„Wenn ich dir nur sagen könnte …“ „Wenn ich dir nur sagen könnte …“ - eBook-Ausgabe
Was von meiner Mutter bleibt
„Ein ganz tolles Buch“ - Deutschlandfunk Kultur - Lesart
„Wenn ich dir nur sagen könnte …“ — Inhalt
Dieses Buch „ist fesselnd und herzzerreißend und hat mir gezeigt, wie wundervoll Menschen sein können, wenn das Leben passiert.“ Ann Napolitano
Als Genevieve Kingston drei Jahre alt war, wurde bei ihrer Mutter Krebs im Endstadium diagnostiziert. Allen Widrigkeiten zum Trotz lebte sie noch acht Jahre. In dieser Zeit füllte sie eine Truhe mit Geschenken und Briefen an ihre Tochter zu jedem wichtigen Meilenstein und Geburtstag bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr. Dies ist die unvergleichliche Geschichte einer jungen Frau, die im Schatten großen Verlusts aufwächst, geleitet von dem, was ihre Mutter ihr hinterlassen hat. Eine Geschichte voller Liebe und Schmerz, aber auch voller Wertschätzung und Rat – berührend, weise und Halt gebend.
Mutter, Tochter und das stärkste Band auf Erden
„Meine Mutter reiste in der Zeit voraus, um mich zu treffen, immer in Form eines Päckchens mit rosa Schleife und einer kleinen weißen Karte. Wenn ich die Truhe öffnete, konnte ich für einen kurzen Moment in eine gemeinsame Realität eintauchen, etwas, das sie sich vor vielen Jahren für uns ausgedacht hatte. Ihre Botschaften begegneten mir wie Wegweiser in einem dunklen Wald; wenn ihre Worte mir den Weg nicht weisen konnten, boten sie wenigstens den Trost, dass jemand schon mal dort gewesen war.“
Als die Anfrage vom Piper-Verlag für die Übersetzung kam, war ich hin- und hergerissen: Die Vorstellung, dass eine Mutter mit einer letalen Krebsdiagnose zwei kleine Truhen mit Briefen, Notizen und Geschenken packt, um ihre Kinder weiterhin im Leben zu begleiten, rührte und faszinierte mich zugleich. Doch da war auch etwas, das an Grusel grenzte: Was muss in diesem jahrelangen Prozess in dieser Frau vorgegangen sein – und erst in ihren Kindern? Die Diagnose und die von den Ärzten prognostizierte nur noch kurze Lebenszeit lagen wie ein Schatten über der Familie. Will man sich bei der Lektüre eines Buches wirklich dort hineinfühlen? Ich bat mir eine kurze Bedenkzeit aus. Und begann mich einzulesen.
Vor vielen Jahren hatte ich erlebt, wie mir die Übersetzung eines erschütternden Textes eine Zeitlang den Boden unter den Füßen weggezogen hatte; wie mir das emsige Zusammensetzen einzelner Wörter und Passagen, ganz konzentriert auf ihre sprachlichen Aspekte, erst nach und nach deren tiefere Bedeutung vor Augen führte. Beim Übersetzen lässt man sich auf eine sehr genaue Weise ein, feilt an winzigen Details, überprüft den Kontext, rückt die Details erneut zurecht, und schaut am Ende auf ein Bild, das endlich stimmig ist und auch in der eigenen Sprache die größtmögliche Wirkung entfaltet. Und diese Wirkung kann zu einem bewussteren Erleben führen, im schlimmsten Fall zu einem Schlag: Was habe ich da eigentlich gerade beschrieben? Ich war damals Co-Übersetzerin eines Bandes über den Holocaust. Und ich hatte mir geschworen: So eine Aufgabe würde ich nie wieder übernehmen.
Für Genevieve und ihren Bruder kommt es schon in frühen Kindertagen „dicke“. Alles, von den überaus fantasievoll gestalteten Gartenpartys, die im Gedächtnis haften bleiben sollen, bis hin zu einigen endgültigen Abschieden von Mensch und Tier, erscheint wie eine Vorbereitung auf den Tod der Mutter. Körperliche und psychologische Auswirkungen der Krankheit werden ungeschönt beschrieben. Und doch stellt sich nur selten so etwas wie „Sentimentalität“ ein. Überwiegend mutet die Schilderung eines Alltags, der sich in mancher Hinsicht von dem Alltag anderer Kinder unterscheidet, eher sachlich an. Das Emotionale, diese schwere, undefinierbare Masse, wird wie ein Teppichmuster unter all dem eingewoben. Es ließ mich beim Lesen manchmal stolpern, aber es brachte mich nicht zu Fall.
Viele Seiten später fühlte ich mich reich beschenkt. Es ist die Frage, wie sich diese schier unerträglich scheinende Situation dann doch ertragen lässt, die den Sog zum Weiterlesen ausmacht. Das Buch ist nach dem Tod der Mutter keineswegs zu Ende. Nein, es folgen noch zwei Drittel, in denen die Autorin aufzeigt, wie sich das Trauma auf die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern und auch auf deren Beziehungen zu anderen auswirkt; welche Ängste es verursacht – völlig irrational erscheinende und bis ins Erwachsenenalter hartnäckig bestehen bleibende Ängste. (Wir wissen heute, dass so etwas auch für andere Traumata gilt.) Und es folgen weitere Dramen. Ist es nicht schon genug an Leid, fragt sich Kingston – haben wir nicht schon längst unser Päckchen zu tragen bekommen? Doch schließlich erleben wir auch den Heilungsprozess mit ihr.
Die erwachsene Genevieve hat sehr genau „hingesehen“, auf kleine, vielleicht banal erscheinende Dinge genauso wie auf große. Darin liegt ihre besondere Stärke – auch als Erzählerin. Und durch diese ruhige Art der Selbstbeobachtung verliert die Situation, so schlimm sie ist, ein wenig von ihrem Schrecken. Sie setzt auf dem großen Teppich nur einen Fuß vor den anderen. Mich zog es dadurch geradewegs hinein in dieses Leben.
Ich sagte zu. Und auch beim Übersetzen fühlte ich die Spannung, die in der Geschichte dieser jungen Frau und auch in der Geschichte ihrer Familie liegt. Das Geschenk, das Kingston uns bereitet, ist ein bittersüßes. Auf der einen Seite steht: Das Leben kann sehr „ungerecht“ sein. Nichts und niemand kann die Krankheit der Mutter letztlich aufhalten; nicht die Schulmedizin und auch die Hinwendung zu Spiritualität und gesunder Lebensweise nicht. Andeutungen der Mutter geben einen Hinweis darauf, dass ihr die Liebe zu sich selbst gefehlt hat, diese allererste Basis von „Gesundheit“. Und trotz aller Therapien und menschlicher Unterstützung, die Genevieve durchaus bekommt, erfährt sie große weitere Enttäuschungen. Vieles greift einfach nicht, manches bleibt unbeantwortet.
Doch dann gibt es die andere Seite: Gerade diese Basis, die Liebe zu sich selbst und auch die Liebe generell, versucht die Mutter mit Briefen und Videobotschaften zu vermitteln. Das ist ihr eigentliches Vermächtnis. Und es erreicht am Ende ihre beiden Kinder und führt zu etwas, was sich als Happy End bezeichnen ließe – auch wenn eine Geschichte, die geteilt wird, im Grunde nie zu Ende ist. Denn jede persönliche Erfahrung und Erkenntnis kann weitergegeben werden an die Kinder, den Freundeskreis, die Leserinnen und Leser, und dort etwas bewirken.
„Kinder“, sagte Onkel Ward, auf der niedrigen Betonmauer gegenüber dem Grabstein sitzend, „ihr habt im Leben ein paar richtig gute Karten und ein paar richtig schlechte abbekommen.“
Der Morgen war freundlich und kalt, der ganze Friedhof gesprenkelt mit tiefen grünen Schatten. Ich stieß gegen die spitzkantigen Blätter unter meinen Füßen und dachte darüber nach. Jamie und ich hatten das große Los gezogen, weil wir in ein Leben voller Privilegien, Annehmlichkeiten und Geborgenheit geboren wurden. Wir haben unsere Kindheit mit Eltern verbracht, die uns liebten und für uns sorgen konnten. Sie verloren zu haben, änderte daran nichts. Es war eine müßige Frage, ob wir die materiellen Dinge, die wir bekommen hatten, gegen mehr Zeit zum Reden, Lachen und Weinen mit ihnen eingetauscht hätten. Natürlich hätten wir das. Und natürlich konnten wir das nicht.
Ist es nicht, im Großen oder im Kleinen, bei uns allen so? Es gibt Dinge, mit denen wir leben müssen, ob wir wollen oder nicht. Und es gibt Dinge, die uns Kraft geben, genau dafür. Was sich dazwischen abspielt, ist das, was wir „Leben“ nennen.
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