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Wen die Nacht berührt (Ashville Academy 1) Wen die Nacht berührt (Ashville Academy 1) - eBook-Ausgabe

Maeve Harper
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Roman

— Packende Dark Academia-Fantasy
Paperback (17,00 €) E-Book (14,99 €)
€ 17,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 29.08.2024 Bald verfügbar Das Buch kann 30 Tage vor dem Erscheinungstermin vorbestellt werden.
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Wen die Nacht berührt (Ashville Academy 1) — Inhalt

Spannend, atmosphärisch und mit viel Witz erzählt Maeve Harper von einer Universität zwischen den Welten, an der Menschen auf übernatürliche Wesen treffen – nicht immer konfliktfrei …

Eine magische Akademie, eine Freundschaft und eine dunkle Bedrohung

An der Ashville Academy, an der Hexen, Vampire und andere übernatürliche Wesen studieren, geschehen auf einmal unheimliche Dinge – Studierende verschwinden plötzlich oder leiden unter grausamen Veränderungen ihres Wesens. Nora, eine Nachtmahrin, kann plötzlich nicht mehr anders, als anderen Erinnerungen zu stehlen. Als sie eine Erinnerung von Hanna stiehlt, einer jungen Frau, die aus ganz eigenen Motiven an die Academy kam, stellt sie fest, dass ihre Schicksale verbunden sind. Wird es den beiden gelingen, gemeinsam gegen die dunklen Mächte zu bestehen, die die Academy heimsuchen?


Band 1: Wen die Nacht berührt (Ashville Academy 1)
Band 2: Wen das Licht erwählt (Ashville Academy 2)

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erscheint am 29.08.2024
528 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70931-6
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€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erscheint am 29.08.2024
528 Seiten
EAN 978-3-492-60861-9
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Leseprobe zu „Wen die Nacht berührt (Ashville Academy 1)“

Kapitel 1

Hanna – Im Herzen der Finsternis


Nicht schon wieder.

Ich suchte nach irgendeinem Hinweis, einer Infotafel oder wenigstens einem Schild. Aber da war nichts. Als gäbe es bei den Tisin nur Wesen mit perfektem Orientierungssinn.

Davon war ich allerdings Meilen entfernt.

„Oh, ein Menschlein“, hörte ich plötzlich. Ein Kerl in viel zu engen, schwarzen Jeans und einem halb aufgeknöpften, ebenfalls schwarzen Hemd über einer bleichen Hühnerbrust musterte mich unverhohlen von Kopf bis Fuß. Seine dunklen Augen blickten hungrig und standen in starkem Kontrast [...]

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Kapitel 1

Hanna – Im Herzen der Finsternis


Nicht schon wieder.

Ich suchte nach irgendeinem Hinweis, einer Infotafel oder wenigstens einem Schild. Aber da war nichts. Als gäbe es bei den Tisin nur Wesen mit perfektem Orientierungssinn.

Davon war ich allerdings Meilen entfernt.

„Oh, ein Menschlein“, hörte ich plötzlich. Ein Kerl in viel zu engen, schwarzen Jeans und einem halb aufgeknöpften, ebenfalls schwarzen Hemd über einer bleichen Hühnerbrust musterte mich unverhohlen von Kopf bis Fuß. Seine dunklen Augen blickten hungrig und standen in starkem Kontrast zu seinem sonnenblonden Haar und dem kantigen Gesicht. Er starrte mich an, als wäre ich ein Snack, den er gerade im Supermarktregal entdeckt hatte.

„Oh, ein Klischee“, erwiderte ich kratzbürstig und versuchte, die Anspannung zu verbergen. Klar reagierten meine Instinkte. Träge zwar, aber sie reagierten immerhin.

Fight or Flight?

Wobei ich weder den Impuls zu dem einen noch zu dem anderen fühlte. Dabei wollte ich wieder etwas spüren – wie früher.

In früheren Zeiten hätte der Kerl mich nicht so plump angebaggert, sondern buchstäblich gefressen.

Heutzutage schien es Vampiren aber eher um das Aussehen von Bad Boys zu gehen.

Die Dunkelnacht hatte für uns Menschen immerhin eine gute Seite gehabt: Dieses ganze mystische Getue der Tisin hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst. Vampire, Formwandler, Feen und Nixen waren keine Geheimnisse mehr. Doch diese neue Welt brachte ihre eigenen Gefahren und Dunkelheiten mit sich. Der Schleier zwischen den Welten war zerrissen, und die Albträume der Menschen waren Realität geworden. Für die Tisin hatte jene schicksalhafte Nacht Tod und Unsicherheit gebracht.

Diese eine Nacht, in der ein Beben durch die dünne Wand zwischen unseren Welten gegangen war, hätte genauso gut jede andere sein können, wenn nicht dieser Tisin an meiner Seite kurz vor dem Abgrund gestanden hätte. Der Tod hätte für ihn allerdings nicht das Ende bedeutet, sondern lediglich den Abschied von seiner materiellen Hülle.

Leider war ich selbst aber fest in der Welt des Materiellen verankert und hatte mich wie nie zuvor gefürchtet, ihn zu verlieren.

Deshalb hatte ich einige ziemlich unüberlegte Dinge getan. Und daher hatte ich jetzt wirklich andere Sorgen, als mich mit einem Vampir auf Identitätssuche abzugeben.

Viel größere Sorgen.

„Wer wird denn zu einem netten Kerl wie mir gleich so abweisend sein?“ Dieser Aushilfsmacho kam noch einen Schritt näher. Flight, kam mir in den Sinn, auch wenn ich eher Lust auf Fight hatte. Im Grunde aber spürte ich keinen der beiden Impulse. „Ich möchte dir doch nur helfen.“ Er überragte mich um mindestens einen Kopf, aber das schüchterte mich nicht ein. Kleine Menschen wussten, wie sie mit langen Lulatschen umgingen – selbst wenn es sich dabei um Vampire handelte.

Denn wo einer war, war das Rudel nicht weit. In Büchern und Filmen wurden Vampire gern als mürrische Einzelgänger dargestellt, tatsächlich lebten sie in Familienverbünden zusammen, ähnlich wie Formwandler und Werwölfe – nur wollte das keiner dieser Nachtschwärmer hören.

Und ich konnte den Ratschlag meines Instinkts nur sehr leise hören, und der sagte, dass ich mich schnellstmöglich verdünnisieren sollte.

„Aha, also bist du mein Empfangskomitee?“ Wenn ich ehrlich war, hatte ich keinen blassen Schimmer, wo ich mich auf dem Gelände der Ashville Academy melden sollte. Und eine Internetseite hatte die Universität auch nicht – obwohl mir schon positiv aufgefallen war, dass es hier richtig guten Handyempfang gab.

Der Typ interpretierte das als Einladung und kam mir noch näher. Ja, ich sollte einfach gehen. Das wäre definitiv das Beste. „Wenn du es so siehst, Sweety, dann gern.“ Er zeigte seine spitzen Eckzähne. Gosh, wie mir dieses Getue auf die Nerven ging. Und dann nannte der mich auch noch Sweety. Wie so ein alter Kerl seine Ehefrau. Dieser Tisin schien jedenfalls sprachlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Oder gehörte das zum Vampircharme? Das dumpfe Kribbeln von Nervosität breitete sich in mir aus.

Ich hoffte nur, dass er von den Dawn-Protokollen gehört hatte, nach denen kein Tisin mehr einem Sterblichen ein Haar krümmen durfte – zumindest nicht ohne ausdrückliche Zustimmung. Wie viele sich an die Protokolle hielten, wusste ich allerdings nicht.

„Aha“, erwiderte ich und versuchte, meine Nervosität zu unterdrücken, obwohl ich viel lieber in ihr gebadet hätte. Gefühle, selbst die negativen, wurden unterschätzt. Aber das wusste man wohl erst, wenn man sie vermisste, so wie ich. „Sehr schön.“ Ich kramte in meinem Rucksack zwischen Unterhosen, BHs und Shirts herum und zog den Brief hervor, den mir die Ashville Academy zugeschickt hatte.

„Ich muss zum kryptozoologischen Institut“, sagte ich und zeigte dem Vampir die etwas zerknitterte Einladung mit der vagen Wegbeschreibung und dem Siegel der Academy – einem Nachtfalter auf einer Mondsichel. Wobei dieser Brief eigentlich eher eine Art Arbeitsvertrag war, denn ich würde mich hier bald um Pixies und andere Feenartige kümmern.

Der flirty Gesichtsausdruck meines bleichen Gegenübers verblasste unmerklich. „Das liegt in der Nähe des Waldes außerhalb des Campus, Sweety. Da möchte ich dich ungern allein hingehen lassen – noch dazu mitten in der Nacht! Nicht in solchen Zeiten.“

Was meinte er damit? Nachts auf dem Campus einer Academy herumzuspazieren, auf die nur bizarre Kreaturen und Albträume gingen, war per se gefährlich. Was konnte es denn noch Schlimmeres geben?

„Danke für die Fürsorge, aber ich schaffe das wirklich allein“, versuchte ich es ein bisschen freundlicher.

„Du musst hier nichts mehr alleine machen, Sweety.“

Der Typ schnallte eine Abfuhr nicht, selbst wenn sie als Sechzigtonner über ihn rollte. „Aha.“ Mehr brachte ich nicht heraus. Ob Tisin oder Mensch: Arschloch blieb Arschloch. Und ein Nein von weiblich gelesenen Menschen wurde weiterhin wie ein vages Einverständnis ausgelegt. Manche Dinge änderten sich nie. Meine Kopfhaut prickelte vor Wut.

Wut.

Mit einem Schlag wurde es mir bewusst.

Ich fühlte etwas. Meine Hand wanderte automatisch an meine Brust. Mein Herz schlug, auch wenn es nur die Hälfte der Gefühle wahrnahm.

Noch etwas anderes spürte ich in mir: dieses Flackern, das kurz nach der Dunkelnacht um ein Haar verloschen wäre. Emotionen. Gewissen. Mehr als nur Moral und das, was man gelernt hatte, um sich in die Gesellschaft einzufügen. Ich hatte es noch in mir, und jede Entgleisung erinnerte mich daran, dass ich trotz allem ein Mensch und keine Hülle war. Ich versuchte mich an dieser Wut festzuhalten, wollte mich in diesem intensiven Gefühl wälzen, so wie vor der Dunkelnacht, als meine Seele noch vollständig gewesen war. Niemals hätte ich Wut so viel Bedeutung beigemessen oder sie gar vermisst. Aber wenn man kaum noch etwas fühlte, war selbst die Wut willkommen. Ich atmete tief ein, bevor ich ruhig fragte: „Und in welcher Richtung ist dieses Gelände?“

Der Vampir zeigte mit dem Daumen hinter sich, knapp vorbei am Hauptgebäude der Academy mit seinen alten Mauern und eindrucksvollen Steinfiguren. Alles wurde sanft vom Licht der eisenbeschlagenen Laternen beleuchtet. „Dort entlang.“

Ein Säulengang führte durch einen kleinen Garten. Es sah beinahe magisch aus mit den Rosen und üppigen Büschen. Dieser Anblick passte hierher – der Vampir jedoch weniger.

Ich stopfte den Brief in meinen Rucksack zurück. „Danke!“, sagte ich und machte mich auf den Weg in die Richtung, die er angezeigt hatte. Hauptsache, weg.

„Warte, du solltest vorsicht…“

„Nee, danke!“ Ich drehte mich nicht zu ihm um, sondern ging weiter, um von der Aufmerksamkeit eines Vampirrudels verschont zu bleiben. Flight hatte gewonnen – wenn auch anders als gedacht. „Ich komme schon allein klar.“

So wie immer.

Seit dieser schrecklichen Dunkelnacht mit all ihren Folgen.

Seit meine Seele in zwei Teile gerissen worden war.

Ich hielt den Blick auf den Weg vor mir gerichtet. Die Kopfsteine unter meinen Chucks waren dunkel, fast schwarz.

Vielleicht sollte ich besorgter sein, schließlich befand ich mich auf einem Campus voller Tisin, von denen viele potenziell gefährlich waren.

Formwandler wie Werwölfe konnten uns Menschen mit ihren scharfen Krallen zerreißen.

Feen verzauberten uns und führten uns in den sicheren Untergang.

Undinen ertränkten ihre Opfer.

Andere Tisin fraßen Träume.

Der Schrecken auf diesem Campus war allgegenwärtig, und doch spürte ich kaum Angst. Mein Instinkt warnte mich, aber das registrierte ich nur dumpf und auch nur dann, wenn ich hinhörte.

Ich hatte mich verändert. Früher war ich introvertiert gewesen, fast schon schüchtern. Diesen Teil von mir hatte ich verloren – zusammen mit meinem Gespür für Bedrohungen und Risiken. Ich war eine Frau gewesen, die nur bei Grün über die Straße lief, jetzt aber stapfte ich ohne Zebrastreifen und Ampel über eine vierspurige Hauptstraße. Das war entweder mutig oder eine verdammt schlechte Idee.

Der dunkle, raschelnde Busch neben mir, die dichten Bäume des angrenzenden Waldes, die jeden Lichtstrahl schluckten, und die seltsamen Geräusche, die von keinem Tier kommen konnten – all das berührte mich nur wenig.

Und deswegen musste ich hier sein, an der Ashville Academy. Denn sie war hier, das wusste ich genau.

Sie war die Einzige, die mir helfen konnte.

Plötzlich hörte ich rhythmische Geräusche. Schritte? Schwere Schritte?

Der Vampir wäre mir nahezu lautlos hinterhergeschlichen. Er konnte es nicht sein. Doch wer dann? Oder besser gesagt: was?

Auf meinem vorherigen College hatte es nachts Security auf dem Campus gegeben und viel mehr Laternen. Hier schien niemand zu sein. Warum auch? Die meisten Tisin konnten sich gut selbst verteidigen und brauchten weder Sicherheitsleute noch helles Licht.

Aber ich war keine Tisin.

Die Schritte kamen näher, und ich konnte nur mit Mühe dem Drang widerstehen, meine eigenen zu beschleunigen. Ich durfte auf keinen Fall weglaufen. Denn das erregte nur noch mehr seine oder ihre Aufmerksamkeit.

Vielleicht hätte ich mir keine Zöpfe flechten sollen. Das schrie geradezu Opfer.

Es war fast befreiend, das Adrenalin zu spüren, das durch meine Adern rauschte und in meinen Fingerspitzen kribbelte.

Ob ich jemals wieder etwas so intensiv wahrnehmen würde wie früher? Nicht nur Wut oder Angst, sondern auch Glück und Freude? Oder würde ich irgendwann vergessen, wie es sich anfühlte, glücklich zu sein? Ich straffte die Schultern. Okay, Hanna. Du drehst dich jetzt um und versuchst, möglichst verärgert und beängstigend auszusehen!

„Hey!“, rief ich laut, blieb stehen und drehte mich um. „Das wird für dich jetzt unangenehmer als für mich.“

Ein paar Meter hinter mir sah ich einen Mann, der mich durch seine Brillengläser irritiert anstarrte.

Er hielt eine schwarze Aktentasche fest an sich gedrückt und musterte erst mich, bevor er schnell über seine eigene Schulter sah.

„Reden Sie mit mir?“ Der Mann war vielleicht Anfang vierzig. Er hatte zerzaustes Haar und einen unordentlich rasierten Bartansatz. Sein Gesicht hatte etwas Weiches und wirkte überhaupt nicht bedrohlich.

„Oh“, stotterte ich auf der Suche nach einer Ausrede. „Das tut mir leid. Ich dachte, Sie wären …“

Auf den ersten Blick konnte ich nicht einmal erkennen, welcher Art dieser Tisin angehören sollte. Er sah ziemlich menschlich aus.

„Ein gefährlicher Tisin?“ Einer seiner Mundwinkel verzog sich zu einem zaghaften Lächeln. „Da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin vollkommen ungefährlich.“

Wenigstens das. Mein Griff an den Gurten meines Rucksacks lockerte sich. Für einen Augenblick hatte ich gedacht, dass der Vampir womöglich recht behalten hatte und es hier tatsächlich zu gefährlich war.

„Und Sie?“, fragte er und wirkte nun selbst unsicher.

Ich blinzelte. Sah ich denn wirklich so angsteinflößend aus mit meinen knapp eins sechzig? „Nicht, dass ich wüsste.“ Ich sah kurz an mir herunter. Meine ordentliche Jeans und die fast zu gut geputzten Chucks sprachen nicht für eine Schlägerbraut. Daraus ließ sich höchstens ableiten, dass ich ein Faible für Ordnung hatte. „Ich bin ja nicht einmal eine Tisin.“

Mein Gegenüber musterte mich plötzlich einen Hauch interessierter über den Rand seiner Brille hinweg. „Ein Mensch an der Ashville Academy?“

Ich nickte. Soweit ich wusste, gab es noch keine menschlichen Studierenden an der Ashville Academy. Aber irgendwann im kommenden Semester sollten auch Menschen zugelassen werden, um die Bande zu stärken. Ashville war damit federführend in diesem etwas eigenwilligen gesellschaftspolitischen Projekt. Nur hatte ich nicht so lange warten wollen.

„Ich arbeite im kryptozoologischen Institut“, schob ich schnell nach und stockte. „Oder, das werde ich ab morgen, falls ich das Gebäude jemals finde.“

„Sie haben sich für Ihre Ankunft aber eine ungewöhnliche Zeit ausgesucht“, bemerkte mein Gegenüber und warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. „Fast Mitternacht, wenn ich nicht irre.“

„Ja.“ Ich versuchte zu lachen. „Der Weg nach Ashville war etwas verwirrend.“

„Hierher fährt genau ein Greyhound-Bus.“ Er klang wenig überzeugt.

Wieder lachte ich einen Hauch zu künstlich. „Aber den muss man auch erst einmal finden.“ Ich war wirklich schlecht im Lügen, das musste ich dringend verbessern. Der Bus war für mich kein mögliches Reisemittel, sonst hätte er mich womöglich gefunden. Tagsüber reisen hatte ich mir ohnehin abgewöhnt. Nachts waren alle Katzen grau und niemand fragte so genau nach – außer dieser Typ vor mir. Es hätte mir unangenehm sein sollen, aber nichts davon spürte ich, selbst wenn ich tief in mich hineinfühlte. Diese Fragerei war bestenfalls lästig, weil sie mir Zeit stahl.

„Und Sie sind?“, fragte ich, um von mir abzulenken.

„Rupert Brady, Journalist“, sagte er und wirkte wieder voll fokussiert. „Ich bin hier, um über Ashville zu berichten.“

„Brady“, wiederholte ich. Von dem hatte ich noch nie gehört. Vielleicht arbeitete er für eine Zeitung? Ich las nie die Namen der Leute, die Zeitungsartikel schrieben.

„Und wie lautet Ihr Name?“

„Hanna“, sagte ich. „Hanna Dawn, um genau zu sein.“ Hanna war mein richtiger Name, der Rest war gelogen, quasi gefälscht – genau wie mein Bachelor in Biologie und der Personalausweis.

Er nickte, kam aber nicht näher, um mir die Hand zur Begrüßung zu schütteln. Der Typ war mir sympathisch.

„Dann freut es mich, Sie hier an der Ashville willkommen zu heißen, Miss Dawn.“ Er blickte fahrig auf seine Armbanduhr, als hätte er einen dringenden Termin. Das kam mir gerade recht.

„Vielen Dank!“, erwiderte ich so freundlich wie möglich. „Dann mache ich mich mal auf den Weg zum kryptozoologischen Institut. Ich hoffe, es ist um diese Uhrzeit besetzt.“

Mr Brady wirkte erleichtert. „Wir werden uns bestimmt hin und wieder auf dem Campus sehen.“ Damit bog er in einen Seitenweg ab. Bevor ich mich jedoch selbst in Bewegung setzen konnte, drehte sich Mr Brady noch mal zu mir um. „Und gehen Sie um diese Uhrzeit besser nicht in den Wald, Miss Dawn. Die Wendigos sind dann besonders aggressiv. Nehmen Sie besser den direkten Weg am See und am Bugglefeld entlang, so kommen Sie schneller an Ihr Ziel. Das Institut sollte besetzt sein, ein paar der Studierenden und Forschenden arbeiten lieber nachts.“ Damit ging er eine breite Treppe zwischen zwei Säulen hinauf, die wahrscheinlich in ein angrenzendes Gebäude führte.

Seine Worte jagten mir einen Schauder über den Rücken. Gut zu wissen. Also würde es hier definitiv keine nächtlichen romantischen Waldspaziergänge geben.

Wendigos. Ich hatte plötzlich keine Lust, diese Tisin jemals kennenzulernen.

Wieder war es ruhig um mich geworden. Die Schritte von Mr Brady entfernten sich immer weiter. Zumindest hatte ich jetzt eine genauere Vorstellung davon, wohin ich gehen sollte.

Ich setzte meinen Weg fort und versuchte mir vorzustellen, was zum Teufel Buggle sein konnte.

„Buggle“, murmelte ich. Dunkel meinte ich mich an etwas darüber zu erinnern. War das nicht ein Sport der Tisin? Es klang jedenfalls nicht menschlich. So wie vieles hier nichts mit der modernen Welt gemeinsam hatte. Schon allein dieses Gebäude wirkte uralt, mit seinen schneckenförmigen Elementen, dem Stuck, den Skulpturen und Fresken an den Wänden. Marmorne Weinreben rankten sich die Doppelsäulen hinauf, wohin man auch blickte. Es war das genaue Gegenteil des Bauhausstils, der in meiner Heimatstadt dominierte. In Ashville schien die Zeit stehen geblieben zu sein – oder vielleicht hatte sie sich einfach nie weiterbewegt.

Plötzlich durchfuhr mich ein Gefühl: eiskalt und danach brennend, als stünde ich in Flammen. Von der Kopfhaut bis in die Fußzehen breitete es sich aus.

Angst.

Zum ersten Mal nahm ich dieses Gefühl so intensiv wahr. Und es war so viel mehr. Nicht einmal als meine Seele zerrissen worden war, hatte ich so eine Angst empfunden.

Jeder normale Mensch wäre davongerannt, aber für mich war diese Angst wie eine Droge, die mich anlockte.

Ich sah mich suchend um.

War da jemand?

Ich hörte nichts, aber da musste jemand sein. Ich spürte die Präsenz so deutlich, als würde direkt hinter mir jemand stehen.

Ich drehte mich um und sah sie.

Es war eine Frau, vielleicht so alt wie ich, mit einem schmalen, feinen Gesicht und Augen, die schwärzer waren als die tiefste Nacht. Seit ich denken konnte, hatte der Tod in meiner Vorstellung eine Gestalt. Er war kein Zustand oder Gefühl. Für mich war der Tod eine Person oder ein Wesen, das mich holen würde, wenn meine Zeit abgelaufen war. Wie damals nach der Dunkelnacht, als ich gedacht hatte, dass ich sterben musste.

Und nun stand sie vor mir.

Der Tod war eine wunderschöne Frau.

Ich starrte sie an und suhlte mich in dieser erstickenden Angst, die von ihr ausging. Das Gefühl war so echt und stark – fast wie früher, als meine Seele noch ganz gewesen war.

Sie sagte etwas. Es klang fast, als würde sie singen. Sie kam ein Stück näher. Ihr Duft war so betörend, dass ich bei ihr sein wollte. Trotz all der Angst, die mich zerfraß. Ihre Dunkelheit umhüllte mich. Ich spürte nur noch ihre Anwesenheit und mein Herz, das immer schneller schlug.

Sie tippte mir sanft gegen die Stirn.

Und dann fiel ich in eine endlose, tiefe Finsternis.

Maeve Harper

Über Maeve Harper

Biografie

Maeve Harper ist das Pseudonym der Autorinnen Ann-Kathrin Karschnick und Stefanie Mühlsteph. 

Ann-Kathrin Karschnick wurde 1985 in Schleswig-Holstein geboren und lebt dort immer noch mit ihrer Familie. Die mehrfach preisgekrönte Autorin liebt es, den Charakteren in ihrem Kopf eine Stimme zu geben und...

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