Ungehorsam — Inhalt
„Ich komme zurück. Vertrau mir.“
Die fünfzehnjährige Lara ist verschwunden. Als die Polizei abwiegelt, macht sich ihre Mutter Rebekka selbst auf die Suche. Sie stößt auf eine Gruppe junger Aktivistinnen, denen die friedlichen Klimaproteste im Land nicht weit genug gehen. Alles deutet darauf hin, dass Lara bei ihnen ist, um für mehr soziale Verantwortung zu kämpfen – und dass ihnen jedes Mittel recht ist.
Mitreißend, klar und mit großer Empathie erzählt Nicola Karlsson vom Ringen einer Mutter um das Vertrauen ihrer Tochter und von einer Generation, die bereit ist, zur Rettung ihrer Zukunft Grenzen zu überschreiten.
In Deinem Roman „Ungehorsam“ folgen wir der Protagonistin Rebekka auf der Suche nach ihrer Tochter Lara, die abgehauen ist, um sich für einen achtsameren Umgang mit unserem Planeten einzusetzen. Was stand für Dich am Anfang des Romans, die Beziehung zwischen Mutter und Tochter oder der gesellschaftliche Hintergrund?
Vor ein paar Jahren klingelte es abends an meiner Wohnungstür, und als ich sie öffnete, standen da eine Frau und ein Mann und hielten etwas in der Hand. „Ist das der Ausweis Ihrer Tochter“, fragten sie. Ich bekam einen Riesenschreck und dachte im ersten Moment, das wären Zivilpolizisten. Aber dann erzählte mir die Frau, dass sie tags zuvor aus dem Urlaub gekommen sind, und dass ihre sechzehnjährige Tochter spurlos verschwunden ist. Den Ausweis meiner Tochter hatten sie beim Aufräumen unter ihrem Sofa gefunden. Wir haben dann in der Küche gesessen, und sie haben mir alles erzählt. Ich hatte natürlich keine Ahnung, wo ihre Tochter steckte. Es gab aber ein Happy End, das Mädchen ist nach ein paar Wochen wieder aufgetaucht, sie brauchte einfach eine Auszeit. Die Eltern waren wirklich liebe, total normale, ich würde sogar sagen, ziemlich coole Eltern. Diese Geschichte hat mich nicht losgelassen. Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, inwieweit ich das bei meiner Tochter kommen sehen würde. Das Loslassen und Vertrauen ist in der Theorie ja ganz einfach, aber als ich meine Tochter im Sommer am See erwischt habe, wo sie ihre Zeit verbrachte, statt in der Schule zu sitzen, habe ich natürlich auch eher mit Unverständnis reagiert.
Nachdem dann mein letzter Roman fertig war, habe ich damit begonnen die Geschichte von Rebekka aufzuschreiben, die auf der Suche nach ihrer verschwundenen Tochter ist und dabei auf eine Gruppe von radikalen Klimaaktivist*innen stößt. Die waren ganz plötzlich da, das hatte ich zu Anfang gar nicht geplant. Ich muss dazu sagen, dass ich diese Geschichte in ihrer Rohform innerhalb von wenigen Monaten niedergeschrieben habe. Ich habe mich einfach mitreißen lassen von der Wucht der Story. Die Klimakrise oder, besser gesagt, die Klimakatastrophe beschäftigt mich persönlich sehr und deswegen war es im Grunde ganz natürlich, dass es das Hintergrundrauschen der Geschichte bildet.
Wie hast Du Dich denn dem Thema der Klimaproteste genähert?
Ich habe hier in Berlin mit einer Gruppe von Extinction Rebellion Straßen blockiert, um den Verkehr für ein paar Tage zum Erlahmen zu bringen. Zuvor habe ich bei deren Aktionstrainings mitgemacht und weiß jetzt zum Beispiel, wie man sich am besten von der Polizei wegtragen lässt. Ich war vorher schon ein großer Fan von den Klimaaktivist*innen, ob Ende Gelände, Fridays for Future, Sand im Getriebe und die vielen anderen, die zivilen Ungehorsam ausüben. Extinction Rebellion hat sich angeboten, weil dort jede Altersgruppe vertreten ist und es einfach ist, Teil der Bewegung zu werden. Großartig. Die Informationsveranstaltungen waren wirklich Augen öffnend. Und irgendwie konnte ich danach auch nicht mehr so weitermachen wie bisher. Man kann eine Erkenntnis ja nicht rückgängig machen. Natürlich haben mir die Einsichten, die ich in dieser Zeit bekommen habe, auch geholfen, den Roman zu schreiben. Insofern war es auch eine Art der Recherche, auch wenn sie nicht als solche geplant war, sondern aus ganz persönlicher Überzeugung und Interesse.
Die zweite Protagonistin, Lara, ist erst fünfzehn, dennoch haben sie und ihre Mitstreiter*innen sehr klare Vorstellungen davon, was falsch läuft, und formulieren diese sehr selbstbewusst. Was unterscheidet Lara von ihrer Mutter?
Lara verfolgt ziemlich mutig ihre Ziele und setzt dafür ganz klare Prioritäten, die ihren Eltern nicht gefallen und die auch unserer Leistungsgesellschaft nicht wirklich entsprechen. Rebekka möchte für sie – wie wohl die meisten Eltern – Sicherheit und ein geordnetes Leben. Für Rebekka ist es wichtig und auch normal, dass Lara zur Schule geht und einen guten Abschluss macht, im besten Fall das Abitur, und dass sie sich dem Leben in der Gesellschaft anpasst. Sie hat also wiederum wenig Verständnis für ihre eigenwillige Tochter, die bereits frei über ihr Leben entscheiden möchte und ziemlich klare Vorstellungen von ihrer Zukunft hat. Natürlich hat Rebekka Angst, als Lara plötzlich weg ist, sie hat sich ja bisher berechtigterweise als eine fürsorgliche und gute Mutter gesehen. Lara und ihre Mitstreiter*innen werfen der Generation ihrer Eltern aber gerade fehlende Weitsicht und fehlende Fürsorge für den Planeten vor. Und das ist doch total spannend: Natürlich lieben diese Eltern ihre Kinder, und die Kinder sind ihren Eltern dankbar und wünschen sich deren Vertrauen und dass ihre Eltern stolz sind auf sie. Plötzlich ist da also etwas Grundsätzliches, über das sich die beiden Generationen plötzlich nicht mehr einig sind. Etwas, das über die normalen Meinungsverschiedenheiten zwischen Pubertierenden und jungen Erwachsenen und deren Eltern hinausgeht.
In den Tagen, in denen Rebekka nach Lara sucht, ist sie auch immer wieder mit Fragen an sich selbst konfrontiert. Was findet sie in diesen Tagen über sich heraus?
Zuerst ist da natürlich die Frage, ob sie Schuld daran trägt, dass Lara abgehauen ist. Und die Antwort darauf ist gar nicht so leicht: ja und nein. Beim Schreiben des Romans habe ich schnell gemerkt, dass man oft denkt, es gäbe eine klare Antwort. Aber häufig stimmt das einfach nicht. Rebekka muss lernen, sich von ihren alten Ideen und Vorstellungen zu lösen, und dabei entdeckt sie, dass in jeder Krise gleichzeitig die Möglichkeit steckt, etwas über das Leben, über das Glück und die Freiheit zu lernen. Sie begreift zum Beispiel, dass sich ihr Verhältnis zu Lara verändert hat, dass sie eine neue Art von Vertrauen finden müssen. Fernab von ihren eigenen Erwartungen. Lara ist in einem Alter, in dem sie plötzlich selbst Ansprüche und Forderungen stellt. Das ist neu für Rebekka.
Den anderen zu akzeptieren und zu tolerieren, also auszuhalten wie er ist, ist wohl die schwierigste Übung in Beziehungen. Finde ich zumindest.
Der Roman ist mit sehr starken Frauenfiguren besetzt. Auch die Klimabewegung wird von starken jungen Frauen angeführt. Wie wichtig war es Dir, das zu berücksichtigen?
Reichtum und Macht sind auf der ganzen Welt ungleich verteilt und es sind es immer noch zum großen Teil Männer, die davon profitieren. Es ist schön zu sehen, wie junge Frauen ihre Stimmen erheben und sich durch alte, weiße Männer in den Machtpositionen nicht wegdrängen oder den Mund verbieten lassen. Die Klimabewegung hat ein weibliches Gesicht. Das gibt Hoffnung für eine bessere Zukunft.
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