben.
Langfristig wäre es die beste aller Lösungen festzustellen, wes Geistes Kind zwei Menschen sind, und dann – so unabhängig wie möglich von den eigenen Konditionierungen – ein individuelles Arrangement für die Untreuesehnsüchte und Sicherheitsbedürfnisse des jeweiligen Paares zu finden. Für solche Überlegungen ist inmitten der Katastrophe allerdings nur selten Raum. Darum haben wir uns dazu entschlossen, die weitaus weniger bekannten Möglichkeiten, Liebe zu leben, in einem Buch darzustellen, das geduldig wartet, etappenweise gelesen und verdaut werden kann und auch mal an die Wand geworfen werden darf. Werfen Sie, wir halten das aus!
„Ein ebenso unterhaltsames wie fundiert recherchiertes Buch, das bekannte Lebens- und und Liebesmodelle auf den Kopf stellt.“
„Die beiden Paartherapeuten regen an, Lebensmodelle zu entwickeln, die sich an der Liebe orientieren, nicht an romantischen Klischees.“
„Vor dem Hintergrund ihrer provokanten These – Liebe braucht keine Treue. Zeigen die Autoren, dass es sich lohnt, Modelle zu entwickeln, die sich an der Liebe orientieren und nicht an romantischen Klischees.“
Kurzfazit: Die Kernbotschaft ist gut: Lieben kann man mehr als eine(n), ohne sich und anderen untreu zu werden. Das Buch ist aber langatmig, langweilig, biegt laufend schief ab. Schade! Einige der wichtigsten Kritikpunkte: * Es ist unfassbar redundant (wichtige wie unwichtige Aussagen und Gedankengänge kommen in unzähligen Wiederholungen vor); * oft verlaufen sich die Schreibenden in schiefen Metaphern und verwirrenden Allegorien (rührt der Ego-Schmierfleck auf der Scheibe des Zuges von der Mücke, die zu nah am Feuer fliegt, oder steigt die Mücke gerade in ein Passagierflugzeug?); * die pseudo-dialektische "Treue + Untreue = Liebe"-Formel führt in einen esoterisch-religiösen Solipsismus, fast schon in eine Liebesmystik (nicht umsonst wird Meister Eckhart am Ende des Buches laufend bemüht); * die Kulturgeschichte, die das Buch aufarbeitet, ist arg reduktionistisch (Biologie? Oder doch patriarchal-kapitalistische Gehirnwäsche?). Etwas mehr Theorie (soziologische Systemtheorie, passend zu Heinz von Förster? Freud? Lacan?) hätte hier für Kohärenz sorgen können; * die Religionskritik ist berechtigt, aber redundant – und wird am Ende irgendwie wieder ad absurdum geführt, denn sie bezieht sich ja explizit nicht nur auf die Institutionen der Kirchen, sondern auf die gesamte religiöse Semantik unserer Gesellschaft, was sich dann mit der spirituell-religiösen "Lösung" in der Liebesformel beißt; * wir wollen gar nicht von der Unsinnigkeit und Irrelevanz der Frage nach dem freien Willen reden, den die Schreibenden anführen zu müssen meinten; * dass all die (guten und passenden!) Nietzsche-Zitate dann doch nicht ernst genommen werden, ist geschenkt. Niemand hält das Denken in nietzeanischer Stringenz lange durch – das ist nicht den beiden Schreibenden anzulasten. Die Grundidee – Treue bedeutet, einem Menschen über längere Zeit liebevoll verbunden zu sein; und nicht, nur genau einem Menschen liebevoll verbunden zu sein – ist so richtig wie trivial. Diese Idee hätte man am Anfang des Buches aussprechen, argumentativ begründen und dann mit einigen Beispielen aus der therapeutischen Praxis belegen können. Dann hätten sich all die Umwege sparen und das Buch auf 180 Seiten zu einer runden Sache machen lassen. Man fragt sich, wer das Buch lektoriert hat – es wäre ja eigentlich Aufgabe des Lektorats, zumindest die heftigsten Fallstricke der Doppelungen zu vermeiden ... und wenigstens ein paar der logischen Widersprüche.
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