Wyrm (Wyrm 1) — Inhalt
Das Kultbuch „Wyrm“ von Wolfgang Hohlbein als E-Book
Tief unter der Erde lauert eine Kreatur, die von der Welt verbannt wurde. Die Bedrohung, die sie für die Menschheit darstellt, überdauert Generationen. Und wenn sie das nächste Mal zur Oberfläche durchbricht, wird das Blut ihrer Opfer in Strömen fließen ... Wolfgang Hohlbein hat mit „Wyrm“ ein unvergängliches Meisterwerk erschaffen.
Leseprobe zu „Wyrm (Wyrm 1)“
01
Genau genommen war es ein Zufall, der Joffrey Coppelstones Leben so gründlich und auf so radikale Weise ändern sollte; nicht mehr als ein kleines Missgeschick und noch dazu eines, das nicht einmal ihm selbst widerfahren war. Verglichen mit den Ereignissen, die folgen sollten, war die ungeschickte Bewegung, mit der Steve Waiden, Coppelstones Mitarbeiter und Untergebener, vor zwei Tagen aus dem Bett aufgestanden war, um sich auf diese Weise den Knöchel des linken Fußes zu verstauchen, nicht einmal der Rede wert. Und doch: So wie schon die flüchtige [...]
01
Genau genommen war es ein Zufall, der Joffrey Coppelstones Leben so gründlich und auf so radikale Weise ändern sollte; nicht mehr als ein kleines Missgeschick und noch dazu eines, das nicht einmal ihm selbst widerfahren war. Verglichen mit den Ereignissen, die folgen sollten, war die ungeschickte Bewegung, mit der Steve Waiden, Coppelstones Mitarbeiter und Untergebener, vor zwei Tagen aus dem Bett aufgestanden war, um sich auf diese Weise den Knöchel des linken Fußes zu verstauchen, nicht einmal der Rede wert. Und doch: So wie schon die flüchtige Berührung eines kleinen Fingers ausreicht, um den ersten einer endlosen Reihe hintereinander aufgestellter Dominosteine umzustoßen und damit eine Katastrophe auszulösen, so sollte Waidens Fehltritt letztlich eine Lawine von Ereignissen auslösen, die an ihrem Ende Coppelstones Leben und das vieler anderer überrollte und in einen Scherbenhaufen verwandelte.
Natürlich ahnte er von alldem nichts, als er an diesem Morgen den von Süden kommenden Highway gerade in dem Moment verließ, als sich die ersten Streifen von Rot in die verblassende Dämmerung mischten. Er lenkte seinen Wagen auf eine schmale Seitenstraße, die weder eine Randbefestigung noch irgendwelche Markierungen aufwies und darüber hinaus ebenso viele Schlaglöcher wie Kurven hatte. Dummerweise verlief sie alles andere als gerade.
Das schwarze Teerband wand sich in zahllosen Kehren, Windungen, Schleifen und Kurven in westlicher Richtung vom Highway weg, in sanfter Neigung abfallend und – soweit man bei diesem willkürlichen Hin und Her überhaupt von einer Richtung sprechen konnte – tiefer in die von der Zivilisation noch fast unberührten Wälder hinein, die diesen Teil Neuenglands dominierten.
Coppelstone fuhr einen ausgezeichneten Wagen – einen fast neuen Ford Modell T, dessen Federung den letzten Erkenntnissen der Ingenieurskunst Rechnung trug. Trotzdem sprang und hüpfte der Wagen so wild durch die Schlaglöcher und Spalten, dass seine Zähne immer wieder schmerzhaft aufeinanderschlugen. Die ehedem pedantisch sortierten Papiere, die er auf den Beifahrersitz aufgestapelt hatte, hatten sich längst selbstständig gemacht und sich im gesamten Wageninneren verteilt, und seit einigen Minuten glaubte er unter dem beruhigenden Brummen des Motors und dem regelmäßigen Quietschen der Federn noch ein anderes, störendes Geräusch zu hören: ein metallenes Klappern, das immer lauter wurde. Irgendetwas war im Begriff auseinanderzufallen. Und was der Staub und die hochgewirbelten Steinchen und Teerpartikel dem noch fast neuen Lack antun mochten, daran wagte er gar nicht zu denken. Der Ford hatte noch nicht einmal vierhundert Meilen auf dem Tacho, aber nach dieser Fahrt würde er vermutlich aussehen, als wären es vierzigtausend.
Das allein war aber nicht der Grund, aus dem sich Coppelstones Laune im gleichen Maße weiter verschlechterte, in dem er sich seinem Ziel näherte. Was ihn mindestens ebenso sehr störte wie die diversen Beschädigungen, die an seinem Wagen entstehen mochten, das war die Straße selbst; und der bloße Umstand seiner Anwesenheit in dieser gottverlassenen Gegend. Coppelstone war ein Stadtmensch aus tiefster, ehrlicher Überzeugung heraus. Er liebte die Zivilisation, die Städte mit ihren Menschen, ihren Geschäften und Lichtern, ihrem pulsierenden Leben und all ihren Annehmlichkeiten, und im Gegenzug verabscheute er die Unordnung und das Chaos, in das er tiefer und tiefer hineinfuhr. Allein diese Straße war eine glatte Beleidigung seines Gefühles für Ordnung und Ästhetik. Und am schlimmsten war: Sie stimmte nicht mit der Karte überein.
Aber um das in Ordnung zu bringen, war er schließlich hier.
Der Wagen rumpelte durch ein weiteres Schlagloch, das diesmal tief genug war, den Ford wie ein Boot in stürmischer See auf die Seite zu kippen und mit einem magenumdrehenden Schlag wieder in die Waagerechte zurückfallen zu lassen, und damit nicht genug, wurde Coppelstone durch den unerwarteten Ruck so heftig nach vorne geschleudert, dass er gegen das Lenkrad prallte und halb benommen in den Sitz zurückfiel. Sein Fuß rutschte vom Gaspedal. Der Wagen rollte noch ein paar Yards weiter und kam mit einem neuerlichen, wenn auch nicht annähernd so harten Ruck zum Stehen. Der Motor ging aus.
Für die Dauer von fünf oder auch zehn hämmernden Herzschlägen blieb Coppelstone einfach mit geschlossenen Augen sitzen und wartete darauf, dass der Schmerz in seinem Gesicht nachließ. Er war mit dem Nasenrücken aufs Lenkrad aufgeschlagen, und dem brennenden Pochen nach zu schließen, das sich über seine gesamte obere Gesichtshälfte bis zum Scheitel hinauf zog, hätte seine Nase eigentlich heftig bluten müssen. Als er jedoch die Augen öffnete und mit den Fingerspitzen behutsam nach der schmerzenden Stelle tastete, fühlte er nichts. Und eine zweite, etwas gründlichere Untersuchung ergab, dass auch seine Nase offensichtlich nicht gebrochen war. Allerdings hatte er das Gefühl, dass sie bald zu mindestens doppelter Größe anschwellen würde.
Coppelstone tastete mit beiden Händen seinen Körper ab und überzeugte sich mit einem Blick davon, dass er auch tatsächlich ohne – zumindest sichtbare – Verletzungen davongekommen war, dann öffnete er den Wagenschlag und kletterte umständlich hinaus.
Sein Automobil schien sehr viel weniger glimpflich davongekommen zu sein als er. Der Ford stand annähernd quer zur Fahrtrichtung und tatsächlich schräg wie ein gestrandetes Schiff. Der linke, ihm zugewandte Kotflügel hatte eine üble Delle abbekommen, und der Lack, der vor einer Stunde noch wie poliertes Ebenholz geglänzt hatte, war nun stumpf und wies zahllose mehr oder weniger deutliche Kratzer auf. Der Anblick traf Coppelstone nicht nur wie ein Messerstich in die Brust, er erfüllte ihn für einen kurzen Moment mit einem Groll auf Waiden, der fast an Hass grenzte. Ihm allein hatte er es zu verdanken, dass er hier war. Es wäre Waidens Aufgabe gewesen, hierher zu fahren und Morrison endlich zur Vernunft zu bringen, nicht seine. Stattdessen hatte er es vorgezogen, sich den Fuß zu verstauchen und …
Coppelstone begriff selbst, wie absurd dieser Gedanke war, und brach ihn gewaltsam ab. Statt hier herumzustehen und sich selbst leidzutun, sollte er seine Energie lieber darauf verwenden, möglichst rasch einen Ausweg aus dieser misslichen Lage zu finden.
Er umkreiste den Wagen, und als er seine andere Seite erreichte, sank sein Mut noch weiter.
Unmittelbar vor ihm war die Straße geborsten. Es war kein Schlagloch, wie es sie hier buchstäblich zu Tausenden gab, sondern ein gut handbreiter Riss, der die Straße nahezu auf voller Breite spaltete. Das rechte Vorderrad des Wagens war in diesen Spalt eingesunken, und aufgrund des Winkels, in dem es dastand, vermutete Coppelstone, dass die Feder, möglicherweise sogar die Achse, gebrochen war.
Prüfend rüttelte er am Rad. Der gesamte Ford geriet ins Schaukeln, doch das Rad war unverrückbar in den Spalt im Straßenbelag festgeklemmt. Trotzdem ließ er sich noch ein zweites Mal in die Hocke sinken, griff mit beiden Händen zu und zerrte mit aller Gewalt daran. Coppelstone war alles andere als ein Schwächling. Trotz seiner Vorliebe für die Zivilisation und die Annehmlichkeiten des modernen Lebens achtete er pedantisch auf seine Gesundheit und darauf, stets genug Sport zu treiben, um in einer guten Verfassung zu sein. Allerdings waren seine Kräfte in diesem Fall hoffnungslos überfordert. Selbst als er den Wagenheber zu Hilfe nahm, gelang es ihm nicht, das eingekeilte Fahrzeug zu befreien. Einziges Ergebnis seiner Bemühungen war, dass seine angeschlagene Nase nun doch zu bluten begann. Missmutig zog er sein Taschentuch aus der Jacke, presste es gegen die Nase und wartete, bis sie zu bluten aufgehört hatte.
Es dauerte nicht lange, doch die Zeit reichte immerhin, dass Coppelstone sich beruhigte und zu einer zumindest einigermaßen objektiven Einschätzung seiner Lage gelangte. So ärgerlich das Missgeschick auch sein mochte, das ihm widerfahren war – seine Situation war unangenehm, aber mehr auch nicht. Bis zu Morrisons Farm war es ein Fußmarsch von gut zehn Minuten, und dort würde er Hilfe finden.
Coppelstone bedachte das eingeklemmte Rad mit einem letzten, ärgerlichen Blick, dann richtete er sich auf, nahm in der gleichen Bewegung das blutgetränkte Taschentuch vom Gesicht und warf es angewidert fort. Seine Nase blutete nun nicht mehr, aber sie schmerzte schlimmer denn je. Möglicherweise war er gut beraten, wenn er nach seiner Rückkehr in die Stadt einen Arzt aufsuchte. Es schien zwar nur eine harmlose Verletzung zu sein, aber man konnte nie wissen.
Er umkreiste den Wagen ein zweites Mal, öffnete die Beifahrertür und begann seine Papiere vom Boden aufzusammeln, wobei er leise vor sich hin fluchte. Als er damit fertig war, trat er gebückt einen Schritt nach hinten, um sich nicht zu allem Überfluss noch den Hinterkopf an der Tür zu stoßen, war aber dabei so ungeschickt, dass ihm einige seiner gerade erst zusammengesuchten Papiere wieder entglitten und zu Boden fielen. Coppelstone fluchte erneut und noch lauter und bückte sich hastig, und die abrupte Bewegung war offensichtlich zu viel für seine Nase: Ein einzelner Blutstropfen lief hinaus und fiel zu Boden.
Und verschwand.
Coppelstone blinzelte. Er hatte den Weg des Blutstropfens aufmerksam verfolgt, weil er fürchtete, er könnte eines seiner Blätter treffen und einen hässlichen Fleck darauf hinterlassen, doch er hatte das Blatt verfehlt und hätte eigentlich auf dem schwarzen Asphalt deutlich sichtbar sein müssen. Aber er war es nicht. Der Teer hatte den Tropfen aufgesaugt wie ein Schwamm. Vorsichtig tastete Coppelstone mit den Fingerspitzen danach und stellte eine zweite Besonderheit fest: Der Teer fühlte sich nicht an, wie er sollte. Er sah aus, als wäre er hart und körnig, mit unzähligen winzigen spitzen Einschlüssen durchsetzt, die das Gehen darauf, vor allem an heißen Tagen, sehr unangenehm machen mussten, und er fühlte sich definitiv ganz anders an, als er es gewohnt war. Weich und trotzdem fest, fast samtig, ja … beinahe lebendig.
Die Vorstellung machte Coppelstone aus irgendeinem Grunde Angst, sodass er den Gedanken hastig verscheuchte und sich wieder aufrichtete. Da seine Nase immer noch blutete, ging er wieder zur anderen Seite des Wagens zurück und suchte nach dem Taschentuch, das er vielleicht ein wenig vorschnell weggeworfen hatte.
Er fand es nicht.
Er hatte das Tuch einfach hinter sich geschmissen, weshalb er nicht genau sagen konnte, wo es liegen musste, aber auf dem schwarzen Teerband hätte es eigentlich sofort auffallen müssen. Doch obwohl er sehr aufmerksam danach suchte, blieb es verschwunden. Dafür gewahrte er eine andere Besonderheit, die ihm bisher noch gar nicht aufgefallen war: Die Straße, die sich in so sinnlosen Kehren und Schleifen durch das Gelände wand, befand sich in einem mehr als erbärmlichen Zustand. Die Schlaglöcher waren teilweise so tief, dass man einen ausgewachsenen Schäferhund darin hätte verstecken können, und einige der Risse und Spalten hatten vergleichbare Dimensionen. Auch die Straßenränder waren abgebröckelt und rissig – aber nirgends war auch nur ein einziger Grashalm zu sehen. Kein Grün. Nicht ein einziger Pilz, nicht das winzigste Fleckchen Moos.
Ein sehr sonderbares Gefühl begann von Coppelstone Besitz zu ergreifen. Wenn es etwas gab, wovon er etwas verstand, dann waren es Straßen. Er hatte oft genug gesehen, was die Natur einer von Menschenhand geschaffenen Straße anzutun vermochte, und er wusste auch, dass sie manchmal in nur wenigen Jahren gewaltige Konstruktionen aus Beton und Stahl zu zerstören imstande war, von denen ihre Konstrukteure behaupteten, sie seien für die Ewigkeit gemacht. Was ihn verblüffte, war somit keineswegs das Ausmaß der Zerstörung, die er sah. Es war die vollkommene Abwesenheit der Kraft, die für diese Verheerung normalerweise verantwortlich war. Er hatte Straßen aus anderthalb Fuß dickem Teer gesehen, die von einem harmlosen Grashalm gesprengt worden waren, und winzige Pilze, die sich beharrlich durch anderthalb Meter dicken Boden gewühlt hatten.
Hier war nicht die geringste Spur von Leben zu sehen.
Mehr noch: Als er den Straßenrand genauer in Augenschein nahm, fiel ihm auf, dass es auch dort keinerlei Vegetation gab. Bäume und Unterholz wucherten bis auf eine Distanz von vielleicht einem Yard an das schwarze Teerband heran, dann jedoch waren nur noch einige kümmerliche Moose und Flechten zu sehen und ein paar vereinzelte Grashalme. Ein gut handbreiter Streifen Boden unmittelbar neben der Straße schließlich war vollkommen kahl.
Coppelstones Laune verdüsterte sich noch mehr, als ihm schlagartig die Erklärung für dieses vermeintliche Rätsel einfiel. Als Kartograf und ausgebildeter Ingenieur für Straßenbau wusste er natürlich, dass es in der Vergangenheit verschiedene Versuche gegeben hatte, dem Straßenbelag gewisse Chemikalien beizumengen, die ebenjenen zerstörerischen Effekt verhindern sollten, indem sie alles Lebendige abtöteten. Diese Experimente waren jedoch sehr rasch wieder eingestellt worden, als sich herausstellte, dass der Nutzen gleich null und die Nebenwirkungen geradezu katastrophal waren; von den Kosten ganz zu schweigen. Offensichtlich befand er sich hier genau auf einem dieser fehlgeschlagenen Experimente. Seltsam war nur, dass er nichts davon wusste.
Aber schließlich war diese ganze Straße irgendwie seltsam.
Coppelstone verscheuchte auch diesen Gedanken, richtete sich endgültig auf und machte sich auf den Weg zu Morrisons Farm.
02
Ungefähr eine Stunde später war seine Laune nicht mehr auf dem Nullpunkt, sondern um etliches darunter angelangt. Natürlich hatte er eingehend die Karte studiert, bevor er am frühen Morgen aus Providence aufgebrochen war, und war daher der Meinung, höchstens noch zehn Minuten bis zu Morrisons Farm zu brauchen, selbst wenn er sich nicht allzu sehr beeilte. Die Farm war jedoch bisher nicht einmal in Sichtweite, obwohl er immer rascher ausschritt.
Es musste an dieser Straße liegen. Ihr Zustand hatte sich während der zweiten Hälfte seines unfreiwilligen Spaziergangs merklich gebessert, aber sie schlängelte sich immer noch in sinnlosen Kehren und Schleifen dahin, sodass er sich seinem Ziel wahrscheinlich kaum näherte, sondern die meiste Zeit in irgendeine Richtung ging, nur nicht in die, in die er wollte. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt den Weg abzukürzen und in direkter Richtung nach Westen durch den Wald zu marschieren, diese Idee jedoch nach einem einzigen Blick auf die fast undurchdringliche Wand aus wucherndem Grün und Braun beiderseits der Straße rasch wieder verworfen. Morrisons Farm lag gute drei Meilen von der nächsten menschlichen Ansiedlung entfernt. Wenn er sie verfehlte, würde er möglicherweise stundenlang durch diese undurchdringlichen Wälder irren.
Er marschierte eine weitere halbe Stunde mit wachsendem Zorn – in den sich auch ein immer größerer Anteil von Furcht mischte, den er sich nur noch nicht eingestehen wollte – durch den Wald, und er begann sich in dieser Zeit immer ernsthafter zu fragen, ob er sich möglicherweise wirklich verirrt haben könnte. Selbst wenn er nur mit einem Bruchteil des veranschlagten Tempos vorwärtskam, hätte er Morrisons Farm längst erreicht haben müssen. Nun war Joffrey Coppelstone nicht nur von Beruf, sondern auch aus Berufung und tiefster Überzeugung heraus Kartograf – Karten, Straßen und topografische Aufzeichnungen waren sein Leben, und die Vorstellung, dass er – ausgerechnet er! – sich verirrt haben könnte, war ihm zutiefst zuwider. Trotzdem konnte er die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weisen.
Gerade als er so weit war, sie nicht nur als möglich, sondern als mittlerweile wahrscheinlich zu akzeptieren, lichtete sich der Wald, und Morrisons Farm tauchte vor ihm auf.
Der Anblick war so verblüffend, dass Coppelstone mitten in der Bewegung verharrte und eine geschlagene Minute lang verblüfft auf das Bild hinabsah, das sich ihm darbot.
Es gab keinen Zweifel, dass es tatsächlich Morrisons Farm war. Sie lag genauso da, wie Waiden sie ihm beschrieben hatte: eine Ansammlung von zwei großen und mehreren kleinen, allesamt schon recht schäbigen Gebäuden, die sich am Grunde eines schmalen, schnurgerade verlaufenden Tales drängelten. Die vorherrschenden Farben schienen einmal Rot und Weiß gewesen zu sein, waren aber im Laufe der Jahre zum größten Teil abgeblättert, sodass man aus der Entfernung kaum noch Einzelheiten erkennen konnte, sondern nur noch ein fast amorphes Durcheinander ineinander fließender Umrisse und Farben. Das Auffälligste an der Farm war das große Getreidesilo, das für diese Gegend nicht nur völlig untypisch, sondern auch viel zu groß erschien, wodurch es die gesamte Anlage wie ein überdimensionaler Wachturm überragte. Alles war genauso, wie Waiden es ihm beschrieben hatte. Fast alles.
Wovon Waiden nichts gesagt hatte, das war der mehr als mannshohe Erdwall, der die gesamte Farm umgab.
Coppelstone starrte verblüfft auf das erstaunliche Gebilde. Der Wall, der perfekt gleichmäßig geformt war, bildete einen nahezu geschlossenen Kreis rings um die Farm, der das Tal fast zur Gänze blockierte. Sein Durchmesser musste weit mehr als hundert Yards betragen, was bedeutete, dass sein Umfang nahezu eine halbe Meile ausmachte. Er konnte sich schwerlich vorstellen, dass Waiden einfach vergessen haben sollte ihm davon zu erzählen. Andererseits konnte dieses Gebilde auch unmöglich neu sein – und Waiden war in letzter Zeit schon mehrmals durch gewisse Unzuverlässigkeiten aufgefallen. Er beschloss, unmittelbar nach seiner Rückkehr noch einmal eingehender mit seinem Assistenten über dieses Versäumnis zu reden, und setzte seinen Weg ins Tal hinab fort.
Allerdings erwies sich dieses Unternehmen als gar nicht so einfach, wie es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte. Der Wald endete zwar zu beiden Seiten des Tales auf dem Grat und die sanft abfallenden Hänge waren nur spärlich bewachsen, aber die Straße wurde auch immer schlechter. Die Schlaglöcher erreichten bald eine Tiefe von einem Meter oder mehr, und die Risse waren keine Risse mehr, sondern Gräben, über die er mehr als einmal nur mit gewagten Sprüngen hinwegsetzen konnte.
Schließlich verschwand die Fahrbahn ganz. Vor ihm lagen jetzt nur noch einige fast formlose, nicht mehr miteinander verbundene Teerflecke, die keinem erkennbaren Muster mehr folgten. Selbst wenn er diese ärgerliche Wagenpanne nicht gehabt hätte, wäre er mit dem Ford auf diesem Weg nicht bis zur Farm gekommen.
Da es nun keinen Weg mehr gab, dem er folgen konnte, visierte er den einzigen Durchgang in dem Erdwall rings um die Farm an und marschierte in direkter Linie darauf zu. Er kam allerdings immer noch nicht annähernd so schnell vorwärts, wie er wollte, denn der Hang war mit zwar meist nur kniehoher, aber sehr dichter Vegetation bewachsen. Manchmal waren Büsche und Unterholz so ineinander verfilzt, dass es einer Machete bedurft hätte, um hindurchzukommen, und er traf immer wieder auf große Ansammlungen eines zähen, mit spitzen Dornen bewehrten Gebüschs, dem er lieber im großen Bogen aus dem Weg ging. Obwohl er auf seinem Weg nach unten so vorsichtig wie nur möglich war, war seine gesamte Erscheinung vollkommen derangiert, als er die Lücke im Erdwall endlich erreichte.
Wie hängen diese beiden besonderen Romane zusammen?
Wyrm hat mich von Anfang an fasziniert und sollte eine sehr komplexe Geschichte werden, möglichst in mehreren Folgen: Entsprechend groß war meine Stoffsammlung. Da ich seinerzeit jedoch in anderen Projekten gebunden war, habe ich dann erst einmal eine kompakte Geschichte mit dem Untertitel „Das Geheimnis von Morrisons Farm“ zu Papier gebracht.
Die Weiterentwicklung erfolgte dann Jahre später mit einem ganzen Team anlässlich eines – übrigens immer noch – geplanten Wyrm-Kinofilms. In enger Absprache mit mir haben vor allem Regisseur Wolfgang Liemberger und Autor Dieter Winkler die Wyrm Geschichte weiter ausgebaut. Ihr Roman „Wyrm“ hat sich bislang über 600.000 Mal verkauft und ist ein ewiger Hohlbein-Klassiker. Was bedeutet dieser Roman Ihnen ganz persönlich? Die Idee zu WYRM ist mir ausgerechnet bei einem Urlaub auf Jamaika gekommen, wo ich auch gleich zu schreiben begonnen habe. Seitdem lässt mich das Thema in seiner Komplexität nicht los. Es ist inzwischen ein ganzes Wyrm Universum entstanden, das sicherlich noch auf die eine oder andere Umsetzung wartet.
Auf der Buchmesse 2009 betrat „Wyrm. Secret Evolution“ erstmals die Bühne der Buchwelt –damals als die erste Handynovelle Europas. Warum entschieden Sie sich für dieses Format und wie konnte man „Wyrm. Secret Evolution“ damals lesen?
Ich liebe neue Herausforderungen: So bin ich Ende der 70er zur Phantastik gestoßen und habe bereits im Jahr 2000 die erste erfolgreiche E-Book-Geschichte veröffentlicht. Die Idee zu ersten Handynovelle ist dabei eng mit meinem Manager Dieter Winkler verknüpft, der zuvor CHIP online aufgebaut hatte und jetzt das Wagnis einging, technische Partner für eine komplexe Handynovelle zusuchen. Ziel war es, jedes moderne Handy und Smartphone als Lesegerät zu nutzen – ein Modell, das in Japan bereits funktionierte. In der Praxis erschweren veraltete Betriebssysteme europäischer Handys jedoch nach wie vor die flächendeckende Umsetzung.
Und wie unterscheidet sich der Roman, der demnächst bei Piper als E-Book erscheint, von der Handynovelle von damals? Ist „Wyrm. Secret Evolution“ „erwachsen“ geworden?
Das besondere an der Handynovelle war das Veröffentlichen in kurzen Schnipseln, während ein E-Book-Format in erster Linie ein Buchformat ist. Und das ist es jetzt wieder geworden. Die Geschichte ist nach wie vor sehr filmisch erzählt, ist aber deutlich länger und enthält zudem mehr Hintergrundinformationen und eine neue Rahmenhandlung. Außerdem hat sie nun ein richtiges Ende: Denn das konnte seinerzeit durch Probleme des technischen Partners nicht mehr „gesendet“ werden.
Zum Schluss noch ganz persönlich: Wie werden Sie Ihren runden Geburtstag feiern und auf welche Highlights dürften sich Ihre Fans im Hohlbein-Jahr noch freuen?
Dieses Jahr ist ein für mich ein sehr stürmisches Jahr: Innovative Buchprojekte und eine neue TVSerie lassen mich erahnen, dass es mir auch im nächsten Lebensjahrzehnt nicht langweilig werden wird. Da sich das alles um meinen Geburtstag herum zuspitzt, werde ich diesen wie üblich im privaten Rahmen feiern und die angedachte angelegte quasi-öffentliche Feier in einem großen Kino erst einmal verschieben. Zur Frankfurter Buchmesse werden zwei neue Werke von mir vorgestellt: Schreiberisch sitze ich dann aber bereits wieder an einem großen Roman für den Piper Verlag. Aber dazu möchte ich dieser Stelle nicht mehr verraten, als das er durchaus etwas mit Wyrm zu tun haben könnte ...
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