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Was auf das Ende folgt Was auf das Ende folgt Was auf das Ende folgt - eBook-Ausgabe

Chris Whitaker
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Roman

— Vom SPIEGEL-Bestseller-Autor von „Von hier bis zum Anfang“

„Ein cooler Genre-Mix, spannend, clever und skurril.“ - Kleine Zeitung

Alle Pressestimmen (30)

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Was auf das Ende folgt — Inhalt

Ein Kind verschwindet, eine Mutter verzweifelt – und eine ganze Stadt stürzt in die Krise

Tall Oaks ist eine perfekte kalifornische Kleinstadt. Jeder kennt jeden und das Böse ist hier fremd. Die idyllische Fassade bekommt Risse, als der dreijährige Harry Monroe eines Nachts spurlos verschwindet. Trotz des riesigen Medienrummels und der besessenen Polizeiarbeit bleibt sein Schicksal ein Rätsel. Harrys verzweifelte Mutter stürzt sich in eine Suche, die mit jedem Tag aussichtsloser erscheint, während sie ihre Trauer mit Alkohol und Männern zu betäuben versucht. In Tall Oaks ist nichts mehr, wie es war. Hinter ihrem Mitgefühl verbergen die Bewohner eigene Geheimnisse. Jeder in Tall Oaks wird zum Verdächtigen, und ungeheuerliche Dinge kommen ans Licht, die die Stadt für immer verändern  …

So begeistert war die Presse von Chris Whitakers „Von hier bis zum Anfang“:

„Wie grandios erzählt und doch so abgrundtief traurig.“ SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

„Einer der ergreifendsten und dramatischsten Romane dieses Jahres. Er ist tragisch, traurig, herzzerreißend und doch auch wieder voller Hoffnung.“ WDR4

„Ein Verbrechen ist leicht beschrieben, schwieriger ist es, sich die Wunden anzusehen, die dadurch entstehen und nicht verheilen können. Whitaker ist darin ein Meister.“ SPIEGEL

Das sagt die Presse über „Was auf das Ende folgt“:

„Ein absolutes Vergnügen. Sehr originell.“ GUARDIAN

„Es ist selten, dass ein Roman sowohl grandios komisch als auch tragisch sein kann und beides so mühelos unter einen Hut bringt.“ SUN

„Ein fesselndes Debüt.“ MAIL ON SUNDAY

„Eine durch und durch faszinierende Lektüre.“ HEAT

„Dieses eigenwillige Debüt ist unterhaltsam und fesselnd.“ SUNDAY TIMES

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erschienen am 30.06.2022
Übersetzt von: Wolfgang Müller
400 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-492-07152-9
Download Cover
€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 28.11.2024
Übersetzt von: Wolfgang Müller
400 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-32080-1
Download Cover
€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 30.06.2022
Übersetzt von: Wolfgang Müller
448 Seiten
EAN 978-3-492-60238-9
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Leseprobe zu „Was auf das Ende folgt“

1

Und jetzt der Clown

Jim ließ die Jalousien herunter, stöpselte das Telefon aus und legte das Band ein. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, atmete durch und drückte auf Start.

Das Rauschen war ein vertrautes, aber deshalb nicht weniger beunruhigendes Geräusch. Er wusste, was ihn erwartete.

Er übersprang die einleitenden Bemerkungen und hörte weiter, als Jess’ Stimme ertönte.

»Das Babyfon ist so ein neues Modell mit Monitor. Unten in Harrys Zimmer ist eine kleine Kamera installiert, die Basisstation steht neben meinem Bett. Ich war nervös, weil Harry [...]

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1

Und jetzt der Clown

Jim ließ die Jalousien herunter, stöpselte das Telefon aus und legte das Band ein. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, atmete durch und drückte auf Start.

Das Rauschen war ein vertrautes, aber deshalb nicht weniger beunruhigendes Geräusch. Er wusste, was ihn erwartete.

Er übersprang die einleitenden Bemerkungen und hörte weiter, als Jess’ Stimme ertönte.

„Das Babyfon ist so ein neues Modell mit Monitor. Unten in Harrys Zimmer ist eine kleine Kamera installiert, die Basisstation steht neben meinem Bett. Ich war nervös, weil Harry unten in seinem Zimmer schlief, vor allem weil es zwei Stockwerke tiefer liegt, im Tiefparterre. Ziemlich weit bis da runter. Das Haus ist eigentlich nicht geeignet für eine Familie. Aber Michael mochte es trotzdem.“

Jim drehte etwas lauter und schloss die Augen. Er hörte, wie sie einen Schluck Wasser trank, und zuckte leicht zusammen, als das Glas ihre Zähne berührte.

„Das Wort ›Tiefparterre‹ ist mir lieber, so hat es auch der Makler genannt. ›Keller‹ gefällt mir nicht, das klingt so gruselig, so dunkel und kalt. Trotzdem, Harrys Zimmer ist schön. An den Wänden kleben Tiersticker, die Decke haben wir blau gestrichen, himmelblau.“

Sie hustete leicht und rutschte auf ihrem Stuhl herum.

„Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich mal länger als eine Stunde schlafen konnte. Ohne einen Blick auf den Monitor zu werfen, um nachzusehen, in welcher Lage er schlief oder ob er die Decke vom Bett gestrampelt hatte. Durch die Nachtsichteinstellung glühte das Zimmer irgendwie gespenstisch grün, dann sah seine Haut so blass aus, dass ich glaubte, es ist ihm eiskalt da unten.“

Sie lachte. Es war ein kurzes, nervöses Lachen.

„Ich wusste eigentlich nicht, warum ich mich damals in der Nacht aufgesetzt habe, warum ich schwitzte, warum ich so starkes Herzklopfen hatte. Ich weiß noch, dass ich den Wecker nahm und sah, dass es 3:19 Uhr war. Komisch … an was man sich so erinnert.“

Wieder eine Pause, wieder ein Hüsteln.

„Ich sah auf den Monitor und sträubte mich dagegen, nach ihm zu schauen. Dieser Kontrollwahn hat mich verrückt gemacht … Schließlich war er schon drei, kein Baby mehr. Ich griff nach dem Wasserglas … Mein Hals war trocken und kratzig … Bin mir nicht sicher … Vielleicht wurde ich krank … eine Erkältung oder so was.“

Sie räusperte sich. „Bin ich zu geschwätzig?“

Er hörte seine eigene Stimme. Gelassen, beruhigend, routiniert. „Nein, du machst das gut.“

„Ich habe mich wieder hingelegt und auf den leeren Bildschirm geschaut. Alles in Ordnung. Harry ging es gut. So war das jede Nacht, seit Michael weg war. Ich war ein Wrack … Ich bin ein Wrack, völlig am Arsch. Die Frau, die ich mal war … weg, verschwunden … Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mich überhaupt noch an sie erinnere. Ich frage mich, ob ich sie jemals wiedersehe … ich meine, diese Person. Hört sich das verrückt an?“

Er hatte sanft gelächelt und den Kopf geschüttelt.

„Meine Mutter hat gesagt, das braucht einfach seine Zeit, bis ich wieder in die Spur komme. Aber wie viel Zeit? Wie lange geht das so weiter, bis es wieder besser wird? Sie weiß es auch nicht, sie kann es mir nicht sagen. Ich warte auf den Tag, an dem ich nicht mehr an Michael denken muss, an dem der Schalter umgelegt ist, von Dunkel auf Hell. Gleichzeitig habe ich eine Heidenangst davor, neu anzufangen, dafür liebe ich ihn zu sehr. Verstehst du das, Jim?“

Er hatte ihr in die Augen geschaut und leicht genickt.

„Ich frage mich, wann ich wieder imstande bin, mich an den Esstisch zu setzen und nicht darüber nachzudenken, mit wem er isst oder, noch schlimmer, mit wem er schläft. Es ist wie eine Krankheit, die einen auffrisst. Ich atme ihn ein, aber nie aus. Bedeutet das, dass ich völlig am Arsch bin, Jim? Es ist einfach nicht gerecht. Er ist einfach zur Tür rausgegangen. Für ihn ist es ein Leichtes, jemand anderes zu finden. Ich bin jetzt eine alleinerziehende Mutter, die mit dem Ballast, die, wenn nicht ein kleines Wunder geschieht, nie mehr einen anständigen Kerl erwischt … einen, der Vater für das Kind eines anderen Mannes sein will. Wer will das schon? Ich meine, ehrlich jetzt? Ich versuche, diesen Gedanken zu verdrängen. Aber als ich nachts im Bett lag … damals in der Nacht …“

Sie versank in tiefes Schweigen.

Sie machten eine Pause. Diesmal, weil sie auf die Toilette musste.

Er dachte daran, das Band anzuhalten – das tat er immer an dieser Stelle. Er fuhr mit dem Finger über die Taste und zog ihn zurück, als ihre Stimme wieder ertönte.

„Es dauerte eine ewig lange Stunde, bis ich mich langsam entspannte. Ich konnte kaum noch die Augen aufhalten, meine Gedanken schweiften ab. Und dann hörte ich es.

Ein Flüstern.

›Jessica.‹

Ich riss die Augen auf, mir stockte der Atem. Ich schaute auf den Monitor. Er war noch dunkel, das grüne Licht brannte noch.

Ich musste mir das eingebildet haben. Reiß dich zusammen, Jess. Das habe ich gedacht, Jim. Meine Gedanken spielten mir wieder einen Streich, so wie damals, als Michael mich zum ersten Mal verlassen hatte. Damals war es nicht so schlimm gewesen, weil Harry in meinem Bett geschlafen hatte – ich wollte das so, seinetwegen. Aber auch für mich. Dabei wollte er eigentlich gar nicht. Stell dir das vor. Ein dreijähriger Junge, der alleine schlafen wollte. So erwachsen.“

Sie räusperte sich.

„Ich setzte mich auf. Meine Hand zitterte, als ich nach dem Wasserglas griff.“

Er erinnerte sich, dass ihre Wangen glühten und ihre Augen unruhig umherblickten.

„Dann habe ich es wieder gehört.

›Jessica.‹

Immer noch flüsternd, aber ein bisschen lauter diesmal.“

Ihre Worte überschlugen sich.

„Ich ließ das Glas fallen. Ich hob den Monitor hoch und drückte auf den Knopf. Ich beruhigte mich wieder, als ich sah, dass Harry mit den Händen über dem Kopf auf dem Rücken lag und fest schlief. Seit er ein Baby war, schlief Harry so. Ich musste mir das eingebildet haben. Nur eine Stimme in meinem Kopf. Das habe ich mir immer wieder eingeredet. Das macht man eben … Man rationalisiert. Ich beobachtete ihn, bis der Bildschirm wieder dunkel wurde. Ich stellte ihn wieder auf den Nachttisch und zwang mich dazu, mich wieder hinzulegen. Ich dachte, ich drehe durch, Jim. Ich nahm mir vor, am Morgen meine Mutter anzurufen und es ihr zu erzählen. Vielleicht kämen dann die Männer in den weißen Kitteln und würden mich irgendwohin bringen.

Ich konnte nicht wieder einschlafen. Immer wieder ging mir der Gedanke durch den Kopf, was, wenn ich mir das nicht eingebildet hatte? Was, wenn jemand in Harrys Zimmer war? Die Kamerasteuerung. Ich hatte die Kamerasteuerung vergessen. Ich nahm wieder den Monitor vom Nachttisch. An der Seite befanden sich vier Pfeile, mit denen man die Kamera bewegen konnte. Ich drückte auf den rechten Pfeil. Das Kameraauge fuhr an seinem Bett entlang, vorbei an seiner Spielzeugkiste, an dem Schaukelpferd und dem Bobby-Car. Ich hoffte, die Kamera würde kein Geräusch machen. Er schlief erst seit Kurzem durch, eine große Sache für einen Jungen, der vorher immer alle paar Stunden aufgewacht war.“

Jim konnte das Kratzen hören, als sich ihre Fingernägel vor Panik in den Tisch verkrallten.

„Die Kamera erfasste jetzt die gegenüberliegende Wand. Ich schwenkte wieder zurück. Und dann, kurz bevor das Bett wieder ins Bild kam, sah ich etwas. Ich bewegte die Kamera zurück auf Harrys Gesicht. Er sah so ruhig aus, Jim, so friedlich.“

Sie sprach jetzt leise, fast im Flüsterton.

„Ich drückte unregelmäßig auf den Pfeil. Ruckartig bewegte sich das Bild langsam nach rechts.

Ich drückte wieder. Das Bild ruckelte weiter.

Wieder und wieder …“

Sie hielt inne und rang nach Luft.

An diesem Punkt hatte er eine Pause machen wollen, hatte schon den Mund geöffnet, sagte dann aber doch nichts.

„Und dann blieb das Bild an dem Schaukelstuhl hängen, der in der Zimmerecke gegenüber steht.

Ich sah eine Gestalt in dem Schaukelstuhl, konnte aber nichts erkennen, es war zu weit weg.

Ich wusste nur, dass da keine Gestalt sein sollte.

Jeden Abend sitze ich mit Harry auf dem Schoß in dem Schaukelstuhl und lese ihm eine Geschichte vor. Ich kniff die Augen zusammen und schaute angestrengt.

Ich drückte auf den Zoomknopf und sah, wie die Gestalt langsam zu etwas wurde, das ich erkannte.

Ein Mann.

Ein Mann im Zimmer meines Sohnes.“

Ihre Stimme begann heftig zu zittern.

„Der Mann trug eine Clownsmaske.“

Er schluckte und merkte, dass sein Hals trocken war.

„Ich schrie, ließ den Monitor fallen und griff nach dem Telefon.

Ich hielt es an mein Ohr, aber die Leitung war tot … der Sturm. Ich lief durchs Schlafzimmer und blieb abrupt stehen, als ich etwas unter meinen Füßen spürte. Fast hätte ich wieder geschrien, aber dann sah ich das Glas auf dem Boden. Wasser. Das Wasser, das ich verschüttet hatte.“

Die Kratzgeräusche wurden lauter, schneller.

„Ich schlich die erste Treppe hinunter, wischte mir den Schweiß aus den Augen.

Ich lief durch den Flur und in die Küche. Ich konnte draußen den Regen sehen, weil ich die Jalousien nicht heruntergelassen hatte. Ich ging zum Messerblock und zog das größte heraus, das Tranchiermesser. Auf der zweiten Treppe nach unten blieb ich stehen und lauschte.

Mein Herz klopfte so schnell, Jim, dass ich nichts anderes hören konnte.

Bumm.

Bumm.

Wieder und wieder.

Ich holte Luft und lief zur Tür, drückte den Griff hinunter und stürzte ins Zimmer.

Ich schrie und schlug auf den Lichtschalter, umklammerte das Messer so fest, dass meine Fingerknöchel weiß wurden, und starrte auf den Schaukelstuhl.

Kein Clown.

Dann schaute ich zu Harrys Bett.

Ich ließ das Messer fallen und sank auf die Knie.

Mein Sohn war nicht da.

Er war weg.

Harry war weg.“

 

Jim rieb sich die Augen. Seine Schultern waren verkrampft. Er atmete schwer.

Er blieb noch lange im Dunkeln sitzen und hörte ihrem Weinen zu. Er musste sich zwingen, das Band anzuhalten.


2

Nadelstreifen und Termiten

Es war heiß draußen. Viel zu heiß für den schweren Wollanzug, erst recht für einen Dreiteiler. Aber da es der einzige mit Nadelstreifen gewesen war, hatte Manny darauf bestanden, dass seine Mutter ihn kaufte. Es half, dass er um die Hälfte heruntergesetzt war. Also hatte sie nachgegeben.

Als er aus dem Ford Escape stieg, klebte ihm das schweißnasse, gestärkte weiße Baumwollhemd seines Vaters am Rücken. Er schaute hinunter auf seine Schuhe – schwarze Budapester, die so sehr glänzten, dass sich der Fedorahut, der fest auf seinem Kopf saß, darin spiegelte. Der Scheißhut hatte nur Größe M und tat ihm richtig weh. Mr Phillips aus dem Herrenbekleidungsgeschäft auf der Main Street hatte ihm gesagt, dass er eigentlich einen in XL brauchte, während er das Maßband um seinen Kopf gelegt und dabei einen langen Pfiff ausgestoßen hatte. Er könnte ihm einen bestellen, aber für einen Kopf dieser Größe müsste der extra angefertigt werden, und das könnte Wochen dauern.

Manny drehte sich wieder zum Wagen um und schaute böse zu seiner hupenden und winkenden Mutter.

Er hatte sie angefleht, einen alten Cadillac oder einen Lincoln zu kaufen. Aber dann hatte der muskulöse Fordhändler mit dem Dreitagebart und dem blauen Silberblick angefangen, mit ihr zu flirten, und sie war dahingeschmolzen. Er hatte sie so zugetextet, dass sie ihm wahrscheinlich auch die Gummisohlen seiner Schuhe abgekauft hätte. Seit Mannys Vater abgehauen war, verhielt sie sich so: wie eine läufige, noch dazu alte Hündin. Während sie über den Hof mit den Gebrauchtwagen liefen, hatte Manny sich damit abgefunden, dass sein erstes Auto, das außer ihm auch seine Mutter benutzen würde, ein Ford Escape sein würde. Das Mindeste, was er sich vorgestellt hatte, war ein schwarzer Wagen gewesen, natürlich mit dunkel getönten Scheiben. Aber dann hatte ihnen der Muskelmann mit dem Silberblick ein Modell in Enteneiblau gezeigt. Während seine Mutter um den Wagen herumging, hatte der Muskelmann augenzwinkernd gesagt, er könne ihr einen guten Preis machen.

„Ohne Scheiß“, hatte Manny gesagt. „Welcher andere Penner würde sich schon einen Wagen in Enteneiblau andrehen lassen?“ Aber sein Flehen war letztlich auf verknallte Ohren gestoßen.

Als sie die Papiere unterschrieb, hatte Manny sich mächtig zusammenreißen müssen, um nicht in Tränen auszubrechen. Aber dann hatte ihn der Muskelmann von oben bis unten gemustert und seine Mutter gefragt, warum ihr Sohn aussehe wie ein Gangster aus den Fünfzigerjahren, und er hatte sich schon viel besser gefühlt. Die Menschen begannen ihn zu bemerken. Und das lag nicht nur an seiner Kleidung. Die siebzehn Wochen, seit denen er seine Oberlippe nicht mehr rasierte, begannen Früchte zu tragen. Der Schnurrbart hatte sich schließlich eingestellt, auch wenn er immer noch die falsche Form hatte. Die Gene hatten dafür gesorgt, dass Mannys Schnäuzer die Form eines Pfeils angenommen hatte. Eines Pfeils, dessen Spitze, abgesehen von einer kleinen Lücke, genau in der Mitte unter seiner Nase endete. Verzweifelt hatte er versucht, die Richtung zu ändern, aber ohne Erfolg. Einmal hatte der übereifrige Einsatz des Bartschneiders dazu geführt, dass er die Pfeilspitze etwas zu stark kürzte, was ihm unter seinen Klassenkameraden den Spitznamen „Adolf“ eingetragen hatte.

Jetzt spiegelte sich die Sonne in der enteneiblauen Karosserie, als der Escape aus seinem Blickfeld verschwand. Manny seufzte, drehte sich um und ging auf das Schultor zu.

„Scharfes Outfit, Manny.“

Manny drehte sich zu seinem besten Freund und zukünftigen Consigliere Abel Goldenblatt um. Nicht, dass er sich hätte umdrehen müssen, um zu sehen, wer da mit ihm sprach. Abel hatte eine tiefe Stimme, eine grotesk tiefe Stimme. Und wenn man sich diese grotesk tiefe Stimme mit seiner grotesk großen und grotesk dünnen Gestalt zusammendachte, dann war das Ergebnis … nun ja … grotesk.

„Scheiße, Abe. Ich hab dir doch gesagt, dass du ab sofort meinen anderen Namen benutzen sollst.“

„Tut mir leid, hab’s schon wieder vergessen.“

Manny runzelte die Stirn und ging langsamer, als er merkte, wie ihm der Schweiß von der Stirn auf den Kragen seines Hemdes lief, das ihm am Hals sicher zwei, drei Zentimeter zu eng war.

„Ich hab’s dir tausendmal gesagt, nenn mich einfach ›M‹. Für seine engsten Vertrauten ist Tony Soprano schließlich auch nur ›T‹.“

„Stimmt, tut mir leid, M. Muss ich in der Klasse auch M sagen?“

„Natürlich. Sonst kann es sich ja keiner merken. Hast du dir einen Namen für dich überlegt?“

Abe zuckte mit den Achseln. Sein Mangel an Engagement war offensichtlich.

Manny schaute ihn an und beklagte sich nicht zum ersten Mal über den Vornamen seines Freundes. „Was sind das für kranke, abgedrehte Eltern, die ihren einzigen Sohn Abel nennen? Okay, du bist Jude, aber es gibt haufenweise jüdische Namen, die besser sind als Abel.“

„Eigentlich finde ich Abe ziemlich cool. Biblische Namen erleben gerade eine Renaissance. Mein Cousin hat seinen Sohn gerade Binyamin getauft.“

„Du meinst Benjamin.“

Abe schüttelte den Kopf.

„Du kannst bei einem einwandfrei guten Namen nicht einfach ein paar Buchstaben austauschen.“

„Das ist ein richtiger Name. Binyamin … Netanyahu.“

„Weißt du was? Bei der Hälfte von dem, was du so erzählst, habe ich nicht die geringste Scheißahnung, wovon du überhaupt redest.“

Abe lachte. „Du hörst dich genauso an wie meine Tante Devorah.“

Manny grinste. „Erwischt. Guter Konter. Touché.“

Abe runzelte die Stirn.

Manny zupfte an seinem Kragen.

„Ich kann’s nicht glauben, Mann, dass wir bald durch sind mit der Schule. Dann sind wir frei“, sagte Abe und schob mit dem Zeigefinger seine Brille hoch.

„Hast du deine Mutter gefragt, ob wir den Volvo umlackieren können?“

„Noch nicht.“

„Und denk dran, sie auch wegen der Fenster zu fragen. Auf schwarze Scheibenfolie kriege ich zwanzig Prozent Rabatt. Die muss man aber vorsichtig kleben, sonst gibt’s Blasen.“

Abe schaute ihn nervös an. „Schwarze Scheiben, das erlaubt meine Mutter sicher nicht. Dann sieht sie nichts mehr. Du weißt doch, wie schlecht sie sieht.“

Vor Mannys geistigem Auge erschien Mrs Goldenblatt, deren Brille dickere Gläser hatte als die ihres Sohnes. Das Gestell hatte bereits eine bleibende Vertiefung auf ihrer Nase hinterlassen.

„Verdammte Scheiße, Abe. Wie sollen wir Kohle eintreiben, wenn wir nicht entsprechend auftreten? Apropos, du musst dir einen neuen Anzug kaufen.“

„Was stimmt mit dem nicht? Der ist von Brooks Brothers. Den habe ich, wenn du dich erinnerst, erst letztes Jahr zur Bar-Mizwa meines Neffen bekommen. Den sollte ich eigentlich bei diesem Wetter gar nicht tragen. Soll über dreißig Grad werden heute. Das ist gefährlich, sagt meine Mutter, ich könnte einen Hitzschlag bekommen.“

„Der ist hellbraun. Gangster tragen kein Hellbraun.“

„Das ist nicht Hellbraun. Der Typ in dem Laden meinte, das ist Trüffelbeige. Er meinte, das ist bei meiner Figur vorteilhafter als ein dunklerer Ton … macht mich breiter.“

Manny schaute ihn von oben bis unten an und seufzte.

„Und bei wem treiben wir eigentlich die Kohle ein? Und wann soll das ablaufen? Meine Mutter hat mir für den Sommer einen Job bei Mr Berlinsky besorgt, also muss das irgendwann außerhalb der Arbeitszeit passieren.“

„Mr Berlinsky? Der jüdische Metzger? Der steht auf meiner Liste mit den Leuten, die zahlen müssen. Da kannst du nicht arbeiten, Abe. Keine Chance. Die Leute lachen sich tot, wenn sie sehen, dass ich zusammen mit einem Metzgerburschen Kohle eintreibe. Wahrscheinlich stinkst du auch noch nach rohem Fleisch. Mir wird schon schlecht, wenn ich nur dran denke.“

„Ich kapier’s immer noch nicht. Wir zwei als Gangster, obwohl ich Jude bin, okay. Aber warum sollten uns diese Leute bezahlen?“

Manny riss sich zusammen, um nicht schreien zu müssen.

„Erstens, es spielt keine Rolle, dass du Jude bist. Italiener und Juden arbeiten seit Generationen zusammen. Nimm nur Lucky Luciano und Meyer Lansky. Scheiße, Mann, die waren allererste Liga.“

„Aber du bist kein Italiener, du bist Mexikaner.“

Manny biss sich in die Faust.

„Der Großonkel meines Vaters hat eine Italienerin geheiratet. Rosa. Das heißt, meine Cousins und Cousinen sind Italiener, weshalb meine Familie zum Teil italienisch ist, weshalb ich zum Teil italienisch bin. Und zweitens müssen sie bezahlen, weil, wenn sie nicht bezahlen, dann fängt hier in der ganzen Gegend die Kacke zu dampfen an. Glaubst du, Mrs Parker ist scharf darauf, dass in ihrem Tearoom die Milch ausgeht? Oder Mr Ahmed ist scharf darauf, dass seiner Reinigung der Strom abgestellt wird? Scheiße, Mann, natürlich nicht. Also werden sie bezahlen. Die hatten es viel zu lange viel zu einfach. Wird Zeit, dass denen mal jemand zeigt, wo der Hammer hängt.“

Abe schob seine Zweifel beiseite und stieß die Tür zum Klassenzimmer auf.

Als die anderen sie sahen, brachen sie in Gelächter aus. Auch der Lehrer lachte.

 

Roger spürte, wie sein Herz schneller schlug, als er den Computer einschaltete. Der Bildschirm war groß, und da der Fuß transparent war und man keine Kabel sehen konnte, schien er in der Luft zu schweben.

Er hatte eigentlich keine Verwendung für ein Arbeitszimmer, aber der Innenarchitekt hatte darauf bestanden. Der Bürostuhl von Herman Miller war mit Leder bezogen, der Schreibtisch bestand aus schwerer Eiche. An den Wänden gab es Regale mit ordentlich aufgereihten Büchern, ohne Lücken, eine Kollektion, die von Klassikern bis zu Nachschlagewerken reichte. Alle unberührt.

Während der Bildschirm zum Leben erwachte, schaute Roger zu der gerahmten Fotografie daneben. Darauf sahen sie jung aus. Ihr Hochzeitstag. Henrietta strahlte. Sie war seit einem Monat schwanger gewesen, ohne dass er davon gewusst hatte, ohne dass irgendwer davon gewusst hatte. Sie hatten ihren Sohn Thomas genannt. Er hatte sechs Stunden gelebt.

Er schluckte die Scham hinunter, als er das Foto nahm und mit der Vorderseite nach unten auf den Schreibtisch legte.

Der Bildschirm erleuchtete den Raum. Da die Jalousien heruntergelassen waren, kniff er die Augen zusammen, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er öffnete den Browser und klickte die Seite an.

Er wusste, dass er allein im Haus war, trotzdem schaute er regelmäßig zur Tür. Der Cursor schwebte über dem X.

Er wischte sich mit einem Taschentuch, in das seine Initialen eingestickt waren, den Schweiß von der Stirn, leckte sich über die trockenen Lippen und versuchte, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. So war es immer in den ersten paar Minuten – bis er ruhiger wurde, bis er floh.

Lächelnd betrachtete er das Bild, während ihn die Erregung überkam und die Schuldgefühle, die ihm später wieder die Luft abschnüren würden, sich langsam legten. Er spürte, wie die Muskeln in seinem Nacken sich entspannten, wie die Schultern heruntersanken und sein Herzschlag sich verlangsamte.

Er öffnete seinen Gürtel.

Dann hörte er das Klingeln an der Haustür.

Er stand schnell auf, und seine Hose fiel auf den Boden. Er zog sie hoch, setzte sich wieder und versuchte, den Browser zu schließen. Bei einem Bild hängte sich der Rechner auf. Ein Bild, das ihm noch vor einer Sekunde ziemlich schön erschienen war, jetzt aber einen Schrecken einjagte. Er klickte wiederholte auf das X, doch nichts geschah.

Wieder klingelte es an der Tür.

Sollte es doch klingeln. War wahrscheinlich nur ein Lieferant – irgendwas für Hen, wahrscheinlich Schuhe. Noch mehr Schuhe.

Und dann hörte er den Schlüssel in der Tür.

„Liebling?“, hörte er sie rufen.

Er schluckte.

Er beugte sich vor und drückte den Ausknopf des Computers. Nichts passierte. Er drückte noch einmal, noch mehrere Male.

Unwahrscheinlich, dass sie sich ins Arbeitszimmer verirren würde, aber das Risiko konnte er nicht eingehen.

Er umfasste mit beiden Armen den Bildschirm und versuchte, ihn vom Schreibtisch zu heben. Er war schwer. Er versuchte, die Anschlüsse herauszuziehen, aber sie waren festgeschraubt. Er versuchte, sie aufzuschrauben, doch seine Hände waren schweißnass.

„Liebling?“

Er stellte den Monitor wieder ab und schlug mit der Faust gegen die Seite des Computers.

„Liebling, was ist das für ein Krach?“

„Nichts.“ Seine Stimme zitterte.

„Wo bist du, Liebling? Kannst du mir mal mit dem schweren Karton helfen?“

Von allen denkbaren Ausreden entschied sich sein panisches Gehirn für die absurdeste.

„Ich stehe gerade auf einer Leiter.“

„Was in aller Welt machst du auf einer Leiter? Du solltest nicht alleine auf eine Leiter klettern. Was, wenn du ausrutschst und runterfällst?“, rief sie.

Er atmete auf, als der Bildschirm schließlich schwarz wurde. Dann rannte er in die Küche und holte die Stehleiter.

Schnell kletterte er nach oben.

Er hörte sie ächzen, während sie den Karton auf die Küchentheke wuchtete. Und dann stand sie unter ihm und schaute zu ihm hoch.

Er stand da oben – die scheinbare Lässigkeit wurde durch seine zitternden Hände entlarvt – und nippte an dem Glas Wein, das er mit auf die Leiter genommen hatte.

Er schaute an die Wand und entdeckte zu seiner grenzenlosen Erleichterung direkt über sich einen kleinen Riss im Putz. Er fuhr mit dem Finger darüber und schüttelte den Kopf.

„Was ist es? Ist es schlimm?“, fragte sie.

Er rieb sich das Kinn. Wenn er nur die leiseste Ahnung von Wandputz, dem Maurerhandwerk oder sonst irgendeiner Art von körperlicher Arbeit gehabt hätte, dann hätte er vielleicht eine bessere Antwort parat gehabt.

„Könnten Termiten sein.“

Glücklicherweise hatte Henrietta noch weniger Ahnung von der Tätigkeit einer Termite als er.

„Termiten? Ich rufe Richard an.“

Bei der Nennung von Richards Namen schluckte er und sackte in sich zusammen. Richard war der Baumeister, dem sie für die Renovierung des Hauses mehr Geld gezahlt hatten, als er sich erinnern konnte. Richard war groß, attraktiv und muskulös. Ein richtiger Mann. Die Sorte richtiger Mann, die Roger mit stummer Ehrerbietung betrachtete.

„Lass nur, du brauchst Richard nicht anzurufen. Ich mache das schon. Ich kümmere mich selbst um die kleinen Scheißer“, sagte er mit einer Überzeugungskraft, von der er hoffte, sie würde sie die ganze Sache vergessen lassen.

„Was weißt du über Termiten, Roger?“

Da er nie ein geschickter Lügner gewesen war, tat er sich schwer, die passenden Worte zu finden. „Also, eigentlich … weiß ich ziemlich viel darüber. Wir hatten ein Haus in den Cotswolds, als ich ein Kind war. In dem verfluchten Haus wimmelte es von den Viechern. Am Ende mussten wir sie ausräuchern.“

Er hob eine Augenbraue, so überrascht war er selbst von seiner Lüge.

„Und womit macht man das, das Ausräuchern?“

Er hustete. „Mit einem Schweißbrenner … und einer chemischen Substanz, die Termex heißt. Ich ruf morgen im Baumarkt an und frage, ob sie das dahaben.“

Sie setzte sich in Bewegung, blieb dann stehen und drehte sich um. „Sei vorsichtig, Liebling. Das gefällt mir gar nicht, dass du da oben auf der Leiter Wein trinkst.“

Er schloss die Augen, atmete tief aus und nahm einen großzügigen Schluck.

Er hatte den Drachen erlegt.

Als er die Leiter hinunterstieg, ertönte wieder die Klingel an der Haustür, und Henrietta führte jemanden durch den Flur in die Küche.

„Es ist Richard, Liebling. Er hat seine Bohrmaschine in der Garage vergessen. Wenn er schon da ist, kann er gleich mal nach den Termiten schauen.“

Richard, der richtige Mann Richard, betrat den Raum und hob fragend eine Augenbraue.

Roger seufzte. Er hatte sich heldenhaft bemüht, aber jetzt war es vorbei.

 

Thalia schaute verärgert die Spielzeugwaschmaschine an, schlug mit ihrer kleinen Faust auf die Oberseite und lächelte, als die Trommel sich wieder in Bewegung setzte.

„Manny, du musst den Wagen waschen. Er glänzt schon nicht mehr so schön. Jared hat gesagt, dass man die Karosserie sauber halten muss. Dann verliert er nicht an Wert!“, schrie Elena, um sich bei dem Lärm bemerkbar zu machen.

Sie hob den Blick, als ihr Sohn in die Küche kam.

„Jesus Christus, Manny. Was ist mit deinem Kopf passiert?“

Manny strich vorsichtig über die dicke rote Furche, die quer über seine Stirn verlief.

„Der Hut, Ma. Der Hut ist zu eng. Und wer, verdammt noch mal, ist Jared?“

Seine Mutter warf ihm einen Blick zu. Da Thalia in einem Alter war, wo sie alles nachplapperte, was sie aufschnappte, versuchte Elena rigoros, ihren Sohn zu zensieren.

„Pass auf, was du sagst. Ich bin sowieso schon sauer auf dich, mach es nicht noch schlimmer.“

Manny hob kapitulierend die Hände. „Was habe ich diesmal angestellt?“

„Du hast Thalia heute zum Kindergarten gefahren.“

„Klar. Und wir waren pünktlich da. Also, was ist los?“

„Du erinnerst dich, dass ich gesagt habe, du sollst ihr Obst mitgeben. Alle Kinder bringen Obst mit. Und wenn es Zeit für den Imbiss ist, dann schneiden sie alles in Stücke und verteilen es, oder?“

Er nickte aufmerksam und warf schon einen Blick zur Fluchttür.

„Also, was hast du ihr mitgegeben?“

„Einen Apfel oder so.“

„Falsch, Manny. Versuch’s noch mal.“

Er warf einen verstohlenen Blick zur Obstschale. „Eine Orange?“

„Du hast ihr eine Kartoffel mitgegeben.“

Er schaute hinüber zu Thalia und versuchte, dem Blick seiner Mutter auszuweichen.

„Kinder brauchen auch Kohlehydrate.“

Elena sah ihn wütend an.

„Das meine ich ernst. Von dem ganzen Obst kriegen sie nur die Scheißerei. Ich habe das für die Kinder getan, außerdem hatte ich es eilig, weil ich rechtzeitig zur Schule kommen wollte. Eigentlich ist es deine Schuld, weil die Kartoffeln auf dem Tisch lagen, und da hast du sie liegen lassen. Egal, wer ist Jared? Und was hat der mit unserem Entenei zu schaffen?“

Seine Mutter nahm eine Tüte von Berlinsky mit einem dicken Steak aus dem Kühlschrank.

„Machst du Ziti? Du weißt ja, wie gern ich das mag, mit Mortadella … einer Prise Pfeffer … nur ein bisschen, um den Gaumen zu kitzeln.“

Seine Mutter schaute ihn genervt an. „Ich weiß nicht, was Ziti ist. Ich mache Huaraches. Das mag deine Schwester am liebsten. Wir sind Mexikaner, Manny, keine Italiener. Akzeptier das endlich.“

„Ich hatte Ziti im Azzurro, weißt du noch? Letztes Jahr, an meinem Geburtstag. Wer ist Jared?“

„Jared ist der nette Mann, der uns den Wagen verkauft hat. Er führt mich am Freitagabend zum Essen aus, und deshalb musst du auf deine Schwester aufpassen.“

Manny schaute sie entsetzt an. „Der abgefuckte Muskelmann mit dem Silberblick? Du kannst nicht mit ihm ausgehen, Ma. Er könnte dein Sohn sein.“

„Manny“, zischte Elena. „Wenn du noch ein einziges Mal fluchst, kannst du dein Taschengeld vergessen.“

Sie starrte ihn an, bis er auf den Boden schaute.

„So viel jünger ist Jared gar nicht, außerdem gehe ich aus, mit wem ich will. Und du, du wäschst den Wagen und bleibst am Freitag zu Hause. Hast du das verstanden?“

Er hob den Blick und nickte widerwillig.

„Gut.“

Sie drehte sich zum Kühlschrank um. Sie sah müde aus, wie immer. Die Trennung hatte sie mitgenommen, hatte sie alle mitgenommen. Manny wusste, dass sie sich Sorgen machte. Aber sie versuchte, sich ihre Sorgen nicht anmerken zu lassen.

„Tut mir leid, Ma. Ich mein’s nur gut mit dir.“

„Ich weiß.“

„Dieser Jared, der sieht aus wie ein debiler Vollarsch. Kannst du nicht warten, bis Dad zurückkommt?“

Sie seufzte. „Das hatten wir doch schon alles, Manny. Das ist jetzt zwei Jahre her. Wenn Großmutter es mir nicht geschrieben hätte, wüsste ich nicht mal, wo dein Vater jetzt lebt. Jared ist wirklich nett. Und ich will ihn ja nicht heiraten. Ich will bloß mit jemandem zum Essen gehen, und hinterher vielleicht noch ins Kino. Und zum allerletzten Mal, hör auf zu fluchen. Thalia ist hier, und aus irgendeinem Grund schaut sie zu dir auf. Also, reiß dich zusammen.“

Manny nahm einen Eimer aus dem Schrank unter der Spüle und ließ Wasser ein.

Als er durch die Tür hinausging, hörte er erst, dass die Spielzeugwaschmaschine wieder stehen blieb, und dann, wie seine Schwester mit goldiger Stimme zu ihrer Mutter sagte: „Die Scheißbatterien sind im Arsch.“

Manny ließ den Eimer fallen und rannte nach draußen, bevor seine Mutter ihn erwischen konnte.

Chris Whitaker

Über Chris Whitaker

Biografie

Chris Whitaker arbeitete zehn Jahre als Finanztrader, bevor er sein Leben änderte und sich dem Schreiben zuwandte. Seine Romane gewannen zahlreiche Preise, schon jetzt gilt Whitaker in England als Sensation. „Von hier bis zum Anfang“ wurde vom Guardian zum Buch des Jahres gekürt. Whitaker lebt...

INTERVIEW mit Chris Whitaker

Nach dem sensationellen Erfolg von „Von hier bis zum Anfang“ hat Chris Whitaker zahllose Interviews gegeben. Damit er im Gespräch mit uns nicht das Gefühl hat, immer auf die gleichen Fragen antworten zu müssen, haben wir ihn gebeten, uns ein Thema zu nennen, über das er besonders gern sprechen würde – und so erfahren Sie, warum Bibliotheken im Leben des Autors so eine wichtige Rolle spielen. 

Lieber Chris Whitaker, wie kommt ein Finanztrader dazu, Romane zu schreiben? 

Ich verließ die Schule ohne Abschluss, hatte keinen Plan und ließ mich von Job zu Job treiben. Als Teenager wurde ich bei einem Überfall niedergestochen und begann zu schreiben, um meine posttraumatische Belastungsstörung zu bewältigen. Damals dachte ich noch nicht daran, ein Buch zu schreiben, ich wollte einfach nur jeden Tag überstehen. Dann las ich ein Interview mit einem Börsenmakler und dachte, das könnte ein Beruf sein, der meine Eltern stolz machen würde – der Mann fuhr außerdem einen Ferrari. Also ging ich nach London zum Arbeiten. Ich wusste ziemlich schnell, dass es nicht das Richtige war, aber ich hielt ein Jahrzehnt lang durch, machte und tilgte eine Million Pfund Schulden und las dann „The Last Child“ von John Hart.  

Dieser Autor hat seine Anwaltskarriere aufgegeben, um zu schreiben. Das inspirierte mich so sehr, dass ich seinem Beispiel folgte. Für meine Frau und mich änderte sich das Leben massiv: Wir verkauften unser Auto und unsere Wohnung und zogen für eine Weile nach Spanien. Wir hatten kaum Geld, während ich meinen Debütroman „Was auf das Ende folgt“ schrieb und meine Frau unseren Sohn zur Welt brachte. Ich weiß nicht, was schwieriger war – aber das schreibe ich nur, weil ich weiß, dass meine Frau dieses Interview niemals lesen wird.  

Nach unserer Rückkehr nach Großbritannien kam „Was auf das Ende folgt“ in die engere Auswahl für einen wichtigen Krimipreis. Ich ging als Außenseiter zu der schicken Preisverleihung, und zu meinem unendlichen Erstaunen gewann mein Roman. Zurück in unserem Hotelzimmer sah ich meine Frau an, und sie brach in Tränen aus. Es war ein langer und schwieriger Weg gewesen, nicht nur für mich.   

Sie sind Brite und leben mit Ihrer Familie in England. Warum verlegen Sie die Schauplätze Ihrer Romane in die USA? 

Eskapismus. Beim Lesen bevorzuge ich Bücher, die weit weg von meinem Wohnort spielen, und das Gleiche gilt für das Schreiben. Ich betrachte das Schreiben ja als eine Art Therapie, und es fällt mir leichter, meine Welt völlig hinter mir zu lassen und mich gedanklich über den Ozean zu begeben, wo meiner Fantasie weniger Grenzen gesetzt sind. Was die Entscheidung für die USA angeht: Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich noch klein war.

Mein Vater nahm meinen Bruder und mich mit nach Florida, was zu einer meiner wertvollsten Erinnerungen wurde. Amerika liegt mir sehr am Herzen. Es ist ein wirklich erstaunlicher Ort, die ganze Welt in einem Land. Und es eignet sich so gut für Krimis. Ich mag das behagliche Gefühl der Kleinstadt, die Autonomie der Polizei, dass der Sheriff das Sagen hat und jeder zum Verdächtigen werden kann. Ich hatte eine genaue Vorstellung von der Stadt Tall Oaks, die diese makellose Fassade hat, hinter der die Menschen dann aber kämpfen, ihre Geheimnisse hüten und ihr perfektes Leben nur inszenieren. 

In „Was auf das Ende folgt“ gibt es die sehr besondere Figur des Manny, eines Teenagers, der ein Gangster werden will. Nach Duchess aus „Von hier bis zum Anfang“ werden die Leser ihr Herz nun an ihn verlieren. Was bedeuten Ihnen diese besonderen jungen Menschen? 

Ich begann vor fast zwanzig Jahren mit der Arbeit an Duchess und wusste, sie würde das Herzstück von „Von hier bis zum Anfang“ werden. Als ich mit „Was auf das Ende folgt“ anfing, ging es mir so mit Manny. Er ist nach außen hin schnodderig, frech und aufbrausend, aber er hat auch ein riesengroßes Herz, liebt seine kleine Schwester über alles und hat eine innige Verbundenheit mit seiner alleinerziehenden Mutter. Manny, Duchess, sie bedeuten mir alles. Ohne diese unerschrockenen, starken Figuren könnte ich meine Geschichten nicht schreiben. Sie haben die Freiheit, ihre Meinung zu sagen.

Eine Freiheit, die abnimmt, sobald man älter wird, Taktgefühl lernt und um Konsequenzen weiß. Wenn man Figuren wie Manny und Duchess kreiert, die die Welt eher in Schwarz und Weiß sehen, gibt man ihnen eine gewisse Furchtlosigkeit und einen starken moralischen Kompass mit. Ihre Gefühle liegen so dicht unter der Oberfläche, dass wir als Leser sofort in ihre Welt hineingezogen werden, mit ihnen leiden und hoffen, dass sie ihren Weg finden, egal wie schlecht die Chancen stehen.  

Sind die Figuren in Ihren Büchern von Menschen inspiriert, die Sie kennen? 

Nicht bewusst. Meine Freunde versuchen oft, Teile bestimmter Figuren für sich zu reklamieren, was mich immer zum Lachen bringt – bis sie einen Teil der Tantiemen verlangen. Vielleicht lasse ich mich unbewusst von meiner Umgebung inspirieren und greife bestimmte Charakterzüge auf, die ich dann beim Schreiben übertreibe oder abschwäche. Meine Figuren sind so sehr von ihrer Zeit, ihrem Lebensmittelpunkt und ihrer Situation geprägt, dass eigentlich niemand aus meinem Umfeld etwas mit ihnen zu tun haben kann. Sie fühlen sich für mich völlig real an. Ich verbringe Jahre meines Lebens mit ihnen und habe am Ende das Gefühl, dass ich sie kenne wie echte Menschen mit ihren Emotionen, Wünschen und Bedürfnissen. Hört sich das verrückt an?  

Welche Schriftsteller bewundern Sie am meisten? 

Ich bewundere jeden, der es schafft, ein Buch zu schreiben und zu vollenden. Das erfordert Geduld, Hingabe und mehr als nur ein wenig Wahnsinn. Wie oben schon erwähnt, liebe ich John Hart. Kurz nachdem „Von hier bis zum Anfang“ erschien, schrieb er mir in einer E-Mail, wie sehr ihm das Buch gefallen hatte. Das war ein ganz besonderer Moment. Es gab auch eine verrückte Zeit, als ich in der Bibliothek, in der ich früher gearbeitet hatte, Bücher zurückgab und später Nachrichten von genau diesen Autoren zu meinen eigenen Büchern erhielt: von Kristin Hannah, Mark Billingham und James Patterson. Ich lese außerdem alles von Cormac McCarthy, Jane Harper, Kazuo Ishiguro und Maggie O'Farrell.   

Sie haben in einer Bibliothek gearbeitet. Hat diese direkte Begegnung mit Büchern und Lesern Sie zu einem besseren Autor gemacht? 

Ich glaube, es hat mir unermesslich viel geholfen. Schon als Kind habe ich die Bibliothek geliebt und mich später auf jede Schicht dort gefreut. Ich konnte nicht nur viel lesen, sondern auch Leseempfehlungen mitbekommen, Kindern zuzuhören, wie sie ihre Leidenschaft für Geschichten entdeckten – Bibliotheken sind einfach wunderbare Orte. 

Manchmal werde ich gefragt, wie ich mit Schreibblockaden umgehe, und die Antwort lautet: Lesen. Ich lese alles, von Krimis über Liebesromane bis hin zu Jugendbüchern. Ich verliebe mich jedes Mal, wenn ich ein gutes Buch in die Hand nehme. Es ist großartig, wie subjektiv die Buchbranche ist und dass es für jedes Buch Leserinnen und Leser gibt.  

Ich mochte es auch, meine eigenen Bücher ahnungslosen Bibliotheksbesuchern unterzujubeln. Wer während meiner Arbeitszeit kam, bekam ein Exemplar meines Buches, egal für welches Genre sie oder er sich interessierte.  

Und ich konnte Stunden lang durch die Gänge laufen und die trumhohen Regale auf mich wirken lassen. Dass ich meinen eigenen kleinen Platz in dieser Bücherwelt erschaffen konnte, das überwältigt mich noch immer.  

Während ich mit Ihnen an meinen Büchern arbeite, wird mir erst richtig bewusst, wie viel Glück ich habe. 

Medien zu „Was auf das Ende folgt“
Pressestimmen
Radio Euroherz

„Das Buch ist weniger ein Krimi im eigentlichen Sinne als vielmehr ein Gesellschaftsroman mit ungewöhnlichen Charakteren und einer spannenden Handlung!“

zwischenkapitelnundkatinka

„Wem ›Von hier bis zum Anfang‹ gefallen hat, dem dürfte auch dieser Roman zusagen.“

buchsichten

„Der Autor hat viele Überraschungen in petto, durch welche die Handlung unvorhersehbar bleibt. Es gibt amüsante Szenen, aber auch viele berührende und dramatische Momente.“

Passauer Neue Presse

„Whitaker versteht die einzelnen Erzählfäden intelligent zu flechten und webt so ein dichtes Handlungsnetz voller Spannung und überraschender Twists.“

Radio Mülheim

„Ein überaus abwechslungsreicher Roman. Traurig, herzergreifend und sehr spannend, aber auch mit witzigen Elementen und einem gelungenen, überraschenden Ende. Sehr originell, eine absolute Leseempfehlung.“

lovelybooks.de

„Selten hat mich eine Story so sehr berührt.“

katja_liest

„Ein Pageturner vom Feinsten. (...) Ich kann euch den Roman aus vollster Überzeugung ans Herz legen.“

Mainhatten Kurier

„Ein durch und durch fesselndes und faszinierendes Buch, grandios erzählt. Es ist alles dabei, es ist traurig, unterhaltsam, teils witzig, dabei abwechslungsreich mit überraschendem Ende.“

Kleine Zeitung

„Ein cooler Genre-Mix, spannend, clever und skurril.“

Infoscreen

„Ex-Finanztrader Chris Whitaker brilliert als Krimiautor. Fesselnd!“

matoms_buecherwelt

„Ein weiteres Mal konnte mich der Autor mit außergewöhnlichen Charakteren und einer unvergesslichen Geschichte begeistern.“

buchstabenbaer

„Ich mag Whitakers malerischen, etwas dramatisch angehauchten Schreibstil sehr.“

booknerds.de

„›Was auf das Ende folgt‹ ist ein lesenswerter, wenngleich grotesker Krimispaß.“

Merkur online

„Es ist ein eindringlicher und zum Teil lustiger Blick in die amerikanische Gesellschaft.“

Schwetzinger Zeitung

„Fesselnd bis zur letzten Seite.“

Deutschlandfunk Kultur „Buchkritik“

„Es ist eine gewagte Mixtur aus verschiedenen Genres, und dass all das nicht in Belang- oder Geschmacklosigkeit abgleitet, ist Whitakers Stilgefühl zu verdanken. Er hält seinen Roman in der Balance, widmet jeder einzelnen Figur gleichermaßen seine Aufmerksamkeit und vermeidet es, sich in allzu großem Detailreichtum zu verlieren.“

Westfalen-Blatt

„Christ Whitaker widmet in seinem Roman ›Was auf das Ende folgt‹ jeder seiner Figuren liebevolle Aufmerksamkeit. Ihm gelingt die Balance zwischen düsteren und urkomischen Passagen.“

biblio.at

„Ein Kriminalroman mit Mehrwert: Psychothriller, Entwicklungsroman und Beziehungsdramen in einem; intensiv und spannend erzählt.“

ORF Ö1 „Ex libris“

„Dieses Vermischen der Genres, mit ganz leichter Hand und ganz selbstverständlich, das macht den Roman außergewöhnlich und hebt ihn von anderen Kleinstadtromanen ab.“

Wilhelmshavener Zeitung

„Auch beim neuen Roman des Engländers Chris Whitaker (…) muss gleich eingangs festgestellt werden: der ehemalige Finanztrader kann nur ganz großes ›Kino‹.“

Penzberger Merkur

„Ein Roman, der seinen Figuren trotz aller Unglücke, die ihnen begegnen, immer auch Silberstreifen am Horizont aufzeigt.“

Freundin

„Whitaker schafft es, von den Wunden zu erzählen, die ein Verbrechen bei den Opfern und Tätern hinterlässt. Und fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Großartige Literatur.“

Lebensart

„Großartig“

mickys.buecherwelt

„Für alle, die viel Wert auf ausgearbeitete Charaktere, nachvollziehbare Gefühle und einen abwechslungsreichen Plot legen.“

BÜCHERmagazin

„Atmosphärisch spannender Roman“

Luzerner Zeitung

„Wie Whitaker es vermag, das Verschwinden des Jungen zum beklemmenden Psychogramm einer implodierenden Kleinstadtordnung zu verdichten, das ist grandios!“

pickwickbuchclub

„Chris Whitaker liefert hier ein Debüt ab, das mich auf so vielen Ebenen abgeholt hat. Er hat die tragischen und schockierenden Töne ebenso wie die humorvollen und herzerwärmenden getroffen und einen gewagten, aber gelungenen Genremix geschaffen. (...) ›Was auf das Ende folgt‹ hat alles, was ein Jahreshighlight braucht. Es bereitet Gänsehaut, lässt dich laut auflachen, reißt dir das Herz raus und lässt dich trotzdem versöhnlich das Buch am Ende zuschlagen.“

wanderer.of.words

„Wow, was für ein Buch!“

Münsterland Zeitung

„Mit seinem packenden Schreibstil ist Whitaker ein fesselnder Gesellschaftsroman gelungen.“

Frankfurter Rundschau online

„Mag der Ort ›Tall Oaks‹ auch fiktiv und die Fassade blitzsauber sein, sind es die kleinen Leute, die Geschichten hinter den Gesichtern, die dem Roman ihren unnachahmlichen Stempel aufdrücken.“

Kommentare zum Buch
Fesselnd, berührend, humorvoll und tieftraurig – großes Kino
Daniela Anders / Lesezauer_Zeilenreise am 01.01.2023

Der dreijährige Harry verschwindet eines Nachts spurlos. Seine verzweifelte Mutter gibt an, dass er von einem Mann in Clownskostüm aus seinem Bett entführt wurde. Die Polizei ermittelt, die Presse berichtet, die Bewohner von Tall Oaks sind entsetzt. Auch, weil offensichtlich einer von ihnen der Täter sein muss. Harrys Mutter sucht ihn noch immer pausenlos und flüchtet sich in Alkohol und Männergeschichten, um kurzfristig dem Schmerz zu entgehen. Währenddessen geht das Kleinstadtleben weiter und jeder hat so sein Päckchen zu tragen.   Anfangs war ich durch die schiere Menge an Figuren erst mal etwas überfordert. Ich kam mit den Namen nicht mehr richtig mit, zumal 4 der Hauptfiguren mit J beginnen und ich immer überlegen musste, wer jetzt wieder wer ist. Auch fragte ich mich, wo die Reise denn bitte hingeht? Ausgangspunkt ist das Verschwinden des kleinen Harry. Doch die Ermittlung spielt hier eher eine untergeordnete Rolle, vielmehr wurden mir nach und nach mehrere der Bewohner von Tall Oaks beschrieben, deren Geschichte erzählt und ihre Geheimnisse so nach und nach entpackt. Das war interessant, keine Frage, doch war mir der Zusammenhang nicht klar. Doch dann wurde alles immer präsenter, die ganze Story hat sich vor mir entblättert und ich war nur noch gefesselt und gefangengenommen von dem wirklich einmaligen Schreibstil des Autors. Jeder der hier vorgestellten Bewohner hat so seine Probleme und geht mit Erlebnissen und Schicksalsschlägen anders um. Alles zusammen war schlicht berührend, tieftraurig, unglaublich witzig, überraschend und tat mal weh, um dann wieder einfach nur lustig zu sein. Mir haben sich vor allem der Schüler Manny und sein nicht immer einfaches, aber von tiefer Liebe geprägtes Leben zusammen mit seiner Mutter und seiner kleinen Schwester tief beeindruckt. Über ihn bzw. wegen ihm musste ich so oft lachen beim Lesen und fand ihn schlicht nervig, aber so sehr liebenswert. Eine tolle Figur! Das Ende hat mich dann eiskalt erwischt, damit habe ich so gar nicht gerechnet.   Als ich das Buch weglegte, dachte ich mir nur „wow!“. Ein einmaliger Aufbau, bildhafte Beschreibungen, Figuren, die berühren einen nicht kalt lassen und ein grandioser Schreibstil. Kein typischer Krimi, wie man ihn kennt, sondern ein Blick in eine Kleinstadt und hinter die Fassaden. Von mir 4,5/5 Sterne.

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