Weiße Finsternis Weiße Finsternis - eBook-Ausgabe
Roman
„Ein packender Abenteuerroman, der hundert Jahre nach Amundsens großer Polarexpedition den historischen Fall der beiden verschollenen Seeleute Peter Tessem und Paul Knutsen mit einer verhängnisvollen Dreiecksbeziehung verwebt.“ - Rieser Nachrichten
Weiße Finsternis — Inhalt
„Wir waren eins, doch jetzt sind wir drei ...“
Zwei Freunde unterwegs im ewigen Eis, mit ihrem Leben aufeinander angewiesen – Roald Amundsen schickt sie, um Nachrichten von der Maud zu übermitteln. Doch was sie eigentlich verbindet, ist der Wettlauf um Liv, die Frau ihrer Herzen, von der sie glauben, dass sie in Tromsø mit ihren beiden Kindern auf sie wartet.
„Weiße Finsternis“ verwebt hundert Jahre nach Amundsens großer Polarexpedition den historischen Fall der beiden verschollenen Seeleute Peter Tessem und Paul Knutsen mit einer verhängnisvollen Dreiecksbeziehung und der Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war, zu einem packenden literarischen Abenteuerroman.
Vorab ausgezeichnet mit dem Robert Gernhardt Literaturpreis
Leseprobe zu „Weiße Finsternis“
73° 30′ N, 80° 32′ O
Der Sommer des Jahres 1920 war einer der wärmsten, an die sich die Bewohner Dudinkas erinnerten. Im Juli und August stiegen die Temperaturen im Mittel auf zwanzig Grad Celsius, und manchmal zeigten die Thermometer beinahe fünfundzwanzig Grad an, eine Hitze, die den Alten zu schaffen machte und die Jungen aus den Häusern ins Freie lockte, hinunter an den Fluss, wo Nacht für Nacht die Lagerfeuer brannten; Kinder tollten im flachen Wasser, warfen sich juchzend in die Wellen, und über dem Ufer tanzten die Mückenschwärme; in den Gärten [...]
73° 30′ N, 80° 32′ O
Der Sommer des Jahres 1920 war einer der wärmsten, an die sich die Bewohner Dudinkas erinnerten. Im Juli und August stiegen die Temperaturen im Mittel auf zwanzig Grad Celsius, und manchmal zeigten die Thermometer beinahe fünfundzwanzig Grad an, eine Hitze, die den Alten zu schaffen machte und die Jungen aus den Häusern ins Freie lockte, hinunter an den Fluss, wo Nacht für Nacht die Lagerfeuer brannten; Kinder tollten im flachen Wasser, warfen sich juchzend in die Wellen, und über dem Ufer tanzten die Mückenschwärme; in den Gärten wuchsen prächtige Kürbisse heran, der Boden spie Kartoffeln und Rüben aus, man kam mit dem Ernten und Verarbeiten kaum nach. Selbst Anfang September herrschten noch ungewöhnlich milde Temperaturen, wenngleich bereits die ersten Winde vom Nordmeer herunterkamen und die Menschen daran erinnerten, in welchen Verhältnissen sie eigentlich lebten in ihrer Stadt am großen Jenissei. Die Sonne wurde zur Zuschauerin, wenn Eis und Schnee sich wieder um die Häuser legten; Wärme war ein Wort, das man nur selten mit zufriedenem Lächeln aussprach, der tiefgefrorene Boden knirschte wie selbstverständlich unter den Sohlen.
Am 5. September 1920 machte die Iney im Hafen von Dudinka fest, ein rostiger Dampfer zwar, aber dennoch der Stolz des Russischen Hydrographischen Dienstes. Die Menschen kamen am Ufer zusammen und wussten nicht recht, was sie von den fremden Leuten halten sollten, die sich als Offizielle der siegreichen Bolschewiken vorstellten, siegreich, obgleich einige gehört haben wollten, dass der Krieg noch in vollem Gange war und dass er sich nun westlich ausdehne, hinüber ins benachbarte Polen. Mit an Bord der Iney war auch Fjodor Anatol Troitski, der schlanke, hoch aufgeschossene stellvertretende Vorsitzende des Komitees der Nordseeroute, der sich auf einer Inspektionstour befand, die ihn noch weiter nördlich bis in die Karasee bringen sollte. Jetzt und hier aber plagte ihn ein böser Schnupfen. Er schnäuzte sich mehrfach, bevor er den schmalen Bohlenweg hinauf vom Hafen nahm. Ein Hund beschnupperte ihn, Kinder glotzten. Er hatte Hunger und hoffte auf etwas Wodka und gebratenen Fisch. Als ihm ein Vertreter der Stadt entgegentrat, in seinem Schlepptau ein feister Pope und mehrere alte Weiber, musste sich Troitski erneut heftig schnäuzen, bevor er ohne Umschweife nach dem Aufenthaltsort des Genossen Nikifor Begitschew fragte. Man habe ihm versichert, ihn hier zu finden, er müsse in einer Angelegenheit von nationaler Bedeutung mit ihm sprechen.
Also brachte man Troitski an den Stadtrand und bis vor eine Hütte am Ufer des Flusses. Da er nach der Anstrengung des Weges nur schwer durch die verstopfte Nase atmen konnte, besah er sich für einen Augenblick den angrenzenden Gemüsegarten und den direkt an die Hütte gesetzten Räucherofen. Schließlich klopfte er. Begitschew war ihm empfohlen worden als jemand, der sich wie kein Zweiter in dieser Gegend auskenne, der bereits oben bei Kap Vilda gewesen sei, so hatte man ihm berichtet, und gute Kontakte zu den hiesigen Nganasanenstämmen pflege. Er sei durch die einsamen Monate in der Tundra zwar etwas wortkarg geworden, stehe aber treu hinter der Sache und sei nicht zuletzt mit einigen Rubeln rasch zu gewinnen.
Begitschew schien ihn erwartet zu haben, hatte Wodka und Gläser bereitgestellt, dazu saure Gurken und Brot, sodass Troitski sich fragte, ob dieser Mann wirklich so eigenbrötlerisch sein konnte – die Gurken in einer Schale, das Brot aufgeschnitten, Salz daneben. Sie gaben einander die Hand, und Troitski stellte sich vor, mit vollem Titel. Begitschew überragte ihn um einen halben Kopf, er war schmal, das Gesicht bartlos und ernst, einer, das war Troitski sofort klar, dem man nichts vormachen konnte; der Händedruck fest, der Blick konzentriert. Begitschew bat ihn, Platz zu nehmen, und goss Wodka in die Gläser. Schweigend tranken sie.
Troitski nickte dem Mann zu. „Sie haben von den Schwierigkeiten der Norweger gehört“, begann er ansatzlos. „Das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten hat Kontakt zum norwegischen Außenminister aufgenommen, die Sache ist in den höchsten Kreisen angelangt. Es ist nach all den Wirren und schlechten Nachrichten der letzten Monate ein Zeichen, das wir aussenden wollen, Genosse Begitschew. Ein Zeichen des Wohlwollens und der Hilfsbereitschaft.“
Ein mattes Licht lag über dem Tisch, es roch nach Holzkohle und vergorener Milch. Troitski fragte sich, ob sein Gegenüber wirklich so fest und aufrichtig hinter der großen Sache stand oder ob er hier draußen in der Wildnis möglicherweise ganz anderen Dingen nachhing. Er rief sich in Erinnerung, dass es Nikifor Begitschew gewesen war, der einst Alexander Wassiljewitsch Koltschak vor dem Kältetod gerettet hatte, und dass nun ebendieser Koltschak – Kommandant der Weißen Armee, Rädelsführer, Aufständler – im Februar in einem Eisloch des Angara-Stroms versenkt worden war, was Troitski zwei Dinge verdeutlichte: Erstens konnte man seinem Schicksal nicht entgehen, und zweitens musste man Genosse Begitschew im Auge behalten; ein Mensch, still und einsam, der hier draußen nicht mehr zu fürchten hatte als seinen eigenen Schatten.
„Ich habe davon gehört“, sagte Begitschew. „Ich habe mit den Nganasanen darüber gesprochen. Sie sind sicher, dass beide längst nicht mehr leben.“
„Darauf kommt es nicht an“, sagte Troitski, richtete sich auf und nahm eine Gurke. „Entscheidend ist das Zeichen, das wir aussenden. Die Norweger planen eine Suchexpedition zu Land, und es gibt keinen Besseren als Sie, der diese nach Kräften unterstützen könnte. Wir brauchen Sie, Genosse!“
„Ich habe geahnt, dass Sie kommen und mich fragen werden“, sagte Begitschew und lehnte sich nach vorn.
„Dann nehme ich das als Ihre Zusage“, schob Troitski schnell hinterher. „Man wird Ihnen die entsprechenden Mittel großzügig zur Verfügung stellen. Brauchen Sie etwas, dann werden Sie es bekommen. Und wenn Sie erfolgreich sind, wird das nicht zu Ihrem Nachteil sein. Sie kennen Nikolai Timofeyevskiy, den Stationsleiter in Dikson?“
„Wir sind einander begegnet, ja.“
„Wunderbar. Er wird an Sie telegrafieren. Sorgen Sie für ausreichend Mensch und Material, ihre Nganasanenfreunde sollten unbedingt dabei sein.“ Zufrieden und erleichtert darüber, die Angelegenheit so rasch geklärt zu haben, erhob er sich, stolperte, fing sich aber sogleich und lächelte.
Ohne ein weiteres Wort begleitete Begitschew ihn zur Tür, blieb auf der Schwelle stehen, und erst da fiel Fjodor Anatol Troitski auf, dass der Genosse die ganze Zeit über barfuß gewesen war: zwei bleiche Füße, lang und knochig mit Nägeln so dunkel wie bei einem Raubtier.
In der Folge dieses Treffens verbrachte Nikifor Begitschew den Herbst und Winter 1920 damit, zwischen Dudinka und Avam, dem Hauptort der örtlichen Nganasanen, hin- und herzureisen, Versprechungen zu machen, kleine Geschenke zu verteilen und auf die Bereitstellung von Schlitten und Rentieren hinzuwirken. Kachdo, das Nganasanenoberhaupt, war misstrauisch; er hatte von den Umwälzungen in Moskau und Sankt Petersburg gehört, wusste, dass es zu einem blutigen Krieg gekommen war, dass es Hungersnöte und Brände gab, und er ließ durchblicken, dass er den Bolschewiken nicht traue. Begitschew aber sprach immer wieder von der Großzügigkeit der Regierung und brachte ihm gegen Ende des Jahres ein offizielles Schreiben aus Moskau. Kachdo, eine schmale Brille auf der Nase, sagte nun endlich seine Hilfe zu, alles sei bereits arrangiert, er werde Konde, seinen Sohn, sowie ausreichend Rentiere und Schlitten mit auf die Reise in den Norden schicken.
Doch die Vorbereitungen dauerten noch das ganze Frühjahr an. Der Nganasanenführer weigerte sich beharrlich, Leute und Material vor April loszuschicken, da das Wetter in dieser Zeit launisch und unbeständig war und tagelange Schneestürme drohten. Begitschew blieb nur, sich zu fügen und die Karten zu studieren. Mit dem jungen Konde machte er Ausfahrten in die Umgebung, um zu jagen und die Schlitten zu testen. Dabei erzählte der ihm einmal von einem Mann namens Tubiaku, der vor drei Wintern an der Pjassina zwei Norwegern begegnet sein wollte, doch als Begitschew ihn fragte, wo er diesen Mann finden könne, zuckte Konde nur mit den Schultern. Keiner wisse, wo Tubiaku sich aufhalte, mit Frau und Kindern habe er sich im letzten Sommer in den Norden aufgemacht und sei nie wieder gesehen worden; ein seltsamer Mensch sei das, er spreche mit den Geistern und habe es nie lange mit anderen ausgehalten. Wahrscheinlich, so Konde, seien auch die Norweger nur Einbildung gewesen.
Nikolai Timofeyevskiy, Leiter der Wetterstation von Dikson, telegrafierte Begitschew, dass seit dem Anbruch des Winters der norwegische Schoner Heimen mit Motorschaden in Dikson vor Anker liege. Kapitän Lars Jakobsen plane nun eine Landmission und sei dankbar für jedwede Unterstützung.
Endlich, am 3. Mai 1921, brachen Begitschew, Konde und zwei weitere Nganasanen von Dudinka aus auf. Sie fuhren mit acht Schlitten, bepackt mit Zelten, Schlafsäcken, Winterkleidung, Verpflegung und Waffen, und erreichten einen Monat später die Wetterstation am Nordmeer.
Lars Jakobsen und Alfred Karlsen wären Begitschew beinahe um den Hals gefallen, als er endlich ihre Hütte betrat. Dem jungen Karlsen standen Tränen in den Augen, die er sich mit einer beiläufigen Bewegung fortwischte, während der Kapitän nur dastand und leicht zu zittern schien. Begitschew wusste, was es hieß, einen langen Winter in solch einer kargen Behausung auszuharren. Sie setzten sich an den Tisch, Timofeyevskiy schenkte Wodka aus, und Jakobsen berichtete.
Im letzten Herbst noch hätten sie versucht, mit der Heimen bis Kap Vilda vorzustoßen, dichtes Eis aber habe jede Fahrrinne versperrt, und so sei man zur Umkehr gezwungen gewesen. Nun säße man also aufgrund des Wetters und eines Maschinenschadens seit nunmehr einem halben Jahr tatenlos hier fest, man habe sich vergeblich um Ausrüstung für eine Landmission bemüht und sei daher hocherfreut und dankbar über die Unterstützung durch die russische Regierung und Genosse Begitschew.
Die beiden Norweger waren blass, vor allem Karlsen, dessen roter Bart und Haarschopf umso deutlicher hervorstachen. Der junge Mann übersetzte für seinen Kapitän, was dessen Russisch-Kenntnisse überstieg. Jakobsen entfaltete eine Karte der Taimyr-Halbinsel und berichtete von Amundsens Expedition, wie die Maud ein Jahr lang bei Kap Tscheljuskin festgelegen und der große Polarforscher sich dann entschieden hatte, Peter Tessem und Paul Knutsen durch das Eis nach Dikson zu schicken. Im Oktober 1919 seien die beiden aufgebrochen, seitdem habe man nichts mehr von ihnen gehört. Auf das eintretende Schweigen holte er ein eng verschnürtes Bündel Papiere herbei und legte es vor Begitschew auf den Tisch.
„Die Aufzeichnungen Paul Knutsens von der Maud“, übersetzte Karlsen. „Sie fanden sich bei den Sachen, die er auf dem Schiff zurücklassen musste. Amundsen hat sie zusammen mit Kisten voller Pelze und gefrorener Enten nach Norwegen geschickt mit der Bitte, sich des Falles anzunehmen. Man hat uns diese Papiere zur Verfügung gestellt in der Hoffnung, sie würden uns weiterhelfen.“
„Man hat nichts Gutes von der Maud gehört“, sagte Begitschew.
„Eine Unglücksfahrt“, murmelte Jakobsen, „von Anfang an. Erst das verlorene Jahr auf Kap Tscheljuskin, dann ein zweites, in dem sie auch nicht merklich weiterkamen. Letzten Sommer erreichte Amundsen dann Nome, die halbe Mannschaft wurde abgemustert, er aber fuhr wieder hinaus. Die Maud steckt jetzt irgendwo vor der Tschuktschen-Halbinsel im Eis.“
Gemeinsam überflogen sie die Papiere. Kurze Tagebucheinträge von Knutsen, meist über das Wetter, und immer wieder erwähnte er Peter Tessem. Außerdem führte er eine Inventarliste auf. Begitschew las:
1 Zelt
1 leichter Schlitten
5 norwegische Schlittenhunde
Kerosin
Primuskocher
Kompass
Theodolit
Proviant
Gewehre
Munition
Skier
„Amundsen hatte ihnen geraten, Kap Vilda anzusteuern“, sagte Jakobsen und deutete auf die Karte. „Dort gab es von Sverdrup angelegte Proviantdepots. Wir vermuten, dass Tessem und Knutsen an diesem Ort vorbeikamen. Hier sollten wir also mit der Suche beginnen.“Dann noch ein Eintrag über das letzte Abendessen auf der Maud, womit die Aufzeichnungen endeten.
Begitschew rieb sich das Kinn und dachte nach. Er blickte dabei zu Konde, der schweigend dahockte und an seiner Pfeife zog. Bis nach Kap Vilda waren es über vierhundert Werst durch eine von Tümpeln, Wasserläufen und Schlammlachen durchsetzte Tundra, keine Bäume, kaum Futter für die Rentiere. Er lehnte sich zurück. Aber es war der große Amundsen, der um Hilfe gebeten hatte, und es war das eben erst aufblühende Reich der Bolschewiken, das ihm diese Hilfe nicht verwehren würde.
„Also auf nach Kap Vilda“, sagte er schließlich.
Am 8. Juni 1921 verließ die Gruppe unter den Rufen Nikolai Timofeyevskiys und dessen Adjutanten das kleine Dikson westwärts. Sechs Wochen lang zogen sie durch die Weite des Taimyrlandes, ohne auf eine weitere Menschenseele zu stoßen. Schwärme von Gänsen und Enten überflogen sie, und Konde und Jakobsen gelang es, eine ausreichende Menge davon zu jagen. Karlsen erlegte sogar einen Eisfuchs. Sie trieben die Rentiere voran, mühten sich mit den Schlitten über verharschtes Eis, nur um kurz darauf die Tiere durch knöcheltiefen Morast zu führen. Das Wetter blieb unbeständig. Morgens lag zäher Nebel über der Tundra, manchmal war die Sonne blass hinter den Wolken zu erkennen, und ein beinah weißes Licht schärfte kleinste Unebenheiten. Regen und Schneefall wechselten sich ab, gegen Mittag gingen die Flocken in feinen Niesel über, und ihre Mäntel glänzten, als bestünden sie aus Schuppen. Meist fuhr Konde auf seinem Schlitten voraus; er war es auch, der die besten Lagerplätze fand, vor dem Wind geschützt und von Kräutern und Flechten bewachsen, die die Tiere fressen konnten. Vor Anbruch der Nacht und nach einer dürftigen Mahlzeit saßen sie dann müde beieinander, tranken Kaffee und rauchten. Begitschew studierte aufmerksam die Aufzeichnungen von Paul Knutsen.
„Peter Tessem war krank“, sprach er eines Abends vor sich hin und runzelte die Stirn.
„Migräne, ja. Deswegen schickte ihn Amundsen zurück nach Dikson“, erklärte Jakobsen. „Er glaubte, der Mann würde einen weiteren Winter im Eis nicht überstehen.“
Begitschew nickte nachdenklich. Zwei Männer auf einem einfachen Schlitten, einer davon von heftigem Kopfschmerz geplagt, ständige Dunkelheit und Temperaturen um minus zwanzig Grad Celsius, dazu der Wind, unberechenbare Pressrücken im Eis und weder Gänse noch Enten, die es zu jagen gab. „Warum haben sie nicht bis zum Frühjahr gewartet?“, sagte er, wieder mehr zu sich selbst als in die Runde.
„Wir können nur Vermutungen anstellen“, sagte Jakobsen, „Tessems Zustand muss sich stark verschlechtert haben, er wollte wohl selbst nicht mehr warten. Amundsen dürfte das recht gewesen sein, konnte er doch so den beiden seine Post mitgeben.“
„Knutsen schreibt oft über Tessem“, sagte Begitschew.
„Sie waren Jugendfreunde“, Jakobsen trank einen Schluck Kaffee. „Er meldete sich freiwillig bei Amundsen, um Tessem durchs Eis zu begleiten.“
Begitschew nickte wieder. Trotzdem blieben die Motive vage. War Peter Tessem wirklich so krank gewesen? Oder hatte Amundsen ihn vielmehr gedrängt, die Maud zu verlassen? Wollte er nach einem Jahr im Eis ein Lebenszeichen senden, etwas, womit er Förderer wie Kritiker in Norwegen gleichermaßen besänftigen konnte? Jakobsen hatte von den Unstimmigkeiten an Bord der Maud erzählt, vom jungen Tønnesen, der Amundsen auf die Nerven ging, von den Unfällen Amundsens. War es zu einem Aufstand gekommen, in den auch Tessem und Knutsen verwickelt gewesen waren?
„Amundsen wird seine Gründe gehabt haben“, sagte Begitschew, um sich und seine kreisenden Gedanken zu beruhigen. Sie waren nicht hier, um über den Norweger zu urteilen, sondern um Spuren zweier Vermisster zu finden.
„Ein großer Mann soll er ja sein, dieser Amundsen“, Konde lehnte sich nach vorn, der Feuerschein erhellte sein jungenhaft glattes Gesicht. „Ich aber sehe da bloß einen Narren.“
„Narr oder Genie“, Karlsen streckte die Beine aus, „ein großer Eisfahrer muss beides sein.“
Begitschew sah den jungen Norweger von der Seite an. Karlsen starrte in die Flammen. Er erkannte sich in ihm wieder, ein junger Mann, hungrig nach der Welt, nach Taten, die bestehen bleiben würden; nein, Karlsen wusste noch nichts von den Wetterumschwüngen und Launen dieser Landschaft, von den Eisfeldern und trüben Tagen, aber vielleicht, dachte Begitschew, vielleicht würde ein günstiger Wind Alfred Karlsen eines Tages doch dahin bringen, wohin er so sehnlichst wollte.
Dikson liegt am Ende der Welt, weit im Norden Sibiriens im Mündungsgebiet des Jenissei, vergessen im Eis. Eine kleine Siedlung, die keine Träume weckt und keine Hoffnungen nährt und die dennoch für zwei Männer zu einem unerreichbaren Sehnsuchtsort wurde, zu einem Ort, von dem sie allenfalls ein schwaches Glimmen am Horizont wahrnahmen, bevor sie für immer verschwanden. In Dikson, an der Schnittstelle von 73. Breiten- und 80. Längengrad gelegen, herrscht von Anfang Dezember bis Anfang Januar Dunkelheit, dann erreicht die Polarnacht ihren Höhepunkt und verschlingt die tristen Plattenbauten und Hafengebäude. Dabei war Dikson nicht immer der vergessene nördlichste Außenposten des eurasischen Kontinents. Einstmals hielten hier die stolzen russischen und norwegischen Segler, galt Dikson als Tor zur Nordostpassage.
So ankert hier auch Ende August 1918 die Maud, Roald Amundsens nagelneues Forschung- und Expeditionsschiff, mit dem sich der ehrgeizige Entdecker und Eroberer des Südpols durchs Packeis Richtung Nordpol treiben lassen will. Fünf Jahre hat er dafür eingeplant. Doch steht sein neuerliches Unternehmen unter keinem guten Stern. Als die Maud Anfang September Dikson Richtung Osten wieder verlässt und einige Tage später Kap Tscheljuskin erreicht, die nördlichste Festlandstelle der Erde, wird sie vom Eis eingeschlossen und muss sich für den nahenden Winter eine Leeküste suchen: Maudhavn, wie die Mannschaft die Bucht nennt, bleibt ein Jahr, bis September 1919, ihr Zuhause. Die Stimmung an Bord schwankt. Amundsen ist von der frühen Unterbrechung wenig begeistert, vor allem zwischen ihm und dem jungen Emanuel Tønnesen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Da scheint es Amundsen ganz gelegen zu kommen, dass Schiffszimmermann Peter Tessem nach einem Gespräch um seine Abmusterung bittet. Tessem leidet seit ihrem Aufbruch aus Norwegen an starken Kopfschmerzen und einer fürchterlichen stimmunk, wie Amundsen notiert. Mit Tessem soll der ungehorsame Tønnesen das Schiff verlassen – zwei Probleme weniger, die Amundsen Kopfzerbrechen bereiten. Doch im Laufe des Frühjahrs bereut Tønnesen seine Ungezogenheiten und bittet Amundsen, bleiben zu dürfen; und tatsächlich ändert der seine Meinung: Nun soll Paul Knutsen Peter Tessem nach Dikson begleiten. Ausschließlich als vorwand für seine heimschikkung erfand ich die notwendigkeit, posst nach hause schikken zu müssen. Er braucht einen begleiter, und Knutsen bot sich an, weil er Sverdrup auf seiner depottour begleitet hatte , schreibt Amundsen später an seinen Bruder Leon.
Ein letztes Abendessen
Es gibt ein letztes gemeinsamen Abendessen, dann verlassen die beiden Männer das Schiff und begeben sich mit einem Schlitten und fünf Hunden ins Eis. Mitte September 1919 kommt die Maud endlich frei und kann ihren Weg ostwärts fortsetzen. Etwa zur gleichen Zeit machen sich auch Peter Tessem und Paul Knutsen auf die rund 1000 Kilometer lange Reise entlang der vereisten Küste der Taimyrhalbinsel westwärts nach Dikson. Die beiden sind eiserfahren. Peter Tessem war Teilnehmer der Ziegler-Polar-Expedition, die zwischen 1903 und 1905 von Franz-Josef-Land aus versuchte, den Nordpol zu erreichen, kläglich scheiterte und gerettet werden musste. Paul Knutsen begleitete Arktisveteran Otto Sverdrup 1914 auf einer Rettungsexpedition zur Taimyrhalbinsel, also genau in die Region, in der die beiden jetzt unterwegs sind. Doch trotz all ihrer Erfahrung werden sie den russischen Außenposten nie erreichen.
Auch Amundsen hat weiterhin kein Glück. Nach einer Vergiftung durch Kohlenmonoxid während der wissenschaftlichen Arbeit und einem Angriff durch einen Eisbären, bei dem er nur knapp dem Tod entgeht, bleibt er mit der Maud nur einen Monat nach ihrer Befreiung erneut im Eis stecken. Diesmal ankern sie vor der Insel Ajon in der Ostsibirischen See. Immerhin gelingt es zwei Besatzungsmitgliedern, Wisting und Hanssen, sich in einem entbehrungsreichen Marsch nach Anadyr am Beringmeer durchzuschlagen und von dort ein Telegramm nach Norwegen abzusetzen. Darin teilt Amundsen den Standort der Maud mit und gibt bekannt, dass sich Tessem und Knutsen auf dem Heimweg befinden. Das Telegramm endet mit der Frage: Sind sie sicher zu Hause angekommen?
Die Suche beginnt
Nein, zu diesem Zeitpunkt weißt niemand etwas über die beiden. Norwegens Nationalheld Fridtjof Nansen beruhigt, indem er die Vermutung äußert, dass es den beiden aufgrund der politischen Umwälzungen in Russland noch nicht gelungen sei, Kontakt mit der Heimat aufzunehmen. Aber die Zeit vergeht, das Jahr 1920 beginnt, es wird erneut Frühling, und noch immer gibt es kein Lebenszeichen von Tessem und Knutsen. Langsam setzt sich in Norwegen die Erkenntnis durch, dass es zu einem tragischen Zwischenfall gekommen sein muss. Nun handelt man und betraut Otto Sverdrup mit der Zusammenstellung einer Rettungsmission. Für eine Pauschalsumme von 1800 Kronen mietet er Schiff und Mannschaft, und im August 1920 sticht die Heimen unter Kapitän Lars Jakobsen in See. Ohne nennenswerte Schwierigkeiten erreichen sie Dikson und nehmen sofort Kurs auf Kap Vilda. Dort wurden bei einer früheren Mission Sverdrups Versorgungsdepots angelegt, und man geht davon aus, dass Tessem und Knutsen diesen Ort angesteuert haben. Doch östlich von Dikson stoppt dichtes Eis ihr weiteres Vorankommen, und zu allem Überfluss zwingt ein Maschinenschaden die Mannschaft der Heimen, den Winter über in Dikson auszuharren. Die norwegische Regierung versucht, das Beste aus der Situation zu machen, und beauftragt Kapitän Jakobsen, eine Überlandexpedition zusammenzustellen. Jakobsen kabelt nach Norwegen: Telegramm erhalten. Werden hier den Winter über bleiben. Keine Nachrichten von Tessem und Knutsen. Werden versuchen, Rentiere und Hunde für eine Expedition zu mieten. Alles in Ordnung.
Aber wo soll Jakobsen, hier in Dikson am Ende der Welt, ohne Kontakte und Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten, Rentiere und Hunde herbekommen? Den russischen Behörden sind die Schwierigkeiten der Norweger nicht entgangen, und so beginnen im Hintergrund, langsam und schwerfällig zwar, aber immerhin, die bürokratischen Mühlen des Sowjetreiches zu mahlen. Zwischen dem kleinen Außenposten Dikson und Regierungsstellen in Omsk und Moskau glühen geradezu die Funkdrähte. Man spürt den für seine Arktiserfahrung bekannten Seemann und Forscher Nikifor Begitschew in Dudinka auf und gibt ihm den Auftrag, eine Suchmannschaft mit Rentieren und Schlitten zusammenzustellen, die Norweger in Dikson aufzusammeln und dann Richtung Osten nach Kap Vilda zu fahren. Wieder verstreicht Zeit. Begitschew verhandelt mit den ortsansässigen Nganasanen über Tiere und Material, und erst Anfang Mai 1921, fast eineinhalb Jahre nach dem Verschwinden der Norweger, setzt sich die Rettungskarawane in Bewegung.
Ein erstes Lebenszeichen
Einen Monat dauert der Weg nach Dikson, dort stoßen Kapitän Jakobsen und der junge Seemann und Übersetzer Alfred Karlsen zu Begitschews Gruppe. Man hetzt sofort ostwärts weiter. Der Weg die Küste hinauf ist eine einzige Tortur: Zahlreiche Rentiere kollabieren oder ertrinken in den Flüssen, abwechselnd schneit und regnet es. Trotzdem erreichen sie am 27. Juli Kap Vilda und finden Sverdrups Steinhügel. Verstreut liegen hier die Überreste der Vorratskisten, dann ein erstes Lebenszeichen: ein Brief von Tessem und Knutsen. Sie schreiben: Zwei Männer der Maud-Expedition, mit Hunden und Schlitten reisend, kamen hier am 10. November 1919 an. Wir fanden die eingelagerten Vorräte in sehr schlechtem Zustand vor, vor allem das Brot war vom Meerwasser verschimmelt und verdorben, was zeigt, wie die aufgewühlte See diese Stelle überspülte. Wir haben das Lager um 25 Yards landeinwärts verschoben und unseren Proviant für 20 Tage mit den hiesigen Vorräten aufgestockt. Wir sind in guter Verfassung und werden noch heute nach Port Dikson aufbrechen. 15. November 1919, Peter L. Tessem, Paul Knutsen. Ein Hoffnungsschimmer?
Nun soll es entlang der Küste zurück nach Dikson gehen, sie halten Augen und Ohren offen. Doch die Strapazen lassen nicht nach; ein Schlitten bricht ins Eis ein und kann nur mit Mühe gerettet werden, die Nahrungsmittel gehen langsam zur Neige. Anfang August stolpert Kapitän Jakobsen über einen halb verrotteten Schlitten, dessen Bauart eher auf Dilettanten denn auf erfahrene Eisfahrer wie Knutsen und Tessem schließen lässt. Wenige Tage später stößt Begitschew bei Kap Primetny auf die verkohlten Überreste eines Menschen, findet weiter: Nägel, Knöpfe, Patronenhülsen, ein Taschenbarometer. Sie sind sich sicher, dass hier einer der beiden Norweger verstarb und vom anderen verbrannt wurde. Jakobsen und Karlsen vergraben die Knochen und errichten ein Holzkreuz. Es bleiben bis auf Weiteres ihre einzigen nennenswerten Funde. An der Pjassina ertrinken erneut einige Rentiere, und ein aufziehender Schneesturm lässt alle Spuren der Vermissten unter einer dichten Schneedecke verschwinden. Begitschew entscheidet sich, die Suche abzubrechen. Nur mit Mühe und unter großen Entbehrungen entgehen die Suchenden selbst einer Katastrophe und erreichen Anfang Oktober 1921 mit Booten Dudinka am Jenissei.
Was hat die Expedition um Begitschew erreicht? Einer der Männer scheint tot gefunden, doch was ist mit dem anderen? Und wo sind die Schriftstücke und Briefe, die Tessem und Knutsen bei sich hatten? Längst in die Karasee geschwemmt und verloren? Man zuckt die Schultern, wendet sich anderen Dingen zu, hat man denn nicht alles getan? Es sind nicht die großen Namen, die verschollen sind, kein Amundsen, kein Nansen, es sind nur Peter Tessem und Paul Knutsen, ein einfacher Zimmermann und ein unbedeutender Seemann. Sollen deswegen weitere Menschen in Gefahr gebracht, noch mehr Holzkreuze errichten werden? Man arrangiert sich mit dem Mysterium. Und wie so oft ist es auch hier der Zufall, ein Krümelchen Glück, der weitere Dinge ans Licht bringt.
Die Papiere der Maud
1922 erhält der Geologe Nikolai Nikolajewitsch Urwanzew den Auftrag, die Schiffbarkeit der Pjassina und die dortigen Nickelvorkommen zu erforschen. Im Mai stößt ein alter Bekannter zu der kleinen Gruppe: Nikifor Begitschew. Er will ebenfalls die Pjassina erkunden, nur unter etwas anderen Vorzeichen als Urwanzew: Ihn interessiert das Jagdpotential der Gegend. Urwanzew freut sich dennoch über den erfahrenen Begleiter. Im Juni 1921 brechen sie auf und erreichen knapp sechs Wochen später die Flussmündung. Von dort aus wollen sie westwärts entlang der Küste bis Dikson fahren. Immer wieder geht Urwanzew an Land und untersucht das Gestein auf Gold und Quarz, so auch am 9. August an der Mündung der Zeledeyewa. Doch was er für Gestein gehalten hat, entpuppt sich bald als über die Felsen verstreute Papiere. Und zwischen Treibholz finden sie zwei wasserfest verpackte Pakete, das eine ist mit Mr. Leon Amundsen, Kristiania. Post, manuskripte, fotos, karten, skizzen beschriftet. Begitschew ist sich sofort der Tragweite des Fundes bewusst: Es handelt sich um Teile der Postsendung von der Maud. Eine Suche in der Umgebung fördert Weiteres zutage: eine verschimmelte Lederbörse mit Amundsens Visitenkarten, einen Bootskompass, Überreste von Jaeger-Unterwäsche, ein verrostetes Fernglas, eine verfaulte Ledertasche, Knöpfe, Fäden und Schnallen. Und plötzlich beginnt ein Licht zu leuchten dort hinten am Horizont, nicht weit von Dikson. Am 12. August stoßen sie an der Mündung der Uboynaya in einer halb verfallenen Hütte auf zwei Paar Skier der norwegischen Firma Hagen & Co., in tadellosem Zustand. Der Schein des Lichts wird größer, aber mit ihm auch die Fragen: Warum wurde die Postsendung zurückgelassen? Wenn einer der Vermissten vorher starb, warum trug der andere zwei Paar Skier bis hierher und ließ sie dann zurück? Was um alles in der Welt war Tessem und Knutsen hier draußen zugestoßen?
Der Tote
Als die Gruppe am 14. August Dikson erreicht, teilt man ihnen mit, dass das erwartete Schiff nicht kommen werde und sie sich aus eigener Kraft zurück in den Süden durchlagen müssten. Urwanzew schickt Begitschew auf die Jagd und beginnt zu packen, doch nach nicht einmal einer Stunde kehrt Begitschew zurück: Er habe ein Skelett gefunden, bei dem es sich allem Anschein nach um Peter Tessem handele. Der Tote liegt quasi in Sichtweite Diksons, etwa drei Kilometer von der Siedlung entfernt nah am Wasser. Neben den Resten von Kleidung, eines gebrochenen Skistocks und eines verbogenen Jagdmessers finden sich zwei bemerkenswerte Dinge: eine metallene Taschenuhr, in deren Deckel Ziegler Polar Expedition. An Peter L. Tessem, Schiffszimmermann … eingraviert ist, und, auf einen Strick um die Taille des Toten gefädelt, ein Ring mit den Inschrift Din Pauline. Urwanzew folgert, dass Tessem auf den glatten Steinen ausgerutscht sein muss, das Bewusstsein verlor und erfror. Man errichtet erneut ein Holzkreuz, das Rätsel scheint, trotz ungeklärter Fragen, gelöst. Das Licht der Aufmerksamkeit erlischt.
Ein Mysterium
Doch in den folgenden Jahren flammt es immer mal wieder auf. Die Knochen, die Begitschew auf Kap Primetny fand, stellen sich nach genauerer Untersuchung als Überreste von Rentieren heraus. Und der Tote von Dikson, ist es wirklich Peter Tessem? Oder doch Paul Knutsen, der die Gegenstände seines wo auch immer verstorbenen Kameraden an sich genommen hat? Und warum rutschte er unglücklich aus, so kurz vor dem Ziel, als er die Lichter Diksons womöglich schon schwach in der Dunkelheit leuchten sah? Machte er einen Luftsprung vor Freude? Verfiel er in panische Hast? Oder sank er auf die Knie, dankbar, schluchzend, ein kurzes Gebet sprechend, dass er nun endlich am Ziel war. Bis heute ist das Rätsel um die beiden Männer nicht endgültig geklärt.
Und Roald Amundsen? Der dümpelt in den Jahren 1920/21 weiter vor der Sibirischen Küste auf der Maud und kehrt erst im Juli 1921 nach Seattle in die Zivilisation zurück. Dort holt ihn auch das Tessem-Knutsen-Mysterium schnell wieder ein. Seinem Bruder Leon schreibt Amundsen seine Sicht der Dinge, die er mit dem treuen Begleiter Wisting teilt: Tessem war vereinzelte male äußerst schwarzer stimmunk. Dann ertrug er absolut nichts. Knudsen war zwar äußerst geduldig, aber wenn er einmal wütend wurde, begann er zu toben. Jetzt meint W., es hat eine tragödie gegeben. Und das erscheint mir im moment als die einzige lösung. Darüber kein wort zu irgendwem!“
In Dikson erinnert heute ein massives steinernes Denkmal an Peter Tessem: TESSEM, norwegischer Seemann, Mitglied der MS Maud Expedition, gestorben 1920 steht darauf. Von Paul Knutsen dagegen fehlt jede Spur. Oder ist es doch umgekehrt?
Quellen:
Bomann-Larsen, Tor. Amundsen. Hamburg 2019
Barr, William: The Last Journey of Peter Tessem and Paul Knutsen, 1919. In: Arctic Vol. 36, No. 4, 1983
„Florian Wacker ist ein Roman geglückt, der uns packt und verschlingt, so wie die weiße Weite viele Abenteurer.“
„Ein raffiniert komponiertes Buch, das die historisch belegten Vorgänge auf mehreren ineinander verzahnten Erzählebenen immer wieder spiegelt, Cliffhanger erzeugt und auflöst und dabei die Leerstellen fiktional auffüllt.“
„Packend!“
„›Weiße Finsternis‹ erzählt packend von Erlebnissen, die eine historische Grundlage haben und in deren Zentrum drei Menschen stehen.“
„Florian Wacker (…) schafft es in sehr gelungener und moderner Abenteuer-Roman-Manier, seine Leser und Leserinnen zu fesseln.“
„Was für ein Buch! Abenteuerroman um eine Polarexpedition und Liebesgeschichte in einem, basierend auf historischen Fakten und spannenden kulturellen Hintergründe aus dem Nordnorwegen des beginnenden 20. Jahrhunderts, alles gewürzt mit fiktiven Erzählsträngen – das ist schon fast ein multimediales Leseereignis!“
„Es wurde mir kalt bei der Lektüre. Florian Wacker ist ein Meister der Atmosphäre!“
„Packend erzählt Wacker von der Macht der Natur in einer Zeit, in der es keine moderne Technologie gab, die Orientierung, Kommunikation und Transport erleichtern konnte.“
„Ein packender Abenteuerroman, der hundert Jahre nach Amundsens großer Polarexpedition den historischen Fall der beiden verschollenen Seeleute Peter Tessem und Paul Knutsen mit einer verhängnisvollen Dreiecksbeziehung verwebt.“
„Ein packender literarischer Abenteuerroman“
„Packend zu lesen“
„Ein Meister der Recherche und Einfühlung“
„Packend verwebt Florian Wacker hundert Jahre nach Amundsens Polarexpedition den historischen Fall der verschollenen Seeleute Peter Tessem und Paul Knutsen in eine verhängnisvollen Dreiecksbeziehung und die Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war.“
Weiße Finsternis – Florian Wacker Nachdem mich bereits sein Werk „Stromland“ damals sehr begeistern konnte, musste ich Florian Wackers neuen Roman „Weiße Finsternis“ unbedingt lesen. Und tatsächlich hat mir dieses Buch sogar noch besser gefallen! Ein literarisches Meisterwerk! Der Autor greift den historisch belegten Fall zweier vermisster Seeleute der Amundsen-Expedition von 1919 auf und beschreibt einen möglichen Verlauf der Geschichte. Peter und Paul sind beste Freunde, bereits seit Kindertagen. 1919 befinden sich die beiden auf einer gefährlichen Reise, per Ski und Hundeschlitten durchs ewige Eis des Polarmeers. Sie gehören zur Crew von Amundsens Forscherschiff Maud, die im Eis steckengeblieben, dort überwintern muss. Peter und Paul sind aufgebrochen, um Nachrichten zur weit entfernten Wetterstation zu bringen. Doch Peter ist krank, die Reise gefährlich, gerade zur ungünstigsten Reisezeit im Winter. Die Männer verbindet außerdem die Liebe zu ein und derselben Frau, Liv. Dieses Abenteuer entwickelt sich zum Überlebenskampf und die Frage wird immer offensichtlicher: worum geht es wirklich, bei diesem waghalsigen Unternehmen? Zwei Jahre später bricht ein Expeditionsteam auf, um nach Spuren der nie bei der Station angekommenen Männern zu suchen. Dieser Roman wird auf zwei Handlungssträngen erzählt: 1919, Peter und Paul, der Überlebenskampf im ewigen Eis. Und 1921, die Suchmission. Geradezu genial verwebt Wacker die beiden Stränge. Parallel erfährt man immer mehr über das Schicksal der beiden Hauptprotagonisten. Mal erlebt man ein Abenteuer in einer Bucht mit Peter und Paul, wovon auf den nächsten Seiten das Expeditionsteam die Spuren entdecken. Dann wieder finden die Männer der Suchmission Hinterlassenschaften, deren Ursprung kurz darauf aufgeklärt werden. Wobei die Suchenden durchaus dem ein oder anderen Irrtum aufsitzen. Ergänzt wird dieser spannende Abenteuerroman durch Briefe von und an Liv. Bereits im Klappentext wird eine Dreiecksgeschichte angekündigt, die mit dem Überlebenskampf von Peter und Paul zu tun hat. Dazu gibt es etliche wundervolle Rückblenden in die Kindheit der drei. Tatsächlich fand ich diese Geschichte im Hintergrund fast genauso spannend, wie die Reise der Männer selbst. Florian Wacker hat einen ganz wundervollen Schreibstil. Bildgewaltig und literarisch hochwertig nimmt er seine Leser mühelos mit ins ewige Eis. Die Geschichte ist unheimlich komplex und atmosphärisch dicht. Hatte ich anfangs Probleme mit den vielen Namen und unbekannten Orten, war ich bald wie gebannt von diesem Abenteuer in einer höchst unwirtlichen Gegend. Allerdings muss man dem Buch schon etwas Zeit widmen, um seinen Lesesog entwickeln zu können. Mich hat es zu etlichen Internet-Recherchen angeregt. Ein wunderbares Leseerlebnis und ganz sicher eines der Lesehighlights dieses Jahres! Große Leseempfehlung, 5 Sterne.
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