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Was bleibt, ist die Freude Was bleibt, ist die Freude - eBook-Ausgabe

Manuel Vilas
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Roman

— Eine betörende Geschichte des großen spanischen Schriftstellers

„Eine furiose Reise eines traurigen, aber innerlich lächelnden Menschen in die Vergangenheit samt Alltagsbeobachtungen und klugen, unvergesslichen Reflexionen.“ - OÖ Nachrichten

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Was bleibt, ist die Freude — Inhalt

„Ein poetisch-philosophisches Handbuch der Kunst zu Leben und zu Sterben und eine Suche nach Schönheit quer durch die Welt.“ Le Monde»

Eine Feier des Lebens
Man muss an das Glück glauben ... Diesmal ist Manuel Vilas auf Reisen: In Hotelzimmern und Flughäfen setzt er die Erinnerungssymphonie seines Erzählers fort. Und er bereichert sie mit einem neuen Motiv: der heiteren Freude. Auch dabei ist die Vergangenheit überall, wie der Wellenschlag am Strand: Sie ist in den Orangensaftpressen, in den Hemden, die nie weiß genug sind ... Vilas' literarische Kühnheit und seine Fähigkeit, das Intime ins Universelle zu projizieren, machen ihn zu einem der wichtigsten Autoren unserer Tage.

„Betörend bildhaft und kraftvoll“ DLF Kultur 

€ 26,00 [D], € 26,80 [A]
Erschienen am 01.09.2022
Übersetzt von: Astrid Roth
400 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-8270-1431-3
Download Cover
€ 19,99 [D], € 19,99 [A]
Erschienen am 01.09.2022
Übersetzt von: Astrid Roth
368 Seiten
EAN 978-3-8270-8061-5
Download Cover

Leseprobe zu „Was bleibt, ist die Freude“

1

All jenes, was wir liebten und verloren, was wir sehr liebten, was wir liebten, ohne zu wissen, dass es uns eines Tages genommen würde, all jenes, was uns, nachdem wir es verloren hatten, nicht zerstören konnte, auch wenn es mit außerordentlicher Kraft, brutal und beharrlich auf unseren Zusammenbruch hinzuwirken schien, verwandelt sich früher oder später in Freude.

Die menschliche Seele hätte nicht auf die Welt herabsteigen sollen.

Sie hätte oben bleiben sollen, in der himmlischen Unergründlichkeit, in den Sternen, im tiefen Raum. Sie hätte sich von der [...]

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1

All jenes, was wir liebten und verloren, was wir sehr liebten, was wir liebten, ohne zu wissen, dass es uns eines Tages genommen würde, all jenes, was uns, nachdem wir es verloren hatten, nicht zerstören konnte, auch wenn es mit außerordentlicher Kraft, brutal und beharrlich auf unseren Zusammenbruch hinzuwirken schien, verwandelt sich früher oder später in Freude.

Die menschliche Seele hätte nicht auf die Welt herabsteigen sollen.

Sie hätte oben bleiben sollen, in der himmlischen Unergründlichkeit, in den Sternen, im tiefen Raum. Sie hätte sich von der Zeit fernhalten sollen; der menschlichen Seele wäre es besser ergangen, wenn sie nicht menschlich wäre, weil die Seele unter der Sonne altert, sie schmilzt, sie verfällt und entzündet sich zu Millionen Fragen, die sich über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausbreiten, die nur eine Zeit bilden, und das ist die Lebenszeit eines jeden von uns, eine Zeit, in der die Liebe eine stete, unerfüllte Sehnsucht ist, die uns die Schönheit des Lebens vor Augen führt und dann verschwindet.

Sie verschwindet.

Sie überlässt uns einer gewaltigen, bitteren und heiklen Stille.

Millionen Fragen, die menschliche Wesen waren, bevor sie sich in Fragen verwandelten. Millionen Körper, Millionen Väter, Mütter, Söhne und Töchter.

Und wir bleiben allein und erschreckt zurück.

Die menschliche Seele sind wir, wir alle, die wir Liebe suchen, alle, die wir tagtäglich danach suchen, geliebt zu werden, die wir tagtäglich darauf hoffen, dass sich die Freude einstellt, auf was sonst sollten wir hoffen.

Wie sehr wünschen wir uns alle, dass das Leben eine Ordnung und einen Sinn hat, aber es gibt nur Zeit und flüchtige Abschiede und in diesen Abschieden lebt die überaus große Liebe, die ich gerade empfinde.

Das verwirrt mich, verstört mich.

Hier stehe ich, verlassen, und gleichzeitig spüre ich die Kraft der Freude, aber auch die unbestimmte Wut des Lebens in mir.

Wie alle menschlichen Wesen.

Weil wir alle gleich sind.

Und in dieser gierigen Freude liegt alle Erkenntnis, die wir über das Leben zusammenzutragen vermochten.

Anfang 2018 veröffentlichte ich einen Roman, einen Roman, der die Geschichte meines Lebens erzählt, dieses Buch verwandelte sich in einen Abgrund.

In diesem Buch lebte die Geschichte meiner Familie.

Bach und Wagner, mein Vater und meine Mutter.

Ich packte meine Familie in ein viel beachtetes Buch, und das ist das Schönste, was ich im Leben gemacht habe.

Bist du verrückt?, sagten viele zu mir.

Nein, es ist nur Liebe, antwortete ich. Nur Liebe und Notwendigkeit und Hoffnung. Wenn du über deine Familie schreibst, wird diese Familie wieder lebendig. Wenn ich über meinen Vater und meine Mutter schrieb und das, was wir waren, kam die Vergangenheit zurück und sie war groß und gut. Das war alles, das war es, was ich gemacht habe.

Ich befinde mich in diesem Moment in einem Hotel in Barcelona.

Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal mit Kugelschreiber und Notizbuch schreiben würde, wie ich es gerade mache. Der Computer steht vor mir, aber ich brauche ihn nicht mehr.

Ich habe in diesem Hotel dreimal das Zimmer gewechselt. Das erste gefiel mir nicht, weil es zu warm und der Ausblick schrecklich war. Als sie mir das zweite gaben, dachte ich, dass ich dort Ruhe finden könnte: diese Erleichterung, diese Notwendigkeit, zu entspannen, nicht länger in einem nervösen Durcheinander, einem Hin und Her gefangen zu sein.

Aber als ich eine Weile ausgestreckt auf dem Bett lag, wurde mir klar, dass ich nicht erfolgreich gewesen war. Das Zimmer ging auf die Diagonal raus, eine der Hauptverkehrsadern von Barcelona, und der Lärm, der von der Straße heraufdrang, war übermäßig. Aus dem übermäßigen wurde ein höllischer Lärm. Es war der Lärm der Unbekannten, Hunderter Männer und Frauen, die sich in ihren Autos oder auf ihren Motorrädern oder in Gespräche vertieft durch die Stadt bewegten. Der Lärm verwandelte sich nach und nach in einen Feind. Ich wurde nervös. Wie dumm von mir, dass ich beflügelt von dem ersten positiven Eindruck meinen Koffer ausgepackt hatte. Ich sah meinen Koffer, wie er dort offen auf dem Tisch lag. Ich überlegte, wie lange es dauern würde, alles wieder einzupacken.

Ich betrachte meine Sachen, als gehörten sie einem Geist ohne Körper. Meine schwarzen Pullover, meinen Computer, meinen Terminkalender, meinen Kulturbeutel. Sie sehen aus wie Sachen, die mein Vater benutzte, sie sehen aus, als gehörten sie meinem Vater und nicht mir.

Es war der 1. Juli in Barcelona. Ich spürte die Feuchtigkeit, die die ganze Stadt durchdrang. Ich könnte mich nicht an diese Feuchtigkeit gewöhnen, die mich auf eine demütigende Weise zum Schwitzen brachte. Mein Leben und die Hitze hatten sich irgendwann in meiner Vergangenheit verbrüdert. Wenn ich tot bin und nicht mehr schwitze, werde ich das Nichts erreichen. Das Nichts bedeutet, die spanische Hitze nicht mehr zu spüren, die immerwährende Hitze aller spanischen Städte: feuchte Hitze oder trockene Hitze, auf jeden Fall Hitze.

Die Hitze und das Leben sind ein und dasselbe für mich gewesen.

Ich bin fünfundfünfzig Jahre alt und in ein paar Tagen werde ich sechsundfünfzig. Ich glaube mir dieses Alter nicht. Wenn ich es mir glauben würde, wenn ich es in all seiner unerbittlichen Wahrheit akzeptieren würde, müsste ich an den Tod glauben. Man kann nicht leben, wenn der Tod die Gedanken beherrscht, auch wenn er uns wie nichts anderes so unbändig entströmt. Er ist dort, in deinem Herzen. Niemand hat seinen eigenen Tod lieben wollen, niemand möchte mit ihm sprechen, ich schon, ich will, weil er mir gehört.

Ich schaute mich im Spiegel an. Das Altern der Männer ist immer weniger offensichtlich, es versteckt sich. Die Gesellschaft zeigt sich beim Altern der Männer nachsichtig, anders als bei den Frauen, da ist sie unerbittlich.

Ich rief bei der Rezeption an und bat darum, ein weiteres Mal das Zimmer wechseln zu dürfen. Jemand kam, um mir zu helfen. Ich dachte daran, wie man sich da unten das Maul über mich zerreißen würde.

„Um diesen Spinner kümmerst du dich jetzt.“

„Nein, ich war letzte Woche schon bei einem; und der war noch viel schlimmer als der hier, weil er verheiratet war und von seiner Frau unterstützt wurde. Der hier ist wenigstens allein.“

Ich stellte mir dieses Gespräch vor, aber ich fühlte mich dabei keineswegs unwohl, sondern empfand fast Dankbarkeit, weil die Angestellten am Empfang an mich dachten und über mich lästerten. Alles ist Leben und alles dient dem Leben. In allem zeigt sich eine Huldigung des Lebens.

Ich kann diese Huldigung in allem, was einen Platz unter der Sonne hat, sehen.

Am nächsten Tag bat ich erneut darum, das Zimmer wechseln zu können. Und ich wurde Zeuge, dass das Leben Starrköpfe belohnt, diejenigen, die keine Ruhe geben, bis sie das Optimum herausgeholt haben. Beharrlichkeit kann wahnsinnig machen.

Sie gaben mir, vielleicht, weil sie mich satthatten, ein sensationelles Zimmer im fünfzehnten Stock, das oberste und wahrscheinlich beste des Hotels. Es war das perfekte Zimmer: groß, hell, das höchste des ganzen Gebäudes. In der Ferne konnte man das Meer sehen. Und außerdem gab es ein Fenster in der Dusche, aus dem man Barcelona aus einem anderen Blickwinkel sah.

Ich fühlte mich wie der Herr der Stadt.

Die Stadt lag mir zu Füßen.

Ich stellte die Klimaanlage an und alles war perfekt.

Dann erinnerte ich mich an meinen ersten Aufenthalt in Barcelona. 1980 war das. Meine damalige Freundin hatte hier Verwandte, bei denen wir wohnten; eine Tante von ihr zeigte uns die Stadt. Jene Beziehung hielt nicht. Und ich denke jetzt, achtunddreißig Jahre später, an sie. Eine vergessene Liebe, von der nur diese Erinnerung eines Mannes mit einem guten Gedächtnis bleibt. Was macht die Zeit aus uns? Trotzdem ist jener, der ich war, jener, der vor achtunddreißig Jahren mit seiner Freundin nach Barcelona kam, in meinen Körper, in mein Fleisch eingegraben.

Mein Zimmer im fünfzehnten Stock in diesem Hotel scheint ein heiliger Ort zu sein, ich bin derjenige, der ihm Geist einhaucht.

Langsam wird es Nacht.

Ab und zu schaue ich aus dem Fenster: Dort liegt Barcelona, voller blauer Farben, an diesem Sommerabend, mit seinen Hunderten Straßen und seinen Toten, die mit den Lebenden sprechen. Dieses endlose Gespräch, das die Menschen ab fünfzig mit ihren verstorbenen Liebsten führen.

Gleich habe ich ein Abendessen mit einem Leseclub, der meinen Roman gelesen hat, ein Buch, in dem ich von euch beiden rede: von dir, Mamá, von dir, Papá, weil ihr beide und eure beiden Geister alles sind, was ich habe, und ich habe ein Reich, vielleicht ist es ein unergründliches Reich, auf jeden Fall ein Reich der Schönheit.

Ihr habt euch in Schönheit verwandelt und ich habe diesem Wunder beigewohnt. Und ich bin dem Leben unendlich dankbar, weil ihr jetzt Schönheit und Freude seid.


2

Es macht mir sehr viel Freude (auch Angst), meinen Lesern zu begegnen. Ich denke dann immer, dass es sie enttäuschen wird, wenn sie sehen, wie ich aussehe. Und es täte mir so leid, sie zu enttäuschen. Es ist so traurig, einen anderen Menschen zu enttäuschen. Vielleicht entscheiden sich deshalb so viele Autoren, sich nicht zu zeigen. Nicht nur die Schriftsteller, jedwedes menschliche Wesen hat die Wahl, sich nicht zu zeigen, bevor es enttäuscht.

Ich betrete die Buchhandlung und eine Menge Leute kommen auf mich zu, um mich zu begrüßen. Unter ihnen ist eine besondere Person. Ich erkenne sie nicht sofort. Sie schaut mich an, als würden wir uns kennen, aber ich weiß nicht, wer sie ist. Möglicherweise habe ich eine Ahnung. Ich habe immer Angst vor diesen Ahnungen, vor diesen gewaltigen Zufällen im Leben.

Und mit nur zwei Wörtern fällt bei mir der Groschen.

Ich hatte sie fünfunddreißig Jahre lang nicht gesehen. Ihre Schönheit ist für immer dahin. Wenn die Vergangenheit einen einholt, hat das immer verheerende Auswirkungen auf das Nervensystem. Und trotzdem bleibt sie in meiner Erinnerung makellos, ohne Beschädigung.

Ich spüre eine unsägliche Zärtlichkeit.

Ich versuche, in ihrem jetzigen Gesicht jenes zu finden, das in meinem Kopf ist. Und ich glaube, sie merkt es. Ich sage ihr, dass ich sie immer sehr bewundert habe. Das ist mir in den Sinn gekommen, ihr zu gestehen: dass ich sie bewundert habe. Ich denke, das war das bestmögliche Verb.

Sie sagt mir, dass der Roman sie zu Tränen gerührt habe und dass sie sich an meine Eltern erinnere, dass sie sie perfekt in dem Buch gespiegelt gesehen habe.

„So waren deine Eltern, so erinnere ich mich an sie“, hat sie zu mir gesagt.

Ich erinnere mich perfekt an ihre, weil ihre Eltern und meine befreundet waren, und ich erinnere mich an diese Freundschaft, ich erinnere mich an ihr Lachen, ich erinnere mich an ihre Abendessen in kleinen Gasthäusern, die Witze, die Begeisterung, die Freude.

Und von alldem sind sie und ich übrig geblieben.

Sie sagt mir, dass ich mich glücklich schätzen müsse, weil ich meine Eltern in dem Buch so gut getroffen hätte. Ich traue mich nicht, sie nach ihrer Familie in Barcelona zu fragen. Sie kommt mir zuvor und sagt, dass die Tante, bei der wir wohnten, bereits gestorben sei, aber sie sagt auch: „Wahrscheinlich erinnerst du dich gar nicht, das ist ja lange her und du wirst viele Leute kennengelernt haben, ich weiß nicht, ob und wie du mich in Erinnerung behalten hast.“

Auf dem Weg in mein Hotel denke ich an sie.

Ich habe sie noch nicht einmal gefragt, ob sie verheiratet ist oder Kinder hat. Ich glaube, dass ich Angst hatte, diese Frage zu stellen. Wie sollte man auch keine Angst vor dieser Frage haben. Ich habe mich anderen Leuten zugewandt und am Ende des Abendessens habe ich sie von Weitem gesehen und wollte mich nicht von ihr verabschieden. Als würde ich sie unversehrt in die Tiefe der Dunkelheit, aus der sie gekommen war, zurückschicken.

Sie schien nicht sie zu sein.

Wer war sie dann?

Ich betrete mein Zimmer im fünfzehnten Stock meines Hotels. Ich habe die Klimaanlage angelassen und das Zimmer ist ziemlich kalt, aber das ist sehr angenehm.

Sie geht mir nicht aus dem Kopf. Ich hätte ihr ein endgültiges Lebewohl sagen können, weil wir uns mit ziemlicher Sicherheit nicht wiedersehen werden. Wir fuhren zusammen Ski, 1978 und 1979. Sie hatte eine sehr moderne Skiausrüstung. Ich habe mich nicht getraut, ihr zu sagen, dass ich mich nach vierzig Jahren noch an die Marke ihrer Skier und ihrer Bindungen und ihrer Skischuhe erinnere. Es waren Rossignol ST 650, die Bindungen waren von Look Nevada und die Skischuhe von Nordica. Ich habe mich nicht getraut, ihr von dieser ganzen Fülle an Erinnerungen und Marken zu erzählen, wohinter sich die vielleicht stärkste und bedeutendste Erinnerung verbirgt, und das ist folgende: dass ich durch sie und ihre hiesige, bereits verstorbene Tante das erste Mal Barcelona gesehen habe. Ich habe sie nicht gefragt, in welchem Jahr sie gestorben ist.

Sie erlaubte uns nicht, im selben Zimmer zu schlafen: Sie schlief bei der Tante und ich schlief allein in einem anderen Zimmer.

Und jetzt, achtunddreißig Jahre später, glaube ich, dass diese Entscheidung sehr weise gewesen war. Dank ihr könnte ich diese Nacht vielleicht ruhig schlafen.

Und mit dem Gesicht von Paloma, als sie jung war – so hieß sie und so heißt sie immer noch –, versuche ich, die Augen zu schließen, versuche ich einzuschlafen.

Sie hatte einen dunklen Teint, schwarze, unschuldige Augen, braunes, glattes Haar und jeder mochte sie, weil sie nett war, sanft und gutherzig.

Wir hätten uns nicht trennen sollen. Wir hätten heiraten und zusammen alt werden sollen.

Ich hätte sie nicht kennenlernen sollen.

Ich hätte nicht geboren werden sollen, bei all dem Leid, das mir widerfährt.

Mitten in der Nacht stehe ich auf, ich kann nicht schlafen, es ist drei Uhr morgens, ich mache überall Licht an und betrachte den Raum und betrachte meine im Zimmer herumliegenden Sachen. Morgen fahre ich zurück nach Madrid und diese Wände werden einen anderen Gast aufnehmen und so weiter, bis das Gebäude aufgegeben wird, bis zu dem Moment, wo es anders genutzt, renoviert oder zerstört wird und alles, was ich gerade sage, in einem Wirbel für immer davongetragen wird.


3

Vivaldi, mein jüngerer Sohn, arbeitet bei einem Kurierdienst und fährt mit dem Fahrrad durch die Stadt. Valdi, in Kurzform, heißt so zu Ehren des berühmten Komponisten der Vier Jahreszeiten, der ebenfalls rothaarig war.

Ich habe die Schallplatte der Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi ungefähr 1977 gekauft. Es war ein Sonderangebot, sie kostete hundertfünfundzwanzig Peseten. Ich war damals gerade vierzehn Jahre alt, aber diese Platte war für mich eine Offenbarung: Diese Musik gab mir ein Gefühl für die Unberechenbarkeit der Zeit, den Wandel, die Bewegung, die Veränderung und diese Erkenntnis tat mir weh, weil ich mich danach sehnte, dass sich nichts veränderte.

Valdi und ich leben in unterschiedlichen Städten. Ich lebe in Madrid und er seit Kurzem in Barcelona. Seitdem ich weiß, dass er für diese Firma namens Glovo arbeitet, sehe ich in einer Menge Madrider Straßen junge Männer und Frauen in seinem Alter. Früher habe ich sie nicht wahrgenommen, aber jetzt nehme ich sie wahr. Ich sehe sie, seitdem mein Sohn dazugehört.

Wenn ich einen der Jungs mit einem Fahrrad und der gelben Kiste von Glovo sehe, macht mein Herz einen Sprung und ich denke an Valdi.

Ich kann nicht anders, als auch all diese jungen Menschen zu lieben, die zwar nicht meine Kinder sind, aber die gleiche Arbeit machen wie er. Ich denke an ihre Väter und Mütter. Da ich ihnen nicht einfach so sagen kann, dass ich sie liebe, mache ich ein Foto von ihnen und schicke es über WhatsApp an Valdi. Ich weiß, dass er das mag. Er erklärt mir technische Details an den Fahrrädern seiner Kollegen in Madrid.

Tatsache ist auch, dass Valdi mir dann antwortet. Wenn ich mit ihm über andere Dinge reden will, antwortet er mir nicht. Seine Arbeit interessiert ihn, und das macht mich froh.

Ich denke, dass ich bei ihm sein sollte, um ihm zu helfen, in die Pedale treten, bei der Zustellung. Valdi hat nicht studieren wollen, er mochte einfach nicht. Er erzählt mir, was er bei dem Kurierdienst verdient. Er sagt mir, dass man es schaffen kann, damit sehr viel zu verdienen. Ich weiß, dass das unmöglich ist, aber es gefällt mir, ihn mit diesen Träumen zu sehen. Ich denke, dass es besser ist, dass er diesen Ehrgeiz hat, der mich an meinen erinnert, als ich in seinem Alter war.

Trotzdem bekümmert es mich, dass er diese Arbeit macht, es wäre mir lieber, er würde etwas anderes tun. Er scheint mir so verloren. Und trotzdem scheint mir dieses Verlorensein so schön, so groß, so anrührend.

Wie sehr liebe ich Valdi und wie wenig sehe ich ihn. Aber wenn wir telefonieren, bin ich glücklich. Er erzählt mir tausend Sachen und alle sind ein wenig verrückt.

Er muss auf Rechnung arbeiten. Er ist damit in der gleichen Situation wie ich, auch ich bin selbstständig. Diese Übereinstimmung finde ich großartig, vielleicht hat sie etwas zu bedeuten.

Bestimmt bedeutet das etwas, ich brauche es so sehr, dass die Dinge, die wir tun, einen Sinn haben.

Bach, mein Vater, arbeitete ebenfalls auf Rechnung. Und so haben wir drei über die Arbeit eine Verbindung oder über die Musik, weil selbstständig zu sein in der Arbeitswelt obdachlos zu sein bedeutet, das ist, wie von der Musik zu leben.

Wenn ich jetzt sterben würde, wäre ich in Valdis Erinnerung immer jung, weil ich noch nicht zu den Alten gehöre. Wenn ich jetzt sterben würde, müsste er um mich weinen, und das will ich nicht. Niemand soll je um mich weinen. Aber wie sehr würde es mir gefallen, wenn ich in seinen Erinnerungen im Besitz meiner Kräfte wäre, wenn seine Erinnerungen an mich voller Schönheit, voller Licht wären.

Das Leben ist so groß, wie es grausam und hart ist.

Das Leben ist die Unmöglichkeit, das Leben zu kennen. Ich kenne meinen Sohn kaum noch und er kennt mich nicht. Wir streifen jeder für sich durch die Welt. Und so, wie diese gegenseitige Unkenntnis größer wird, verbrauchen sich unsere Leben mehr und mehr.

Nur indem wir die Schönheit unserer gegenwärtigen Unkenntnis und unserer zukünftigen Unkenntnis betrachten, retten wir uns vor der Tragödie, uns zu entfremden.

Das Leben eines Vaters und das Leben eines Sohnes sind voller Unkenntnis voneinander und nur die Liebe kann dies in die schönste Odyssee verwandeln.

Aber niemand weiß, was die Liebe ist, noch, wo ihre Grenzen liegen.

Wir werden niemals wissen, was leben heißt, weil es vielleicht nur atmen und in den Himmel schauen ist. Und das reicht uns nicht, es hat uns nie gereicht.

Dein armer Vater schleppt sich durch diese Welt, um eine Minute deines Lebens bettelnd, Valdi.

Vater sein, bedeutet, um Liebe zu betteln.


4

Eines Tages verstehst du, dass du niemals mit jemandem richtig zusammen gewesen bist, nicht einmal mit dir selbst. Und dieser Tag ist ein großer Tag. Das Leben eines alternden Menschen besteht darin, zu akzeptieren, dass er niemals mit jemandem zusammen gewesen ist noch mit jemandem zusammen sein wird, niemals kann er einem anderen seine Seele offenbaren, geschweige denn, dass der andere erkennt, was ihm offenbart wird, sie behütet, sie pflegt, sie schützt. Um jemanden zu lieben, musst du dir selbst entsagen. Wenige Menschen entsagen sich selbst. Im hohen Alter akzeptieren die Menschen die Einsamkeit, daran denke ich, während ich im AVE Richtung Madrid sitze.

Wir haben die Illusion der Gemeinsamkeit geschaffen. Indem wir die Familie erfanden, indem wir die Liebe erfanden, die Freundschaft, die bedingungslosen Bande, und diese Illusion funktioniert, bis im Alter ein neues Gefühl offenbar wird: das Gefühl, dass du allein sterben wirst, weil wir alle allein sterben werden. Die Meere, die Berge, die Sterne und die Bäume sind allein, so empfinde ich die Einsamkeit: als wunderbaren Ausdruck des Mysteriums hier, am Leben und auf der Welt zu sein.

Ich würde mich gerne tot sehen, um meinen eigenen Tod vom Leben aus zu berühren. Die Idee der Auferstehung, so abwegig, so angefochten, so niedergemacht, so verunglimpft, so verachtet, stellt sich mir als gelbe Kraft dar, die mich lockt. Die Auferstehung, an die der größte Autor der Moderne – Tolstoi, der Russe Leo Tolstoi – glaubte, ist Zuneigung zum Leben.

Wie sollte man auch nicht dem Leben zugeneigt sein, der Kontemplation der Liebe, der Kontemplation des Essens, der Kontemplation des Winters, des Sommers, des Frühlings, des Herbstes. Wie sollte man nicht dem Wind zugeneigt sein und dem Wesen des Windes.

Wir haben die uralten Geheimnisse vergessen.

Ich kann keinen Schritt in diesem Leben tun, ohne dass mich nicht das Gespenst meiner toten Eltern begleitet.

Nach der Veröffentlichung meines Romans sagte ich mir, dass ich sie nicht mehr anrufen werde, dass ich sie auf immer tot sein lassen werde, aber die Leute bestürmten mich, mit aller Rücksicht und in bester Absicht, mit Fragen über sie. Trotzdem wollte ich sie dorthin, wo sie herkamen, zurückschicken. Aber wo war dieser Ort?

Diese Frau, die neben mir im AVE sitzt, wird ebenfalls Vater und Mutter haben und ihrem Alter entsprechend – sie sieht aus wie etwas über sechzig – sind sie wahrscheinlich tot. Sie isst neben mir, sie isst ein kleines Sandwich so, dass es kaum auffällt. Aus dem Augenwinkel betrachte ich ihre roten Fingernägel auf dem Toastbrot; und die Kopfhörer, die mit ihrem Handy verbunden sind.

Vom AVE aus blickt man auf Vorstadthäuser, mehrstöckige, wenig attraktive Wohnblöcke. Dort leben Menschen und ich stelle mir ihr Leben vor. Es ist möglich, dass auch ich in einer dieser Wohnungen in einem Außenbezirk ende, in einer dieser einfachen Wohnungen mit Blick auf die Zuggleise.

Immer wieder stelle ich mir ein solches Ende vor: von allem und allen verlassen, einer totalen Anonymität ausgeliefert, in einer 40-Quadratmeter-Wohnung, in der es im Sommer vierzig Grad wird, von Staub und Schmutz mürbe, in einem schmutzigen Bett liegend. Und krank und mit dem Tod ringend und trotzdem ruhig. So sehe ich mich in der Zukunft.

Ich glaube, dass ich mit dieser Art von Gedanken versuche, dem Schicksal zu trotzen, ich versuche, vor nichts Angst zu haben. Weil, auch wenn es in diesen Wohnungen, die ich vom AVE aus sehe, nichts gibt, wonach ich streben oder mich sehnen würde, mit Sicherheit Menschen dort leben, Menschen, die atmen und sich verlieben. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass sich das Leben unter der Sonne abspielt, wenn es Tag ist, und unter dem Mond, wenn es dunkel ist. Niemand kann dir das nehmen: den Tag und die Nacht.

Ich schaue noch einmal auf die Frau, die mit mir im AVE fährt. Sie ist eingeschlafen, mit einem Brotkrümel am Mund, was sie nicht besonders gut aussehen lässt. Mit außerordentlicher Behutsamkeit mache ich den Krümel mit der Hand weg.

Jetzt ist sie perfekt.


5

Ich erinnere mich, dass wir im Sommer zum Baden an den Cinca fuhren, ein Fluss mit Wasser aus den Bergen, acht Kilometer von Barbastro entfernt. Einmal hatte ich eine Halluzination in diesem Fluss. Das muss 1974 oder 1975 gewesen sein. Ich schwamm, tauchte und berührte die Steine am Grund. Und ich entschied mich, auf eigene Faust Stellen in dem Fluss zu erforschen, an denen ich noch nie gewesen war. Ich trug Wasserschuhe und ging los, entfernte mich immer weiter von dort, wo meine Eltern und deren Freunde, ein anderes Paar mit einem kleinen Kind, waren.

Ich staunte über die Schuhe, weil sie für mein Kinderhirn wie ein Wunder waren, vor allem das erste Mal, als ich welche trug: Mit ihnen konnte man im Wasser gehen, diesen Schuhen machte das Wasser nichts aus. Vielleicht sollte ich endlich einmal sämtliche Wunder, derer ich in meinem Leben ansichtig geworden bin, genauestens auflisten, so trivial oder absurd oder albern sie auch scheinen mögen. Ich verliebte mich auf jeden Fall in diese Schuhe. Als ich sie geschenkt bekam, empfand ich eine außerordentliche Freude und wie gerne würde ich sie noch einmal spüren.

Ich sah, wie das Sonnenlicht auf das Wasser des Cinca knallte, es war wie eine Explosion, so etwas hatte ich noch nie gesehen. An einer seichten Stelle setzte ich meine Füße ins Wasser und betrachtete meine Schuhe und ging los. Bis ich an eine abgelegene, breite Stelle kam, wo der Fluss sich wie zu einem Schwimmbecken staute, eine Art Mauer, so etwas wie ein Wehr, hielt ihn zurück. Langsam ließ ich mich in dieses klare, stehende Wasser gleiten, das mich immer mehr umfing. Und langsam begann ich, dort zu schwimmen. Die Schönheit dieses zurückgehaltenen Wassers löste ein unauslöschliches Glücksgefühl bei mir aus.

Ihm wohnte eine tiefe Ruhe inne.

Heute ist der 19. Juli 2018 und ich werde sechsundfünfzig Jahre alt. Ich feiere meinen Geburtstag nicht. Dieser Tag ist mir unangenehm, weil ich ihn nicht mehr anders verstehen kann denn als Gipfel einer Demütigung, eines Vergessens, eines militärischen Scheiterns. Ich sah meinen Vater seinen Geburtstag verheimlichen und ich sah meine Mutter das Gleiche tun.

Sie schienen zeitlos zu sein.

Und jetzt mache ich das Gleiche. Vielleicht haben sie ihn nicht verheimlicht, sondern sich eher nicht daran erinnert. In meiner Familie wurde weder der Geburtstag meiner Mutter noch der Geburtstag meines Vaters je gefeiert.

Er wurde nicht nur nicht gefeiert, sondern es wurde noch nicht einmal die Existenz eines solchen Tages angenommen. Warum machten sie das? War das Teil ihres Wesens? Oder verzichteten sie auf jegliche Feier, um nur eines zu feiern?

So war es, weil es nur einen Geburtstag gab: meinen. Die Geschichte eines Menschen besteht darin, dass er seinen Geburtstag feiert bis zu dem Moment, wo sich dieser Tag verdunkelt und er zur Hölle fährt.

Mein Geburtstag gefällt mir nicht, weil meine Eltern tot sind. Sie waren diejenigen, die dieses Datum erfanden, und ohne sie ist dieses Datum Staub, Wind, nichts.

Sie waren diejenigen, die den Tag meiner Geburt zum wichtigsten Tag des Universums machten. Und da sie nicht mehr da sind, ist der Tag meiner Geburt zu einem finsteren, öden, traurigen Datum geworden, ein Unglück, ein Scherbenhaufen.

Ich erinnere mich an den Fluss, weil das an meinem Geburtstag war, als mein Geburtstag ein großer und schöner Tag war, weil mein Vater ihn groß machte. Er wusste, wie das ging. Seitdem er diese Welt verlassen hat, ist mein Geburtstag ein elendes und schlappes Spektakel. Saure Feuchtigkeit, unsagbare Enttäuschung, Schmerz und Schweigen, so ist mein Geburtstag heute, weil weder er noch sie hier sind, nur darum.

Trotzdem gehe ich mit Mo, meiner jetzigen Frau, und ein paar Freunden essen und plötzlich, beim Nachtisch, stelle ich überrascht fest, dass Mo eine Kerze gekauft und sie auf ein Kuchenstück gesteckt hat, und die Kerze brennt und sie gratulieren mir zum Geburtstag. Ich bin dankbar, dass sie an mich gedacht haben, und ich erinnere mich an meinen Vater. Ich habe das Gefühl, dass er derjenige gewesen ist, der diese Überraschung vorbereitet hat. Er hat das gemacht, damit ich nicht seinetwegen in Melancholie, Nostalgie versinke. Er hat das extra gemacht. Er hat mir aus dem geisterhaften Raum heraus, in dem er weiterlebt, etwas sagen wollen. Er hat mir Folgendes gesagt: Es gibt Menschen, die dich lieben.

Ich wünschte mir immer, niemand würde mich lieben, weil es unmöglich ist, dass die Liebe meines Vaters zurückkommt, weil es unmöglich ist, derjenige zu sein, der ich war, aber das Leben hat mir mit dem Kuchen, den Mo gekauft hat, eine kleine Feier geschenkt.

Ich liebe es, Valdi an meinem Geburtstag eine sehr spezielle WhatsApp zu schicken. Es ist eine Art Witz, nur zwischen uns beiden. Ich schreibe ihm Folgendes: „Denk daran, deinen Vater anzurufen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren.“ Es ist fast ein metaphysischer Witz. Als wäre ich nicht sein Vater. Als wäre ich ein Freund, der ihm einen Rat gibt. Und folglich wäre sein Vater jemand anderes als ich. Ich mache das auch an Feiertagen wie Weihnachten oder so. Ich mag es sehr, diesen Witz zu machen. Ich mache ihn quasi für mich selbst. Ich glaube, dass ich mich, wenn ich ihn mache, von meiner Rolle als Vater erhole. Alle Väter müssen sich von der Vaterschaft erholen, vielleicht, um endlich wieder nur Sohn zu sein. Ich mag es, mir vorzustellen, dass der Vater meines Sohnes nicht ich bin, sondern ein unbekanntes Wesen. Jemand, der ein Leben am Rande der Normalität führt. Jemand Geheimnisvolles, jemand, der ständig auf Reisen ist. Jemand ohne festen Wohnsitz, der aber trotz alledem einen Anruf zum Geburtstag verdient. Jemand, an dessen Gesicht ich mich kaum erinnern könnte. Jemand, der mir nicht wichtig ist, aber es verdient, beglückwünscht zu werden, nicht um seiner selbst willen, sondern weil es eine Pflicht ist, ihn zu beglückwünschen.

Als würde ich Valdi sagen, „du hast die Pflicht, deinen Vater zu beglückwünschen, obwohl du ihn nicht liebst oder obwohl du Angst vor ihm hast oder obwohl du es vergessen hast oder obwohl du siehst, wie er langsam verschwindet, oder obwohl du mehr von ihm erwartet hast oder obwohl er dich enttäuscht hat oder obwohl er letzten Endes unbedeutend war oder obwohl er dir wehgetan hat, oder obwohl er nicht wirklich gut klarkam“.

Ich sehe noch einmal diesen Schwimmer von vor vierzig Jahren, dort, an dieser ruhigen Stelle, und ich sehe, wie er in dieses Wasser hineingleitet, schwimmt. Und das bin ich, weil ich es geschafft habe, an diesen Punkt meiner Vergangenheit zu gelangen, an diesen 19. Juli, an diesen verloren gegangenen Tag, und ich schwimme an diesem Ort und ich nehme wahr, dass dieser Ort gefährlich ist, weil der Cinca seine Geheimnisse hat und manchmal Menschen mit sich fortnimmt.

Aber er möchte nicht, dass ich mit ihm gehe. Ich darf mich in seinem Schlund erfreuen, an seinen dunklen Strömungen, an seinen Steinen auf dem Grund, seinem wilden Atem.

Ich habe Flüsse immer geliebt.

Mo schläft jetzt. Sie ist eingeschlafen, weil es bereits der 20. Juli frühmorgens ist, sie hat die Melancholie des Kalenders besiegt. Sie hat an die Stelle, an der ich ein Denkmal für die Einsamkeit errichten wollte, eine Kerze gesetzt.

Mo ist die Abkürzung für Mozart, das hatte ich noch nicht gesagt, und sie ist meine zweite Frau.

Und sogar Bra, mein älterer Sohn, mein geliebter Johannes Brahms, hat mich angerufen, um mich zu beglückwünschen.

Manuel Vilas

Über Manuel Vilas

Biografie

Manuel Vilas, 1962 in Barbastro geboren, studierte spanische Philologie und arbeitete über 20 Jahre als Lehrer. Er verfasst Lyrik und Prosa und schreibt außerdem regelmäßig für mehrere Zeitungen und literarische Zeitschriften. Vilas lebt in Iowa und Madrid.

Pressestimmen
OÖ Nachrichten

„Eine furiose Reise eines traurigen, aber innerlich lächelnden Menschen in die Vergangenheit samt Alltagsbeobachtungen und klugen, unvergesslichen Reflexionen.“

Badische Zeitung

„Er schreibt wie ein Kind, das sich die unbegreifliche Welt zu erklären sucht, ein Schöpfungsakt aus einfachen Worten. Wie Kiesel ordnet er sie zu einem gewaltigen Mosaik, auf dem zu sehen ist, was er fortwährend benennt: sein Leben.“

Süddeutsche Zeitung

„Manuel Vilas‘ Roman ›Was bleibt, ist die Freude‹ verwandelt das Verlorene in melancholische Schönheit.“

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