Warum die Welt einfach nicht untergeht - eBook-Ausgabe
Sieben Endzeitszenarien und wie wir sie abwenden können
„Das Buch ist eine anregenden und ermutigende Streitschrift dafür, sich unverzagt von defätistischem Missmut auf die Gestaltung einer erstrebenswerten Zukunft einzulassen.“ - umweltnetz-schweiz.ch
Warum die Welt einfach nicht untergeht — Inhalt
Die Zukunft scheint düster zu sein: Der Klimawandel bedroht das Leben auf der Erde, der soziale Zusammenhalt bröckelt, und unsere Demokratien sind in Gefahr. Alles kein Grund zum Verzweifeln, sagt Gregg Easterbrook, denn es steht besser um die Welt, als wir denken! Die Menschheit findet immer wieder kreative Antworten auf drängende Probleme der Zeit, und die meisten ökologischen, sozialen und technologischen Entwicklungen gehen in die richtige Richtung.
Easterbrook nimmt sieben Krisenszenarien unter die Lupe, von Epidemien bis zu Technologien, die außer Kontrolle geraten. Auf Grundlage zahlreicher Studien erklärt er, warum wir trotz allem optimistisch in die Zukunft blicken sollten.
Leseprobe zu „Warum die Welt einfach nicht untergeht“
Vorwort
Optimismus kommt aus der Mode
An jenem Tag im November 2016, an dem Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, betrug die Arbeitslosenquote in den USA 4,6 Prozent – eine Zahl, angesichts derer die Ökonomen der 1970er-Jahre voller Dankbarkeit niedergekniet wären und den Boden geküsst hätten. Inflationsbereinigt lag der Benzinpreis im Jahr 2016 auf demselben Niveau wie damals, als begeisterte Teenager die Plattenläden stürmten, um die neueste 45-rpm-Mono-Single zu kaufen. Natürliche Rohstoffe und Nahrungsmittel waren im [...]
Vorwort
Optimismus kommt aus der Mode
An jenem Tag im November 2016, an dem Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, betrug die Arbeitslosenquote in den USA 4,6 Prozent – eine Zahl, angesichts derer die Ökonomen der 1970er-Jahre voller Dankbarkeit niedergekniet wären und den Boden geküsst hätten. Inflationsbereinigt lag der Benzinpreis im Jahr 2016 auf demselben Niveau wie damals, als begeisterte Teenager die Plattenläden stürmten, um die neueste 45-rpm-Mono-Single zu kaufen. Natürliche Rohstoffe und Nahrungsmittel waren im Überfluss vorhanden. Die Gehälter der Mittelschicht und die Haushaltseinkommen stiegen. Die amerikanische Wirtschaft war seit 89 aufeinanderfolgenden Monaten gewachsen. Im privaten Sektor waren seit 80 aufeinanderfolgenden Monaten neue Arbeitsplätze entstanden, wodurch der vorherige Rekord von 48 Monaten beinahe verdoppelt worden war; in weniger als zehn Jahren waren unterm Strich acht Millionen neue Jobs geschaffen worden. Die US-Industrieproduktion war so hoch wie noch nie. Seit zehn Jahren war die Inflationsrate niedrig gewesen, während Hypothekenzinsen und andere Kreditkosten historische Tiefststände erreicht hatten. Die Kriminalität – vor allem in der Kategorie Tötungsdelikte – war seit Langem rückläufig. Abgesehen von Treibhausgasemissionen gingen alle Arten von Umweltverschmutzung seit Langem zurück, ebenso wie alle Formen von Diskriminierung und die Häufigkeiten der meisten Krankheiten. Bildungsniveau und Lebenserwartung der Menschen waren höher denn je. Zwei Drittel der Währungsreserven weltweit wurden in US-Dollar gehalten, was bedeutete, dass die übrige Welt die Aussichten der USA für glänzend hielt. Die Vereinigten Staaten waren nicht nur die stärkste Militärmacht der Welt, sondern sie waren stärker als alle anderen Militärmächte zusammengenommen. Objektiv betrachtet ging es den Vereinigten Staaten so gut wie noch nie.
Dennoch konnte Trump seinen Wählern einreden, dass „unser Land zur Hölle geht“. Obwohl die Industrieproduktion auf dem höchsten Stand aller Zeiten war, überzeugte er seine Wähler, dass „wir nichts mehr herstellen“, dass es der Wirtschaft „immer schlechter“ gehe, „immer nur bergab, bergab, bergab“. Trotz der Renaissance der Großstädte Boston, Chicago, Cleveland, Denver, Philadelphia, Pittsburgh und Washington, D.C., redete Trump seinen Wählern ein, dass „die amerikanischen Städte keine Bildung haben und keine Jobs“. Obwohl die Vereinigten Staaten von anderen Ländern als der Acht-Zentner-Gorilla angesehen wurden, überzeugte er seine Wähler, dass die USA in ihren Interaktionen mit dem Rest der Welt „immer nur den Kürzeren ziehen, wir verlieren bei allem“. Bei einem Wahlkampfauftritt in Colorado ein paar Tage vor der Wahl erzählte Trump seinen Zuhörern, sie würden „den Tiefpunkt der Geschichte unseres Landes“ miterleben.
Nach der Präsidentschaftswahl 2016 überschlugen sich die Medien, um das Wahlergebnis den Meinungsforschern und Experten in die Schuhe zu schieben – oder den Russen, dem FBI, WikiLeaks, Sexismus oder Hillary Clintons unsäglichem Wahlkampf. Worauf es dabei jedoch ankommt, ist, dass die Wähler Trump glaubten, wenn er ihnen sagte, dass die Lage der Dinge ganz fürchterlich sei.
Trump war keineswegs der Einzige, der alles immer nur negativ sah. Im selben Jahr kam Bernie Sanders aus der Tiefe des linken Felds und lief beinahe der stark favorisierten Hillary Clinton bei der Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei den Rang ab, indem er die Vereinigten Staaten von heute in seiner Kampagne immer wieder als völlig am Boden zerstört darstellte. Die Zukunftsaussichten der Menschen, so behauptete Sanders, seien „zerstört“ worden, mit Ausnahme derjenigen der allerreichsten Mitglieder der Gesellschaft. Sanders’ Unterstützer bejubelten seine genüsslich ausgebreiteten pessimistischen Behauptungen, von denen manche mindestens ebenso irrsinnig waren wie alles, was Trump jemals von sich gegeben hat. Sanders verkündete, die Amerikaner würden durch Umweltverschmutzung „vergiftet“, die auf die Gier der Großkonzerne zurückzuführen sei. Falls wir wirklich körperlich vergiftet werden, ist es doch seltsam, dass wir trotzdem immer länger leben.
Der Glaube, die Lage sei viel schlimmer, als sie tatsächlich ist, war nicht nur in den Vereinigten Staaten zu beobachten. Objektiv ging es Großbritannien im Jahr 2016 besser als je zuvor – gemessen an einem kräftigen Wirtschaftswachstum, der niedrigsten Arbeitslosenquote aller EU-Mitgliedsländer, großer persönlicher Freiheit, guter staatlicher Gesundheitsfürsorge, hohen Realeinkommen und fast jedem anderen Leitindikator. Kein einziger Brite aus den aktuellen Generationen ist in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen europäischen Großmächten gefallen, im Gegensatz zu den zwei Millionen Toten und fünf Millionen Schwerverletzten aus den vorangegangenen Generationen, die europäischen Kriegen zum Opfer fielen. Dennoch forderten wütende britische Wähler im Jahr 2016, aus der Europäischen Union auszusteigen, weil sie offenbar glaubten, in ihrem von Ruhe und Wohlstand geprägten Gemeinwesen gehe es „immer nur bergab, bergab, bergab“.
Es gibt vier grundlegende Arten von Wissen. Die erste ist Gewissheit: Wir können sicher sein, dass die Sonne 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Eine zweite ist Glaube oder Zweifel: Wir können Überzeugungen, die auf dem Glauben an Gott beruhen, weder beweisen noch widerlegen. Eine dritte ist Meinung: Es gibt kein Richtig oder Falsch bei Geschmacksfragen – etwa welches Bier am besten schmeckt oder ob es beim Fußball den Videobeweis geben sollte.
Und dann ist da noch das, was wir glauben wollen. Was wir glauben wollen, kann jegliche Wahrnehmung, Beweisführung oder subjektive Haltung auf den Kopf stellen. Trump, Sanders und die Brexit-Bewegung trafen einen Nerv, weil die Leute das Schlimmste über die gesellschaftlichen Zustände glauben wollten. Sie wollten das Schlimmste glauben, obwohl es den Vereinigten Staaten damals so gut ging wie noch nie, man über Großbritannien das Gleiche sagen konnte und es der Welt insgesamt noch nie so gut gegangen war.
Natürlich gibt es immer viele Menschen und Familien, die mit persönlichen, gesundheitlichen oder finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Der Tag, an dem kein einziger Mensch mehr krank, in Not oder verzweifelt ist, wird niemals kommen. Aber insgesamt gesehen ging es den Menschen zu keinem Zeitpunkt der amerikanischen Geschichte besser als 2016: Der Lebensstandard, das Pro-Kopf-Einkommen, die Kaufkraft, Gesundheit, Sicherheit, Freiheit und Lebenserwartung waren auf einem so hohen Niveau wie noch nie zuvor, und Frauen, Minderheiten und Homosexuelle genossen Freiheiten, die sie noch nie zuvor gehabt hatten. Und es hat auch noch nie eine Phase der menschlichen Geschichte gegeben, in der es einem typischen Bewohner der Welt so gut gegangen wäre.
Dazu eine Kennzahl. Zur selben Zeit, als die Menschen Trump und Sanders zujubelten, weil sie überall nur Zerstörung sahen, war der „misery index“ (Elendsindex) – der sich aus Arbeitslosenquote plus Inflationsrate ergibt – auf seinem niedrigsten Stand seit einem halben Jahrhundert (bei dieser Kennzahl gilt: je niedriger, desto besser). Der normale Bürger muss leiden, wenn Arbeitslosigkeit und Inflation zur gleichen Zeit hoch sind; 2016 waren beide zur gleichen Zeit ungewöhnlich niedrig. Gewerkschaftsführer sprechen von den 1960er-Jahren als einem „goldenen Zeitalter für Arbeiter“, aber damals war der Elendsindex höher. Die Republikaner bezeichnen gern die Amtszeit Ronald Reagans als US-Präsident als ein „goldenes Zeitalter für Familien“, aber damals war der Elendsindex höher. Die Demokraten sprechen von der Amtszeit von US-Präsident Bill Clinton als dem „goldenen Zeitalter, um Wohlstand aufzubauen“, aber damals war der Elendsindex höher. Falls der Elendsindex der beste Indikator für die Lebensumstände des durchschnittlichen Amerikaners ist – was er vermutlich ist –, dann war 2016 ein goldenes Jahr. Dennoch beschworen die Kandidaten der Präsidentschaftswahlen 2016 den Weltuntergang herauf – und die Wähler wollten ihnen glauben.
In meinem 2003 erschienenen Buch The Progress Paradox (Das Fortschrittsparadox) vertrat ich die Auffassung, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten und anderen entwickelten Ländern unter „collapse anxiety“ (Kollapsängsten) leiden – also unter der Angst, dass es ihren Lebensstil möglicherweise bald nicht mehr geben werde. Viele Beobachter befürchten, dass die von freien Marktwirtschaften, Rohstoffverbrauch, individuellen Freiheiten und demokratisch gewählten, rechtsstaatlichen Regierungen geprägte Gesellschaftsform nicht mehr lange überdauern wird. In diesem Buch werde ich eine ganze Reihe von Gründen aufzeigen, warum der westliche Lebensstil stabiler ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag – und warum eine bessere Welt näher ist, als es scheint. Aber niemand kann sicher sein, dass es nicht zu einem Zusammenbruch kommen wird, und diese Ungewissheit scheint ein ständiges, diffuses Unbehagen zu erzeugen, durch das die Menschen sich schlecht fühlen, obwohl objektiv gesehen der Zustand des Landes – und der Welt – meistenteils gut ist.
Seit The Progress Paradox erschien, habe ich versucht, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen: Obwohl das Leben immer besser wird, fühlen sich die Menschen immer schlechter. Wenn ich sage, das „Leben wird besser“, meine ich damit keineswegs alle Aspekte des Lebens – und auch nicht, dass es ausnahmslos für jeden einzelnen Menschen besser wird –, sondern vielmehr, dass es heute den meisten Menschen in den meisten Aspekten des Lebens besser geht als jeder früheren Generation.
Das scheint eigentlich kaum zu bestreiten zu sein – steht aber doch im Gegensatz zum gesellschaftlichen Konsens, weil heute so viele Menschen das Schlimmste glauben wollen. Darüber habe ich viel nachgedacht und mich entschieden, das Buch, das Sie jetzt in Händen halten, zu recherchieren und zu schreiben. Es hat drei Ziele.
Erstens will ich zeigen, dass trotz all der Ängste, des digitalisierten Geschreis und der nervenaufreibenden Oberflächlichkeit unserer Zeit die Lebensumstände in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union – sowie in den meisten, wenn auch keineswegs allen anderen Ländern – günstiger sind, als allgemein angenommen wird.
Das zweite Ziel ist, zu fragen, warum das so ist. Die günstigen Lebensumstände in den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern entstanden nicht durch Zufall. Warum werden die meisten Dinge besser statt schlechter? Welche tieferen Ursachen – und vor allem welche Arten von Reform – verhindern einen Niedergang?
Drittens will ich in diesem Buch versuchen, die in der Vergangenheit aus erfolgreichen Reformen gelernten Lektionen aufzunehmen und sie auf die Dilemmata des 21. Jahrhunderts – etwa zunehmende Ungleichheit und Klimaveränderung – anzuwenden.
Aufgrund dieser drei Zielsetzungen hoffe ich, zeigen zu können, dass der Pfeil der Geschichte nach oben zeigt. Ich gehe nicht davon aus, dass der Lauf der Geschichte deterministisch sei, bestimmt durch Kräfte außerhalb unserer Entscheidungsmacht. Ich gehe auch nicht davon aus, dass der Lauf der Geschichte teleologisch sei, gelenkt auf ein wie auch immer geartetes Ziel. Und ich will nicht behaupten, dass der Lauf der Geschichte zyklisch ist oder im Voraus bestimmt durch etwas, was aus früheren Ereignissen vorhergesagt werden kann. (Thesen, dass die Geschichte in Zyklen verlaufen würde, beruhen auf der Annahme, es gebe „Geheimnisse“, die den Lauf der Geschichte „bestimmen“; vor diesem Hintergrund ist es beunruhigend, dass einige von Donald Trumps wichtigsten Beratern an den Hokuspokus von geschichtlichen Zyklen glauben.) Ich will nur behaupten, dass im Laufe der Zeit das Dasein der Menschen durchweg besser geworden ist und daher zu erwarten ist, dass diese Entwicklung sich auch in Zukunft fortsetzen wird.
Der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebende französische Philosoph Frédéric Bastiat war davon überzeugt, dass man, um eine Situation richtig einschätzen zu können, unbedingt auch berücksichtigen müsse, was stattdessen hätte geschehen können. Sein Essay zu diesem Thema, Ce qu’on voit et ce qu’on ne voit pas (Was man sieht und was man nicht sieht), wurde zur Grundlage dessen, was Ökonomen heute als „Opportunitätskostenanalyse“ bezeichnen: Man solle nicht nur über das nachdenken, was tatsächlich geschehen ist, sondern auch über das, was nicht geschah und somit ungesehen bleibt. Was sehen wir nicht auf unserer großen, sich drehenden Welt? Als Auftakt zu den drei Zielsetzungen für dieses Buch überlegen Sie einmal einen Moment, über welche Nöte wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.
Die Getreidesilos sind nicht leer. Es sind zwei Jahrhunderte vergangen, seit Thomas Malthus vorhersagte, dass die Zunahme der Erdbevölkerung dazu führen werde, dass massenhaft Menschen verhungern – was unvermeidlich sei, ein ehernes Gesetz. In den 1960er-Jahren wurde vorhergesagt, dass schon bald Hunderte von Millionen, womöglich gar Milliarden von Menschen verhungern würden. Stattdessen berichteten die Vereinten Nationen 2015, dass die Unterernährung auf der Welt so weit zurückgegangen sei wie noch nie zuvor. Hunger werde fast immer durch Verteilungsprobleme oder korrupte Regierungen verursacht, nicht durch einen Mangel an Nahrung; noch zu unseren Lebzeiten könne der Hunger eliminiert werden.
Die natürlichen Rohstoffe sind nicht erschöpft. In den 1970er-Jahren wurde oft prognostiziert, dass Erdöl und Erdgas bis zur Jahrtausendwende aufgebraucht sein würden, wodurch eine gravierende Treibstoffknappheit entstehen werde. Stattdessen herrscht heute auf der ganzen Welt ein Überangebot an Öl und Gas, die so leicht und billig erhältlich sind, dass die bei ihrer Verbrennung freigesetzten Treibhausgase eine Veränderung des Klimas verursachen. Mineralien und Erze, von denen ebenfalls erwartet wurde, dass sie zur Neige gehen würden, sind nach wie vor im Überfluss vorhanden. Trotz der unglaublichen Zunahme an Menschen, Fahrzeugen, Flugzeugen und Gebäuden wurden die natürlichen Rohstoffe nicht erschöpft.
Es gibt keine unaufhaltsamen Epidemien. Unaufhaltsame Ausbrüche durch Superviren und mutierte Krankheitserreger wurden als Bedrohung für eine wachsende Welt angesehen; stattdessen gehen die Häufigkeitsraten so gut wie aller Krankheiten zurück, einschließlich der meisten Krebsarten. Im Jahr 2000 berichteten die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC, US-Seuchenschutzbehörde), dass heute mehr Amerikaner wegen ihrer Fettleibigkeit sterben als durch Krankheitserreger. Die Sterblichkeitsraten aufgrund von Infektionskrankheiten sind in fast allen Ländern zurückgegangen, auch in den ärmsten.
Mit jedem Jahr, das ins Land geht, steigt die Lebenserwartung, nicht nur in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. In fast allen Ländern leben die Menschen länger, und es kommt weniger häufig zu Herzinfarkten und Schlaganfällen. Und selbst in den ärmsten Ländern der Welt gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Trend zu immer längerer Lebenserwartung zu Ende gehen könnte.
Die westlichen Länder ersticken nicht an Umweltbelastungen. Noch vor einer Generation – also gegen Ende der 1980er-Jahre – waren die Großstädte Denver, Houston, Los Angeles und San Diego durch Smog beinahe unbewohnbar geworden, und die Luftverschmutzung in vielen Regionen der USA und Europas führte zu weitverbreiteten Atemwegserkrankungen. Heute ist die Qualität der Luft in Los Angeles um so viel besser geworden, dass im Los-Angeles-Becken manchmal mehrere Jahre vergehen, bevor es zu einem gravierenden Smogalarm kommt. Und San Diego verzeichnete 2014 die geringste Luftverschmutzung seit Beginn der Aufzeichnungen. In den Vereinigten Staaten ist auf nationaler Ebene die Luftverschmutzung seit 1990 im Winter um 77 Prozent und im Sommer um 22 Prozent zurückgegangen – Verbesserungen, die erzielt wurden, obwohl im selben Zeitraum die US-Bevölkerung rapide wuchs. Noch 1980 erwartete man, dass große Wälder im Osten der Vereinigten Staaten und in Mitteleuropa durch sauren Regen zerstört werden würden. Seit 1990 ist die Verschmutzung mit Schwefeldioxid, der Hauptursache von saurem Regen, in den Vereinigten Staaten um 81 Prozent und in Europa ganz erheblich zurückgegangen. Die Appalachenwälder in den Vereinigten Staaten und der Schwarzwald in Deutschland sind heute in einem besseren Zustand, als sie es seit dem 18. Jahrhundert gewesen sind.
Viele Städte in Afrika, Asien und Indien haben nach wie vor unter Smog und Rauch zu leiden; im Westen wird die Luft schon seit Langem nicht mehr mit Rauch belastet, außer bei Waldbränden. Doch auch in den meisten Entwicklungsländern geht der Trend zu weniger Luft- und Wasserverschmutzung, obwohl auf der Welt immer mehr Menschen leben und wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen. Es gibt eine weltweite Ausnahme von diesen Trends, nämlich Treibhausgasemissionen. Und das, was Sie im Talkradio zu hören bekommen, brauchen Sie nicht zu glauben – es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Klimaveränderung zumindest teilweise vom Menschen verursacht ist.
Die Wirtschaft macht uns alle verrückt, funktioniert aber nach wie vor. Viele sind seekrank geworden von den wirtschaftlichen Turbulenzen unserer Zeit, aber seit der Weltwirtschaftskrise vor gut 80 Jahren hat es keinen weltweiten Zusammenbruch der Wirtschaft mehr gegeben. Der Lebensstandard steigt für fast alle Menschen, vor allem für jene, für die dieser Trend am wichtigsten ist – die Armen. Auf der ganzen Welt werden reichlich Waren und Dienstleistungen angeboten; fast jährlich verzeichnet die globale Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung neue Höchststände. Die Einkommenszuwächse in den westlichen Ländern sind moderat, doch die Kaufkraft der Mittelschicht – die wichtiger ist als das Bruttoeinkommen – nimmt ständig zu. Das „Schrumpfen der Mittelschicht“, von dem Sie schon so viel gehört haben? In den Vereinigten Staaten liegt es vor allem daran, dass so viele Menschen sozial auf- und nicht absteigen.
Bei einem Aspekt, der innerhalb der Vereinigten Staaten und Europas nicht zu sehen ist, läuft die Weltwirtschaft sogar auf Hochtouren: Die Armut in den Entwicklungsländern nimmt rapide ab. Im Jahr 1990 lebten 37 Prozent der Menschheit in Umständen, die die Weltbank als „extreme Armut“ definiert; heute sind es nur noch zehn Prozent. Das mag nur ein schwacher Trost sein für jemanden, der durch den weltweiten Handel seinen Arbeitsplatz im nördlichen Mittelwesten der USA oder in Nordengland verloren hat, doch dieselben Kräfte, die für einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien zu wirtschaftlichen Belastungen führten, bewirkten auch einen enormen Rückgang der Not in Afrika, Asien und Lateinamerika. Der Rückgang der Armut in den Entwicklungsländern sollte als der wichtigste Fortschritt des letzten Vierteljahrhunderts betrachtet werden. Da diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten und in Europa nicht beobachtet werden kann, ist sie den meisten Menschen im Westen nicht bewusst.
Kriminalität und Kriege werden nicht schlimmer. Vor einer Generation, als immer mehr Menschen ermordet wurden und die Supermächte ihre nuklearen Waffenarsenale aufrüsteten, schien der Menschheit eine grauenhafte Zukunft mit durch Gewalttaten verwüsteten Städten und ständigen Kriegen bevorzustehen. Stattdessen sind die Kriminalitätsraten in den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern seit 1990 erheblich zurückgegangen – der Central Park bei Nacht ist heute ebenso sicher wie der Yellowstone Park am Tag. Der Rückgang der Kriminalität führte zu einem Wiederaufblühen der Städte, das fast jedem nützt – auch den Afroamerikanern, die heute wesentlich seltener zu Mordopfern werden als vor einer Generation und die auch, ungeachtet entsetzlicher Ausnahmen von dieser Regel, wesentlich seltener zu Opfern von Polizeigewalt werden als in den vergangenen Jahrzehnten.
Obwohl es traurige Ausnahmen gibt, etwa den Syrienkrieg, sind seit etwa 1990 die Häufigkeit und die Schwere von kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit zurückgegangen; global gesehen sind die Pro-Kopf-Rüstungsausgaben rückläufig. Die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation bauen keine neuen Atombomben mehr, sondern demontieren Zehntausende dieser Höllenmaschinen und schmelzen dann die Einzelteile im Beisein internationaler Kontrolleure ein.
Ungefähr seit 1990 ist das Risiko eines Menschen, eines gewaltsamen Todes zu sterben, niedriger als jemals zuvor seit Menschengedenken. Diese Aussage gilt sogar angesichts der Welle islamistischer Terroranschläge in Europa und der Massenmorde in den Vereinigten Staaten, die 2016 stattgefunden haben. Außer in Afghanistan, im Irak, im Sudan und in Syrien war 2016 das Risiko, dass irgendjemand in irgendeinem Land durch eine Gewalttat ums Leben kommt, niedriger als jemals zuvor. Selbst unter dem Druck ihrer wachsenden Bevölkerung wird die Welt immer sicherer.
Die Diktatoren verlieren an Boden. Während des Zweiten Weltkriegs, als sich Finsternis über beide Hemisphären ausbreitete, konnte sich nur eine Handvoll freier Gesellschaften gegen Tyrannei behaupten. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte der Kommunismus die Armut eines Polizeistaats über China und die Sowjetunion, ganz so, als wolle er den Job zu Ende bringen, den der Faschismus begonnen hatte. Weitsichtige Denker wie George Orwell sagten die Errichtung einer weltweiten absoluten Diktatur voraus, die den Menschen auch das letzte bisschen Freiheit nehmen würde.
Stattdessen haben Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit einen Sieg nach dem anderen davongetragen. Einige Länder werden rückfällig (Türkei, Russland), andere wurden ins Chaos gestürzt durch das, was der Demokratietheoretiker Larry Diamond als „räuberische Regierung“ bezeichnet (Nigeria, Venezuela), doch zu Lebzeiten der jetzigen Generation konnte sich in keinem freien Land ein Diktator etablieren. China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, experimentiert behutsam mit neuen Freiheiten, und Indien, das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung, hält an Meinungsfreiheit und freien Wahlen fest, wenn auch unter Schwierigkeiten. Die technologischen Entwicklungen, von denen Orwell befürchtete, sie würden Diktatoren in die Lage versetzen, jedes Detail im Leben der Menschen zu überwachen, haben stattdessen dem Normalbürger einen Zugang zu Informationen verschafft, den seine Regierung nicht kontrollieren kann.
Es gibt zahlreiche andere Bereiche, in denen die Probleme, die wir nicht haben, leicht übersehen werden können. Trotz Videospielen und einer Kultur, die eine kurze Aufmerksamkeitsspanne fördert, ist es nicht zu grassierender Ignoranz gekommen: Die Bildungsniveaus steigen, und auch in den Entwicklungsländern ist es keine Ausnahme mehr, dass Mädchen zur Schule gehen. Es ist nicht nur gerecht, dass gut ausgebildete Mädchen und Frauen verantwortungsvolle Positionen in Unternehmen, Regierungen und Wissenschaft übernehmen; dadurch verdoppelt sich auch die Zahl der Ideen, die der Welt zugutekommen. Der technische Fortschritt ist nicht Amok gelaufen: Autos, Flugzeuge, Medikamente und selbst viele Waffen sind weniger gefährlich geworden. Es ist viel Aufhebens gemacht worden um das Verschwinden von industriellen Arbeitsplätzen, eine Entwicklung, die freilich schon lange vor dem Handel mit China begonnen hat und aufgrund der fortschreitenden Automatisierung schon immer unvermeidlich war, ganz unabhängig von der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft. Aber kaum jemand spricht davon, dass mittlerweile 60 Prozent der Amerikaner als Büroangestellte arbeiten. Auch eine Bürotätigkeit kann Stress oder Langeweile mit sich bringen, aber keine schwere körperliche Arbeit, und niemand muss in einem Büro schädliche Industriegase einatmen.
Sämtliche oben angeführten Punkte werden in den kommenden Kapiteln ausführlich belegt werden.
Dass die Lage in den USA, in Europa und auf der Welt insgesamt besser ist, als sie allgemein wahrgenommen wird, sollte nicht zu Selbstzufriedenheit führen, sondern zum Gegenteil: Das Bewusstsein, dass Fortschritte erzielt werden, sollte uns zu verstärkten Reformanstrengungen motivieren. Die Herausforderungen unserer Zeit sind entmutigend: Ungleichheit, Rassenspannungen, Klimaveränderung, illegale Einwanderung, Flüchtlinge, denen nichts anderes übrig bleibt, als Kriegsgebiete oder gescheiterte Staaten zu verlassen, endlose Kriege im Nahen Osten, die Schreckensherrschaft von Tyrannen und Warlords in manchen Regionen Afrikas, ein schlechtes staatliches Bildungswesen, eine seichte und von Konzerninteressen getriebene Kultur, die den Bildungsauftrag der staatlichen Schulen zu einer Sisyphusarbeit macht, ein öffentlicher Diskurs, der von Wut geprägt ist – die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen.
Außerdem kann man davon ausgehen, dass gerade ein neues riesiges Problem direkt auf uns zurast. Man nehme irgendein beliebiges Jahr aus der Vergangenheit: Unweigerlich ist unerwartet ein großes Problem aufgetreten. Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass für jedes gelöste Problem ein neues entsteht. Also werde ich in diesem Buch nicht sagen, „don’t worry, be happy“ – es gibt eine Menge, worüber man sich Sorgen machen kann, aber dabei sollte man auch optimistisch sein. Optimismus macht uns nicht blind für die zahlreichen Fehler der Welt; vielmehr ist Optimismus die Überzeugung, dass Probleme gelöst werden können, wenn wir nur die Ärmel hochkrempeln und uns an die Arbeit machen.
Optimismus war einmal die Einstellung von Menschen, die über die Zukunft nachdachten. Die Progressiven, die vor 100 Jahren lebten, waren durch und durch Optimisten: Sie strebten nach Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Freiheit von materieller Armut für alle Männer und Frauen, und sie glaubten, dass dies keine leeren Slogans seien, sondern Fortschritte, die tatsächlich auf einer praktischen Ebene erreicht werden konnten. Sie sahen eine Zukunft, in der, wie es in der letzten Strophe des Heimatlieds America the Beautiful (Amerika, die Wunderschöne) heißt, „alabaster cities gleam undimmed by human tears“ (alabasterne Städte glänzen ungetrübt von menschlichen Tränen).
Dann kam Pessimismus in Mode, zuerst in der akademischen Welt und von dort aus dann auch in der breiten Öffentlichkeit. Heute herrscht die gängige Meinung vor, dass jeder halbwegs informierte Mensch das Gefühl haben sollte, die Welt rase ihrem Untergang entgegen – wenn Sie nicht glauben, dass alles ganz schrecklich ist, erkennen Sie nur den Ernst der Lage nicht!
In seinem Wahlkampf mischte Trump stampfenden Pessimismus über die Gegenwart mit nostalgischen Sehnsüchten nach der Vergangenheit und sagte: „I love the old days.“ Wann genau war denn eigentlich diese „gute alte Zeit“? Und wo fand sie statt? In jeder Phase der Vergangenheit war die Lebenserwartung der Menschen kürzer, ihr Lebensstandard niedriger, Diskriminierung und Umweltverschmutzung schlimmer und die Freiheit gefährdeter.
Der konservative Intellektuelle Yuval Levin hat geschrieben, die Amerikaner hingen einer „Politik der konkurrierenden Nostalgie“ an, die fordere, in eine verklärte Vergangenheit zurückzukehren, die jedoch nie erreicht werden könne, weil es sie von vornherein nie gegeben habe. Eine bessere Zukunft kann dagegen durchaus erreicht werden. Optimismus muss wieder intellektuell respektiert werden. Optimismus ist das beste Argument für Reformen – und der Bogen, der den Pfeil der Geschichte treibt.
Bethesda, Maryland
im Juli 2017
Einige Hinweise für den Leser :
● Alle in diesem Buch genannten Geldbeträge wurden um die Inflation bereinigt; das heißt, dass Beträge aus der Vergangenheit entsprechend ihrer damaligen Kaufkraft in heutige Dollars oder eine andere Währung umgerechnet wurden.
● Länder werden mit ihren heutigen Namen bezeichnet.
● Wenn es im Text heißt, eine Person „sagte“ oder „hat gesagt“, stammt das betreffende Zitat aus einer öffentlich zugänglichen Quelle. Wenn der Text dagegen lautet, eine Person „sagt“, stammt das Zitat aus einem von mir geführten Interview.
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