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Vierundzwanzig StundenVierundzwanzig Stunden

Vierundzwanzig Stunden Vierundzwanzig Stunden - eBook-Ausgabe

Guillaume Musso
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„Fesselt bis zum Schluss.“ - Ruhr Nachrichten

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Vierundzwanzig Stunden — Inhalt

In einer Bar in Manhattan lernt die angehende Schauspielerin Lisa den faszinierenden, aber rätselhaften Arthur Costello kennen. Der junge Arzt bittet sie, ihm dabei zu helfen, seinen Großvater aus der Psychiatrie zu befreien. Sie lässt sich darauf ein. Zwar gelingt die nächtliche Aktion, doch verliert sie Arthur dabei aus den Augen. Erst ein Jahr später begegnet Lisa ihm wieder und verliebt sich in ihn. Bald stellt sich jedoch heraus, dass Arthur kein Mann ist wie jeder andere. Er offenbart ihr sein Geheimnis, und von nun an kämpfen die beiden gegen einen unerbittlichen Feind – die Zeit.

€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 03.07.2017
Übersetzt von: Eliane Hagedorn, Bettina Runge
384 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31063-5
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€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 01.06.2016
Übersetzt von: Eliane Hagedorn, Bettina Runge
384 Seiten
EAN 978-3-492-97348-9
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Leseprobe zu „Vierundzwanzig Stunden“

Die Geschichte unserer Ängste

Die Geschichte unseres Lebens

ist die Geschichte unserer Ängste.

Pablo de Santis, Crímenes y jardines



1971


„Hab keine Angst, Arthur. Spring! Ich fang dich auf.“

„Bist du . . . bist du sicher, Dad?“

Ich bin fünf Jahre alt. Mit baumelnden Beinen sitze ich auf der oberen Matratze des Stockbetts, das ich mir mit meinem Bruder teile. Die Arme weit geöffnet, sieht mein Vater mich wohlwollend an.

„Los, mein Großer!“

„Aber ich hab Angst . . .“

„Ich fang dich auf, das hab ich dir doch gesagt. Du vertraust doch deinem Dad, was, mein Großer?“

»N [...]

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Die Geschichte unserer Ängste

Die Geschichte unseres Lebens

ist die Geschichte unserer Ängste.

Pablo de Santis, Crímenes y jardines



1971


„Hab keine Angst, Arthur. Spring! Ich fang dich auf.“

„Bist du . . . bist du sicher, Dad?“

Ich bin fünf Jahre alt. Mit baumelnden Beinen sitze ich auf der oberen Matratze des Stockbetts, das ich mir mit meinem Bruder teile. Die Arme weit geöffnet, sieht mein Vater mich wohlwollend an.

„Los, mein Großer!“

„Aber ich hab Angst . . .“

„Ich fang dich auf, das hab ich dir doch gesagt. Du vertraust doch deinem Dad, was, mein Großer?“

„Na klar . . .“

„Dann spring, Champion!“

Einen kurzen Moment zögere ich noch. Dann stürze ich mich mit einem breiten Lächeln ins Leere, bereit, meine Arme um den Hals des Mannes zu schlingen, den ich am meisten auf der Welt liebe.

Im letzten Augenblick weicht mein Vater, Frank Costello, bewusst einen Schritt zurück, und ich schlage der Länge nach auf dem Boden auf. Mein Kopf prallt schmerzhaft auf das Parkett. Benommen versuche ich, mich aufzurappeln. Alles dreht sich um mich herum, mein Kiefer tut höllisch weh. Bevor ich in Tränen ausbreche, erteilt mir mein Vater eine Lektion, die ich niemals vergessen werde.

„Im Leben darfst du niemandem vertrauen, verstehst du, Arthur?“

Ich starre ihn entsetzt an.

„Niemandem!“, wiederholt er, sein Ton ist eine Mischung aus Traurigkeit und Wut auf sich selbst. „Nicht einmal deinem eigenen Vater!“

Erster Teil

Der Leuchtturm der 24 Winde

Lighthouse

Ich frage mich, was das Schicksal für uns bereithält.

Françoise Sagan, Les faux fuyants



1.

Boston

Frühjahr 1991


Am ersten Samstag im Juni kreuzte gegen zehn Uhr morgens mein Vater unerwartet bei mir auf. Er hatte Mandelkuchen und Zitronen-Cannoli mitgebracht, die seine Frau für mich gebacken hatte.

„Weißt du was, Arthur? Wir könnten den Tag zusammen verbringen“, schlug er vor und betätigte die Espressomaschine, als wäre er bei sich zu Hause.

Ich hatte ihn seit Weihnachten nicht mehr gesehen. Die Ellenbogen auf die Küchentheke gestützt, betrachtete ich mein Spiegelbild im glänzenden Chrom des Toasters. Mein Gesicht verschwand fast unter dem Bart, das Haar war struppig, der Blick umschattet von Schlafmangel und übermäßigem Konsum an Apple Martinis. Ich trug ein altes Blue-Öyster-Cult-T-Shirt, das ich noch als Schüler erstanden hatte, und eine verwaschene Bart-Simpson-Unterhose. Am Vorabend hatte ich, nach achtundvierzig Stunden Bereitschaftsdienst, ein paar Gläser zu viel in der Zanzi Bar gekippt, zusammen mit Veronika Jelenski, der aufreizendsten und willigsten Krankenschwester des Massachusetts General Hospital.

Die schöne Polin hatte einen Teil der Nacht mit mir verbracht, dann aber vor zwei Stunden die gute Idee gehabt, das Feld mitsamt ihrem Päckchen Gras und dem Zigarettenpapier zu räumen, was ihr eine Kollision mit meinem Vater ersparte – einem hohen Tier in der chirurgischen Station des Krankenhauses, in dem wir beide arbeiteten.

„Ein doppelter Espresso, die beste Energiespritze, um den Tag zu beginnen“, verkündete Frank Costello und stellte eine Tasse vor mich.

Er öffnete die Fenster, um frische Luft in das Zimmer zu lassen, in dem es noch immer unverkennbar nach Shit roch, verzichtete allerdings auf jeden Kommentar. Ich biss in ein Stück Mandelkuchen und beobachtete ihn dabei aus den Augenwinkeln. Er hatte vor zwei Monaten seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert, doch wegen seiner grauen Haare und der Falten in seinem Gesicht wirkte er leicht zehn bis fünfzehn Jahre älter. Trotz allem war er immer noch attraktiv mit seinen ebenmäßigen Zügen und blauen Augen à la Paul Newman. An diesem Morgen hatte er seinen Markenanzug und seine maßgefertigten Mokassins gegen eine alte kakifarbene Hose, einen abgetragenen Troyer und schwere Outdoorschuhe aus dickem Leder eingetauscht.

„Ruten und Köder sind im Pick-up“, erklärte er und trank seinen Espresso. „Wenn wir sofort aufbrechen, sind wir vor Mittag am Leuchtturm. Dort essen wir schnell einen Happen und haben dann den ganzen Nachmittag Zeit zum Angeln. Wenn die eine oder andere Dorade angebissen hat, fahren wir nach Hause und kochen uns den Fisch in Folie mit Tomaten, Knoblauch und Olivenöl.“

Er redete mit mir, als hätten wir uns erst am Vortag gesehen. Es klang ein wenig unecht, aber nicht unangenehm. Während ich mit kleinen Schlucken meinen Espresso trank, fragte ich mich, woher seine plötzliche Lust rührte, Zeit mit mir zu verbringen.

Während der letzten Jahre hatten wir kaum Kontakt gehabt. Ich war fast fünfundzwanzig Jahre alt und damit der Jüngste von drei Geschwistern – zwei Jungen und einem Mädchen. Mit dem wohlwollenden Einverständnis meines Vaters hatten mein Bruder und meine Schwester das von meinem Großvater gegründete Familienunternehmen – eine kleine Werbeagentur in Manhattan – übernommen und so erfolgreich geführt, dass sie hoffen konnten, es in den nächsten Wochen an einen großen Medienkonzern zu verkaufen.

Ich hatte mich immer aus ihren Geschäften herausgehalten. Ich gehörte zwar zur Familie, war aber sozusagen auf Abstand, ein bisschen wie ein Onkel, der ein Boheme-Leben irgendwo in einem exotischen Land führt und dem man gern mal zu Thanksgiving begegnet. Tatsächlich hatte ich die erstbeste Gelegenheit genutzt, um aus Boston zu verschwinden – ein medizinisches Vorbereitungssemester in Duke, North Carolina, vier Jahre Medizinstudium in Berkeley und ein Jahr Tätigkeit als Assistenzarzt in Chicago. Ich war erst vor wenigen Monaten nach Boston zurückgekommen, um hier das zweite Jahr meiner Ausbildung zum Facharzt für Notfallmedizin zu absolvieren. Ich arbeitete an die achtzig Stunden die Woche, aber ich liebte diesen Job und den damit verbundenen Stress. Ich liebte die Leute und die Konfrontation mit der brutalen Realität in der Notaufnahme. Die restliche Zeit trieb ich mich in den Bars von North End herum, rauchte Gras, schlief mit Mädchen, die ein bisschen verrückt und nicht sentimental waren, so wie zum Beispiel Veronika Jelenski.

Lange Zeit hatte mein Vater meinen Lebensstil missbilligt, aber ich hatte ihm kaum Angriffspunkte geliefert: Ich hatte mein Medizinstudium selbst finanziert, ohne ihn auch nur um einen Cent zu bitten. Mit achtzehn Jahren, nach dem Tod meiner Mutter, verließ ich das Elternhaus, ohne noch irgendetwas von ihm zu erwarten. Und dieser Abstand schien ihn nicht belastet zu haben. Später hatte er dann eine seiner Geliebten geheiratet, eine charmante und intelligente Frau, der das Verdienst zukam, ihn zu ertragen. Ich besuchte sie zwei- oder dreimal pro Jahr, und dieser Rhythmus schien allen zuzusagen.

Und so war die Überraschung an diesem Morgen umso größer. Wie aus dem Nichts tauchte mein Vater erneut in meinem Leben auf, packte mich beim Arm, um mich auf den Weg einer Versöhnung zu führen, mit der ich nicht mehr gerechnet hatte.

„Nun, verlockt dich diese Angelpartie, ja oder nein?“, beharrte Frank Costello, außerstande, seine Verärgerung angesichts meines Schweigens zu verbergen.

„Okay, Dad. Lass mir nur ein wenig Zeit zum Duschen und Anziehen.“

Zufrieden zog er eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine mit einem alten silbernen Sturmfeuerzeug an, das er immer bei sich gehabt hatte.

Ich äußerte mein Erstaunen: „Ich dachte, du hättest aufgehört nach deinem Kehlkopfkrebs . . .“

Sein stählerner Blick durchbohrte mich.

„Ich warte im Pick-up auf dich“, erwiderte er, erhob sich von seinem Stuhl und stieß dabei eine langgezogene blaue Rauchwolke aus.



2.


Der Weg von Boston bis zum Osten von Cap Cod dauerte eineinhalb Stunden. Es war ein schöner Spätfrühlingsmorgen, der Himmel erstrahlte in einem unglaublichen Blau, das Sonnenlicht überflutete die Windschutzscheibe und machte goldfarbene Partikel sichtbar, die über das Armaturenbrett tanzten. Getreu seiner Gewohnheit bemühte sich mein Vater gar nicht erst, mit mir ein Gespräch zu führen, doch das Schweigen war nicht bedrückend. Am Wochenende war er gern mit seinem Pick-up Marke Chevrolet unterwegs, wobei er immer dieselben Kassetten im Autoradio hörte: ein Best of Sinatra, ein Konzert von Dean Martin und ein seltsames Country-Album, aufgenommen von den Everly Brothers gegen Ende ihrer Karriere. An der Rückscheibe prangte ein Aufkleber, der für die Kandidatur von Ted Kennedy bei den Senatswahlen von 1970 warb. Von Zeit zu Zeit gefiel es meinem Vater, die Rolle des Bauerntölpels zu spielen. Dabei war er einer der angesehensten Chirurgen von Boston, und vor allem besaß er Anteile an einem Unternehmen, das zig Millionen Dollar wert war. Wenn es um Geschäfte ging, hatten alle, die sich von seiner vermeintlich hinterwäldlerischen Art einwickeln ließen, das Nachsehen.

Wir überquerten die Segamore Bridge, legten noch etwa vierzig Kilometer zurück, bis wir bei Sam’s Seafood eine Pause machten, um Lobster Rolls, Pommes frites und ein Sixpack Bier zu kaufen.

Es war kurz nach Mittag, als der Pick-up in den Feldweg einbog, der zur nördlichen Spitze der Winchester Bay führte.

Ein wilder, von Meer und Klippen umgebener Ort, fast ständig dem Wind ausgesetzt. Und dort, von Felsen eingerahmt, ragte das 24 Winds Lighthouse empor: der Leuchtturm der 24 Winde.

Das alte hölzerne Bauwerk war achteckig und etwa zwölf Meter hoch. Es erhob sich neben einem Gebäude, das mit weiß gestrichenen Latten verkleidet und einem spitzen Schieferdach versehen war. An schönen Sonnentagen war es ein angenehmes Ferienhaus, sobald sich der Himmel aber bewölkte oder die Nacht hereinbrach, wich die Postkartenidylle einem finsteren und traumähnlichen Gemälde wie von Albert Pinkham Ryder. Das Gebäude war seit drei Generationen im Familienbesitz. Mein Großvater, Sullivan Costello, hatte es 1954 von der Witwe eines Flugzeugingenieurs gekauft, der es wiederum im Jahr 1947 bei einer Versteigerung von der amerikanischen Regierung erworben hatte.

In jenem Jahr hatte sich der Bundesstaat aus Geldmangel mehrerer Hundert historischer Stätten entledigt, die nicht mehr von strategischem Interesse waren. Das galt auch für das 24 Winds Lighthouse, das nach dem Bau eines viel moderneren Leuchtturms auf dem Hill of Langford, fünfzehn Kilometer weiter südlich, überflüssig geworden war.

Stolz auf seine Anschaffung, begann mein Großvater, Leuchtturm und Cottage in einen komfortablen Zweitwohnsitz zu verwandeln. Und während dieser Umbauarbeiten war er zu Herbstbeginn 1954 auf mysteriöse Weise verschwunden.

Man hatte seinen Wagen vor dem Haus geparkt vorgefunden. Das Verdeck des Chevrolet Bel Air Cabrio war geöffnet, der Schlüssel lag auf dem Armaturenbrett. Da Sullivan die Angewohnheit hatte, seinen Mittagsimbiss auf einem der Felsen einzunehmen, gelangte man rasch zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich ertrunken war. Obwohl das Meer seine Leiche nie an Land gespült hatte, wurde mein Großvater für tot erklärt, ertrunken an den Küsten des Bundesstaats Maine.

Auch wenn ich ihn selbst nicht kennengelernt habe, so wurde doch oft von ihm erzählt – Anekdoten, in denen er mir stets als eine originelle, schillernde Persönlichkeit beschrieben wurde. Als meinen zweiten Vornamen hatte ich seinen Taufnamen geerbt, und da mein älterer Bruder sie verschmäht hatte, trug ich auch die Uhr von Sullivan, eine Tank Louis Cartier aus den frühen 1950er-Jahren mit rechteckigem Gehäuse und Zeigern aus bläulichem Stahl.



3.


„Nimm die Papiertüte mit und das Bier, wir wollen in der Sonne picknicken!“

Mein Vater schlug die Wagentür zu. Ich bemerkte, dass er eine alte lederne Aktentasche unter dem Arm trug, die meine Mutter ihm zu einem ihrer Hochzeitstage geschenkt hatte.

Ich stellte die Papiertüte auf den Holztisch neben den Steingrill, ein gutes Stück vom Hauseingang entfernt. Seit zwei Jahrzehnten trotzten dieses Möbel und die beiden dazugehörenden Adirondack-Stühle allen Unbilden der Witterung. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, doch die Luft war noch frisch. Ich schloss den Reißverschluss meines Blousons, bevor ich die Lobster Rolls auspackte. Mein Vater zog ein Schweizer Messer aus der Tasche, öffnete zwei Budweiser-Flaschen und nahm auf einem der Stühle aus rotem Zedernholz Platz.

„Prost!“, sagte er und reichte mir eine Flasche.

Ich griff danach und setzte mich zu ihm. Während ich den ersten Schluck genoss, bemerkte ich in seinen Augen einen Schimmer von Ängstlichkeit. Wir schwiegen uns lange an. Er nahm nur wenige Bissen von seinem Sandwich und zündete sich eilig die nächste Zigarette an. Die Spannung war fast greifbar, und mir wurde klar, dass er nicht mit mir hierhergefahren war, um einen ruhigen, vergnüglichen Nachmittag zu verbringen, und dass es weder eine Angelpartie noch wohlwollendes Schulterklopfen noch Dorade in Folie mit Tomaten, Knoblauch und Olivenöl geben würde.

„Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen“, begann er schließlich, öffnete seine Aktentasche und holte mehrere Dokumente in Kartonmappen hervor. Auf jeder erkannte ich das unauffällige Logo der Anwaltskanzlei Wexler & Delamico, die seit Jahrzehnten die Interessen der Familie vertrat.

Er zog einmal kräftig an seiner Zigarette, bevor er fortfuhr: „Ich habe beschlossen, meine Angelegenheiten zu regeln, bevor ich gehe.“

„Gehen? Wohin?“

Ein mokantes Lächeln umspielte seine Lippen. Ich hatte Lust, ihn zu provozieren.

„Du wolltest sagen, bevor du stirbst?“

„Genau. Doch freu dich nicht zu früh: Es wird nicht morgen sein, auch wenn das Ende zwangsläufig näher kommt.“

Er kniff die Augen zusammen und suchte meinen Blick, bevor er mit klarer Stimme verkündete: „Es tut mir leid, Arthur, aber du bekommst nicht einen Dollar aus dem Verkauf des Unternehmens. Auch keinen Dollar aus meinen Lebensversicherungen oder meinen Immobilien.“

Ich konnte meine Verblüffung nur schwer verbergen, doch in der Flut der Gefühle, die mich überschwemmte, siegte die Verblüffung über den Zorn.

„Um mir das zu sagen, hättest du mich nicht hierherschleppen müssen. Ich pfeife auf dein Geld, das solltest du wissen . . .“

Er neigte den Kopf, um auf die Dokumente auf dem Tisch zu deuten, so als hätte er keines meiner Worte gehört.

„Ich habe alle rechtlichen Vorkehrungen getroffen, damit mein gesamtes Vermögen an deinen Bruder und deine Schwester geht . . .“

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Was sollte dieses perverse Spiel? Dass mein Vater mich enterbte, okay, doch wozu der ganze Aufwand, um mir das zu verkünden?

„Dein einziges Erbe . . .“

Er trat seine Kippe mit dem Absatz aus und ließ den Anfang des Satzes für einen Augenblick in der Schwebe, um eine Art von Spannung zu erzeugen, die ich äußerst fragwürdig fand.

„Dein einziges Erbe wird das 24 Winds Lighthouse sein“, erklärte er mit einem Blick auf das Gebäude. „Dieses Grundstück, dieses Haus, dieser Leuchtturm . . .“

Der Wind wirbelte eine Staubwolke auf. Mittlerweile gänzlich verwirrt, brauchte ich mehrere Sekunden, bevor ich reagieren konnte.

„Und was, bitte schön, soll ich mit dieser Bruchbude anfangen?“

Er öffnete den Mund, um mir die Einzelheiten zu erläutern, bekam stattdessen jedoch einen beunruhigenden Hustenanfall. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich die Seele aus dem Leib hustete, und bereute, ihm hierher gefolgt zu sein.

„Mach, was du willst, Arthur“, erklärte er und rang nach Luft. „Und wenn du dieses Erbe annimmst, verpflichtest du dich, zwei Bedingungen zu akzeptieren. Zwei Bedingungen, die nicht verhandelbar sind.“

Ich machte Anstalten, aufzustehen, aber er fuhr fort:

„Zunächst einmal musst du dich verpflichten, Gebäude und Grundstück niemals zu verkaufen. Hörst du? Niemals. Der Leuchtturm muss in der Familie bleiben. Für immer.“

„Und die zweite Bedingung?“, fragte ich, zunehmend gereizt.

Er massierte lange seine Schläfen und stieß einen Seufzer aus.

„Komm mit“, sagte er und erhob sich von seinem Stuhl.

Widerwillig folgte ich ihm. Er führte mich in das Häuschen des Leuchtturmwärters – ein kleines Cottage, in dem es muffig roch. Die Wände waren mit Fischernetzen, einem lackierten Holzruder und verschiedenen Landschaftsbildern lokaler Künstler geschmückt. Auf dem Kaminsims standen eine Petroleumlampe und ein Flaschenschiff.

Mein Vater öffnete die Tür zum Korridor – ein etwa zehn Meter langer Gang, der mit lackierten Latten verkleidet war und das Haus mit dem Leuchtturm verband. Doch statt zum Turm hinaufzusteigen, hob er die Falltür an, unter der sich die Treppe zum Keller verbarg.

„Komm!“, befahl er und zog eine Taschenlampe aus seiner Aktentasche.

Gebeugt folgte ich ihm die knarrenden Stufen in den unterirdischen Raum hinab.

Unten angekommen, betätigte er den Lichtschalter, und ich fand mich in einem rechteckigen Raum wieder mit niedriger Decke und Wänden aus rötlichen Ziegelsteinen. In einer Ecke waren mit Spinnweben bedeckte Fässer und Holzkisten gestapelt, seit Urzeiten im Staub erstarrt. Rostige Rohrleitungen verliefen oben entlang der Decke. Trotz seines ausdrücklichen Verbots hatten mein Bruder und ich, als wir noch klein waren, den Kellerraum erforscht. Damals bezogen wir von unserem Vater eine ordentliche Tracht Prügel, die uns davon abbrachte, jemals wieder einen Fuß hier hineinzusetzen.

„Was genau wird hier gespielt, Dad?“

Statt zu antworten, zog er ein weißes Kreidestück aus seiner Brusttasche und malte ein großes Kreuz auf die Wand. Dann deutete er mit dem Finger auf das Symbol.

„An dieser Stelle befindet sich hinter den Ziegelsteinen eine Metalltür.“

„Eine Tür?“

„Ein Durchgang, den ich vor dreißig Jahren zugemauert habe.“

Ich runzelte die Stirn.

„Ein Durchgang wohin?“

Mein Vater wich der Frage mit einem erneuten Hustenanfall aus.

„Das ist die zweite Bedingung, Arthur“, sagte er, als er wieder zu Atem gekommen war. „Du darfst niemals versuchen, diese Tür zu öffnen.“

Einen Moment lang glaubte ich wirklich, er sei senil geworden. Ich wollte ihm weitere Fragen stellen, doch er schaltete eilig das Licht aus und verließ den Keller.

Guillaume Musso

Über Guillaume Musso

Biografie

Guillaume Musso wurde 1974 in Antibes geboren und kam bereits im Alter von zehn Jahren mit der Literatur in Berührung, als er einen guten Teil der Ferien in der von seiner Mutter geleiteten Stadtbibliothek verbrachte. Da die USA ihn von klein auf faszinierten, verbrachte er mit 19 Jahren mehrere...

Pressestimmen
Ruhr Nachrichten

„Fesselt bis zum Schluss.“

Hamburger Morgenpost

„Guillaume Musso, Meister der ungewöhnlichen Liebes-Geschichten, begeistert auch mit seinem neuen Werk - das zudem eine tiefgründige Botschaft birgt.“

seitengefluester.de

„Guillaume Musso ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Ich bedaure nur, dass ich ihm und seinen Büchern nicht schon früher begegnet bin. Meine Mussoschen Leselücken müssen schnellstmöglich geschlossen werden!“

tamysbuecherwelt.wordpress.com

„Lest dieses Buch!“

vanessasbuecherecke.wordpress.com

„Warum habe ich nicht schon früher etwas von Guillaume Musso gelesen? Vierundzwanzig Stunden hat einen enormen Lesesog entwickelt, mich atemlos an den Roman gefesselt und eine breite Palette an Gefühlen bei mir ausgelöst (...). Und so fantastisch die Story auch klingt, so lange wirkt sie doch nach, denn letztendlich ist sie unheimlich realistisch.“

welobo.com

„Ein Muss für alle Musso-Fans. Eine tolle Mischung aus Thriller und Liebesroman. Actiongeladen, gefühlvoll und bespickt mit liebevollen und authentischen Charakteren.“

Siegener Zeitung

„Musso führt den Leser immer wieder in die Irre. Man mag nicht aufhören zu lesen, weil man unbedingt die Lösung wissen will.“

TVStar (CH)

„Voller Überraschungen.“

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

„Spannungsliteratur der Extraklasse! Und eine Prise Liebe ist auch dabei.“

Schweizer Illustrierte (CH)

„Und wieder bringt Musso einen faszinierenden Roman auf den Markt, der schlaflose Nächte (zumindest aber eine) verspricht.“

denglers-buchkritik.de

„Guillaume Musso verzückt den Leser wieder mit einer ganz fantastischen Geschichte, die einen von Anfang bis Ende fesselt! (...) Eine rasante Liebesgeschichte, die beflügelt und Raum und Zeit vergessen lässt.“

Radio Euroherz

„Eine äußerst mitreißende und gut konstruierte Geschichte, die dem Leser den Schlaf raubt!“

Westdeutsche Allgemeine

„Achtung Suchtfaktor!“

Franken aktuell

„Ein Buch voller Überraschungen, das man nur schwer wieder aus der Hand legen kann. Perfekt für einen gemütlichen Urlaubstag!“

St. Galler Tagblatt (CH)

„Musso zieht den Leser in den Bann und verleitet ihn dazu, das Buch fast in einem Zug zu lesen.“

buch aktuell

„Eine packende Geschichte, gepaart mit viel Gefühl und einem Touch Übersinnlichem.“

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