When I'm Gone – Verloren (Rosemary Beach 11) — Inhalt
Mase Colt-Manning ist ein waschechter Cowboy aus Texas. Als er nach Florida aufbricht, um seine Halbschwester Harlow im sonnigen Rosemary Beach zu besuchen, verliert er dabei sein Herz – ausgerechnet an die Frau, vor der ihn alle von Anfang an gewarnt haben.
Leseprobe zu „When I'm Gone – Verloren (Rosemary Beach 11)“
Mase
Scheiße, verdammte! Was war das nur für ein Krach? Schlaftrunken öffnete ich die Augen und lauschte benommen, bis mir dämmerte, was mich geweckt hatte.
Ein Staubsauger? Und der Gesang einer Frau? Hallo?
Ich rieb mir die Augen und stöhnte frustriert auf, als es vor meiner Tür noch lauter wurde. Ein Staubsauger, eindeutig. Und der Gesang klang wie eine echt miese Version von Miranda Lamberts „Gunpowder & Lead“.
Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es gerade mal acht war. Ich hatte also noch keine zwei Stunden Schlaf abgekriegt. Nachdem ich die [...]
Mase
Scheiße, verdammte! Was war das nur für ein Krach? Schlaftrunken öffnete ich die Augen und lauschte benommen, bis mir dämmerte, was mich geweckt hatte.
Ein Staubsauger? Und der Gesang einer Frau? Hallo?
Ich rieb mir die Augen und stöhnte frustriert auf, als es vor meiner Tür noch lauter wurde. Ein Staubsauger, eindeutig. Und der Gesang klang wie eine echt miese Version von Miranda Lamberts „Gunpowder & Lead“.
Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es gerade mal acht war. Ich hatte also noch keine zwei Stunden Schlaf abgekriegt. Nachdem ich die dreißig Stunden davor durchgehend wach gewesen war, sollte ich jetzt von schlechtem Gesang und einem gottverdammten Staubsauger geweckt werden?
Als die Frau vor meiner Tür die ersten beiden Zeilen des Refrains sang, zuckte ich zusammen. Die Gute traf keinen Ton auch nur annähernd und verhunzte damit einen richtig guten Song. Nun hob sie zu allem Überfluss auch noch die Stimme. Ja, verdammt noch mal, wusste sie denn nicht, dass man um acht Uhr früh nicht in anderer Leute Häuser kam und aus voller Kehle sang?
Bei diesem Lärm war an Schlaf überhaupt nicht mehr zu denken. Nannette musste sich als Reinigungskraft eine Vollidiotin ins Haus geholt haben. Andererseits war sie stinksauer, weil ich mich gegen ihren Willen hier einquartiert hatte. Wer weiß, vielleicht zahlte sie dieser Person ja noch was dafür, dass sie direkt vor meiner Schlafzimmertür so einen Radau veranstaltete! Aber Nannette gehörte das Haus nun mal nicht – sondern unserem gemeinsamen Vater Kiro. Und der hatte mir erlaubt, während Nannettes Parisaufenthalt darin zu wohnen, damit ich Zeit mit meiner anderen Schwester Harlow verbringen konnte.
Nun sang die da draußen immer wieder lauthals den Refrain. Was für ein Albtraum! Das musste aufhören. Bevor ich Harlow und ihre kleine Familie besuchte, musste ich dringend noch etwas pennen. Harlow wusste, dass ich hier war, und freute sich schon auf das Wiedersehen. Doch diese Frau auf dem Flur hatte es wirklich raus, mich um meinen Schlaf zu bringen.
Ich schlug die Bettdecke zurück, stand auf und war schon auf dem Weg zur Tür, als ich merkte, dass ich gar nichts anhatte. Während ich nach meiner verdammten Jeans suchte, die ich bei meiner Ankunft ausgezogen und achtlos irgendwohin geschmissen hatte, fing mein Kopf zu pochen an. Aus Schlafmangel vermutlich, was mich nur noch wütender machte. Die Hose war nicht zu finden. Aber ich sah ja alles nur verschwommen, und die dunklen Gardinen waren zugezogen. Egal! Ich griff nach dem Laken, schlang es mir um die Hüften und ging zur Tür.
Gerade als die ersten Zeilen eines neuen Songs erklangen, riss ich die Tür auf. Ach du Schreck, nun vergriff sich diese Möchtegernsängerin an dem Lied „Cruise“ von Florida Georgia Line.
Hier draußen war es so hell, dass ich erst mal die Augen zukneifen musste. Shit, sah die Frau mich denn gar nicht?
Nach ein paar Sekunden war ich endlich imstande, die Augen einen Spalt aufzumachen. Mein Blick fiel auf die Rückansicht einer jungen Frau, die sich vorbeugte und dabei mit ihrem runden kleinen Po hin und her wackelte. Langsam öffnete ich meine Augen ganz und sah die längsten Beine, die ich je zu Gesicht gekriegt hatte. Und dieser Hintern! War das eine Sommersprosse oder ein Muttermal unter ihrer linken Pobacke?
Nun richtete sich die Frau wieder auf. Ihre schmale Taille brachte ihr Gesäß nur noch besser zur Geltung. Ungerührt sang sie weiter. Der nächste hohe Ton ließ mich wieder zusammenzucken. Verdammt, Singen war einfach nicht ihr Ding.
In diesem Moment drehte sie sich um. Kaum hatte ich einen bewundernden Blick auf ihre ansehnliche Vorderansicht geworfen, als sie auch schon kreischend den Staubsaugergriff fallen ließ und sich die Stöpsel aus den Ohren zog.
Mit runden himmelblauen Augen sah sie mich entsetzt an und klappte ein paarmal den Mund auf und zu, als wollte sie etwas sagen.
Diese Zeit reichte, um mich im Anblick ihrer vollen rosigen Lippen und der perfekten Form ihres Gesichts zu verlieren. Das blauschwarze Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt. Wie lang es wohl sein mochte?
„Es tut mir leid“, brachte sie piepsend heraus, und ich sah ihr wieder in die Augen. Oha, was für eine Traumfrau! Noch dazu hatte sie etwas richtig Exotisches. Bei ihrer Erschaffung musste sich der liebe Gott von allem wirklich nur das Beste herausgepickt haben.
„Mir gar nicht“, erwiderte ich. Schlaf wurde ja sowieso ziemlich überbewertet.
„Ich wusste nicht, äh … Ich dachte, ich wäre allein im Haus. Ich meine, ich wusste nicht, dass gerade jemand hier wohnt. Es stand kein Auto vor dem Haus, und auf mein Klingeln hin hat niemand aufgemacht. Also habe ich den Code eingetippt und bin reingegangen.“ Sie klang nicht so, als würde sie aus dem Süden stammen. Vielleicht kam sie aus dem Mittleren Westen?
„Ich bin hergeflogen und habe mir am Flughafen ein Taxi genommen“, erklärte ich.
Sie nickte und sah dann wieder auf ihre Füße. „Ich bin ganz leise, okay? Ich kann ja später noch mal hochkommen. Heute fange ich einfach mal unten an.“
Ich nickte. „Das ist lieb. Danke.“
Sie traute sich kaum, mich anzusehen, und als ihr Blick auf meine Füße fiel, erglühten ihre Wangen. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, huschte davon und vergaß dabei den Staubsauger. Ich sah ihr nach und genoss den Anblick ihres wippenden Pos. Hoffentlich kam sie mehrmals in der Woche zum Putzen. Beim nächsten Mal würde ich versuchen herauszukriegen, wie sie hieß.
Sobald sie außer Sichtweite war, ging ich in mein Zimmer zurück und schloss die Tür hinter mir. Ich musste an ihr Gesicht denken, als ihr klar geworden war, dass ich nur ein Laken trug, und schmunzelte. Wie kam es, dass Nan eine Putzfee mit so einem Aussehen eingestellt hatte? Diese Frau war einfach der Hammer!
Ich legte mich zurück und schloss die Augen. Das Bild von der Sommersprosse direkt unter dem drallen Hintern kam mir in den Sinn. Was hätte ich dafür gegeben, sie küssen zu können! Es war die süßeste Sommersprosse, die ich je gesehen hatte.
Reese
„Ogottogottogott!“ Ich sank auf das nächste Sofa und hielt mir die Hände vors Gesicht.
Mir war nicht klar gewesen, dass jemand im Haus war. Und dann auch noch ein Mann! Ich hatte ihn aufgeweckt, was ihn geärgert zu haben schien. Zumindest kam es mir so vor, aber ganz sicher war ich mir nicht. Ich war so nervös gewesen, dass er mich feuern würde. Das hier war mein bestbezahlter Job, dabei hatte ich den Besitzer noch gar nicht persönlich kennengelernt. Ich arbeitete für eine Reinigungsfirma, die mir Putzjobs vermittelte. Mit dem Geld, das ich für das wöchentliche Putzen in diesem Haus bekam, konnte ich meine Wohnungsmiete, sämtliche Nebenkosten und mein Essen bezahlen. Meine anderen Putzstellen warfen längst nicht so viel ab. Wenn ich diesen Job verlor, würde ich nichts mehr sparen können und mein Sicherheitsnetz würde wegfallen.
Der Gedanke an den nackten Brustkorb dieses Typen ließ mir keine Ruhe. Ich kniff ganz fest die Augen zusammen und verbannte ihn aus meinem Kopf. Männern traute ich nicht. Abgesehen von meinem schwulen Nachbarn Jimmy. Bei ihm fühlte ich mich sicher, und er hatte mich auch an die Reinigungsfirma vermittelt.
Normalerweise genoss ich den Anblick eines männlichen Brustkorbs ja auch gar nicht. Aber dieses Exemplar hatte es echt in sich. Und die Arme des Mannes waren so kräftig und muskulös … Huch, was dachte ich da eigentlich? Der Typ war wirklich gut gebaut, aber Männer, die in Häusern wie diesem wohnten, wollten von mir garantiert nichts weiter als Gelegenheitssex.
Dieser Mann war reich und megaattraktiv. Möglicherweise hatte er eine Frau in seinem Bett liegen, für die dasselbe galt. Ziemlich sicher sogar. Das größte Schlafzimmer im oberen Stockwerk verfügte sogar über einen begehbaren Schrank mit den schönsten Klamotten, die ich je gesehen hatte. Das Haus schien einer Frau zu gehören, und dieser Typ war bestimmt ihr Freund. Wobei sich dann die Frage stellte, wieso er in einem anderen Zimmer schlief. Doch das ging mich eigentlich nichts an. Es konnte mir egal sein, was für einen heißen Körper dieser Mann hatte oder wie gut geschnitten sein Gesicht mit dem süßen Dreitagebart war – am besten schlug ich ihn mir gleich wieder aus dem Kopf.
Nun musste ich dafür sorgen, dass ich diesen Job nicht verlor. Normalerweise war es ziemlich sauber hier. In den ganzen Monaten, die ich schon hier arbeitete, hatte ich nie jemanden gesehen. Trotzdem machte ich jede Woche sauber, als wäre das Haus bewohnt. Nirgends hätte man auch nur ein Staubkörnchen entdecken können, ja, ich ging sogar so weit, die Speisekammer und den Putzschrank neu zu organisieren, die Küchenschränke zu schrubben und alle Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum wegzuwerfen.
Ich stand wieder auf und versuchte, nicht länger darüber nachzudenken, wie peinlich es gewesen war, einen Kunden durch lauten Gesang und Staubsaugerlärm direkt vor seiner Tür geweckt zu haben. Wenn er sah, wie blitzblank alles war, würde er hoffentlich ein Auge zudrücken.
Drei Stunden später sah das Erdgeschoss picobello aus. Ich hatte sogar den Kühlschrank und die Tiefkühltruhe komplett ausgewischt, nur damit der Mann da oben so richtig ausschlafen konnte. Nun ging ich in den ersten Stock und reinigte jedes Zimmer so gründlich, bis ich beim besten Willen nichts mehr zu putzen fand und schließlich am Fuß der Treppe zum zweiten Stock stand. Inzwischen war es ein Uhr, und da oben rührte sich noch immer nichts. Drei Schlafzimmer und drei komplette Badezimmer musste ich noch machen, dazu ein Fernsehzimmer und einen Billardraum mit Bar. Letzterer war weit genug vom Zimmer des Typen entfernt, dass ich es sauber machen konnte, ohne ihn zu wecken.
Auf Zehenspitzen bewegte ich mich dorthin. Im Billardraum angekommen, seufzte ich erleichtert auf und schloss die Tür hinter mir. Die Bar war mit allen nur denkbaren Spirituosen bestückt und mit lauter verschiedenen Gläsersorten ausgestattet, von denen ich nicht die geringste Ahnung hatte, zu welchem Getränk sie gehörten. Ich durchquerte den Raum, stellte meinen Eimer mit den Putzutensilien auf dem Boden ab und entschied, noch etwas Zeit mit dem Reinigen der Fenster zu verbringen. Ich zog mir einen Stuhl heran, legte ein sauberes Tuch darüber und stieg hinauf. Die Zimmerdecke war mindestens drei Meter siebzig hoch, und der obere Teil der Fensterscheiben war entsprechend schwer erreichbar. Manchmal nahm ich deshalb eine Leiter mit, hatte heute aber jedes zusätzliche Geklapper vermeiden wollen.
Gerade streckte ich den Arm hoch und wollte mit dem Saubermachen loslegen, als mein Handy klingelte. Mist! Beim Arbeiten stellte ich den Klingelton immer auf ganz laut, damit das Telefon überall im Haus zu hören war. Ich wollte vom Stuhl hinuntersteigen, rutschte jedoch mit dem Fuß aus und verdrehte ihn mir schmerzhaft. Der Stuhl kippelte, und ich griff nach dem Nächstbesten, woran ich mich festhalten konnte: einem wuchtigen, verschnörkelten Spiegel.
Kurz bevor ich auf den Boden krachte, hörte ich, wie Glas zersprang.
Und noch immer klingelte dieses blöde Handy!
Ich drehte mich um und versuchte verzweifelt, es zu fassen zu bekommen – doch vergebens.
In diesem Moment ging die Tür auf. Ich erstarrte.
„Ach du Schreck, was ist passiert? Alles okay mit dir?“ Bekleidet mit nichts als einer weißen Boxershorts, kam der Typ, den ich morgens aus dem Schlaf gerissen hatte, zu mir gelaufen. Immerhin war er nicht völlig nackt. Ich riss den Blick von ihm los und holte scharf Luft. O Gott, ich hatte seinen Spiegel demoliert und ihn schon wieder geweckt!
„Es tut mir so leid! Den Spiegel erstatte ich natürlich. Der hat wahrscheinlich einen Haufen gekostet, aber Sie müssen mir einfach nichts mehr zahlen, bis Sie das Geld wieder drinhaben. Ich könnte sogar öfter als einmal in der Woche herkommen, und zwar gratis!“
Sein Gesicht verdüsterte sich, und mir rutschte das Herz in die Hose.
„Sag mal, blutest du etwa? Scheiße, gib mir mal deine Hand.“ Er kniete sich hin und legte meine Hand in seine. Tatsächlich steckte ein Glassplitter drin. Aus der Wunde sickerte langsam Blut heraus.
„Oje, das muss sicher genäht werden. Warte kurz, ich zieh nur schnell was an, dann bringe ich dich ins Krankenhaus.“ Er richtete sich auf und ging hinaus.
Ich starrte auf die Spiegelscherben und dann zur Tür. Er wollte mich ins Krankenhaus bringen? Wegen dieser Wunde hier? Wenn das meine Agentur erfuhr, war ich meinen Job vermutlich los. Ich durfte nicht zulassen, dass er deswegen so ein Trara machte. Mehr als etwas Desinfektionsmittel und einen Verband brauchte ich gar nicht. Danach würde ich mich um den Scherbenhaufen am Boden kümmern.
Beim Aufstehen ließ mich ein stechender Schmerz im Rücken zusammenzucken. Das würde blaue Flecken geben! Ich entfernte ein paar Glassplitter, die immer noch an meinen Klamotten hingen, wodurch ich mir allerdings nur noch mehr kleine Schnitte an den Fingern zuzog. Das Blut, das auf meine Beine getropft war, ließ alles noch schlimmer aussehen, als es war.
Vorsichtig trat ich aus den Scherben hinaus. Sobald ich mir sicher war, dass ich keine weiteren Splitter hinter mir herschleifte, ging ich zu meinem Putzeimer und nahm ein sauberes Tuch heraus. Dann begab ich mich ins nächstgelegene Badezimmer und säuberte mit dem Tuch meine Beine.
„Was tust du da?“ Der Typ klang wütend. Ich riss den Kopf hoch und wich zurück, als er ins Bad hereintrat. Ich hatte den Fuß auf den geschlossenen Toilettendeckel gestellt und nahm ihn nun schnell wieder herunter.
„Tut mir leid, dass ich barfuß bin. Aber ich wollte den Toilettendeckel putzen, sobald ich fertig bin.“
Er sah mich entgeistert an. Mist, ich machte ja alles immer noch schlimmer!
„Der Toilettendeckel ist mir scheißegal. Warum hast du nicht gewartet, bis ich dir aufhelfen konnte? Du hättest in noch mehr Glasscherben treten können!“
Was? Diesmal machte ich eine entgeisterte Miene. Ich blickte einfach nicht durch bei ihm. „Ich habe aufgepasst“, erwiderte ich und fragte mich, wieso er sich so aufregte.
„Na komm. Ich ziehe jetzt die Scherbe raus, säubere die Wunde und verbinde sie. Dann fahren wir los. Du kannst die Scherbe nicht da drinlassen. Die Wunde könnte sich infizieren.“
„Okay.“ Nachdem er so wild entschlossen war, mir zu helfen, traute ich mich nicht, Nein zu sagen.
Er wandte sich um und stapfte hinaus und ich hinterher. Nur einmal riskierte ich dabei einen Blick auf seinen Po, und das auch nur, weil es mich interessierte, wie seine Rückansicht in der Jeans aussah, die er nun trug. Auch nicht schlecht! Diese Jeans saß wirklich wie angegossen.
Ich ließ den Blick nach oben wandern und entdeckte, dass er sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. So wie es aussah, war es mindestens schulterlang. Das war mir zuvor gar nicht aufgefallen, denn seine schönen Augen und sein markantes Kinn hatten meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Wir erreichten die Tür zu seinem Zimmer. Er trat zur Seite und winkte mich hinein. „Ich habe keine Ahnung, wo Nan ihren Erste-Hilfe-Kasten aufbewahrt, aber ich habe in meiner Reisetasche etwas Verbandszeug dabei. Ich bin letztens von einem Pferd gestürzt, das ich gerade einreite, und habe mir dabei ein paar Kratzer zugezogen.“
Nan? Wer war das denn?
„Wohnen Sie denn gar nicht hier?“
Er hatte einen kleinen blauen Beutel aus seiner Reisetasche gezogen und grinste nun belustigt.
„O Gott, nein!“ Er gluckste. „Und hör endlich auf, mich zu siezen. Hast du Nannette schon kennengelernt? Mit der lebt kein Mensch freiwillig im gleichen Haus. Aber da unserem Vater dieses Haus gehört, kann ich hier wohnen, wann immer mir danach ist. Und wenn Nan weg ist, ist mir danach.“
„Bis auf Sie … äh … dich habe ich hier noch nie jemanden gesehen“, sagte ich.
„Das erklärt eine Menge“, meinte er lachend. Dann streckte er mir seine Hand entgegen. „Komm, gib mir deine Hand. Ich mach’s so vorsichtig wie möglich, aber ein bisschen brennen wird’s schon.“
Ich ließ mich eigentlich nicht von Männern berühren. Doch die Art, wie er meine Handfläche musterte, wirkte auf mich vertrauenerweckend. Er war ein netter Kerl, zumindest kam es mir so vor.
Ich legte meine Hand mit der Handfläche nach oben in seine, und er blickte entschuldigend zu mir auf, als sei alles seine Schuld. Ich beobachtete, wie er langsam die Scherbe herauszog und die Wunde mit einem Wattebausch abtupfte, den er zuvor mit Desinfektionsmittel getränkt hatte. Richtig, es brannte, aber ich hatte schon viel Schlimmeres durchgemacht.
Er senkte den Kopf und blies während des Säuberns sanft über meine Wunde. Sein kühler Atem tat gut, und ich beobachtete fasziniert, wie er dabei die Lippen spitzte. Bildete ich mir diesen Mann vielleicht nur ein? Hatte ich mir bei meinem Sturz den Kopf angeschlagen? Oder träumte ich das alles nur?
Er presste den Wattebausch mit dem Daumen fest auf die Wunde und griff mit der anderen Hand nach einem neuen Wattebausch und medizinischem Klebeband. „Leider habe ich keine Salbe dabei, aber Paracetamol hätte ich. Das könntest du gegen die Schmerzen nehmen, bis wir dich ins Krankenhaus gebracht haben.“
Ich nickte nur, denn ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun oder sagen sollen. Bislang hatte es noch nie jemanden gekümmert, wenn ich mich verletzt hatte. Dabei war das oft vorgekommen.
„Ach übrigens, ich heiße Mase“, sagte er und sah kurz zu mir auf, während er mir die Hand verband.
„Den Namen habe ich noch nie gehört, aber er gefällt mir.“
Er lachte auf. „Danke. Hast du vielleicht auch einen Namen?“
Er hatte mich tatsächlich gefragt, wie ich hieß. Bis auf eine Kundin hatte sich nie jemand, für den ich arbeitete, für meinen Namen interessiert.
„Klar. Ich heiße Reese.“
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