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Trüffeltod (Anki-Karlsson-Reihe 2)

Trüffeltod (Anki-Karlsson-Reihe 2) - eBook-Ausgabe

Marianne Cedervall
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Ein Gotland-Krimi

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Trüffeltod (Anki-Karlsson-Reihe 2) — Inhalt

Ein Jahr ist es her, seit Anki Karlsson in das kleine Dorf Mullvald gezogen ist. Nach den dramatischen Morden im letzten Herbst kann die pensionierte Lehrerin nun endlich die Ruhe genießen. Doch dann kommt wieder Schwung in den verschlafenen Ort: Ein Trüffelfestival findet statt! Nach einer turbulenten Trüffelsafari zusammen mit Ankis Freunden und Nachbarn gipfelt das Spektakel in einem Sechs-Gänge-Menü im schicken Hotel Plogbillen. Doch am Ende des Dinners ist einer der zwölf Gäste tot. Gift! Anki nimmt umgehend die Ermittlungen auf. Unterstützung bekommt sie von ihrem Freund, dem ehemaligen Kommissar Tryggve. Doch die beiden ahnen nicht, dass dieser Fall äußerst delikat ist. Und bald schon ist nicht nur das Leben eines Trüffelschweins, sondern auch Ankis in Gefahr …

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 01.09.2017
Übersetzt von: Ulrike Brauns
320 Seiten
EAN 978-3-492-97831-6
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Leseprobe zu „Trüffeltod (Anki-Karlsson-Reihe 2)“

Freitag, 6. November

Der Pfarrer der Gemeinde Mullvald, Oskar Bergsten, stand in der Novembersonne auf der Treppe zum Pfarrhof und begrüßte seine beiden Gäste. Ihm war es kaum gelungen, rechtzeitig zu frühstücken, so früh hatten die beiden Frauen das Treffen angesetzt. Aber sie hatten auf diese Uhrzeit bestanden, schließlich wollten sie den Besuch auf dem Pfarrhof hinter sich bringen, man hatte ja noch anderes zu tun.

„Dieser ganze Bereich steht uns für den Markt zur Verfügung“, sagte Pfarrer Bergsten und machte eine ausladende Geste, die den großen Park [...]

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Freitag, 6. November

Der Pfarrer der Gemeinde Mullvald, Oskar Bergsten, stand in der Novembersonne auf der Treppe zum Pfarrhof und begrüßte seine beiden Gäste. Ihm war es kaum gelungen, rechtzeitig zu frühstücken, so früh hatten die beiden Frauen das Treffen angesetzt. Aber sie hatten auf diese Uhrzeit bestanden, schließlich wollten sie den Besuch auf dem Pfarrhof hinter sich bringen, man hatte ja noch anderes zu tun.

„Dieser ganze Bereich steht uns für den Markt zur Verfügung“, sagte Pfarrer Bergsten und machte eine ausladende Geste, die den großen Park einschloss. „Was meinen Sie, ist das nicht ein schöner Platz für unser Trüffelfestival?“

Sara Hansson zog sich die rosafarbene Baseballkappe tiefer ins Gesicht, damit die tief stehende Sonne sie nicht länger blendete.

„Das wird schon gehen“, antwortet sie, und es war schwer zu sagen, ob sie zufrieden war oder nicht. „Wir könnten die Marktstände dort entlang aufbauen.“

Sie deutete auf den Kiesweg, der eine große Rasenfläche in zwei teilte.

„Ja, mit Ständen zu beiden Seiten wird das einer echten Marktgasse ähneln“, sagte Oskar. „Was meinen Sie, Gull-Britt?“

Gull-Britt Hansson gehörte nicht gerade zu den Menschen, die sofort zu allem Ja und Amen sagten. Alles musste erst einmal sorgfältig durchdacht und abgewogen werden, bevor sie ihr Urteil fällte. Der Pfarrer betrachtete sie aus dem Augenwinkel. Gull-Britt war eine elegante Dame. Heute trug sie einen tief ausgeschnittenen, schwarzen Pullover, der ihre ausladende Oberweite betonte, und eine schwarze Hose. Ihre lilafarbene, grob gestrickte Jacke war ein längeres Modell und kaschierte so, dass sie etwas kräftiger gebaut war. Um den Hals baumelte ihr eine Kette mit großen, lilafarbenen Kugeln. Die Dame hatte Geschmack, so viel war klar. Und ein Vermögen, denn es war nicht zu übersehen, dass Kleidung und Schmuck von höchster Qualität waren. Bloß die Haare entsprachen nicht ganz Oskars Geschmack. Sie waren extrem blondiert und die Frisur irgendwie wild und ganz aus der Fasson. Außerdem trug Gull-Britt blauen Lidschatten. Man konnte nicht gerade behaupten, dass der Pfarrer sich in Sachen Make-up sonderlich gut auskannte, aber Astrid, seine liebe Ehefrau, schminkte sich für gewöhnlich jeden Tag, und blauen Lidschatten hätte sie vermutlich als sowohl unmodern als auch geschmacklos bezeichnet.

Gull-Britt ging ein Stück Richtung Kiesweg und drehte sich – offenbar nachdenklich – hin und her, bevor sie wieder zu Sara und Oskar stieß.

„Das wird hervorragend“, sagte sie. „Mit wie vielen Ständen rechnen wir?“

Der Pfarrer räusperte sich.

„Zunächst einmal mit Ihnen beiden. Sie, Gull-Britt, wollen ja Ihre Trüffel präsentieren, und Sara wird Werbung für das Restaurant machen.“

„Genau“, sagte Sara. „Micke plant ein vorzügliches Menü für den Samstagabend. Sechs Gänge, Gotlandtrüffel in jedem einzelnen.“

Gull-Britt zwang sich zu einem Lächeln, das aber nicht ihre Augen erreichte.

„Ich finde, ihr solltet auch welche von meinen italienischen Trüffeln kaufen, die schmecken einfach noch eine Spur kräftiger. Ich will natürlich nichts gegen die gotländischen sagen.“

„Wie bitte?“, fragte Sara in scharfem Tonfall. „Das ist doch das gotländische Trüffelfestival, oder etwa nicht?“

Oskar schaute von der einen Frau zur anderen. Besser wechselte er das Thema, bevor die beiden sich noch an die Gurgel gingen. Viel schien dazu nicht mehr zu fehlen.

„Lotta und David bringen außerdem die Hunde mit, nicht wahr, Gull-Britt?“, fragte er.

Sie nickte wohlwollend. Da sie Lottas Mutter war, sollte sie das wissen. Lotta und David Storms Vorführung auf dem Markt hatte durchaus Potenzial, zum beliebtesten Programmpunkt des Festivals zu werden. Sie würden ihre außerordentlich pfiffigen Trüffelhunde Buttle und Alva ausstellen.

„Ja, das machen sie“, sagte Gull-Britt und spielte mit den Kugeln an ihrer Kette. „Wir werden alles zeigen, was mit Trüffeln zu tun hat. Von der Suche bis zum Servieren.“

„Ach, apropos“, sagte Oskar. „Die Naturschutzbehörde wird ebenfalls einen Vertreter vorbeischicken.“

„Wozu denn das?“, fragte Sara. „Was haben die denn hier zu suchen?“

„Die Naturschutzbehörde möchte vor Ort über das Jedermannsrecht besonders in Hinblick auf Trüffel informieren“, meldete Gull-Britt sich zu Wort. „Mein Mann hat den Kontakt hergestellt. Das Jedermannsrecht gilt nämlich nicht bei der Trüffelsuche.“

„Was endlich geändert werden sollte“, murmelte Sara.

„Was hast du gesagt?“

Gull-Britts Stimme hatte in eine schrille Tonlage gewechselt.

„Ach, nichts“, erwiderte Sara und schaute mit unschuldiger Miene zu den Baumkronen der hohen Eschen, die den Pfarrhof säumten.

Pfarrer Oskar Bergsten hielt es für das Beste, das Gespräch wieder zurück auf das bevorstehende Festival zu lenken und räusperte sich erneut.

„Der Handarbeitskreis hat auch einen Stand angemeldet. Sie werden Topflappen anbieten, die man ja bekanntlich zum Kochen sehr gut brauchen kann. Darüber hinaus auch Handschuhe und Strümpfe, die kaum mit der Trüffelsuche in Verbindung gebracht werden können. Aber bei so einer Veranstaltung müssen wir den Frauen einfach die Gelegenheit geben, dabei zu sein.“

Die beiden Damen protestierten nicht. Für den Moment schien sich der schnell aufgekeimte Ärger zwischen den beiden gelegt zu haben.

„Und Sie“, sagte Sara und betrachtete Oskar fragend, „wollten Sie nicht ein altes Auto vorführen?“

Oskar lachte, obwohl ihn Saras bohrender Blick verunsicherte. Eigentlich hatte sie ein süßes Gesicht, aber ihre schroffe Art machte ihre Züge hart.

„Ja, genau. Ich fahre meinen alten Ami-Schlitten vor, einen alten Chevrolet aus den Fünfzigern, damit man sich den mal näher ansehen kann“, antwortete er.

„So was mögen die Leute“, sagte sie. „Dass Sie schrauben, meine ich, also auch noch was anderes machen als predigen.“

Oskar nickte. Das Schrauben am Auto war eine Aufgabe für die Hände, bei der er für gewöhnlich einen völlig freien Kopf bekam. Manchmal fügte sich allerdings auch eine komplette Sonntagspredigt fast wie von selbst in seinem Kopf zusammen, wenn er unter der Motorhaube hing.

„Wird es auch Musik geben?“, fragte Gull-Britt.

„Ja“, bestätigte Oskar. „Ein Trio. Musiker aus Burs. Akkordeon und Geigen.“

„Und ich werde schweineteuren Apfelsaft von der Mosterei reichen“, sagte Gull-Britt. „Der ist so lecker, der wird selbst die härtesten Brocken dazu bringen, bei uns stehen zu bleiben. Und darum geht es ja. Also darum, dass die Besucher mal stehen bleiben, innehalten.“

Sara holte ihr Handy hervor und warf einen Blick aufs Display.

„Ich muss los“, sagte sie. „Wir haben noch eine ganze Menge im Plogbillen zu tun. Super, dass du beim Markt mitmachst, Gull-Britt!“

Oskar hörte zwar Saras freundliche Worte, aber ihm fiel auf, dass da keinerlei Wärme in ihrer Stimme lag. Gespannt wartete er auf Gull-Britts Reaktion.

„Natürlich mache ich mit“, antwortete Gull-Britt. „Es gibt doch kaum jemanden in dieser Gemeinde, der mehr von Trüffeln versteht als ich, oder?“

Saras Lächeln gefror ihr auf den Lippen. Sie drehte sich um und ließ die beiden anderen zurück.

„Micke und ich werden auch schweineteuren Apfelsaft reichen!“, rief sie, als sie bei der Gartenmauer angelangt war. „Nur dass du’s weißt, Gull-Britt!“

Hoffentlich hatte nur Oskar das mitbekommen, Gull-Britt war bereits in die andere Richtung unterwegs.

Ob Gull-Britt nun am meisten von Trüffeln verstand oder nicht, wurde heute zumindest nicht geklärt. Über die verschiedenen Trüffelsorten, die Bodenbeschaffenheit und die Wuchsformen wusste sie eine ganze Menge, aber sie konnte niemals so feine Gerichte zaubern wie Micke Hansson, der neue Wirt des Restaurants Plogbillen in Kajpe Kviar, davon war Oskar Bergsten vollkommen überzeugt.

Die Tür des ehemaligen Pfarrhauses, direkt gegenüber dem Pfarrhof gelegen, öffnete sich, und seine Besitzerin trat auf die Veranda. Sie war zweckmäßig gekleidet, trug Stiefel, Jeans und eine Steppweste und war bestimmt unterwegs in den Stall. Als sie Oskar bemerkte, winkte sie ihm zu. Er hob die Hand und erwiderte den Gruß. Anki Karlsson war eine absolut vortreffliche und nette Nachbarin.

 

 

 

Anki Karlsson unterdrückte ein Gähnen, bevor sie sich den Aufgaben im Stall zuwandte. Gestern war es spät geworden. Die Fähre hatte erst eine halbe Stunde nach Mitternacht in Visby angelegt, und bis ihre Freundinnen an Land waren, ihr Gepäck und dann sich selbst im Wagen verstaut hatten und sie alle die vierzig Kilometer bis Mullvald gefahren waren, hatten sich die Zeiger der Uhr schon auf halb zwei vorgeschoben. Glücklicherweise hatte Anki bereits vorher sämtliche Betten bezogen, sodass sie sich einfach nur hineinfallen lassen konnten. Gunilla und Ingegerd teilten sich das eine Gästezimmer, und Lena hatte ein Zimmer ganz für sich, was aber allen Freundinnen entgegenkam, schließlich war Lena Weltmeisterin im Schnarchen, und wer ein Zimmer mit ihr teilen musste, bekam nie wirklich viel Schlaf.

Anki schleppte einen Heuballen auf die Weide und löste mit einem Messer die Schnüre. Dann lockerte sie mit der Heugabel die trockenen Halme auf und verteilte sie für ihre Islandpferde. Schließlich ging sie wieder in den Stall und öffnete beide Boxen. Mittlerweile kannten Osk und Austri den Ablauf und wussten, welchen Weg sie einschlagen mussten, um zu ihrem Frühstück zu kommen. Anfangs hatte Anki sie noch am Halfter hinübergeführt, aber das war nicht länger nötig.

„Dann mal los mit euch!“, rief Anki und schlug Osk gegen die Flanke. „Das Frühstück wartet.“

In die fuchsfarbene Stute kam Leben, spielerisch schnappte sie nach Austris weißer Mähne, der sich wiederum nicht lange bitten ließ und liebevoll neckend zurückzwickte. Sie knufften sich gegenseitig, weil jedes zuerst durch die Tür wollte. Austri gewann, was Osk mit einem enttäuschten Wiehern quittierte, aber sie folgte ihm schnell auf dem Hufe. Anki ging langsam hinter ihnen her und hakte den Elektrozaun am Pfosten ein.

„Guten Hunger, meine Lieben!“, sagte sie und kehrte zurück in den Stall, um die Boxen auszumisten.

„Schönen guten Morgen!“

Anki schaute von ihrer Arbeit auf, als sie Ingegerds nur zu bekannte Stimme hörte, und stützte sich mit den Armen auf die Mistgabel.

„Na, bist du auch schon wach? Guten Morgen.“

Ingegerd schlang sich die Arme um den Oberkörper und massierte sich die Schultern.

„Mittlerweile schlafe ich morgens nicht mehr sonderlich lang. Aber wenn ich sagen müsste, ich wäre nach der Überfahrt in Topform, würde ich lügen.“

„Ja, das ist ziemlich spät geworden gestern“, stimmte Anki zu. „Die Fähren haben einen wirklich sonderbaren Fahrplan.“

Ingegerd schüttelte den Kopf.

„Ach, dann hole ich den Schlaf ein andermal nach. Kann ich dir helfen? Ich dachte, wenn ich mit anpacke, wird mir vielleicht warm.“

Anki deutete zu der Wand, an der Mistgabeln und Schaufeln hingen, und schon machte Ingegerd sich eifrig in Box Nummer zwei zu schaffen.

„Schlafen unsere Freundinnen noch?“, fragte Anki über die Trennwand.

„Nein“, antwortete Ingegerd und richtete sich auf. „Lena und Gunilla sind auch schon wach, aber die gehen den Tag etwas gemütlicher an. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie genau dann hier auftauchen, wenn wir die Pferde gesattelt und gestriegelt haben und sie nur noch aufsitzen müssen.“

Anki lachte. „Eindeutig keine Stallmädchen.“

„Gunilla ist ja noch immer auf dem heimischen Hof aktiv, aber Lena hat bestimmt seit unserer Jugend keinen Stall mehr betreten. Aber sie machen Brote und Kaffee, damit wir was zum Frühstücken mit in die Natur nehmen können.“

Auf dem Rückweg von der Fähre hatte Anki eher aus Spaß vorgeschlagen, dass sie einen Frühstücksausritt mit Picknick machen könnten. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie beim Wort genommen würde, aber beste Freundinnen waren nun mal beste Freundinnen.

„Das mit dem Reiten wird Lena schnell wieder lernen“, versicherte Anki. „Meist reichen ein paar Minuten auf dem Pferderücken, und schon kommt alles zurück. Als ich vor einem Jahr hergezogen bin, war ich schließlich auch ewig nicht geritten, und trotzdem war alles Wissen noch da. Sowohl im Kopf als auch in den Schenkeln.“

„Wie beim Radfahren also“, sagte Ingegerd. „Wohin kommt denn der Mist?“

Anki zeigte zu einer Hintertür, und schon verschwand Ingegerd mit der Schubkarre hindurch, während sie selbst neue Sägespäne holte und in den Boxen verteilte. Das Ausmisten war eine angenehme Beschäftigung, die sie in Bewegung und somit auch fit hielt. Mist zusammenzuharken und dann mit der Schubkarre wegzubringen war leichtes Krafttraining. Und sobald die Pferde versorgt waren, konnte Anki zu ihrem Kaffee und der Tageszeitung zurückkehren, um sich einen gemütlichen, ausgedehnten Morgen zu gönnen. Aber natürlich kostete es manchmal auch Kraft, so früh in den Stall zu müssen.

Fröhliches Gelächter hob vor dem Stall an, und schon kamen zwei unverschämt muntere Frauen herein. Die kurze Nacht hatte keinerlei sichtbare Spuren bei diesen Rentnerinnen hinterlassen, oder aber sie hatten diese schnell wie der Blitz unter Make-up versteckt. Auch Anki achtete auf ihr Aussehen, selbst wenn sie an manchen Tagen nicht weiter als bis zum Stall ging. Sie legte stets Wert darauf, sich hübsch zu machen. Nicht um irgendeinem Mann zu gefallen, falls das jemand glauben sollte, nein, sich selbst zuliebe wollte sie sich einfach nicht gehen lassen.

„Dann werden wir heute also ausreiten“, sagte Gunilla. „Wie lustig!“

„Bei mir ist das schon eine Weile her“, gestand Lena und biss sich auf die Lippe, „aber ich will es versuchen. Wie lösen wir denn das Problem, dass wir zu viert sind, aber nur zwei Pferde haben?“

„Islandpferde sind doch stark“, lachte Gunilla. „Du setzt dich einfach hinter mich.“

Da Lena nur noch erschrockener aussah, musste Gunilla schnell hinzufügen, dass sie bloß einen Scherz gemacht hatte.

„Zuallererst können wir uns ja dabei abwechseln, die Pferde zu striegeln“, erwiderte Anki. „Beide sind staubig, und nach der Nacht im Stall müssen die Mähnen und Schweife ausgebürstet werden. Wenn wir damit fertig sind, reiten Ingegerd und ich los. Lena, weil du dich erst wieder daran gewöhnen musst, reitest du zurück. Den Weg laufen die Pferde von allein. Ihre Losung ist definitiv: Zu Hause ist es am schönsten.“

„Und wo treffen wir uns? Beziehungsweise, wie kommen wir dann dorthin?“, fragte Gunilla. „Also wir, die nicht reiten?“

„Ihr könnt den Wagen nehmen. Ich habe schon eine Idee, wo wir schön frühstücken könnten“, sagte Anki. „Bis dorthin sind es nur vielleicht vier Kilometer. Dann tauschen wir, und ihr könnt zurückreiten. Ich zeige euch auf der Karte, wie ihr fahren müsst.“

„Vier Kilometer?“, fragte Gunilla. „Das können wir doch auch zu Fuß gehen, oder, Lena? Wird uns guttun.“

Da stimmte ihre Freundin durchaus zu.

„Wenn es für Anki und Ingegerd in Ordnung ist, dass auch sie spazieren gehen, statt zurückzufahren, dann bin ich einverstanden“, antwortete sie.

„Das klingt doch vernünftig“, fand Ingegerd. „Die Bewegung wird mir sicher helfen, wenn ich ganz steif vom Pferd steige, weil ich die Belastung nicht mehr gewöhnt bin.“

„Und ich freue mich einfach, mal wieder Gesellschaft zu haben“, sagte Anki. „Ich bin hier schließlich fast immer allein unterwegs.“

Nachdem die Pferde gestriegelt und gesattelt waren, saßen Anki und Ingegerd auf. Zunächst begleiteten sie Gunilla und Lena ein Stück, doch schon bald wollten sowohl Reiterinnen als auch Pferde das Tempo steigern.

„Herrlich!“, rief Ingegerd, als sie schon ein Stück im weich wogenden Tölt hinter sich gebracht hatten. „Was für ein tolles Tier!“

Anki hatte Ingegerd den hübschen Austri überlassen. Sein schwarzes Fell glänzte nur so, und die weiße Mähne flatterte, weil er die Vorderbeine zum Tölten so hochzog.

„Ich wusste, dass er dir gefallen würde“, rief Anki zurück. „Wollen wir noch einen Zahn zulegen?“

Sie trieben die Pferde an, und schon galoppierten sie nebeneinander über den Weg. Osk und Austri waren begeistert, stachelten sich gegenseitig an und wurden in ihrem kleinen Wettkampf von sich aus immer schneller, um bloß vorn zu bleiben.

Nach einer Weile drosselte Anki das Tempo wieder, und Ingegerd folgte ihrem Beispiel. Sie bogen auf einen Weg ab, der in den Wald führte, und nach ein paar hundert Metern offenbarte sich die Lichtung, die Anki für das Picknick auserkoren hatte, inmitten eines Naturreservats mit einer alten Wallburg.

„Wer kommt denn da?“, fragte Ingegerd und stieg ab.

Ein großer Hund hielt direkt auf sie zu. Schnell sprang Anki ebenfalls vom Pferd, umklammerte fest die Zügel und hob eine Hand.

„Stopp!“, rief Anki, während Osk erschrocken wieherte und zu steigen drohte.

„Stopp!“, wiederholte Anki, und tatsächlich setzte sich der Hund auf die Hinterbeine.

Mit großen Schritten kam ein Mann aus der gleichen Richtung, aus der auch der Hund gekommen war.

„Behalten Sie Ihren Hund an der Leine!“, schimpfte Anki. „Sie sind nicht allein im Wald!“

Der Mann antwortete nicht, griff nur nach dem Halsband seiner Bestie und zog sie mit sich.

„Puh“, sagte Anki und atmete auf. „Das war knapp. Wie geht es dir?“

„Gut“, antwortete Ingegerd. „Was ist denn das für ein Idiot, und warum hat er seinen Hund nicht unter Kontrolle?“

Anki zuckte mit den Schultern.

„Er ist neulich erst hergezogen, und sein Hund ist ihm schon ein paar Mal abgehauen. Er beißt, hab ich gehört. So verantwortungslos. Seit sie hier wohnen, ist es nicht mehr so sicher, in dieser Gegend zu reiten.“

„Da haben wir noch mal Glück gehabt“, sagte Ingegerd. „Den Halter sollte man anzeigen.“

Sie banden die Pferde an einem Informationsschild fest und setzten sich dann an den öffentlichen Picknicktisch, um auf ihre Freundinnen zu warten. Die Sonne stand noch tief, aber bahnte sich trotzdem allmählich ihren Weg durch die Kiefernzweige und erreichte die beiden.

Es dauerte nicht sonderlich lange, bis Lena und Gunilla schnellen Schritts heranspaziert kamen. Lena hielt ihr iPhone vor sich, und ihr heiteres Lachen war nicht zu überhören.

„Hier seid ihr!“, rief Lena. „Wie gut, dass das GPS funktioniert, das ist ja nicht unbedingt üblich so weit ab vom Schuss.“

„Jetzt freue ich mich auf Kaffee und Brote!“, sagte Gunilla. „Aber es war gut, dass wir zuerst ein Stück gegangen sind, so verbrennt man mehr Kalorien, und das habe ich sehr nötig. Ihr teilt diese Sorge sicher gar nicht.“

Sie zwinkerte ihren Freundinnen zu, und schon entspann sich eine angeregte Diskussion darüber, welche Diät am besten funktionierte. Anki, die – Gott sei Dank – keine überflüssigen Pfunde angesetzt hatte, schenkte derweil Kaffee aus und verteilte die Brote, während die anderen angeregt sprachen.

Als die Käseschnitten aufgegessen und vom Kaffee nur noch ein paar Tröpfchen übrig waren, fand Anki, dass sie lange genug über Glyx und 5:2 geredet hatten.

„Hört mal, hier habe ich übrigens schon eine ganze Menge Trompetenpfifferlinge gefunden“, sagte sie und deutete zur Böschung direkt neben ihnen.

Das langweilige Fastengespräch hörte sofort auf.

„Wir könnten ein paar suchen, bevor wir uns auf den Rückweg machen“, fuhr sie fort. „Dann können wir vielleicht unser Mittagessen noch etwas aufpeppen.“

„Meinst du, es gibt noch welche?“, fragte Gunilla. „Schließlich haben wir schon November.“

„Der Herbst war ungewöhnlich mild, zeitweise sogar recht feucht. Es schadet jedenfalls nicht, mal zu schauen.“

Die Freundinnen erhoben sich und begaben sich auf die Suche.

„Streicht mit den Händen über das Gras, damit ihr auch den Boden sehen könnt“, erklärte Anki. „Wenn ihr einen gefunden habt, sind meist noch viele weitere in der Nähe.“

Es dauerte nicht lange, bis Ingegerd erfreut aufschrie. Die anderen richteten sich auf und schauten zu ihr hinüber.

„Hast du einen Pilz gefunden?“, fragte Gunilla.

„Einen?“, rief Ingegerd zurück. „Hier sind weit mehr als nur einer. Kommt her und helft mir beim Einsammeln.“

Eine ganze Weile lang hockten und pflückten sie alle an der Stelle, an die Ingegerd aus purem Zufall direkt geraten war. Die Pferde grasten selig am Informationsschild und schienen es ebenfalls nicht eilig zu haben. Noch gab es Gras im Überfluss, man musste sich so viel wie eben möglich davon einverleiben, solange man konnte.

Anki gab als Erste auf. Sie ging zum Tisch und holte den Picknickkorb, damit sie etwas hatten, worin sie die Pilze einigermaßen wohlbehalten nach Hause bringen konnten. Thermoskanne und Tassen mussten mit der Plastiktüte vorliebnehmen, in der Lena und Gunilla die Brote verpackt hatten.

„Wisst ihr was, Mädels?“, sagte Anki mit einem Blick auf die reichhaltige Ernte. „Wir müssen mal aufhören. Die Pilze müssen ja noch gewaschen werden, das dauert eine ganze Weile.“

Und so kamen die Freundinnen mit dem, was sie noch in den Händen hatten, zu ihr und ließen alles in den Korb purzeln.

„Was gibt es denn Gutes zu den Pilzen?“, fragte Ingegerd. „Hast du noch das eine oder andere Stück Fleisch im Tiefkühler, Anki?“

„Selbstverständlich“, antwortete sie. „Vielleicht sogar Lammfilet. Gucken wir gleich mal, und falls nicht, gehen wir eben schnell in den Laden in Mullvald. Dort gibt es richtig gutes Fleisch.“

Gemeinsam packten sie die Reste ihres Frühstücks zusammen und machten sich zum Aufbruch bereit.

„Ich fürchte, vom Reiten tut mir schon der Hintern ein bisschen weh“, beichtete Ingegerd und massierte sich die eine Pobacke. „Ein Spaziergang nach Hause kommt mir ganz gelegen.“

„Man sollte es nicht gleich am Anfang des Reitlagers so übertreiben“, lachte Gunilla. „Wir werden jetzt zwei Wochen lang das country life genießen, da gilt es, die Kräfte zu schonen.“

„Ich muss Fotos machen“, sagte Ingegerd. „Dann können wir daraus ein eigenes Buch basteln – oder sogar einen Kalender. Das geht im Internet ganz leicht.“

Lena nahm die Bank zur Hilfe, um auf Osk zu steigen. Gunilla fiel das Aufsitzen leichter, wobei auch sie nicht gerade auf Austris Rücken schwebte. Aber man konnte sehen, dass sie durchaus noch Übung hatte.

„Wisst ihr was?“, fragte sie, als sie oben saß, das Knie in vertrauter Manier vorgeschoben, damit sie auch vom Pferderücken aus den Steigbügel verstellen konnte. „Das ist so schön mit euch, es kommt mir vor, als wären wir schon längst Teil eines Buchs.“

„Du musst über uns schreiben“, witzelte Lena. „Du machst das schließlich beruflich und hast schon Erfahrung. Mit Ingegerds Bildern wird das ein Bestseller. Vielleicht gibt es ja sogar einen Gotlandpreis dafür, bestes Lifestyle-Buch oder so.“

Gunilla hatte viele Jahre lang Pferdebücher für Mädchen geschrieben, und das war richtig gut gelaufen. Lenas Vorschlag war vielleicht gar nicht unklug.

„Aber am Samstag machen wir doch diese Trüffelsafari mit“, warf Anki ein. „So was Extravagantes haben die Heldinnen unserer Jugend nicht erlebt.“

„Nein, wir haben uns hochgearbeitet“, sagte Gunilla und nahm die Zügel auf. „Das wird bestimmt richtig lustig. Komm, Lena, jetzt geht’s zurück zur Ranch.“

Marianne Cedervall

Über Marianne Cedervall

Biografie

Marianne Cedervall wurde 1949 auf Gotland geboren. Heute lebt sie in Västerås, im Südosten Schwedens, arbeitet als Rechtsberaterin und schreibt Romane und Krimis. „Mord auf der Insel“ ist der erste Fall für Anki Karlsson und hat die schwedischen Bestsellerlisten im Sturm erobert.

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