Winterträume in der kleinen Buchhandlung (Happy-Ever-After-Reihe 5) Winterträume in der kleinen Buchhandlung (Happy-Ever-After-Reihe 5) - eBook-Ausgabe
Roman
— Warmherzige Weihnachtslektüre zum Einkuscheln und Wegträumen„In ›Winterträume in der kleinen Buchhandlung‹ (…) weckt Spiegel Bestseller Autorin Jenny Colgan Weihnachtsstimmung mit einer atmosphärischen Geschichte voller Bücherzauber, Wintermagie und Herzenswärme. (…) Ein unterhaltsames Buch für die schönste Zeit des Jahres.“ - StadtRadio Göttingen „Book's n' Rock's“
Winterträume in der kleinen Buchhandlung (Happy-Ever-After-Reihe 5) — Inhalt
In „Winterträume in der kleinen Buchhandlung“ weckt SPIEGEL-Bestsellerautorin Jenny Colgan Weihnachtsstimmung mit einer atmosphärischen Geschichte voller Bücherzauber, Wintermagie und Herzenswärme.
Träumen Sie sich nach Schottland, wenn der Winter aufzieht und die Menschen nach Wärme suchen: in der Familie oder mit Freunden, in ihren Träumen oder in Büchern. Jenny Colgan, die „Queen of Christmas“, versteht es wie keine andere, ihre Leser:innen in Weihnachtsstimmung zu versetzen!
In Edinburgh naht der Winter! Höchste Zeit, die Christbaumkugeln zu entstauben, Plätzchen zu backen und die Schaufenster festlich zu dekorieren – eigentlich … Stattdessen aber wird die Buchhandlung, in der Carmen arbeitet, zum Drehort eines kitschigen Weihnachtsfilms, ihre Schwester setzt sie glatt vor die Tür, und die Liebe ihres Lebens hat dringende Verpflichtungen auf der anderen Seite der Welt. Fast könnte man da den Glauben an die Magie der Weihnacht verlieren … Doch dann verrät ihr schrulliger älterer Chef Carmen einen Herzenswunsch, der vielleicht nie mehr in Erfüllung gehen wird. Carmen braucht all ihre Fantasie, die Hilfe aller Nachbarn und Freunde und die Liebe zu Büchern, um diesen und noch viele andere Winterträume wahr werden zu lassen.
„Wohlfühlfaktor: Sehr hoch, wie immer bei Jenny Colgan, der Meisterin der Romane, in die man immer gleich einziehen will, weil ihre Welten sich so kuschelig anfühlen beim Lesen.“ Berner Zeitung
Wie schon „Weihnachten in der kleinen Buchhandlung“ ist auch „Winterträume in der kleinen Buchhandlung“ ein weihnachtlicher Wohlfühlroman, der von innen wärmt und glücklich macht. Jenny Colgans Winterromane feiern die Magie von Büchern, das Glück der Freundschaft und den Zauber des Winters – warmherzig und wunderbar!
„Niemand versteht sich so gut auf gemütliche Eskapismus-Romance wie Jenny Colgan“ Sunday Express
Leseprobe zu „Winterträume in der kleinen Buchhandlung (Happy-Ever-After-Reihe 5)“
Prolog
Zart fiel der Schnee und sammelte sich vor den Koppelfenstern der kleinen Läden auf Edinburghs Victoria Street, blieb dämpfend auf der Straße liegen und hüllte die Welt mit seiner Sanftheit ein.
Hinter den Scheiben war alles warm und gemütlich; Kerzen brannten, und ein Kaminfeuer flackerte, damit sich die eisigen Finger des Winters nicht ins Innere vorkämpften. Mildes Licht tanzte über die dekorierten Regale, die aus allen Nähten platzten. Darin herrschte ein buntes Durcheinander, Bücher standen in doppelten Reihen und waren sogar noch darauf [...]
Prolog
Zart fiel der Schnee und sammelte sich vor den Koppelfenstern der kleinen Läden auf Edinburghs Victoria Street, blieb dämpfend auf der Straße liegen und hüllte die Welt mit seiner Sanftheit ein.
Hinter den Scheiben war alles warm und gemütlich; Kerzen brannten, und ein Kaminfeuer flackerte, damit sich die eisigen Finger des Winters nicht ins Innere vorkämpften. Mildes Licht tanzte über die dekorierten Regale, die aus allen Nähten platzten. Darin herrschte ein buntes Durcheinander, Bücher standen in doppelten Reihen und waren sogar noch darauf gestapelt. Sie verhießen eine Flucht aus dem Alltag, Geheimnisse und Abenteuer, Schatzkarten und alte Geschichten von Kohlköpfen, Königen und Piraten, Zeugnisse der Tapferkeit, Welten aus Eis oder Welten, die nur über den Dächern existierten. Hier gab es alles, was man brauchte, um es sich vor dem Feuer gemütlich zu machen wie ein Siebenschläfer in seinem Nest, in eine Decke gekuschelt und …
„SCHNITT!“
Mit finsterer Miene stand Carmen Hogan direkt vor dem Eingang von McCredies Buchhandlung. Die Sonne schien auf sie hinab, und die Schneekanone machte ordentlich Radau.
„Das ist so dämlich“, sagte sie zu ihrer Freundin Idra, die sich eigentlich nur schwer beeindrucken ließ. Trotzdem war sie heute gekommen, falls sie hier vielleicht irgendwelche großen Filmstars treffen könnte, die zu kleinen, lokalen Streamingproduktionen gewechselt waren.
„Wenn wir zu Weihnachten so dekorieren würden, könnte man ja gar keine Bücher mehr aus den Regalen holen. Und das sind auch nur blöde, staubige falsche Bücher. Was haben die bloß aus meinem Laden gemacht?“
„Das Wichtigste ist doch, dass sie euch bezahlen.“
Carmen schnaubte. „Na, so viel ist das nun auch nicht. Und ich verliere sogar dadurch Geld, dass hier im Moment niemand einen Krimi kaufen kann.“
„Das holt ihr doch an Weihnachten alles wieder rein, wenn die Leute die Buchhandlung aus dem Film sehen wollen.“
„Ja, stimmt“, sagte Carmen und wurde gleich munterer. „So hab ich das noch gar nicht betrachtet.“
Ein paar Besitzer anderer Geschäfte in der Straße – Bronagh aus dem Zauberladen und Bobby aus der Eisenwarenhandlung – waren herübergekommen, um zuzusehen.
„Warum können die das nicht bei mir machen?“, fragte Bobby verzagt. „Das würde mir echt helfen.“
„Na ja“, erklärte Carmen mitfühlend, weil sie Bobby wirklich mochte, „Buchhändlerin zu sein ist echt cool und sexy und romantisch, während ein Typ, der Besen verkauft, tja, einfach nur ein Typ ist, der Besen verkauft.“
„Buchhändlerin zu sein ist echt cool und sexy und romantisch“, schniefte Idra, „solange man kein Problem damit hat, am Hungertuch zu nagen und bei seiner Schwester im Keller zu hausen.“
Das ignorierte Carmen mal.
Doch Bobby sah schon ein bisschen traurig aus.
„Aber wir verkaufen Zaubersachen“, wandte Bronagh ein. „Ist das etwa nicht unglaublich sexy?“ Sie schüttelte ihre lange rote Mähne. Bronagh war selbst wirklich sexy, wenn auch ein bisschen unheimlich.
Carmen hatte glänzend schwarzes Haar und ein liebes, rundes Gesicht, allerdings Augenbrauen, die sie oft wütend aussehen ließen. Im Laufe der Jahre hatten Idra und sie mit diesen Augenbrauen schon so manches angestellt, was die Situation nicht verbessert hatte. Beim Gedanken an einige dieser Aktionen (wie zum Beispiel das Hinzufügen von zusätzlichen Härchen) erschauderte Carmen.
„Vielleicht hättest du eher eine Zauberschule eröffnen sollen“, überlegte sie mit Bedauern.
Die Schneekanone gab ihr Bestes, aber der Sommer war dieses Jahr in Schottland einfach fantastisch. Carmen war sich nicht so sicher, ob sich die über die Victoria Street wandelnden Touristen über die unerwartete Hitzewelle wirklich freuten, da sie in das für Edinburgh empfohlene Sommeroutfit gekleidet waren: lange Hose, Fleecepulli und eine wasserdichte Jacke, die sie jetzt über dem Arm trugen. Kleine Kinder schleuderten Wollmützen und Handschuhe weg, mal abgesehen von den Statisten, die wie viktorianische Gassenjungen gekleidet unnatürlich still dasaßen. Ein wenig ungnädig dachte Carmen, dass sie am besten auch ihre elfjährige Nichte Pippa mitgebracht hätte. Die war wirklich gut darin, wie ein kleiner, strenger Geist reglos dazuhocken und angsteinflößend dreinzublicken.
Dann rief sie sich in Erinnerung, dass Pippa ja keine Schuld daran trug, wenn sie selbst mit dreißig immer noch im Keller ihrer Schwester wohnte und wegen all der Kinder im Haus – vier an der Zahl – im Bad ständig auf Gummientchen stieß.
Die Immobilienkrise wirkte ziemlich theoretisch, überlegte sie finster, bis sie einen dann selbst betraf. Da die Mietpreise in Edinburgh nicht einfach nur hoch, sondern auf absurde Weise astronomisch geworden waren, hätte sie genauso gut einen Umzug in den Buckingham Palace erwägen können. Zum Glück schien sich ihre Schwester, Sofia, die im Moment in Elternzeit war, an ihrer Anwesenheit nicht zu sehr zu stören.
Der Regisseur des Films war klein und schmächtig, trug einen langen Pferdeschwanz, eine winzige Brille mit runden Gläsern und war – wie bevorzugt in seiner Branche – ganz in Schwarz gekleidet. Er sah aus, als hätte er sich für eine Karnevalsfeier als Regisseur verkleidet. Carmen fragte sich, ob er wohl viel Geld für Bartpflege ausgab.
Jetzt wurden Schaulustige zurück hinter die Bänder gescheucht, mit denen die Victoria Street abgesperrt war.
Das passte einigen gar nicht, weil sie gern die sich in die Höhe schlängelnde Straße mit ihren wunderschönen bunten Geschäften für Instagram fotografieren wollten. Schließlich wirkte sie wie eine ins echte Leben versetzte Diagonal Alley.
Andere reagierten aufgeregt, weil sie unbedingt den recht abgehalfterten Filmstar sehen wollten, der die Hauptrolle spielte.
Der recht abgehalfterte Filmstar, Lind Stephens, betrat den Set, bekleidet mit einer karierten Hose und einem riesigen Pullover, der unglaublich teuer aussah.
Für alle Fälle streckte Idra die Brust raus.
„Und … Bitte!“
Carmen ertappte sich bei einem Lächeln. Sie konnte nicht anders, irgendwie war es ja schon aufregend. Wenn Weihnachten vor der Tür stand, würde dieser Film auf einem Streaminganbieter gezeigt werden, mit ihrer Buchhandlung! Gut, genau genommen, war es Mr McCredies Buchhandlung. Aber Carmen war sich sicher, dass hier jetzt nicht gedreht würde, wenn sie den Laden nicht unter großer Anstrengung in einen Ort verwandelt hätte, an dem man gern Zeit verbrachte.
Das kleine Geschäft befand sich unterhalb der Burg, in einer der hübschesten Gegenden einer ohnehin wunderschönen Stadt. Dieser Teil der Altstadt schmiegte sich rund um zwei Bereiche – Victoria Street und West Bow –, und zwar ausgehend vom Grassmarket, einer großen offenen Ebene, auf der in früheren Zeiten Märkte stattgefunden hatten, wo sich jetzt aber auch Cafés und Bars drängten und Leute feierten.
Über alldem ragte hoch und unheilvoll die Burg auf.
Sie schien wie alle anderen auch überrascht darüber zu sein, dass hier inmitten einer modernen Stadt ein riesiger mittelalterlicher Bergfried auf einem erloschenen Vulkan thronte.
Wenn Carmen gegen Abend dort hinaufschaute, achtete sie immer auf eine Reihe von kleinen erleuchteten Fenstern. Sie wusste, dass da oben weiterhin das Militär stationiert war. Diese Männer hatten heutzutage zwar eine eher zeremonielle Funktion, aber sie waren doch echte Soldaten. Carmen dachte manchmal an die Mitglieder des Bataillons, das dort in seinem Quartier unterhalb der Zugbrücke einen sicheren Rückzugsort hatte. Deren Füße berührten ein Kopfsteinpflaster, über das seit dem 12. Jahrhundert Soldaten marschiert waren. Mit ihren karierten Mützen und wehenden Kilts waren sie außerdem unglaublich sexy, vor allem im Marschschritt. Manchmal kamen sie runter in die Buchhandlung, um einen Jack-Reacher-Roman zu kaufen oder sich in der Frage beraten zu lassen, was sie für die Ehefrau oder Freundin in weiter Ferne auswählen könnten.
Die mit kleinen Geschäften gesäumte Victoria Street verband den Grassmarket mit der West Bow und oben auch mit der Royal Mile. Weil sich die Gebäude an dieser Straße auf mehrere Ebenen verteilten, wusste man manchmal nicht recht, auf welcher Höhe man sich gerade befand. Aber das gehörte in Edinburgh eben mit dazu, einer Stadt, bei der es sich quasi um ein Stein gewordenes Escher-Gemälde handelte.
Die Läden der Victoria Street waren in unterschiedlichen Farben gestrichen, was noch zum Charme des Ganzen beitrug. Neben dem Zauberladen und der Eisenwarenhandlung befand sich hier ein wirklich prächtiges Geschäft mit Tweedbekleidung, betrieben von einem piekfeinen Mann, der auch noch Crawford mit Vornamen hieß.
Und dann gab es da natürlich McCredies Buchhandlung. Die war bereits so gut wie pleite gewesen, als Carmen nach dem Verlust ihrer Stelle in einem Warenhaus letztes Jahr kurz vor Weihnachten hier aufgetaucht war. Obwohl sie den Job zunächst ein wenig widerwillig angenommen hatte, hatte sie sich am Ende doch durchgebissen. Mittlerweile rentierte sich der Laden halbwegs und behauptete sich hier weiterhin, seine Zukunft war jedoch alles andere als gesichert.
Und jetzt verdienten sie sich auf eine etwas andere Art und Weise ein wenig Geld dazu, indem sie das Geschäft vermieteten. Zwar würden sie damit nicht alle verbliebenen Schulden tilgen können, aber es half auf jeden Fall. Leider würde der Film bei seiner Darstellung von Schottland wieder auf genau die Klischees zurückgreifen, die Carmen so hasste.
Der faltige Schauspieler durchschritt mit einem Bimmeln die Tür des Geschäftes. Allerdings hatte irgendjemandem der Ton des üblichen Glöckchens nicht gefallen – weshalb sich ein Crewmitglied mit einem anderen hinter der Tür versteckt hatte und es im passenden Moment ertönen ließ.
Das Drehen von Filmen war ganz schön seltsam, fand Carmen.
„Hi“, sagte der Schauspieler.
„Hallöchen, wie geht’s denn so?“, fragte die unglaublich schöne Hauptdarstellerin, Genevieve Burr, die einen kompletten Kilt anhatte und eine Tartanmütze trug. Carmen dachte wieder einmal, dass diese unfassbare Menge an glänzendem langem Haar einfach nicht echt sein konnte. Sie runzelte die Stirn. Und war denen eigentlich klar, dass ihr stark aufgetragener Akzent eher nach Irland klang?
„Na, haben Sie sich in unserem mystischen, magischen Land gut eingelebt?“, fragte Lind. „Ein Kunde von uns ist auf der Suche nach Robert Burns – natürlich der Erstausgabe!“
„Selbstverständlich haben wir da eine! Ich denke, darauf sind sogar noch ein paar Matschspritzer vom Feld zu finden.“
Carmen war wirklich froh, dass sie Mr McCredie empfohlen hatte, nicht zum Zuschauen herunterzukommen.
„Hätten Sie vielleicht gern ein Gläschen Whisky, während Sie warten?“ Sie deutete auf eine volle Flasche, in der sich ganz offensichtlich schwacher schwarzer Tee befand.
„Natürlich, sehr gern.“
Idra und Carmen schauten einander an und verzogen das Gesicht.
Ein wenig später entfernte sich Carmen ein Stück, um ihre Schwester Sofia anzurufen, die gerade im Urlaub war.
„Du hättest wirklich mitkommen sollen!“, sagte Sofia.
„Nein, das wäre nicht gegangen, die Filmcrew ist doch hier.“
„Ah, stimmt. Wie läuft es denn?“
„Die Buchhändlerin hat gerade den Gutsherrn gefragt, ob er mit ihr zusammen das Monster von Loch Ness besuchen will. Den See kann man offenbar von Edinburgh aus fußläufig erreichen.“
„Ah, wie schön, eine Doku“, murmelte Sofia. „Ich fand es fast besser, als sie immer nur Filme darüber gemacht haben, wie in Edinburgh alle an Heroinüberdosis sterben.“
„Außerdem hasse ich die Centerlands.“
„Was soll das heißen?“, fragte Sofia. „Wie kann man denn die Centerlands hassen?“ Mit dem Fuß machte sie leise die Tür zu, damit Carmen die Diskussion zwischen Federico und ihrer Achtjährigen, Phoebe, nicht weiter mitbekam.
Phoebe fand es offenbar fies und bescheuert, dass man sie zu Tennisstunden verdonnerte, denn es gewann ja doch immer nur ihre drei Jahre ältere Schwester, Pippa.
Pippa machte die Sache nicht besser, weil sie wiederholt unterstrich, dass sie, genau wie Andy Murrays Bruder, nur deshalb so gnadenlos spielte, damit Phoebe besser werden würde. Also täte sie ihrer Schwester nur einen Gefallen.
Dann tauchte das nächste Problem auf. Carmen hörte das Geschrei von Baby Eric. Er hatte normalerweise ein sonniges Gemüt, da ihm ständig die allgemeine Aufmerksamkeit galt. Jetzt bereiteten sie sich wohl gerade auf eine Radtour vor, er war aber so quengelig, dass er gleich bestimmt nicht in den Fahrradsitz wollte.
Als Sofia genau diese Befürchtung äußerte, knurrte Carmen: „Das ist doch sowieso alles bloß Getue: Blablabla, guckt euch nur unsere tolle Familie an, die hier auf Rädern unterwegs ist und Bäume bewundert.“
„Aha?“, entgegnete Sofia. „Ich verstehe nicht recht, was daran falsch sein soll.“
„Daran ist alles falsch! Wie seid ihr denn da hingekommen?“
„Gefahren, weißt du doch.“
„Ihr seid da mit einem dicken, fetten Auto hingefahren, und alle anderen auch! Und jetzt heißt es: Ooh, seht nur, wie wir hier durch den Wald radeln, ist das nicht schön? Ja, aber bloß für euch, weil ihr für diesen Urlaub eine Trillion Pfund bezahlt, während sich arme Leute auf normalen Straßen zwischen Abgasen abstrampeln müssen.“
„Eine Trillion Pfund nun wirklich nicht!“, protestierte Sofia.
Dabei hatte Carmen nicht ganz unrecht – mit einer sechsköpfigen Familie mitten in den Sommerferien Urlaub zu machen kostete tatsächlich etwa eine Trillion.
„Und ihr seid bestimmt von zig anderen selbstgefälligen Familien wie euch umgeben.“
„Das stimmt überhaupt nicht!“
„Wie viele Jungen, die Hugo heißen, habt ihr da bis jetzt getroffen? Sicher an die neunzig, oder?“
„Carmen, worum geht es dir eigentlich?“
Darauf wusste Carmen selbst keine Antwort. Das hier am Drehort war ja alles nicht echt – trotzdem waren beim Anblick von Weihnachtsdekoration, Schnee und Schals bei ihr viele Erinnerungen an das letzte Weihnachtsfest zurückgekehrt.
Teil 1
Kapitel 1
Januar
Carmens Plan war von Anfang an eine schlechte Idee gewesen.
Und die Schuld für alles Spoons zu geben wäre wirklich nicht fair. Ganz unschuldig daran war er allerdings auch nicht, würde Carmen später jedes Mal denken, wenn sie sich deshalb elend fühlte.
Oke. Oke, Oke, Oke, dessen Name wie „Okay“ ausgesprochen wurde, war zum ersten Mal kurz vor Weihnachten in der Buchhandlung aufgetaucht. Er war ein viel zu dünn angezogener Postdoktorand mit nur wenig Geld und riesigen grünen Augen, ein Dendrologe oder Baumforscher, der selbst ein bisschen wie ein Baum aussah.
Er stammte aus Brasilien und war Quäker – was bedeutete, dass er das Weihnachtsfest nicht feierte. Dass sich Carmen Hals über Kopf in ihn verliebt hatte, lag zum Teil wohl daran, dass er so anders war als alle, die sie sonst kannte. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit, weil beide für den anderen unergründlich und geheimnisvoll waren.
Als Oke eigentlich nach Brasilien hatte zurückkehren sollen, war er ihretwegen geblieben, was Carmen überglücklich gemacht hatte.
Aber dann waren die Probleme losgegangen.
Die Uni war davon begeistert gewesen, dass Oke blieb, und hatte ihm wieder seine alte Unterkunft im wunderschönen Mylnes Court zur Verfügung gestellt, sodass er nach ein paar Tagen als Untermieter von Mr McCredie dorthin zurückkehren konnte. Mylnes Court war ein sechsstöckiges Gebäude oben auf The Mound, von dem aus man eine uneingeschränkte, beeindruckende Aussicht über die Stadt hinweg hatte. Das Gebäude stammte aus dem Jahr 1690 und war selbst für heutige Verhältnisse groß. Carmen konnte sich kaum vorstellen, wie es damals auf die Menschen gewirkt haben musste, zu einer Zeit, in der die meisten sich eine niedrige Holzhütte mit ihrem Vieh geteilt hatten. Und das auch nur, wenn sie Glück hatten. Beim Anblick so eines Hauses mussten sie ja gedacht haben, sie seien in New York.
Carmen war begeistert gewesen, dass Oke dort wieder einziehen konnte. Sie hatte das Gebäude von der New-College-Seite her oft durchquert – was möglich war, weil eine der vielen Treppen Edinburghs mitten hindurchführte. Und jetzt würde sie es endlich von innen sehen!
Oke griff nach ihrer behandschuhten Hand, holte einen absurd riesigen Schlüssel hervor und führte sie die Treppe zur mit Nieten versehenen Haupttür aus Metall hinauf, dann einen Flur entlang, vorbei an einem altmodischen Gebetsraum mit langen Holzbänken.
Für Carmen, die nie zur Uni gegangen war, sah das alles unglaublich romantisch aus.
Sie stiegen hoch in den zweiten Stock. Zimmer 205 ging nach vorne raus, sodass Oke, wie Carmen überlegt hatte, wohl über die ganze Stadt hinwegblicken konnte. Dieser Glückspilz!
Er klopfte behutsam an, bevor er das Zimmer betrat.
„Mein Mitbewohner“, sagte er zu Carmen, die erwartungsvoll nickte. Sie erhoffte sich von Okes Zimmergenossen, dass er sie augenblicklich ins Herz schließen und sich natürlich regelmäßig verziehen würde, damit Oke und sie sturmfreie Bude hatten.
Die Tür wurde weit aufgerissen.
„Okes!“, erklang eine fröhliche Stimme, und ein bärtiger Mann, der klein und breit war – also das völlige Gegenteil von Oke –, schlang Oke die Arme um die schmale Taille.
„Du hast doch gesagt, dass du für immer gehst, Alter! Ich dachte, die würden mir dann einen Botaniker oder so schicken! Igitt!“
„Ich bin ja gewissermaßen ein Botaniker!“, sagte Oke. „Und du hasst doch alle.“
Spoons zuckte mit den Achseln.
„Ich hasse die auch“, sagte Carmen. „Hi, ich bin übrigens Carmen.“
Spoons starrte sie an und schaute dann zu Oke hoch.
„Sie ist echt okay“, murmelte Oke.
„Wie jetzt, habt ihr etwa eine Abmachung, dass niemand Frauen mit aufs Zimmer bringen darf?“ Carmen schaute von einem zum anderen.
„Nicht direkt eine Abmachung“, antwortete Spoons. „Es ist eher … ein ungeschriebenes Gesetz.“
Sie warf einen Blick in den Raum, der quadratisch und ziemlich aufgeheizt war und in dem ein seltsamer Geruch in der Luft lag, der gar nicht zu Oke passte. Auf dem Fußboden waren überall Bücher und Papiere verstreut.
Oke, der ziemlich penibel war, runzelte die Stirn. „Spoons!“
„Ja, sorry, das räum ich gleich weg. Hier ist alles ganz klar unterteilt“, wandte sich Spoons an Carmen. „Normalerweise.“
Oke schob seinen Koffer ins Zimmer, der die meisten seiner Besitztümer auf dieser Welt zu enthalten schien.
„Du hast hier aber keine Lebendexemplare, oder?“
„Äh“, machte Spoons, „nein. Also, eigentlich nicht.“ Er hätte kaum schuldbewusster aussehen können.
„Spoons! Diese Unterhaltung hatten wir doch schon mal! Das arme Ding könnte überall stecken!“
„Ich weiß“, murmelte Spoons.
„Aufgewühlt und verängstigt!“
„Schon klar.“
„An Weihnachten!“
„Sie weiß mit Sicherheit nicht, dass Weihnachten ist.“
„Wer bitte ist ›sie‹?“, fragte Carmen.
Spoons und Oke wechselten Blicke.
„Ich bin Herpetologe“, sagte Spoons. Als er noch die Erklärung „Ein Spezialist für Schlangen“ hinzufügte, wandelte sich Carmens Gesichtsausdruck schnell von verwirrt zu entsetzt.
Spoons verließ das Zimmer so gut wie nie, und Carmen hatte aus offensichtlichen Gründen auch nicht groß Lust, dorthin zurückzukehren. Sie wollte da wirklich nicht zur Toilette gehen müssen.
Und natürlich konnte Oke auch nicht bei ihr übernachten. Zum einen war Sofia vierundzwanzig Stunden am Tag mit dem Baby da, zum anderen konnte Carmen die Vorstellung nicht ertragen, Oke hinter dem Rücken der Kinder ins Haus zu schleusen. Ein Hotel konnten sie sich auch nicht leisten, erst recht nicht in Edinburgh, die Buchhandlung kam nicht infrage, und draußen herrschten zwei Grad unter null.
Aber das war ja noch nicht alles: Oke schien all das überhaupt nicht zu stören, nicht im Geringsten.
Während des kalten, eisigen Januars, dem normalerweise dunkelsten und traurigsten Monat des Jahres, schlenderten sie stundenlang mit einer heißen Schokolade in der Hand Arm in Arm durch die Stadt, lernten einander besser kennen, lachten und quatschten, ohne dass ihnen je der Gesprächsstoff ausging. Sie lernten mehr über die Welt des anderen, die ihnen so fremd und seltsam vorkam.
Es war eine wundervolle Zeit, mal abgesehen von einem Aspekt: Oke schien es überhaupt nicht eilig mit dem Sex zu haben. Und das trieb Carmen in den Wahnsinn.
Oke hatte sich alles lange durch den Kopf gehen lassen. Einer Frau wie Carmen war er noch nie begegnet. Natürlich hatte er schon Freundinnen gehabt, aber das hier war einfach ganz anders. Und dadurch wurden die Dinge kompliziert. Sie war Schottin, keine Quäkerin, und sprach kein einziges Wort Portugiesisch. Allein der Gedanke würde seine Mutter auf die Palme bringen. (In dieser Hinsicht war Oke weder der erste noch der letzte Mann, der die Aufgeschlossenheit seiner Mutter unterschätzen würde.)
Darüber hinaus hatte er ihr auch nichts zu bieten: Er war ja im Prinzip noch Student, wenngleich er selbst nebenbei Vorlesungen abhielt. Seine früheren Beziehungen waren für gewöhnlich sehr leidenschaftlich gewesen – als großer und gut aussehender, zugleich sanfter Typ, hatte er oft eine gewisse Art von Frauen angezogen, die das ewige Gelaber leid waren. Aber es hatte sich immer um kurzzeitige Affären ohne Tiefgang gehandelt, da er nicht an einer längerfristigen Bindung interessiert gewesen war. Für Akademiker lag eine sichere Zukunft – eine feste Stelle, durch die sie an einem Ort sesshaft werden konnten – meist in unerreichbarer Ferne.
Mit Carmen war alles anders, nur wusste er leider nicht, wie er ihr sagen sollte, dass sie etwas Besseres verdiente … Oke war selbst ein wenig überwältigt von der Richtung, in die sich seine Gefühle entwickelten. Er hätte nie gedacht, dass er sich so in eine Frau wie Carmen verlieben würde, die kulturell und von ihrer Persönlichkeit her ganz anders war, als er sich seine Zukünftige einst ausgemalt hatte. Und die Zeit, der Ort – das passte alles einfach nicht.
In einer Hinsicht hatte er jedoch gar keine Zweifel: Er würde ihr größten Respekt entgegenbringen, sie wie eine Königin behandeln. Sie wollte bestimmt noch warten, davon war er überzeugt. Und so konnte er ihr seine Wertschätzung zeigen, ihr beweisen, dass das hier etwas Echtes war, was sie sich gemeinsam aufbauten, Stein für Stein, Tag für Tag. Seine Taten würden ihr vermitteln, wie sehr er sie schätzte.
„Er findet mich fett und abstoßend“, stöhnte Carmen.
Idra, die mittlerweile zu einem besser bezahlten Job hier in Edinburgh gewechselt war, lauschte ihren Klagen geduldig. Sie hatte jetzt mehr Zeit, weil in dem Restaurant, das sie managte, nicht mehr so viele Weihnachtsessen stattfanden. Allerdings hätte sie das Carmen am liebsten verschwiegen, da die nicht aufhörte, sich über ihren einfach umwerfenden Freund zu beklagen.
Und Carmen hörte ja auch geduldig zu, wenn Idra von ihren eigenen Männergeschichten erzählte. Dabei ging es vor allem um Anwälte, die ständig ins Restaurant kamen, um mit ihr zu flirten, durch das gute Essen dort ordentlich zulegten und dann verschwanden, um einem Radsportclub beizutreten oder mit Freiwasserschwimmen anzufangen.
Trotzdem war Carmens Gejammer über Oke ziemlich nervig, da er offensichtlich ein super Typ war, ebenso groß wie klug. Das war ja, als würde man über zu lange Wimpern klagen oder sich fragen, warum die eigenen Brüste eigentlich so straff und wohlgeformt sein mussten.
„Ach, deshalb ist er nicht zurück nach Brasilien gegangen – weil du ihn so anwiderst?“
„Aber dann verstehe ich ihn einfach nicht“, sagte Carmen. „Ich selbst will ihn einfach nur besteigen wie einen Baum. Ist das denn zu viel verlangt? Es kommt mir so vor, als hätte mir da jemand ein Weihnachtsgeschenk überreicht, das ich nicht auspacken darf.“
„Du hast gesagt, dass er fromm ist, oder?“
„Er wurde in eine Glaubensgemeinschaft hineingeboren, so wie du und ich auch. Das ist nicht dasselbe.“
Idra zuckte mit den Achseln. „Okay, aber es ist schon eine andere Religion.“
„Also, ich meine, er ist kein praktizierender Quäker. Er geht ja nicht einmal zum Versammlungshaus.“ Sie runzelte die Stirn. „Okay, manchmal doch – aber nur, weil er sich da beim Hilfsprogramm für Obdachlose engagiert.“
Idra verdrehte die Augen. „Ja, ja, wie Arschlöcher das eben so machen.“
„Aber er ist jetzt nicht megagläubig oder so“, fuhr Carmen unbeirrt fort.
„Lügt er?“
„Nein“, antwortete Carmen traurig.
„Und was sagt er, wenn du ihn fragst, warum er dich nicht bumsen will?“
„Bumsen? Wo sind wir denn hier, im Jahr 1996?“
Wieder rollte Idra mit den Augen. „Ja, klar, das größte Problem ist hier mein veraltetes Vokabular.“
„Okay, also, ich hab ihn nicht gefragt“, musste Carmen zugeben.
„Wieso nicht?“
„Weil er nicht lügen darf!“, sagte Carmen und trat in den Schneematsch, durch den sie sich den Weg bahnten. „Was mache ich denn, wenn er sagt: ›Du bist zu fett!‹ oder ›So sehr mag ich dich dann doch nicht!‹ oder ›Ich hab einen seltsamen Fetisch, auf den ich dich nach und nach vorbereite‹ oder ›Ich bin wegen meiner Religion in Bezug auf Sex echt verkorkst‹ oder ›Ich bin ein Kind der Generation Internetporno, daher kommt echte zwischenmenschliche Intimität für mich nicht infrage‹?“
Idra und sie starrten einander entsetzt an.
„Glaubst du etwa …?“
„Sag es nicht!“, bat Carmen.
„Aber ich meine … wenn er noch Jungfrau ist?“
Carmen schloss die Augen. „Na, dann behaupte ich einfach, bei mir wäre es genauso. Er wird den Unterschied ja nicht merken.“
Idra presste sich eine Hand gegen die Augen. „O Gott, klär das doch, bitte, deine Frustration treibt mich nämlich in den Wahnsinn. Könntest du seinen Zimmergenossen nicht bestechen?“
„Wohl eher nicht“, murmelte Carmen. „Außer vielleicht, wenn du irgendwo noch eine Königskobra herumliegen hast, die du nicht mehr brauchst.“
Aber es änderte sich einfach nichts. Sie unternahmen lange Spaziergänge, hielten Händchen und küssten sich. Zu mehr kam es nicht, obwohl sie doch über einfach alles sprachen. Carmen kam sich vor wie eine Dame aus der Zeit Eduards VII., die uralte Straßen entlangschlenderte und sich von Zeit zu Zeit hastig nach ihrer Anstandsdame umsah, vor der sie sich versteckte.
Oke hingegen genoss es wirklich, eine Frau endlich einmal richtig kennenzulernen, nicht ständig daran zu denken, dass die Sache unangemessen oder nur vorübergehend war, dass es dabei bloß um Sex ging. Alles fühlte sich für ihn ganz neu an, und er gab sein Bestes, um sich Zeit zu lassen. Tief in seinem Inneren konnte er spüren, wie wichtig diese Beziehung war, und er wollte sie auf keinen Fall durch einen falschen Schritt aufs Spiel setzen.
Eines Abends schlenderten Carmen und er wieder einmal durch die Stadt, in der heute die ganze Weihnachtsdekoration abgenommen worden war. Das war immer ein trauriger Tag, weil er allen in Erinnerung rief, wie lange es noch dauern würde, bis endlich der Frühling kam. An Ereignissen, auf die man sich freuen konnte, stand in nächster Zeit nur die Burns Night an.
Auf The Mound kamen Carmen und Oke an der National Gallery vorbei, vor der eine Bühne aufgebaut war. Einen Monat lang war hier wunderbar festliche Musik zum Vortrag gebracht worden, Chorkinder hatten Gaudete geträllert, Gemeindegruppen hatten jazzige Versionen von I believe in Santa Claus mit dazu passenden synchronen Handbewegungen gesungen.
Jetzt war der ganze Weihnachtszauber vorbei, und die Straßen waren wie leer gefegt, weil sich die Leute wegen des Neujahrstrübsinns lieber nach Hause verzogen. Als ein paar junge Männer mit Trommeln und anderen Instrumenten die Bühne erklommen und über den leeren Platz hinwegblickten, taten sie Carmen ganz schön leid.
„Hey!“, entfuhr es da Oke.
Carmen schaute ihn an. „Was denn?“
„Das sind doch Brasilianer. Offensichtlich“, sagte er, lächelte und schüttelte über ihre Verblüffung den Kopf. Er ging zur Gruppe hinüber und tauschte mit ihnen ein paar freundliche Worte.
„Ooh“, machte Carmen. „Und, was wird das?“
Auch das war offensichtlich. Als wollten die Männer die Erinnerungen an die Weihnachtsmusik vertreiben, die noch in der Luft hing, den Frost des kalten Winters wegblasen, begann nun einer von ihnen, auf der Trommel einen unwiderstehlichen Rhythmus zu schlagen. Dann hoben ein paar Bläser ihre Instrumente an die Lippen und stimmten eine Sambamelodie an, die zum Tanzen einlud.
Strahlend schaute Oke zur Bühne hinauf, während er den Fuß im Takt bewegte.
Carmen beobachtete ihn und erfreute sich an seiner Begeisterung. „Ich hätte nicht gedacht, dass Quäker tanzen dürfen“, flüsterte sie.
„Na ja“, erklärte Oke, „ich bin zwar Quäker, aber vor allem auch Brasilianer, oder?“
Und dann packte dieser zurückhaltendste aller Männer sie plötzlich und zog sie an sich heran. Geschmeidig bewegte er die Hüfte und die langen Glieder und wirbelte sie in einem Affenzahn herum. Das alles sah bei ihm ganz mühelos aus.
„Oh!“, keuchte Carmen positiv überrascht auf. Sie konnte überhaupt nicht tanzen, ließ sich aber von ihm packen, ließ sich aufregend nah an ihn heranziehen und spürte seine Bewegungen.
Sie bemerkte zwar, dass hier und da Gassigänger unterwegs waren und zu ihnen herüberschauten. Aber das störte sie nicht im Geringsten, wie ihr klar wurde. Es war so ein glücklicher, überschwänglicher Moment, und sie hätte noch ewig mit Oke auf dem grauen Pflaster weitertanzen können.
Als der Tanz zu Ende war, hatten sie beide leuchtend rote Wangen und waren ganz außer Atem. Carmen brach in lautes Gelächter aus und weigerte sich, sich von Oke zu lösen. Jetzt musste es doch sicher passieren, dachte sie. Niemand konnte sich mit solchem Selbstbewusstsein bewegen, so eine Stärke ausstrahlen, eine Frau so dicht an sich heranziehen und sich dann dem Unausweichlichen widersetzen.
Strahlend schaute sie zu Oke hoch und wartete auf einen Kuss. Aber er drückte sie nur einmal fest an sich und presste ihr die Lippen aufs Haar – bevor er zu den Mitgliedern der Band hinüberging, um mit ihnen über Politik zu sprechen.
Später fragte er nicht einmal, warum sie eigentlich so gereizt wirkte.
Februar
Im Februar meldete sich eine Produktionsfirma bei McCredies Buchhandlung, machte den Laden als Drehort klar und wollte zur allgemeinen Begeisterung Genevieve Burr für ein bisschen „Arbeitserfahrung“ vorbeischicken, damit sie in ihrer Rolle als Buchhändlerin später glaubwürdig wirken würde.
„Ein Filmstar zu sein ist bestimmt furchtbar traurig“, sagte die elf Jahre alte Pippa eines Morgens voller Überzeugung beim Frühstück.
Carmen schnaubte. „Es ist mit Sicherheit einfacher, als in einem Geschäft zu arbeiten“, sagte sie. „In einem Geschäft, das gestern ganze einundvierzig Pfund und neununddreißig Pence eingenommen hat. Grauenhaft.“
„Aber bei ihrer Arbeit gibt es ja ganz viel Objektifizierung“, schniefte Pippa.
„Was heißt das?“, fragte Phoebe.
„Damit ist gemeint, dass Leute andere Leute wie einen Gegenstand sehen“, erklärte Pippa.
„Oh“, sagte Phoebe. „Kann ich dann ein Sessel sein?“
„Ha, ha, ha!“, machte Pippa laut. „Nein, nicht so!“
„Das ist eine tolle Idee“, wandte Carmen rasch ein. „Ich wäre gern ein weicher, bequemer Sessel.“
In dem Oke es sich gemütlich macht, dachte sie, sagte es aber nicht. So langsam wurde die Sache lächerlich. Nachts träumte sie von ihm, aber tagsüber passierte dann nichts.
„Toll, dass das mit dem Dreh geklappt hat“, bemerkte Sofia vorsichtig. „Durch diese Leute kommt mal richtig Geld rein.“
Sie hatte mit Federico in letzter Zeit öfter darüber gesprochen, wie lange ihre Schwester eigentlich noch bei ihnen wohnen würde: Ursprünglich waren nur zwei Monate geplant gewesen, weil sie einen Job für die Weihnachtszeit angenommen hatte, aber jetzt war sie immer noch da.
„Ich fände es auch gar nicht so schlimm“, hatte Federico gesagt. „Allerdings futtert sie uns ständig die Chips weg und wird das womöglich für den Rest unseres Lebens tun.“
„Ich weiß, ich weiß“, seufzte Sofia. „Aber sie kommt so gut mit den Kindern aus.“
„Wenn sie nicht gerade Chips futtert. Und dabei überall Krümel hinterlässt.“
„Pscht!“, mahnte Sofia.
„Und dann das!“, rief Federico. „Warum soll ich in meinem eigenen Haus leise reden? In einem Haus, in dem sieben Personen wohnen, und bald acht, wenn du zurück zur Arbeit musst und wir ein Kindermädchen brauchen.“
Sofia nickte. „Ich weiß, ich weiß.“
„Soll ich mal mit ihr sprechen?“, fragte Federico, der mit seiner temperamentvollen Schwägerin immer gut klargekommen war.
„Nein“, sagte Sofia. „Das mach ich schon. Wenn es von dir kommt, hält sie es womöglich für einen Witz.“
„Das ist nun wirklich kein Witz“, murmelte Federico vor sich hin. „Ich finde einfach, man sollte in seinen eigenen vier Wänden auch ein paar Chips abbekommen.“
„Ich will die Figur so glaubwürdig wie möglich verkörpern“, versicherte Genevieve Carmen atemlos.
Carmen hätte beinahe vorgeschlagen, dass sie es mal damit versuchen sollte, sich beim Staubputzen zwischen den Stapeln hinten unnötig schmutzig zu machen, sich von fünfzehn Leuten anzuhören, dass sie Bücher im Internet schneller bekommen könnten, neun Touristen den Weg zur Burg zu erklären, die doch direkt über ihnen lag, und im Laufe des Vormittags nur ganze 4,59 £ einzunehmen.
Stattdessen setzte sie lediglich ein angespanntes Lächeln auf. Aber auch sie war beeindruckt, konnte sich Genevieves bestrickender Schönheit nicht widersetzen. Die Haut der Schauspielerin wirkte wie retuschiert, das Haar glänzte, das Weiß von Augen und Zähnen leuchtete. Sie war so hinreißend, dass es beinahe absurd war, als würden Carmen und sie unterschiedlichen Spezies angehören.
Und es war lustig, die Leute zu beobachten, die in die Buchhandlung kamen.
Bobby schaute herein, um sich darüber auszuheulen, dass er mit billig gemachten Eimern aus Übersee übers Ohr gehauen worden war. Da er während der ersten Hälfte seiner Jammertour auf seine Schuhe starrte, fiel ihm erst mittendrin auf, dass die Brünette hinter der Theke gar nicht Carmen war. Er glotzte sie an, begann zu stottern und wäre beinahe über die eigenen Füße gestolpert.
Bei den meisten Männern, die an diesem Morgen hereinkamen, war es nicht viel besser. Sie schluckten heftig, blieben an Regalen hängen und brachten keine einzige Frage über die Lippen. Als Antwort auf Genevieves fröhliches „Guten Morgen allerseits!“ gelang ihnen höchstens ein schwaches Lächeln und heftiges Erröten.
Immerhin riss sich der eine oder andere am Ende genug zusammen, um tatsächlich etwas zu kaufen. Dabei kannte Carmen so einige von ihnen, die oft zum Stöbern und Zeittotschlagen hereinschauten und selten etwas mitnahmen.
„Schön, dass Sie sich entschieden haben“, sagte Carmen zu Fisch-Jimmy, der nie etwas kaufte, als er ein kleines, billiges Buch über Würmer auf die Theke legte und dann begann, qualvoll langsam sein Kleingeld zu zählen.
„Sie bedient mich“, knurrte Jimmy und ignorierte Carmen völlig, um sich in Genevieves riesigen dunklen Augen mit endlos langen Bambiwimpern zu verlieren.
„Wie nett“, sagte Genevieve lächelnd und gab ihm das Wechselgeld falsch heraus.
„Da fehlt noch was!“, mischte sich Carmen ein.
„Das macht doch nichts“, sagte Jimmy. „Sie sind eine ganz wundervolle Verkäuferin.“
„Oh, DANKE!“, strahlte Genevieve, in deren weit aufgerissenen Augen echte Dankbarkeit stand.
„Nein, ist sie nicht!“, hätte Carmen beinahe gebrüllt.
Und dann bat auch noch der fünfte Kunde darum, dass Genevieve ihm etwas von einem hohen Regalbrett herunterholte.
„Genevieve, auf keinen Fall! Der will nur Ihren Hintern auf der Leiter sehen!“
„Gar nicht!“, protestierte der alte Armeekapitän, der sich an diesem Anblick von ungewöhnlicher Grazie erfreute.
„Welches Buch genau möchten Sie denn?“, fragte Carmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Äh – das da“, sagte der alte Soldat und deutete leichtsinnig auf das höchste, das er entdecken konnte.
„Fantastisch!“, rief Carmen aus, als Genevieve es heruntergebracht hatte. Sie hielt es an nur einem Buchdeckel fest, was Carmen in den Wahnsinn trieb.
Es war ein Herbarium, ein viktorianisches Gartenjahrbuch mit ganzseitigen Farbillustrationen, in wunderbarem Zustand (wenn Genevieve es jetzt nicht beschädigt hatte) und daher äußerst wertvoll.
„Dann gehen Sie mal kassieren, Genevieve!“
„Äh, ehrlich gesagt, bin ich mir nicht mehr so sicher“, sagte der Militär, als er den Preis sah.
„O nein“, hauchte Carmen, „wollen Sie Genevieve etwa ihren ersten Tag ruinieren?“
Wie aufs Stichwort riss Genevieve die enormen braunen Augen nur noch weiter auf, bis man darin versinken konnte, und fixierte den Captain traurig.
„Es ist einfach … so wunderschön“, sagte sie mit ihrer süßen Honigstimme.
Der Captain sah sie an. „Schön“, murmelte er. „Ja, wirklich schön.“
Dann reichte er ihr seine Karte, die Genevieve ratlos musterte, bis Carmen unauffällig eingriff und sie über das Lesegerät zog.
Bronagh erschien gegen elf Uhr. „Heute erfüllt diesen Laden aber ein ungewöhnlicher Glanz.“
„Ich weiß!“, rief Carmen aus, die darüber sowohl deprimiert als auch begeistert war. „Hier klingelt ordentlich die Kasse.“
„In einer Buchhandlung zu arbeiten ist wirklich cool“, schwärmte Genevieve, während sie erneut ein Buch abkassierte, das sich der männliche Kunde nicht einmal genauer angesehen hatte.
Das würde wohl seit Weihnachten der umsatzstärkste Tag werden.
Bronagh musterte die Schauspielerin und sagte auf ihre übliche gruselige Manier: „Auf Ihren Wangen glitzert Feenstaub.“
„Sie meint, dass Sie Make-up tragen“, fügte Carmen erklärend hinzu.
Genevieve berührte ihr Gesicht. „Ja, und es ist auch nur ein kleines bisschen unterspritzt“, sagte sie. „Mal abgesehen vom Üblichen: Vampirlifting, Botox, Fadenlifting, Laser-Resurfacing, Transfusionen, Verblendungen und Stirnlifting. Also nichts Invasives. Ich setze doch auf natürliche Schönheit.“
Bronagh nickte, als fühlte sie sich durch diese Informationen nur bestätigt.
„So würde ich niemals leben wollen“, sagte Idra am nächsten Tag am Telefon zu Carmen. „Stell dir bloß vor, was das alles kostet und wie weh das tun muss! Nur, um den ganzen Tag von Siebzigjährigen angebaggert zu werden.“
„Ich WEISS!“, sagte Carmen, die wieder hinter der Kasse stand. „Danke, du Feministin. Feministin mit Sex-Appeal!“
„Genau“, sagte Idra.
„Und ich meine ja nur. Sie war wirklich die übelste Aushilfe aller Zeiten. Einen der Kunden hat sie gefragt, wie man Dickens schreibt. Schlimmer noch, der sabbernde Typ war so durch den Wind, dass er es mit einfachem K buchstabiert hat und sie dann eine halbe Stunde mit Suchen beschäftigt waren.“
„Hm“, machte Idra.
„Allerdings hat sie ihm dann eine Gesamtausgabe verkauft“, fuhr Carmen fort, „so schlecht ist es also nicht gelaufen. Bronagh hat schon recht: Schönheit ist wie Magie.“
„Für die sie aber viel Geld hinblättern und Schmerz ertragen musste“, sagte Idra wieder. „Wie die kleine Meerjungfrau.“
„Wenn sie bei uns arbeiten würde, wären all unsere Probleme auf einen Schlag gelöst. Und das macht mich einfach wahnsinnig.“
„Könntest du sie nicht einstellen? Ich dachte, Schauspieler wären ständig arbeitslos und pleite.“
„Sie nicht“, murmelte Carmen bedauernd und schloss die Kasse. „Außerdem war sie auch nur für einen Tag hier, damit niemand heimlich Fotos schießt und auf Instagram veröffentlicht.“
„Was ich natürlich nicht getan habe“, murmelte Idra. „Was denn?“
„O nein!“, rief Carmen.
Die enttäuschten Männer, die in den nächsten Tagen durch den Laden tigerten, kauften leider nicht ein einziges Buch.
Carmen war allerdings hoch motiviert und fing an, ein bisschen mehr Make-up zu tragen. Womöglich war das ja das Problem, vielleicht musste sie einfach, wie ihre Mutter es ausdrücken würde, „mehr aus sich machen“.
In der Woche darauf kam ein junger Mann in den Laden und erklärte schüchtern, er hätte Interesse an jeder Art von Büchern über Schlangen.
Carmen war nicht sicher, ob sie überhaupt welche dahatten, Mr McCredie riss jedoch begeistert die Augen auf, holte die Stirnlampe hervor, die er bei seinen Erkundungen hinten zwischen den Stapeln trug, und verschwand einen Moment hinter dem Vorhang. Dann kehrte er mit Buch um Buch über Krankheiten, Symbolik, Klassifizierung und medizinische Verwendung von Schlangen zurück.
„Ich fasse es nicht!“, murmelte Carmen, während sie nach Wie man eine Netzpython präpariert griff. „Wo kommen die denn her?“
„Aus dem Schlangenraum“, sagte Mr McCredie ohne weitere Erklärungen und verschwand wieder, um noch einen Stapel zu holen, während der junge Mann die Bücher mit leuchtenden Augen durchguckte.
Als Carmen erfuhr, dass er im Zoo arbeitete, machte sie ihm einen Vorschlag: Wenn er ihren Kumpel Spoons für eine private Führung hinter die Kulissen mitnehmen würde, würde sie ihm einen ordentlichen Rabatt einräumen.
Ja, daran war er äußerst interessiert.
Damit waren die ersten Weichen gestellt.
An einem eiskalten Nachmittag schickte eine unglaublich aufgeregte Carmen Spoons seines Weges. Als er endlich das Feld geräumt hatte, versprühte sie Parfüm im Zimmer und schlüpfte hastig in einen Body, für den sie sich nach ewigem Abwägen entschieden hatte. Er war schwarz und seidig, aber nicht zu sexy und hatte keine angsteinflößenden Riemen. Und natürlich war der Slipteil auch kein Tanga. Sie war ja nicht verrückt! Carmen hatte sich extra die Beine rasiert und die Nägel lackiert, ihre Haare waren frisch gewaschen und das Gesicht geschminkt. Sofia hatte sie nicht erzählt, was sie vorhatte. Die war sowieso mit dem Baby beschäftigt und würde kaum bemerken, ob Carmen nach Hause käme oder nicht.
Am liebsten hätte sie die Nase im Kissen vergraben, weil das Bett so unwiderstehlich nach Oke roch. Stattdessen versuchte sie, darauf eine verführerische Pose einzunehmen. Ihr Herz raste vor Aufregung, aber egal, irgendjemand musste schließlich die Initiative ergreifen. Sie griff nach der Rose, die sie gekauft hatte, und schob sie sich zwischen die Zähne, gab es aber schnell auf, weil das nicht nur wehtat, sondern auch lächerlich wirkte.
Jedes Mal, wenn sich Schritte näherten, erstarrte Carmen. Auch auf jedes vermeintliche kleine Geräusch im Zimmer achtete sie mit gespitzten Ohren. Leider war es nicht sehr sexy, auf das große Foto einer sich zum Angriff aufrichtenden Kobra zu gucken.
Als endlich Okes letzte Vorlesung für heute gelaufen war, wie Carmen natürlich genau wusste, hörte sie auf der Treppe Schritte, die sie erkannte. O mein Gott, da war er! Auf dem Bett suchte sie nach der passenden Haltung, richtete sich aus liegender zu sitzender auf, spreizte die Beine, schob sie dann doch zur Seite und überprüfte rasch, dass ihr auch keine Wimperntusche unter den Augen klebte.
Als schließlich der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde, saß sie im Schneidersitz da, was natürlich lächerlich war, daher zog sie die Beine schnell unter den Po.
„Hey, Spoons!“, ertönte die vertraute liebliche Stimme mit dem Anflug eines zauberhaften brasilianischen Akzents.
„Aha!“, brachte Carmen hervor und saß jetzt kerzengerade da.
Oke erstarrte. „Was hast du mit Spoons gemacht?“
„Ich glaube, den hat irgendetwas gefressen“, antwortete Carmen mit bebender Stimme. „Aber das ist okay, es wird ewig dauern, bis er verdaut ist.“ Sie schob das Kinn vor. „Und ich hab mir gedacht, dass … dass wir so etwas Zeit für uns allein haben.“
Über Okes schönes Gesicht huschte Verwirrung, als er langsam näher trat. Carmen hob die Hand und bot ihm die Rose dar.
„Alles Gute zum Valentinstag“, sagte sie. Natürlich wusste sie, dass er solche Feste nicht feierte, aber es war wenigstens ein Anknüpfungspunkt.
„Ich …“ Oke wirkte verdattert. Er setzte sich neben Carmen, legte den Arm um sie und küsste sie – auf die Wange. „Ist dir nicht kalt?“
„Nein … Ja“, hauchte Carmen, in der langsam Panik aufstieg. Sie wandte sich ihm zu und versuchte, diesen Kuss in mehr zu verwandeln.
Aber die Berührung von Okes Lippen blieb sanft, und er löste sich dann sofort von ihr. „Carmen …“
Als sie zu ihm aufschaute, sah er sie mit liebevollem, aber mitleidigem Blick an.
Gedemütigt krabbelte sie von ihm weg und wickelte sich hastig in die Bettdecke.
„Ja, dir muss wirklich kalt sein.“
„Was stimmt denn mit dir nicht?“, keuchte Carmen. „Was … warum möchtest du nicht … ich meine, was ist das mit uns bloß? Willst du etwa keinen Sex mit mir?“
Oke runzelte die Stirn. „Hier? Mit dir?“
Was er damit meinte, war: In meiner schrecklichen Studentenbude? Mit so einer wunderbaren Frau wie dir?
Aber so klang das für Carmen nicht, überhaupt nicht.
„Wo auch immer!“, entfuhr es Carmen. Jetzt stiegen Tränen der Wut in ihr auf. „Ich hab dir doch alle Möglichkeiten geboten, aber du willst nicht, rührst mich nicht einmal an!“ Sie blickte auf den albernen Polyesterbody, den sie so niedlich gefunden hatte. „Mein Gott. Wenn ich dich nicht anturne, dann sag es doch einfach. Falls du schwul bist oder asexuell oder so, dann wäre das okay. Oder wenn … Was weiß ich, wenn du in Wirklichkeit auf jemand anders stehst. Mehr mögliche Gründe fallen mir einfach nicht ein. Aber so kann ich nicht weitermachen, das ist doch grotesk.“
Einerseits war Oke völlig überrumpelt, andererseits führte dieser Schock auch zu einer Erkenntnis. Zu einer Erkenntnis, die doch schon lange in seinem Inneren reifte. Eigentlich hatte er es längst gewusst: Er wollte Carmen mehr als alles andere. Tatsächlich war er aus tiefstem Herzen in diese wütende kleine Person in seinem Bett verliebt. Und das machte ihm solche Angst, dass er nicht wusste, wie er es ihr sagen oder was er jetzt tun sollte.
Schließlich hatten für Oke sein Leben lang Mäßigung und Zurückhaltung an oberster Stelle gestanden. Man hatte ihn dazu erzogen, in jeder Situation seine Emotionen unter Kontrolle zu haben. Das war sein Credo, seine Überzeugung: jeden Tag bewusst und achtsam zu erleben und dabei unnötige Gefühlsausbrüche zu vermeiden.
Aber jetzt war diese Frau in sein Leben getreten und hatte ihn völlig umgehauen. Seine bisherige Existenz hatte ihn darauf in keinster Weise vorbereitet, und da saß Carmen nun mit rotem Gesicht, heftig schnaufend und so unfassbar sexy, dass ihm all die aufsteigenden Gefühle mit einem Mal zu viel wurden.
Und dann begriff er plötzlich noch etwas: dass sie stinkwütend auf ihn war.
„Carmen, ich … natürlich finde ich dich unglaublich attraktiv“, sagte er.
Sie schob die Unterlippe vor.
Er trat etwas näher an sie heran. Vielleicht war das hier ja nur ein Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen, und er würde das wieder hinbiegen können … Oke wollte so gern alles wieder in Ordnung bringen. „Aber ich finde … vielleicht hätten wir vorher schon einmal darüber reden sollen. Ich dachte …“
Als er nach ihren kalten Händen griff, sah sie ihm nicht einmal in die Augen.
„Ich dachte, dass es dir gefällt, wenn wir zusammen spazieren gehen und uns erst einmal kennenlernen.“
„Schon, tut es ja auch“, murmelte sie mit leuchtend roten Wagen.
„Carmen, Sex … ist wirklich toll, etwas ganz Wunderbares.“
„Etwas von Gott Gesandtes?“, fragte Carmen sarkastisch.
Oke blieb jedoch todernst, weil er ihr so gern die Intensität seiner Gefühle vermitteln wollte. „Wenn es einen Gott gibt, dann ja, auf jeden Fall. Und selbst, wenn es ihn nicht gibt, sehe ich es trotzdem als etwas Heiliges zwischen zwei Menschen an. Mehr als einfach nur zwei Körper, etwas, was man zu zweit erschafft, das eine Bedeutung hat. So etwas sollte man nicht überstürzen oder auf die leichte Schulter nehmen. Ja, für mich ist Sex heilig.“
Jetzt fühlte sich Carmen nur noch furchtbarer. Verletzt und atemlos starrte sie ihn an, während er fassungslos und entsetzt zurückstarrte.
„Also bin ich nichts weiter als eine notgeile Schlampe?“, würgte sie hervor.
„Nein … nein … natürlich nicht!“, stammelte Oke.
„Die sich in dein Bett geschlichen hat“, fügte sie mit bitterer Stimme hinzu.
Oke versuchte sich an einem Lächeln. „Ach, vielleicht können wir ja irgendwann mal darüber lachen.“ Ihm wurde augenblicklich klar, dass er genau das Falsche gesagt hatte.
„Ja, echt witzig“, knurrte Carmen und sprang auf. „Meine völlig verzweifelte Freundin hat mich um Sex angefleht, und ich hab Nein gesagt!“ Hastig versuchte sie, sich wieder anzuziehen. Bei der Strumpfhose wurde die Situation so würdelos, dass sie es beinahe aufgab.
„Carmen!“, flehte Oke, der plötzlich von fürchterlicher Angst gepackt wurde.
Aber Carmen war viel zu wütend, um ihm zuzuhören. „Weißt du, so was bringen Männer oft“, murmelte sie. „›Oh, es liegt nicht an dir, sondern an mir. Ich versuche ja nur, dir Respekt entgegenzubringen.‹ In Wirklichkeit bedeutet das: ›Ich will mir alle Möglichkeiten offenhalten‹ oder ›Ich warte noch auf ein besseres Angebot‹.“
„So ist das doch gar nicht!“, rief Oke gekränkt aus. „Überhaupt nicht.“
Aber Carmen war richtig in Fahrt. „Ja, alle Männer. Mal im Ernst, wenn ich dich in sexy Unterwäsche und mit einer Rose im Hintern nicht interessiere, dann interessiere ich dich eben einfach nicht.“
„Das stimmt nicht“, protestierte Oke kläglich.
„Ach, nicht? Dann geh mal schön beten, um dir deine Keuschheit zu bewahren!“, schleuderte Carmen ihm zum Abschied noch entgegen, bevor sie hinausmarschierte und die Tür so laut zuknallte, dass irgendwo in den Rohren etwas zu rascheln begann.
Gibt es etwas Schlimmeres, als sich selbst beim Begehen eines üblen Fehlers zu ertappen, aber einfach nicht zu wissen, wie man noch die Kurve kriegen soll? Sich dessen bewusst zu sein, dass man die Situation nur verschlimmern wird, egal, was man tut, und dass man an allem ganz allein schuld ist – da man sich selbst dort reingeritten hat und niemand sonst?
So erging es Carmen.
Ah, Oke wusste allerdings auch, dass er es verbockt hatte.
Und es kam eher nicht überraschend, dass Spoons in dieser Situation keine große Hilfe war. Er schlug lediglich eine Ringelnatter als Wiedergutmachungsgeschenk vor, was Oke, der beim Thema Schenken wenig Erfahrung hatte, sogar kurz in Erwägung zog.
Am Ende versuchte er stattdessen einfach, Carmen anzurufen, und hoffte für das Gespräch auf eine Eingebung. Wenn er ihr doch nur vermitteln könnte, was er empfand. Wenn sie ihm bloß zuhören würde!
Nur fühlte Carmen sich leider unerträglich erniedrigt, ging deshalb nicht ran und ignorierte ihn schlicht.
Das konnte Oke einfach nicht begreifen. Diese Frau war ihm schließlich so wichtig, und er versuchte hier, das Richtige zu tun, indem er sich unermüdlich bei ihr meldete.
Carmen plante, ihm fünf Tage lang die kalte Schulter zu zeigen, wonach sie sich hoffentlich nicht mehr in Grund und Boden schämen würde.
Aber Oke war eben ein Gentleman. Nach dem dritten Tag kam er daher zu dem Schluss, dass sich Carmen von ihm belästigt fühlte, und gab es schweren Herzens auf. Er hatte es versucht und war gescheitert. Natürlich würde er eine Frau, die an ihm kein Interesse mehr hatte, nicht länger bedrängen.
Carmen sah die Funkstille allerdings als Beweis dafür, dass sie mit ihren Befürchtungen die ganze Zeit recht gehabt hatte.
Und am ersten März bekam Oke dann eine Einladung.
März
An diesem Tag, an dem Carmen in der Buchhandlung arbeitete, ließ der Frühling leider immer noch auf sich warten.
Mrs O’Reagan schaute herein, eine wirklich nette Kundin, die hier jede Menge Geld ausgab und deshalb immer willkommen war. Auch wenn sie mal wieder ausführlich darüber diskutieren wollte, welches Buch von Dickens sie eigentlich noch nicht gelesen hatte.
Nervig war daran vor allem, dass Carmen es genau wusste, es war nämlich Unser gemeinsamer Freund.
Das glaubte Mrs O’Reagan aber nicht. Sie beharrte darauf, dass sie diesen Roman schon gelesen habe und dass es vielmehr die Geschichte vom Geist eines Bahnwärters sei.
Am Ende verkaufte Carmen ihr zum wiederholten Mal Der Bahnwärter, in diesem Fall in der Form einer wunderschönen, seltenen Einzelausgabe. Einerseits hatte Carmen zwar ein schlechtes Gewissen, andererseits war sie auch zufrieden, weil es sich ja um eine schöne Geschichte und ein tolles Buch handelte.
Mr McCredie wirkte ein wenig abwesend, als sie ihm davon erzählte, aber er war ja ohnehin meistens zerstreut.
Dann erschien auf dem Display von ihrem Handy plötzlich Okes Nummer.
„Na endlich!“, rief sie aus. In ihrer Begeisterung vergaß sie völlig, dass sie ja eigentlich verletzt und eingeschnappt sein sollte. Natürlich war sie das, aber sie war auch großmütig gestimmt und bereit, Oke zu vergeben. Schließlich fehlte er ihr immens.
„Ja?“, meldete sie sich so steif, wie sie es denn hinbekam.
„Ist das gerade ein schlechter Zeitpunkt?“
„Es ist Dienstagvormittag, und ich arbeite in einer unabhängigen Buchhandlung.“
„Hm?“
„Nein, ist schon okay“, sagte Carmen. Und dann ein wenig sanfter: „Hallo, Oke.“
„Hey“, sagte er zögerlich. Durch ihre Stimme war ihm noch klarer geworden, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. Aber sie hatte ihre Gefühle ihm gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht, und das würde er natürlich respektieren. Trotzdem war er ihr das hier schuldig. „Also …“, begann er verlegen.
„Ich bin auch komplett angezogen“, sagte Carmen hastig.
Es sollte eigentlich ein Witz sein, klang allerdings eher verwirrend.
Einer der stöbernden Kunden warf ihr einen raschen Blick zu und fragte sich wohl, ob sie normalerweise mit freiem Unterkörper hinter der Kasse stand.
„Äh, gut“, sagte Oke gemächlich wie immer. „Okay, ich dachte, ich sollte dir Bescheid sagen. Ich hab nämlich ein Stipendium für eine Forschungsreise bekommen.“
Carmen wurde das Herz ganz schwer. Sie war voller Vorfreude ans Telefon gegangen und hatte auf den Vorschlag gehofft, vielleicht gemeinsam ins Kino zu gehen oder so. Sie hatte geglaubt, er würde darum bitten, dass sie die ganze Sache vergaßen und sich wieder versöhnten.
„Wohin?“, fragte sie mit einem Kloß im Hals.
„Es geht um Exemplare der Coccoloba gigantifolia“, erklärte Oke. Er versuchte ja, nicht begeistert zu klingen, aber das war einfach eine große Sache.
Das begriff auch die immer beklommenere Carmen sofort.
„Das sind … na ja, wirklich seltene Bäume mit zweieinhalb Meter langen Blättern! Ich nehme an einer Expedition teil, die vor Ort Tests durchführen wird, einfach unglaublich!“
„Aber wo stehen diese Bäume denn?“
„Im Regenwald. In Brasilien.“
„Und wie lange wirst du weg sein?“
„Sechs Monate.“
Als Sofia vorhin Carmens Gesichtsausdruck gesehen hatte, hatte sie – wie im Laufe der letzten Woche jeden Tag – wieder einmal beschlossen, ihre Rückeroberung des Zimmers im Souterrain durch ihre Neubeginn-an-Neujahr-Strategie heute besser nicht in Angriff zu nehmen. Aber sie war ja noch ewig in Elternzeit, irgendwann würde sie sich schon darum kümmern. Eigentlich war es für Sofia äußerst untypisch, Dinge so vor sich herzuschieben. Das passte ihr gar nicht. Schlimmer war allerdings, was für große Sorgen sie sich um Carmen machte.
Die zeigte sich bei Problemen ja oft launisch und knurrig. Es fiel ihr nicht leicht, über Dinge zu reden – so war sie eben.
Aber Sofia hatte ihre Schwester noch nie elend und todunglücklich erlebt, wie von der Dampfwalze geplättet. Sie lag auf dem Sofa und war so blass, dass ihre schwarzen Haare gefärbt wirkten.
„Wird das hier eine von diesen Szenen, in denen man auf den letzten Drücker zum Flughafen rast?“, fragte Sofia.
Carmen schüttelte den Kopf.
Jemand war laut geworden, genauer gesagt Carmen, und es war herumgebrüllt worden. Sie hatte Oke als Person beschimpft und seine Religion verflucht, hatte ihn einen Feigling genannt, weil er einfach die Flucht ergriff. Es war furchtbar gewesen, wirklich furchtbar.
Oke war ruhig geblieben und hatte sich höflich ihr Gegeifer angehört. Am Ende hatte er sich ganz förmlich verabschiedet und aufgelegt. Seitdem wollte sich Carmen beim Anblick eines Telefons am liebsten selbst den Kopf abreißen, um der gellenden Qual ein Ende zu machen.
Natürlich konnte sie all das ihrer Schwester nicht erzählen. Sofia gegenüber wollte sie schließlich nicht zugeben, dass sie sich wie eine Rasende aufgeführt hatte. Deshalb tat sie ihr Bestes, um es wie eine gemeinsame Entscheidung hinzustellen. Dabei wusste sie tief im Inneren, dass sie wohl nie wieder von Oke hören würde, und dieses Bewusstsein war das Schlimmste, was sie je empfunden hatte.
„Nein, nein. Ich meine, das ist ihm wirklich wichtig. Er war begeistert, weil es ein total renommiertes Stipendium ist, das schwer zu kriegen ist, und er so auch seine Familie sehen kann. Diese Möglichkeit ist so fantastisch, dass er selbst dann schlecht hätte ablehnen können, wenn wir noch zusammen wären.“
„Könntest du ihn nicht begleiten?“, fragte Sofia. Damit griff sie nach dem letzten Strohhalm.
„Klar, schottische Buchhändlerinnen sind bei unglaublich renommierten Forschungsreisen mitten im Regenwald ja supernützlich“, schnaubte Carmen. „Und ich hatte mir für dieses Jahr auch ganz fest vorgenommen, sechs Monate in einem nassen Zelt zu schlafen und Leuten dabei zuzusehen, wie sie Bäume inspizieren und von Krokodilen verschlungen werden. Mal ganz abgesehen davon … wir sind ja nicht mehr zusammen. Wenn nicht sowieso Schluss gewesen wäre, dann jetzt auf jeden Fall.“
Darüber zu sprechen tat so furchtbar weh, dass Carmen in Tränen ausbrach. Aber in diesem Moment kehrte Federico mit den laut rufenden Kindern von einer Feier zurück, deshalb versuchte sie verzweifelt, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Als schließlich alle Jacken aufgehängt waren und die Kinder zu ihr hereinkamen, waren sie allerdings ganz still. Carmen begriff, dass ihre Eltern ihnen die Sache wohl erklärt haben mussten.
Irgendwann trat Phoebe einen Schritt vor und setzte sich neben Carmen aufs Sofa. „Das mit Oke tut mir leid“, sagte sie. „Aber ich hab eine Partytüte für dich.“
Carmen blinzelte und rieb sich heftig über die Augen.
„Sorry, meine Sachen hab ich auf der Feier schon aufgegessen“, gab Jack zu. „Aber du kannst mein Jo-Jo haben. Das ist kaputt.“
„Es ist nicht kaputt, Jack“, wandte Federico ein. „Aber man braucht eben ein bisschen Geduld, um zu lernen, wie man Jo-Jo spielt.“
„Ich bin ein toller Jo-Jo-Spieler“, behauptete Jack unbeirrt. „Echt richtig gut. Aber das hier ist kaputt.“
Mit leicht gerunzelter Stirn wühlte Phoebe in ihrer Partytüte herum. Offensichtlich hatte sie ihre Tante nur aufmuntern wollen, ohne ihr Angebot wirklich ernst gemeint zu haben.
„Ich kann gern die Veilchenbonbons nehmen, wenn da welche drin sind“, schlug Carmen vor. „Oder vielleicht Lakritz.“
„Es sind lauter leckere Sachen von Haribo“, flüsterte Phoebe.
Sofia runzelte die Stirn. „Wirklich? Da hätte ich von den Hills aber mehr erwartet. Na ja.“
Pippa trat einen Schritt vor und reichte Carmen ihren Beutel. „Echt jetzt, Süßigkeiten sind doch für Babys“, sagte sie. „Wisst ihr, es ist nie früh genug, um sich um seine Gesichtspflege Gedanken zu machen. Und Zucker ist ganz schlecht für die Haut.“
Oktober
Sechs Monate später war Carmen endlich so weit, dass sie sich beim Gedanken an Oke nicht länger zu einem Ball zusammenrollen und vor Schmerzen schreien wollte.
Wenn sie nicht gerade arbeitete, verbrachte sie trotzdem einen Großteil ihrer Zeit mit blasser Miene auf dem Sofa beim Durchwühlen von Partytüten. Und leider gab es in diesem Haus nicht nur viele Partytüten, darüber hinaus sollte Pippa in Bezug auf die negativen Auswirkungen von Zucker für die Haut recht behalten.
Die Filmleute waren mehrmals in die Buchhandlung gekommen, heute war aber definitiv ihr letzter Tag gewesen. Darüber war Carmen ein wenig traurig – sie hatte eigentlich gehofft, Genevieve Burr würde ihre neue beste Freundin werden, aber so sah es wohl nicht aus.
Im Sommer hatten die Filmleute und das Festival den Laden halbwegs über Wasser gehalten, mit dem Wechsel der Jahreszeit kam aber jeden Tag weniger rein. Und es wurde ja alles teurer: Miete, Heizung, generell die Lebenshaltungskosten … Über das Thema Miete wollte Carmen eigentlich nicht nachdenken. Ursprünglich hatte sie mal gehofft, schnell bei Sofia ausziehen zu können, aber eine bezahlbare Unterkunft rückte in immer weitere Ferne. Und Sofia schien ihre Anwesenheit ja nicht zu stören, oder? Manchmal kommentierte sie, dass sich Carmen bestimmt darauf freute, bald nicht mehr Erics dicken Hintern über den Küchenfußboden krabbeln sehen zu müssen. Tatsächlich gehörte es aber zu den wenigen Dingen, die Carmen jeden Tag aufs Neue aufheiterten. Und das waren ja nur beiläufige Bemerkungen, oder?
Hm, auch abgesehen davon, hatte sie schon eine ellenlange Liste von Dingen, über die sie sich den Kopf zerbrechen musste.
Letzte Woche hatte die Buchhandlung an einem Tag zum Beispiel 3,99 £ minus gemacht, weil jemand ein Buch im Internet günstiger gefunden und deshalb zurückgebracht hatte.
Und dann hatte sie auch noch entdeckt, dass eine Frau namens Mary, die mit Oke zusammen auf der Expedition war, auf Instagram Bilder von den tollen Tagen im Dschungel und Selfies von ihrem blöden hübschen Gesicht postete, auf denen Carmen manchmal ein kleines Stück von Okes Schulter zu entdecken meinte. Einmal war ein Foto von der ganzen Gruppe dabei gewesen. Es handelte sich um lauter attraktive, fitte junge Leute aus aller Herren Länder, die einfach nur toll und glücklich aussahen. Das kam ein bisschen so rüber, als wollte jemand Reklame dafür machen, schlau und umwerfend zu sein. Die Aufnahme hatte sich Carmen wie ein Messer ins Herz gebohrt.
Dass Sofia immer mal wieder das Ende ihrer Elternzeit und Vorstellungsgespräche mit Kindermädchen erwähnte, drang kaum durch Carmens Panzer der Traurigkeit.
„Es heißt doch, dass man für jedes gemeinsame Jahr einen Monat trauert und nicht sechs Monate wegen sechs Wochen“, sagte Idra. Mitgefühl zeigte sie inzwischen keins mehr, weil sie mittlerweile nur noch genervt war. Dafür nutzte sie beim Wein ausgiebig ihren Mitarbeiterrabatt.
„Er hat sich aus dem Staub gemacht, weil er mich für ein Flittchen gehalten hat.“
„Du bist doch kein Flittchen“, tröstete Idra sie. „Tatsächlich hattest du ja seit Ewigkeiten keinen Sex mehr.“
„Und das macht es nur noch schlimmer“, fand Carmen. „Er sieht mich womöglich wie eine Flittchen-Jungfrau, wie eine, die sich allen an den Hals wirft, mit der aber keiner ins Bett will.“
„Ich gehe gern mit dir ins Bett“, sagte einer der Kellner im Vorbeigehen.
„Das lässt du schön bleiben“, wies Idra ihn zurecht. Sie führte das Restaurant mit so eiserner Hand, dass Carmen langsam Angst bekam, ihre Freundin würde zu Mrs Marsh mutieren, ihrer Furcht einflößenden Ex-Chefin.
„Du hast doch gesagt, dass bei uns der Kunde König ist und alles bekommt, was er will.“
„Filzläuse stehen hier aber nicht auf der Karte“, sagte Idra warnend.
Der Kellner zuckte nur mit den Achseln und schob sich mit aufreizendem Hüftschwung an einen reinen Frauentisch heran, um zu fragen, ob er seine riesige Pfeffermühle rausholen sollte. Alle waren absolut dafür.
„Sorry“, sagte Idra zu Carmen.
„Ach, das macht doch nichts“, entgegnete Carmen und schaute dem gut aussehenden Kellner ein wenig sehnsüchtig hinterher. „O Gott, Idra, es ist wirklich furchtbar. Ich bin so …“ Sie senkte die Stimme. „Ich bin so einsam. Und Sofia muss bald wieder arbeiten, daher kann ich mich nicht länger bei ihr ausheulen.“
„Sicher wird sie immer gern auf die fröhliche Zeit zurückblicken, die sie während ihrer Elternzeit mit dir zusammen verbracht hat“, sagte Idra so tröstlich, wie sie es denn hinbekam. Dann kniff sie die Augen zusammen. „Heißt das eigentlich, dass sie bald ein neues Kindermädchen einstellen wird?“
„Ja“, antwortete Carmen und rutschte unbehaglich hin und her.
„Na, dann ist es wirklich lieb von ihr, dass sie dich weiter bei sich wohnen lässt“, sagte Idra. „Da hat sie ja ganz schön viele Leute unter ihrem Dach.“
„Hm“, machte Carmen verunsichert und schenkte Wein nach. Ihr war schon aufgefallen, dass es bei allen im Leben voranging, nur bei ihr nicht. In der Buchhandlung lief es wie immer, aber sie hatte die Liebe ihres Lebens verloren, und so einen Mann schien es kein zweites Mal zu geben.
Und jetzt würde sich Sofia mit Bewerberinnen für den Job als Kindermädchen treffen, wodurch es auch zu Hause Veränderungen geben würde. Im Souterrain lagen zwei Schlafzimmer und nur ein Bad. Es würde zwar ein bisschen nervig sein, dachte Carmen, aber damit würde sie schon klarkommen.
Am Samstagmorgen dröhnte Carmen ganz schön der Schädel. Zum Glück hatte Mr McCredie angeboten, die Buchhandlung heute aufzumachen. Aber sie hatte das Gefühl, dass sie zumindest über zusätzliche Strategien nachdenken sollte, um das Geschäft weiter anzukurbeln. Vielleicht sollte sie eine Website erstellen oder noch mehr Vorlesestunden für Kinder anbieten. Doch der Liebeskummer hatte sie jeglicher Energie beraubt, und deshalb war es im Laden zurzeit so ruhig, dass sie wirklich nicht beide gleichzeitig dort zu sein brauchten. Diese Tatsache war ziemlich entmutigend.
Es munterte Carmen auch nicht gerade auf, dass Sofia jetzt wieder regelmäßig ein professionelles Kostüm trug, einen Stapel Lebensläufe vor sich hertrug und den Blickkontakt mit ihr vermied. Das neue Lied der Kinder half ebenso wenig.
„Vier Kinder sind einfach zu viele“, seufzte Carmen daher wieder einmal.
Die Mädchen standen am oberen Ende der Treppe und schmetterten laut ein Lied, das sie sich ausgedacht hatten, und das so ging: „Mann-o-Mann! Wir wollen einen Mann!“
Jack wuselte auf der Suche nach seinen Fußballschuhen herum, und Baby Eric krähte auf dem Arm seiner Mutter gut gelaunt herum. Er war wirklich eine Frohnatur, aber alles andere als leise. Wenigstens weckte er nachts nicht das ganze Haus mit Weinen auf, sondern brabbelte lieber vor sich hin.
Phoebe und Pippa brachten dem Baby eher unbeständig Aufmerksamkeit entgegen: Mal stritten sie darüber, wer von ihnen Eric am meisten liebte, mal malten sie ihn mit Lippenstift an, und dann wiederum ignorierten sie ihn völlig.
Jack beäugte ihn gern argwöhnisch und dachte daran zurück, dass man ihm eigentlich einen zweiten Jungen in der Familie zum gemeinsamen Spielen versprochen hatte. Aber das dicke kleine Ding ließ sich ganz schön Zeit.
Zum Teil deshalb war Jack durchaus dazu bereit, die Forderungen seiner Schwestern nach einem männlichen Babysitter zu unterstützen. (Sie hatten mal einen in einer amerikanischen Sitcom gesehen und sofort gefunden, dass so jemand ein unglückliches Au-pair-Mädchen mit Heimweh absolut toppen würde.) Wenn er dadurch jemanden im Haus haben würde, der gelegentlich mit ihm Fußball spielen und an Fernsehabenden seinen Wunsch nach Star Wars unterstützen würde, dann war Jack für diese Idee auf jeden Fall zu haben.
Sofia hatte ursprünglich mal gehofft, ihre Kinder in einem geschlechtsneutralen Umfeld großzuziehen. Als sie Jack eine Puppe gekauft hatte, hatte der sie allerdings als Kanonenfutter benutzt, und Pippa hatte ihr Rennauto abends liebevoll mit den Worten ins Bett gesteckt: „Gute Nacht, Autochen, schlaf gut und träum nicht von bösen Lkw.“ Danach hatte Sofia es weitestgehend aufgegeben.
Sie hatte im Laufe der Zeit viele Idealvorstellungen über das Elterndasein aufgeben müssen, dachte sie manchmal. In ihrer Fantasie hatten sich ihre Kinder weitaus öfter still mit Holzspielzeug beschäftigt, vor einem Schachbrett gesessen oder vor dem Kamin gelesen.
Zu alldem war Pippa, ihre Älteste, die sich gern nach Kräften bei ihren Lehrern einschmeichelte, ja auch bereit. Aber nur, wenn sie dabei, wie in einem Polizeistaat, geheime Befehle zischen und angesichts jeglicher Aufmüpfigkeit in den Rängen petzen durfte.
Sofia fand die Idee jedenfalls nicht schlecht, die Geschlechterrollen im Haus ein bisschen aufzumischen.
Jack wollte eigentlich nur den ganzen Tag mit seinen Freunden draußen sein und wünschte sich nichts sehnlicher, als in einer Siedlung zu wohnen, wo er einen Ball über Mauern kicken und mit anderen über gemeinschaftlich genutzte Grünflächen rennen könnte.
Allein die Vorstellung sorgte bei Sofia für Entsetzen. Tatsächlich machte sie sich etwas vor, wenn sie darauf beharrte, wirklich kein Snob zu sein. Aber es war ihr so eine Genugtuung gewesen, dass sie nach einer Kindheit in einer Wohnsiedlung in einer Stadt an der schottischen Westküste jetzt ein makellos restauriertes Eigenheim im Schickimickiviertel West End in Edinburgh besaß.
Vor ihrem Haus aus grauem Stein führten Stufen zur Haustür hinauf. Die beiden Fenster im Erdgeschoss waren mit Streben in je zwölf kleine Scheiben unterteilt, und auch ihr Schlafzimmer, das den kompletten ersten Stock einnahm, hatte zwei Fenster nach vorne hinaus. Im zweiten Stock befanden sich die Kinderzimmer.
Dann gab es da noch das Souterrain, in dem sich ursprünglich die Dienstbotenunterkünfte befunden hatten. Aus einem Teil davon hatten sie einen großen Mehrzweckraum gemacht, in dem sie jede Menge Gerümpel und Kram aufbewahrten, damit der Rest des Hauses immer so perfekt wie aus einer Wohnzeitschrift aussah. Übrig waren noch zwei zellenartige Schlafzimmer mit Gittern vor den Fenstern. In einem dieser Räume hauste weiterhin ihre ein wenig nervige jüngere Schwester, die letzten Oktober ja geplant nur für zwei Monate gekommen war. Irgendwie war sie aber immer noch da.
„Theoretisch müsstet du gar nicht wieder arbeiten“, sagte Carmen, während Sofia mal wieder Lebensläufe studierte. „Oder? Federico verdient schließlich ein Vermögen. Du könntest eine von diesen Edinburgher Damen werden, die sich auf wohltätige Arbeit konzentrieren und insgeheim Hexen sind.“
Sofia runzelte die Stirn. „Was sagst du da?“
„Ach, nichts.“
Bronagh aus dem Zauberladen hatte die Theorie, dass die ganzen perfekt gestylten reichen arbeitenden Edinburgher Frauen mit wohlerzogenen Kindern de facto Hexen waren, weil man das alles sonst nicht schaffen würde.
„Na ja, ich hab ein abgeschlossenes Jurastudium und werde mein Leben nun wirklich nicht damit vergeuden …“
„Was denn, damit, Mutter von vier Kindern zu sein?“
„So war das doch nicht gemeint“, sagte Sofia. Aber sie war sich dabei nur zu sehr bewusst, dass sie hier gleichzeitig Lebensläufe studierte, Lunchpakete fertig machte und sich an dem komplizierten Balanceakt versuchte, die Feriencamps der Kinder im nächsten Sommer aufeinander abzustimmen, während Carmen auf dem Sofa lümmelte und ein Klatschmagazin las. Eben hatte sie laut darüber spekuliert, ob die Kardashians aus der Nähe betrachtet wohl wie seltsame Außerirdische wirken oder nur noch besser aussehen würden. Dazu hatte sie erst unbedingt Sofias Meinung hören wollen, dann aber im gleichen Atemzug gefragt, ob sie eigentlich fett wurde und wohl für immer allein bleiben würde.
„Ich meine ja nur …“, sagte Carmen jetzt und schaute hinüber. Ihre Schwester sah toll aus, schlank und straff, mit glänzendem, kraftvollem Haar, wie immer. Sofia fliegt einfach alles zu, dachte Carmen, auch wie immer: ein prächtiges Haus, eine fantastisches Arbeit, vier Kinder und ein toller Ehemann.
Sofia biss sich auf die Lippe. Sie wollte nur ungern zugeben, was ihr wirklich Sorgen bereitete: Wenn sie nicht schnell wieder mit dem Arbeiten anfing, würde sie sich später zig Bemerkungen von den fünfundzwanzigjährigen Grünschnäbeln bei ihr in der Kanzlei anhören müssen, zum Beispiel: „Können Sie eigentlich mit gutem Gewissen im Viertelstundentakt abrechnen, wenn Sie dabei auf einen Anruf vom Kinderarzt warten?“ oder „Wie viele Kinder haben Sie noch mal? Das muss ziemlich anstrengend sein, oder?“.
Sofia strebte einen Posten als Partnerin an. Dafür musste sie in der konservativen Kanzlei, in der sie arbeitete, quasi so tun, als hätte sie kein kleines Kind. Aus diesem Grund hatte sie Eric noch nicht einmal ins Büro mitgenommen, um ihn dort vorzustellen. Und das, obwohl ihr Jüngster mit seiner hellen Haut und den dunklen Augen, der alle Menschen mit fröhlichem Glucksen begrüßte, doch das wunderbarste Baby aller Zeiten war. Davon war sie wirklich überzeugt.
Wie Carmen gern wenig schmeichelhaft betonte, war Sofia zum Teil auch deshalb so dünn, weil sie sich so einen Stress machte, um alles am Laufen zu halten, während Federico viel arbeitete und aufgrund seines Jobs im Finanzwesen oft unterwegs war.
Na ja, jetzt standen jedenfalls erst einmal Vorstellungsgespräche mit Betreuern für die Kinder an, wovor Sofia absolut graute. Zum einen deshalb, weil es mit dem letzten Kindermädchen, der von grünen Säften und Yoga besessenen Skylar, nicht so gut gelaufen war. Zum anderen, weil durch die Immobilienkrise inzwischen viele junge Leute an einem Job mit Kost und Logis interessiert waren und es Sofia selbst bei völlig unqualifizierten Bewerbern das Herz brach, ihnen einen Absage zu erteilen.
Schließlich hatte sie ihre Auswahl auf fünf Bewerber eingegrenzt. Um Jack vom Fußball abzuholen und Spaghetti bolognese zu kochen, waren sie alle furchtbar überqualifiziert. Es handelte sich um vier Frauen und einen jungen Mann, was die Mädchen mit Begeisterung zur Kenntnis genommen hatten.
Sofia hatte die Lebensläufe Carmen gemailt, die immerhin einen kurzen Blick darauf geworfen hatte.
„Also, was hältst du von den Kandidaten?“, fragte Sofia.
„Ein Haufen oller Streber“, verkündete Carmen. „›Zielorientiertes Lernen‹ dieses und ›Ernährungsbewusstsein‹ jenes.“ Sie schnaubte. „Die müssen doch bloß aufpassen, dass keiner vor ein Auto läuft.“
„Klar“, sagte Sofia, die sich nur mit Mühe zusammenreißen konnte, „mehr ist am Elterndasein ja nicht dran.“
„Bei dem Mann, ist da ein Foto auf dem Lebenslauf?“
„Nein“, sagte Sofia. „Und denk nicht mal dran! Vielleicht lassen wir das mit dem männlichen Babysitter besser.“ Sie schielte zu ihrer Schwester hinüber. „Mal was ganz anderes – hast du immer noch nichts von Oke gehört?“
Carmen biss sich auf die Lippe und senkte den Blick.
„Weißt du, ich denke ja weiterhin, dass ihr euch wieder versöhnen könntet. Wirklich schade, dass du diese Psycho-Sexbombennummer abziehen musstest.“
„Ich war doch keine Psycho-Sexbombe, sondern nur eine ganz normale Sexbombe.“
Was das anging, war Sofia ja skeptisch. „Ich möchte eher ungern dich und einen attraktiven jungen Mann hier gemeinsam unter einem Dach haben. Du musst unbedingt wieder da raus, statt auf dem Sofa herumzuliegen und dadurch immer …“
„Dadurch immer was?“
„Ach, nichts“, sagte Sofia und biss sich auf die Zunge.
Carmen sprang auf, weil sie ein bisschen guten Willen zeigen wollte. „Soll ich Abendessen … pff, Abendbrot machen? Diese neue Mode mit ›Abendessen‹ mache ich nicht mit, das ist doch albern.“
„Nein“, sagte Sofia.
Sie erinnerten sich beide nur zu gut an das fürchterliche Desaster mit den von Carmen manchmal heimlich servierten Truthahn-Dinosauriern, deren Verpackung sie immer als Vorsichtsmaßnahme im Aga-Herd verbrannt hatte. Einmal war Sofia, die strikt gegen Fertiggerichte war, früher als erwartet nach Hause gekommen und hatte sie alle auf frischer Tat damit ertappt. Phoebe hatte noch ein halber Dinosaurier aus dem Mund gehangen, und man hatte sie hysterisch kreischend aus der Küche tragen müssen. Seitdem war Carmen nur noch selten gebeten worden, sich ums Essen zu kümmern, was ihr gut in den Kram passte.
„Na, dann stell doch jemanden ein, der kochen kann“, schlug Carmen vor.
„Aber die kochen bloß für die Kinder“, erklärte Sofia.
„Ist okay, ich esse gern, was übrig bleibt.“
„Carmen, du musst wirklich damit aufhören, deinen Körper so lieblos zu behandeln!“
„Das mache ich mit Absicht, um meine Libido zum Schweigen zu bringen.“
„Was ist eine Liebio?“, fragte Phoebe, die ihren Kopf zur Tür hereinschob. „Und könnten wir nicht vielleicht manchmal einen einzigen kleinen Dinosaurier essen?“
„Nein, könnt ihr nicht“, sagte Sofia. „Weil ich möchte, dass ihr zu schönen und starken jungen Leuten heranwachst.“
Phoebe hatte ein stets klebriges Gesicht und blickte immer ein wenig misstrauisch in die Welt, als hätte sie im Leben bereits alles probiert und sei davon nicht begeistert gewesen. Sie hatte die gleichen mürrisch zusammengezogenen Augenbrauen wie ihre Tante. Ihre Haare waren dauernd strubbelig, sie war unordentlich, hatte kurze Beine und ein rundes Bäuchlein.
Carmen zog sie in die Arme und kitzelte sie. „Ich nicht“, sagte sie, während Phoebe fröhlich kreischte und sich wand. „Ich will, dass du ein großer Dinosaurier wirst.“
„GRRRRR!“, knurrte Phoebe.
„O mein Gott, ein Dinosaurier!“
„GRRRR!“
Sofia sah sie voller Bedauern herumalbern. Sie hätte sich einfach klarer ausdrücken sollen. Bald würde hier ein Kindermädchen – oder ein männlicher Babysitter – bei ihnen wohnen. Und dann würde ihre nervige, dämliche Schwester ausziehen müssen, was sie eigentlich für selbstverständlich gehalten hatte. (Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie es zwar anzudeuten versucht hatte, ihr für wirklich deutliche Worte aber der Mut gefehlt hatte.)
„In ›Winterträume in der kleinen Buchhandlung‹ (…) weckt Spiegel Bestseller Autorin Jenny Colgan Weihnachtsstimmung mit einer atmosphärischen Geschichte voller Bücherzauber, Wintermagie und Herzenswärme. (…) Ein unterhaltsames Buch für die schönste Zeit des Jahres.“
„Ein kurzweiliger Weihnachtsroman“
„Ein weihnachtlicher Wohlfühlroman, der von innen wärmt und glücklich macht.“
Carmen lebt immer noch bei ihrer Schwester und arbeitet bei Mr. McCredie in der Buchhandlung. Ihre Beziehung zu Oke steckt irgendwie fest und durch einige Missverständnisse trennen sich die beiden. Oke geht auf eine Expedition im brasilianischen Urwald und Carmen versucht die Buchhandlung am Leben zu erhalten und gleichzeitig ihrem Chef die Erfüllung seines Lebenstraums zu ermöglichen. Wieder nimmt uns Jenny Colgan mit nach Edinburgh, diesmal durch ein Jahr in dem Carmen sich mehr oder weniger dauernd Sorgen um ihre Existenz machen muss. Das Verhältnis zu ihrer Schwester Sophia ist immer noch schwierig, zu unterschiedlich sind ihre Sichten aufs Leben. Als Oke dann Schottland verlässt kommt auch noch der Liebeskummer dazu. Mir hat das Buch wieder gut gefallen, es ist einfach ein klassisches Jenny Colgan Buch. Ihre Charaktere sind teilweise ein wenig verquer und ich hätte sowohl Oke als auch Carmen mehrfach treten mögen, da sie in ihrer Misskommunikation total feststecken und sich somit das Leben schwer machen. Aber am Ende schafft es die Autorin trotzdem wieder alle Enden miteinander zu verknüpfen und die Missverständnisse aufzuklären. Zusätzlich wird Edinburgh in den Beschreibungen lebendig, man hat das Gefühl mit Carmen durch die Stadt zu wandern. Ich kann das Buch daher wieder empfehlen, man hat allerdings mehr Spaß damit, wenn man vorher auch den ersten Band gelesen hat.
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