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Zwei Kontinente

Zwei Kontinente - eBook-Ausgabe

Jussi Valtonen
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Roman

„Einen spannenden Gesellschaftsroman hat Jussi Valtonen mit ›Zwei Kontinente‹ geschrieben.(…) Der finnische Autor Valtonen erzählt die Geschichte mit vielen Rückblicken und versteht es, den Leser für seine ausführlich beschriebenen Figuren zu interessieren.“ - Ruhr Nachrichten

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Zwei Kontinente — Inhalt

Joe Chayefski hat das Leben, das er immer wollte: er ist einer der renommiertesten Neurowissenschaftler der USA, führt eine erfüllende, gleichberechtigte Ehe und hat zwei wunderbare Töchter. Doch als Joes Labor - und ganz besonders er persönlich - in das Visier von militanten Tierschützern gerät, ist das Idyll bedroht. Überraschend meldet sich da Alina, seine finnischen Ex-Frau, und deutet an, dass die stetig wachsende Bedrohung von Samuel ausgehen könnte, dem gemeinsamen Sohn, den Joe vor 20 Jahren bei ihr in Finnland zurückließ - und damit sein berufliches Fortkommen über das Wohl seines Kindes stellte ... Jussi Valtonen schildert Joes, Alinas und Samuels Versuche, sich in unserer schönen neuen Welt zurechtzufinden, mit durchdringender psychologischer Einsicht und mit einem gesellschaftskritischen Furor, der ihn zum wichtigsten finnischen Autor der Gegenwart macht.

€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 02.05.2017
Übersetzt von: Elina Kritzokat
576 Seiten
EAN 978-3-492-97690-9
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Leseprobe zu „Zwei Kontinente“

Wie hypnotisiert von dem Sirren starrte er auf den Fernseher, den irgendjemand angestellt hatte. In dem alten Haus knisterte und knackte es wie immer, sodass er fast glaubte, sie seien auch schon hier, dabei befand man sich am Pazifik noch in Sicherheit.

Sie sangen.

Bisher hatte er nichts von ihrer Existenz gewusst. Doch sie waren da gewesen, jahrelang, in der Erde, von allen unbemerkt, hatten aus den Tracheen der Baumwurzeln Nahrung gesogen und auf den richtigen Moment gewartet.

Sie kamen auch in den Nachrichten vor. Einer der Portland-Aktivisten tapste [...]

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Wie hypnotisiert von dem Sirren starrte er auf den Fernseher, den irgendjemand angestellt hatte. In dem alten Haus knisterte und knackte es wie immer, sodass er fast glaubte, sie seien auch schon hier, dabei befand man sich am Pazifik noch in Sicherheit.

Sie sangen.

Bisher hatte er nichts von ihrer Existenz gewusst. Doch sie waren da gewesen, jahrelang, in der Erde, von allen unbemerkt, hatten aus den Tracheen der Baumwurzeln Nahrung gesogen und auf den richtigen Moment gewartet.

Sie kamen auch in den Nachrichten vor. Einer der Portland-Aktivisten tapste mit einer Tasse Kombucha-Tee aus der Küche herüber, ließ seinen Joint kreisen und sagte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier wären. Dieses Jahr noch nicht, vielleicht auch noch nicht nächstes, aber ein Mechanismus werde dafür sorgen, dass sie sich von der Ostküste her ausbreiteten. Die anderen konnten das nicht glauben, es müsse einen Grund geben, weshalb sie nur im Osten vorkämen, doch dem Portland-Mann zufolge war es eher erstaunlich, dass der Mechanismus hier noch nicht gegriffen hatte.

Er sah wieder zum Bildschirm, wo eine frisch geschlüpfte Nymphe auf einem Fächerahorn saß, ihre noch unterentwickelten Flügel glänzten in der Sonne. Sie wartete, dass ihr Chitinpanzer fest wurde. Gegen das kräftige Laubgrün war sie weiß wie Milch und erinnerte an eine Leichenmade. Laut dem Biologen im Studio konnte sie auch als ausgewachsenes Insekt weder stechen noch beißen noch Krankheiten übertragen, war für Mensch und Tier vollkommen ungefährlich, zum größten Teil auch für Pflanzen. Der Portland-Mann zog an seinem Joint und meinte, dass die Unfälle nur durch unnötige Panik entstünden : Die Leute machten beim Autofahren die Augen zu oder fuchtelten auf Kreuzungen und Autobahnauffahrten mit den Händen. Das sei alles harmlos, sagte jetzt auch der Biologe im Fernsehen, wenn die Leute ruhig blieben.

Irgendetwas daran war faszinierend, dachte er, während seine Beine über die Lehne des abgewetzten Sessels baumelten : Die ganze Zeit hatten sie im Verborgenen gewartet. Fast zwanzig Jahre lang.

Das also sah er sich zusammen mit den anderen an, die meisten auf dem Fußboden, ein paar auf dem Sofa, als es auf einmal an der Tür hämmerte. Durch das beständige Sirren der Zikaden hindurch hörte man, wie jemand auf die Holztür eindrosch, als wollte er sie aus den Angeln schlagen.

Sie blickten einander an. War das Klopfen erst normal gewesen, und sie hatten es wegen des Fernsehers nicht gehört ? Die dröhnenden Schritte auf der Holzterrasse verrieten, dass es sich um mehrere Personen in schweren Stiefeln handelte.

Der Fernseher lief noch immer, als endlich einer der Leute aus Eugene aufstand. Ja-a ! Verdammt, jetzt tretet uns doch nicht das Haus kaputt ! Bevor die Tür aufging und er in die erschrockenen, ungläubigen Gesichter der anderen sah, hörte er den Biologen sagen : Es hilft, sich vorzustellen, dass sie ganz genauso zur Natur gehören wie wir selbst, dass sie ein Wunder sind.

 

Die andere

Helsinki, Finnland 1994

Es sei nur vorübergehend, alles würde wieder werden wie vorher.

Genaue Zeiten ließen sich dem Elternratgeber zufolge nicht festlegen, worin das Buch sich aber sofort selbst widersprach : ungefähr drei Monate bei über der Hälfte aller Paare. Doch man dürfe nicht vergessen, dass das letztlich individuell sei, schließlich gehe es um eine sensible Angelegenheit. Der Neuanfang sei nach einer so einschneidenden Veränderung immer heikel, für alle.

Es wäre falsch zu denken, dass mit einem von beiden was nicht stimmte.

Alina hatte den Ratgeber schon vor einer Woche auf dem Nachttisch liegen lassen. Sie wusste selbst nicht, ob sie sich davon irgendeine Veränderung versprach. Doch als sie sah, dass er noch immer da lag, unberührt, fühlte sie etwas in sich untergehen.

Als der Zustand weitere drei Monate anhielt, sprach sie das Thema an. Joe schien überrascht.

„ Ich dachte, es ist noch … “, er suchte nach dem richtigen Wort, „ schwierig. “

„ Glaube ich nicht. “

„ Wirklich ? Hm. “

Und nach einer Pause : „ Okay. “

Das erste Mal hatten sie es drei Monate nach Samuels Geburt versucht. Es wurde eine Rückkehr in unbeholfene Pubertätsjahre. Man musste wieder ganz von vorn anfangen, sich auf die Technik konzentrieren statt auf das innere Empfinden, herumraten, was sich wie anfühlen und was funktionieren würde. So war es vielleicht auch für jemanden, der nach einem Schlaganfall wieder neu laufen lernte, hatte sie gedacht.

In einer Elternzeitschrift in der Bibliothek hatte sie mehr darüber gelesen. Der niedrige Östrogenspiegel war ganz natürlich und konnte die Lust mindern.

Hatte sie Lust ? Ihr Körper kam ihr fremd und rätselhaft vor. Sie mussten neuen Anlauf nehmen, aber würde es diesmal besser klappen ? Wenn nicht, würde die Hürde nur größer werden.

Als Samuel am Abend endlich eingeschlafen war, legte Joe sich im Flanellpyjama ins Bett und klappte gewohnheitsmäßig seine Schachweltmeister auf. Das Buch über die größten Schachgenies aller Zeiten las er in den letzten Wochen immer so lange, bis er das Licht ausmachte. Manchmal baute er sogar sein Schachbrett auf, spielte einen Zug aus dem Buch nach und starrte mit vorgeschobenen Lippen auf die Figuren, als erwartete er sich von ihnen eine Antwort. Früher hatten sie sich vor dem Einschlafen geküsst ; manchmal war daraus Sex geworden, manchmal nicht.

Sie wartete. Joes Pupillen hüpften konzentriert von Zeile zu Zeile. Irgendwann bemerkte er ihren Blick.

„ Was ist ? “

„ Wir hatten doch über was geredet. “

Joes Augen blieben leer.

„ Heute Mittag. “

„ Ach ja. “ Er sah aus, als würde er sich noch immer nicht richtig erinnern. „ Stimmt. “

Er legte das Buch auf den Nachttisch. Vorsichtig wandten sie sich einander zu und lagen nun beide auf der Seite, warteten jeder auf irgendein Zeichen des anderen. Die Situation, alles, was sie beinhaltete, schien ihnen vollkommen fremd. Joe berührte ihre Hüfte, sachte, als fürchtete er, ihr wehzutun.

Seine Lippen waren ihr dann wieder vertraut und fühlten sich richtig an, trotzdem wirkte alles leicht mechanisch. War so Sex mit jemandem, den man nicht liebte ? Doch dann spürte sie Joes warme Finger über ihren Körper wandern, ließ sie gehen, wohin sie wollten, erkannte selbst die Route wieder, die Täler und Hügel, all das, was ihnen beiden so gut bekannt war.

Joes Finger hielten kurz inne, kehrten um in die Gegenrichtung, bewegten sich auf eine neue Weise. Alina spürte seinen Berührungen nach und wusste, dass etwas fehlte. Sie sah, dass auch Joe es wusste.

„ Willst du … ? “ Joe sprach den Satz nicht zu Ende.

Sie wusste, was Joe meinte : Sie wollte.

„ Hm-m. “ Sie nickte mit geschlossenen Augen. „ Ja. “

Doch auf einmal war da die andere Frau, das Mädchen.

Sie saß auf der Bettkante und beobachtete sie beide vollkommen ausdruckslos, als hätte sie schon immer dort gesessen.

Alina schreckte auf.

„ Hat es wehgetan ? “, fragte Joe besorgt.

„ Nein. “

„ Was dann ? “

Sie glaubte, in Joes Stimme eine Spur Erleichterung zu hören, jetzt mussten sie es doch nicht tun.

„ Vielleicht ist es noch zu früh “, sagte sie.

„ Ja. “

Sie sahen einander an. Alina hatte Joes Augen von Anfang an gemocht ; es waren die Augen eines freundlichen Mannes. Joe strich ihr über die Haare.

„ Nichts überstürzen. “

„ Nein. “

Sie drehten sich voneinander weg, und wenig später hörte Alina an Joes Atemzügen, dass er eingeschlafen war.

 

Die Sache mit dem Mädchen hatte letzten Herbst im Büro angefangen.

Alina hatte sie auf den Bildschirm starren sehen, an einem Schreibtisch neben der Tür, wo vorher kein Arbeitsplatz gewesen war. Sie hatte ein Bein angewinkelt und unter ihren Po gezogen, die Schultern vornübergebeugt. Die Haltung wirkte unbequem, so, als wisse das das Mädchen noch nicht, ob sie in typischer Büromanier zusammensacken oder doch irgendwann wie eine Katze aufspringen wollte. Sie hatte pechschwarze Haare, betont streng geschnitten, ihre Stirn war vor Konzentration gerunzelt, ihr Mund stand offen.

Während Alina darauf wartete, dass das Mädchen die Arbeit unterbrach und sich ihr und dem Kinderwagen zuwandte, wurde ihr Blick von dem silbernen Armreif angezogen, den das Mädchen um das schmale Handgelenk trug. Du sitzt also den ganzen Tag im Büro herum, und nach Feierabend ziehst du durch die Läden und kaufst Schmuck, dachte sie.

„ Entschuldigung “, sagte sie schließlich.

Das Mädchen sah zu ihr herüber, als habe sie die ganze Zeit gewusst, dass jemand wartete.

Alina hatte angenommen, dass das Mädchen beim Anblick des Kinderwagens, eigentlich ohnehin in Anwesenheit von Besuch, ihren Fuß vom Stuhl nehmen und sich normal hinsetzen würde. Aber sie blieb unverändert in ihrer Position, lehnte den Oberkörper sogar noch ein Stück weiter auf die Tischplatte.

„ Wir hatten vereinbart – Joe und ich hatten vereinbart … “, setzte Alina an.

Das Mädchen hob die Augenbrauen, als würde sie Alina nicht glauben oder als würden ihre Worte jedenfalls nicht genügen.

„ Er arbeitet da drüben “, sagte sie schließlich und deutete mit dem Kopf Richtung Fenster.

„ Ich weiß “, erwiderte Alina knapper, als sie beabsichtigt hatte.

„ Er kommt bestimmt gleich “, sagte das Mädchen.

Wusste die Schwarzhaarige wirklich nicht, wo Joe war, oder wollte sie es nicht erzählen ? Alina war nicht sicher. Sie stand mit dem Kinderwagen an der Tür, und das Mädchen saß weiter in dieser merkwürdigen Körperhaltung im Büro ihres Mannes.

„ Bestell ihm bitte, dass ich auf der Toilette bin, wenn er wieder da ist. “

Alina verließ das Zimmer und schob den Kinderwagen zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, mit dem allzu deutlichen Gefühl, dass das Mädchen den ganzen Flur einsehen konnte und sie selbst ein schlampiges Bild abgab, aussah wie eine nachlässige Hausfrau – vermutlich, weil sie genau das war. Hätte sie von dem Mädchen gewusst, sie hätte sich anders angezogen. Warum ? Sie ärgerte sich über den Wunsch, eine fremde Person zu beeindrucken. Für wen hielt das Mädchen sie eigentlich ? Selbstverständlich wusste Alina, an welchem Tisch Joe arbeitete, sie selbst hatte ihren Mann hier eingeführt und ihm alles gezeigt, schon lange gehörten Joe und sie hierher ; eigentlich war es das Mädchen, das als Außenstehende sie hätte ansprechen müssen.

Samuel drehte im Schlaf den Kopf und stieß einen ulkigen Laut aus. Der Kinderwagen, die Situation, überhaupt dass sie hierhergekommen war, auf einmal war ihr alles peinlich. Trotzdem, wieso benahm sie sich, als müsste sie sich für etwas entschuldigen ? Während sie über diese Frage nachdachte, stieß sie mit dem Kinderwagen geräuschvoll gegen einen Tisch. Ihr wurde heiß, vermutlich lief sie sogar rot an. Sie begann, ein Lied zu summen, und streckte ihren Rücken durch. Als sie sich verstohlen umdrehte, saß das Mädchen da wie zuvor und starrte auf den Bildschirm. Als würde es Alina und ihren Kinderwagen nicht geben.

 

Zu Hause hatte sie das Mädchen erwähnen wollen. Im Vorübergehen. Einfach sagen, dass es offenbar eine neue Mitarbeiterin am Institut gab, mit einem eigenen Arbeitsplatz. In einem so kleinen Fachbereich hatte es doch wohl eine Bedeutung, wer da noch so jeden Tag den Flur entlangging. Wahrscheinlich würden sie und Joe dem Mädchen in Zukunft öfter begegnen, vielleicht bei dem Fest, das sie geben wollten.

Das Fest, dachte sie. Es würde nicht stattfinden. Joe hatte es mehrmals vorgeschlagen, doch Alina hatte Angst vor einem Spießrutenlauf. Die Gäste würden sich überall in der Wohnung umsehen, würden Speisen und Getränke, das Baby und die Babykleidung begutachten, das Spielzeug und das Gitterbettchen, das CD- und Schallplattenregal, den Wohnzimmerteppich : So also hatte Joes Frau es gewollt.

Doch wenn sie sich umsah, gab es kaum Gegenstände, die sie wirklich gewollt oder bewusst ausgesucht hatte. Und im Wohnzimmer funktionierte die Stehlampe nicht, der Schalter hatte einen Wackelkontakt. Joe hatte versprochen, sich darum zu kümmern. Wahrscheinlich trug er das Kabel mit dem kaputten Schalter täglich in seinem Arbeitskoffer mit sich herum. Sie hatte ein paar Mal nachgehakt, aber immer im falschen Moment, und sie wollte keine große Sache daraus machen. Im Grunde waren Samuels Babyklamotten auf dem Wäscheständer das beherrschende Einrichtungselement. Ein Teil entstammte dem staatlichen Mutterschaftspaket, ein Teil kam von ihrer Freundin Julia beziehungsweise deren Kindern, der Rest war vom Flohmarkt. Die Vorstellung, dass Joes komplette Kollegenrunde in der nach Milch riechenden Wohnung zwischen Schmutzwäschehaufen herumspazierte, stresste sie.

„ In Finnland ist es nicht üblich, Arbeitskollegen nach Hause einzuladen “, hatte sie gesagt, als Joe das Thema ein weiteres Mal auf den Tisch brachte.

„ In den Staaten schon. “

„ Das stimmt “, sagte sie, „ ich meine ja nur, dass hier … “

„ Ich weiß, ich weiß “, sagte Joe und ging ins Schlafzimmer, um sich für eine Partie Squash umzuziehen. Ob Joe wirklich wusste, war ihr wie immer unklar.

Vor allem hätte sie das Wohnzimmer gern noch mal gestrichen und ihre Fehlentscheidung korrigiert. Die Wände waren zu weiß geworden. Auf dem Musterkärtchen hatte der Ton frisch ausgesehen, aber auf den großen Flächen war er fast aggressiv und ließ die anderen Farbtöne ungesund wirken. Außerdem hob sich jeder noch so winzige Fleck deutlich ab.

Joe hatte ihren Vorstoß mit dem Satz kommentiert, es lohne sich nicht, neu zu streichen, bevor die Situation klar sei. Bei dieser Formulierung hatte Alinas Herz einen Schlag ausgesetzt.

„ Welche Situation ? “, hatte sie gefragt.

„ Na, wo wir uns niederlassen und … “

Sie wartete darauf, dass er zu Ende sprach, bis sie begriff, dass er das bereits getan hatte. Dann ließ er sich doch zu einer Fortsetzung herab : Sie würden ja sicher nicht bis an ihr Lebensende in dieser Wohnung bleiben.

„ Bis an unser Lebensende bestimmt nicht. Aber erst mal. “

„ Lass uns trotzdem schauen. “

„ Was schauen ? “

„ Ob wir nicht … auch zu Hause eine Chance haben. “

Back home.

Wie leicht es war, das so nebenbei zu sagen, home, dieses weiche Wort, sein warmer, sympathischer Klang, als wäre es in allen Sprachen der Welt dasselbe Wort. Sie starrte Joe an, schluckte und sah woanders hin.

„ Komm schon “, sagte Joe und umfasste ihren Arm, den sie ihm sofort entzog.

Er versuchte es ein zweites Mal : Come on, Alina. So, wie Joe ihren Namen aussprach, landete die Betonung immer auf der zweiten Silbe, und das A vorne verschwand beinahe. Liina. Sie hatte das gemocht, als sie sich kennengelernt hatten, sie wollte eine Frau sein, deren Name noch über eine zweite, kosmopolitische Variante verfügte.

„ Hast du gerade tatsächlich gesagt, ob wir nicht auch zu Hause eine Chance hätten ? Wir ? “

„ Du weißt, wie ich das meine. “

„ Weiß ich nicht. “

Abends wickelte Joe Samuel, übernahm das Füttern und machte den Kleinen bettfertig, schwieg aber die ganze Zeit.

Nachdem Alina Samuel später noch einmal gestillt hatte, lag sie mit dem Rücken zu Joe im gemeinsamen Bett. Wusste er, dass sie weinte ?

„ Hast du gedacht, dass wir das ganze restliche Leben in Finnland verbringen ? “ Joe sprach langsam und leise und wie in das Buch hinein, das er gerade las.

Alina suchte nach der richtigen Antwort, sie sollte genauso selbstverständlich klingen und genauso neutral daherkommen wie seine Frage, aber in ihrem Innern fand sich nur das Schlagen hoher Wellen. Irgendwann hörte sie Joe laut seufzen, seine Brille auf den Nachttisch legen und das Licht ausknipsen.

„ Wann hättest du mir deine Pläne von dir aus erzählt ? “, fragte sie.

„ Meine Pläne ? “

Alina schwieg.

„ Ich dachte “, sagte Joe, „ dass wir gemeinsam darüber reden können. Ist das zu viel verlangt ? “

Seine Stimme klang heiser. Du benutzt deine Stimme falsch, dachte Alina. Eine ihrer Freundinnen war Logopädin und machte ihr Umfeld gern auf verkrampftes Sprechen oder eine schlechte Körperhaltung aufmerksam ; Alina hatte diese Angewohnheit übernommen.

„ Wir haben doch früher schon darüber gesprochen, dass wir verschiedene Möglichkeiten haben. “

Das hätte sie ernst nehmen sollen ?, fragte Alina sich irritiert. Sie hatten in Gedanken alle Länder durchgespielt, in denen sie gemeinsam leben könnten, abends in dem kleinen Hotel am Piccadilly Circus, lange bevor alles real geworden war. Auf ihrer Liste standen sogar Ghana und Polen.

„ Hat das vielleicht damit zu tun, dass du den Job nicht bekommen hast ? “, fragte sie. „ Hast du nicht gesagt, du wolltest ihn sowieso nicht haben ? “

Schlagartig war Joe gereizt, Alina konnte das tief im Magen spüren. Warum nur hatte sie nicht die richtigen Worte gefunden ?

„ Erzähl’s mir doch “, sagte sie und berührte Joes Wange.

Joe sah an die Decke, als würde er Alinas Hand nicht bemerken. „ Es ist, als würde man überall gegen Mauern stoßen. “

„ Meinst du sozial oder beruflich ? “

„ Beides. “

Joe war der Meinung, dass die Finnen keine neuen Leute in ihre Kreise reinließen. Niemand lud einen zum Kaffee ein, geschweige denn zu sich nach Hause. In diesem kleinen Land war privat wie im Job alles abgezirkelt, Außenstehende hatten keinen Zutritt. Und wenn man abends nicht von zu Hause wegkonnte, hatte man erst recht keine Chance.

Wenn man abends nicht von zu Hause wegkann. Gefangen halte ich dich hier ja wohl nicht, dachte Alina. Wenn du kein Baby willst, hättest du es vorher sagen müssen.

Jedenfalls wollte Joe kein zweites Kind. Alina wünschte sich sogar drei. Sie hatten mehrmals darüber gesprochen, jedes Mal war die Stimmung sofort extrem angespannt gewesen. Bei Alina blieb der Eindruck zurück, dass sie etwas von Joe wollte, was er nicht geben konnte.

„ Was denkst du ? “, fragte Joe jetzt. „ Sag doch was. “

Alina dachte an ihren Vater. Beinahe wöchentlich brauchte er ihre Hilfe bei der Bank und auf Ämtern. Er konnte nicht mit Geldautomaten umgehen und keine Rechnungen bezahlen, obwohl Alina schon zehn Mal mit ihm in der Bank gewesen war und ihn Schritt für Schritt angeleitet hatte. Wie sollte sie das von den USA aus anstellen ? Und was, wenn er krank wurde, Hilfe beim Einkaufen brauchte oder bei der Medikamenteneinnahme ? Seit dem Tod ihrer Mutter war ihr Vater antriebslos und zerstreut. Auch sie selbst tat sich schwer zu begreifen, dass eine Frau, die ihr ganzes Leben lang Tatkraft und Vitalität ausgestrahlt hatte, nur wenige Monate nach dem Krebsbefund tot sein konnte.

„ Fühlst du dich schon lange so außen vor ? “, fragte sie Joe schließlich. „ Du hättest was sagen sollen. “

„ Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. “

Er streichelte ihre Hand, seine Stimme war tief und ruhig. Sie könnten doch beide in Ruhe darüber nachdenken, falls er etwas Passendes finde, schlug er vor. Es sacken lassen und überlegen, ob eine kurze Phase in den USA für sie infrage komme. Solle er nicht einfach die Augen aufhalten ? Vielleicht würde sich ja eine interessante Gelegenheit bieten. „ Natürlich nur, wenn das für dich okay ist. “

Alina dachte an ihren Vater. Wer würde mit ihm Weihnachten feiern ? Sie musste schlucken und wandte sich ab ; sie wollte nicht, dass Joe ihre Tränen sah.

„ Heißt eine kurze Phase wirklich eine kurze Phase, oder wird sie mit der Zeit länger und länger werden ? “, brachte sie hervor.

„ Du kannst nicht immer alles vorab kalkulieren “, erwiderte Joe, und Alina fühlte sich wie ein schwieriges Kind.

 

„ Wir ziehen in die USA “, sagte sie zu Julia, während die Babys auf dem Teppich herumkrabbelten. Julias Wohnzimmer war hell erleuchtet, die DVD im Hintergrund leise gestellt. Sie aßen Kekse und sahen kaum hin ; nicht einmal die zwei Singles selbst, um die es in der Serie ging, kriegten mit, dass sie füreinander bestimmt waren.

Wann ?, wollte Julia wissen. Und wohin ? Für immer ? Werde Alina dort arbeiten ? Und auf was für eine Schule sollte Samuel gehen ?

„ Ich weiß es nicht “, gestand Alina. Julias fragender Gesichtsausdruck war ihr unangenehm.

Jeden Tag wartete sie darauf, dass Joe von der Arbeit nach Hause kam und verkündete, dass ihm eine Stelle in San Diego oder Austin oder Santa Barbara oder Albuquerque angeboten werde, und sie mit „ Ja “ oder „ Nein “ reagieren müsste. Sie fürchtete sich vor der Diskussion, die ein Nein nach sich ziehen würde, vor den Argumenten, die sie formulieren müsste, den Gegenargumenten, die Joe auffahren würde. Ein Kuhhandel, ein Stellungskampf, der über ihre Ehe entscheiden würde, darüber, in welchem Land Samuel zur Schule ginge und welche Sprache er spräche, welche Form ihr Leben annähme.

„ Das ist noch offen “, sagte Alina, wich Julias Blick aus und schob hinterher, dass sich schon alles finden werde.

Julia nickte und wechselte ihrem Sohn Jimi, der wie Alfred Hitchcock aussah, die Windel. Im Hintergrund lief schon die dritte Folge der Staffel.

„ Ja, alles findet sich irgendwie. “

„ Letztlich hängt es von Joes Arbeit ab. “

„ Ich bewundere dich “, sagte Julia. Alina würde einfach so an einen fremden Ort ziehen, noch mal ganz von vorn anfangen. Wie mutig !

Alina betrachtete sich mit den Augen ihrer Freundin und verspürte zum ersten Mal Lust wegzugehen, als eine abenteuerlustige Frau, die auf eigenen Beinen stand.

Sie gestand, dass es ihr um ihren Vater leidtat, der dann allein zurechtkommen müsse. Andererseits würde er sich in letzter Zeit mehr und mehr auf sie fixieren und immer passiver werden, vielleicht würde er nach ihrem Umzug neue Inhalte finden, außerdem könne sich ihr Leben nicht ewig um ihren alten Vater drehen. Irgendetwas daran stellte sie nicht zufrieden, aber trotzdem : Die Option eines neuen, unerschrockenen Lebens war verlockend, womöglich beneidenswert, und da Julia nickte und keine neuen Fragen aufwarf, wuchs Alinas Überzeugung, dass ihr Leben jetzt eben so sei und dass diese neue Perspektive vielleicht nicht die beste, aber definitiv nicht die schlechteste war. Ja, das war nun mal ihr Leben, sie hatte es sich selbst ausgesucht, und für jede Entscheidung musste man einen Preis zahlen, auch dafür, dass man womöglich gar nichts entschieden hatte. Meist musste man gerade dafür einen hohen Preis zahlen.

Doch als sie wieder zu Hause waren und sie in Samuels pausbäckiges, fröhliches Gesicht sah, musste sie weinen. So ein süßes kleines Gesicht. Sie weinte noch immer, als Joe nach Hause kam. Er spülte unaufgefordert das Geschirr, sah aber enttäuscht aus. Alina wusste, dass ihre Stimmungswechsel, überhaupt ihr übergroßer Wunsch, in Finnland zu bleiben, ihn belastete.

Bei ihrem nächsten Treffen fragte Julia, ob die Umzugspläne Form angenommen hätten. Alina gab zur Antwort, dass die Details noch offenstünden. Sie unterhielten sich eine ganze Weile über das Auswandern, womit keine von ihnen Erfahrung hatte, und über die Amerikaner, die sie beide nicht kannten, von Joe einmal abgesehen, und kamen zu dem Ergebnis, dass das Leben drüben vollkommen anders und am Ende doch wieder genauso sei wie zu Hause.

 

Als Julia sich das nächste Mal mit ihr verabreden wollte, erfand Alina eine Ausrede. Sie mochte nicht zugeben, dass die Pläne noch immer in der Luft hingen und sie nicht einmal wusste, warum. Allmählich hatte sie das Gefühl, sich die ganze Geschichte mit dem Umzug in die USA nur ausgedacht zu haben.

Seit der Geburt ihrer Kinder waren sie etwa alle zwei Wochen essen gegangen. Das hatten sie sich schon während der Schwangerschaft vorgenommen. Julia rief ein weiteres Mal an und schlug ein Treffen vor, doch nachdem Alina wieder gesagt hatte, der Tag passe ihr schlecht – was er tatsächlich tat –, blieb das Telefon still, und sie sahen einander nicht mehr.

Die Kohlmeisen zwitscherten. Die Februarsonne ließ den Schnee in sich zusammenfallen, dieser bestimmte Geruch lag in der Luft. Alina stand auf dem Balkon, schuckelte Samuels Kinderwagen und überlegte, ob Joe einfach noch keine passende Stelle ausfindig gemacht hatte. Oder war er besonders wählerisch, nachdem er sich wegen Alina empfindlich geirrt hatte und nach Finnland geraten war ? Ging die Sache ohne ihr Wissen längst ihren Gang, und Joe würde ihr eines Tages einfach den Ort und das Flugdatum nennen ? Studierte in diesem Moment ein ihr unbekannter Wissenschaftler in Buffalo, NY, Joes Lebenslauf ? Gab es vielleicht mehrere gute Optionen, die Joe sorgsam abwog, überlegte er, was ihn am ehesten weiterbrachte, wollte er sich nicht zu früh festlegen ? Wie viel Zeit würde man ihnen für den Umzug einräumen ?

Sie versuchte, sich an den Ablauf des Gesprächs mit Joe zu erinnern. Hatte sie möglicherweise längst eingewilligt oder zumindest in Aussicht gestellt, dass sie höchstwahrscheinlich mitgehen würde ? Und was, wenn sie sich weigerte ? Müsste sie sich dann von Joe trennen und ihr Leben als Alleinerziehende weiterleben ? Würde sie das ertragen ?

Eigentlich hatte sie den Eindruck gehabt, dass Joe so gut wie jeden Job annehmen würde, um aus Finnland wegzukommen. Dennoch hatte er das Thema seit jenem Abend nicht mehr angeschnitten. Hieß das, es würde alles weitergehen wie bisher ? Dass vielleicht gar nichts in Aussicht stand ?

Jeden Abend, wenn Joe von der Uni nach Hause kam, holte Alina Luft und wollte nachfragen, tat es dann aber doch nicht. Vielleicht war die Angelegenheit stillschweigend begraben worden, oder Joe hatte sie schlicht vergessen. Das durfte sie auf keinen Fall kaputt machen. Schon der Flügelschlag eines Schmetterlings konnte eine unumkehrbare Reaktionskette in Gang setzen, da durfte sie Joe nicht an seine Leiden in diesem kalten, unfreundlichen Land und die leuchtenden Möglichkeiten in der Ferne erinnern.

 

Alina hatte Mühe, den Kinderwagen mit auf die Toilette zu nehmen. Als sie ihn endlich durch die schmale Türöffnung bugsiert hatte, stand sie tatenlos im Neonlicht. Sie wusch sich die Hände und wartete. Als sie glaubte, die Schritte des Mädchens auf dem Flur zu hören, wartete sie noch ein paar Sekunden und schob den Wagen dann genauso mühsam wieder raus.

Joe saß allein im Zimmer. Ihre Umarmung war verhalten ; Alina hatte den Eindruck, dass Joe Zärtlichkeiten nicht mochte, wenn er in seiner Arbeitsrolle steckte, überhaupt wenn sie an der Uni waren. Obwohl ihnen hier niemand zusah, im Gebäude herrschte eine Ruhe wie in einer stillgelegten Fabrik.

Sie schaute sich um. Unfassbar, dass Joes Zimmer, abgesehen vom Arbeitsplatz des Mädchens, noch immer dasselbe war. Bei ihnen zu Hause sah nichts mehr aus wie vorher. An der einzigen freien Wand im Schlafzimmer stand jetzt das Gitterbett, das Ehebett hatten sie verrücken müssen, ins Badezimmer hatten sie die Wickelkommode gequetscht und dafür einen der zwei Schränke rausgestellt. Im Wohnzimmer dominierten das Babytrapez und der große Stoffkorb mit dem Spielzeug, vermutlich dauerhaft, obwohl das so ursprünglich nicht geplant gewesen war.

Selbst wenn das Mädchen die Hälfte von Joes Arbeitszimmer einnahm, so, wie Samuel daheim mindestens die Hälfte der Wohnung einnahm, war Joes eigener Bürobereich davon vollkommen unberührt. Sein Schreibtisch, seine Pinnwand, sein Regal waren exakt dieselben.

„ Was schaust du so ? “, fragte er.

„ Ich hatte nur vergessen, wie es hier aussieht. “

Joe korrigierte den Sitz seiner Hose und legte die Stifte auf seinem Tisch ordentlich zurecht. Als habe er Angst vor der kleinsten Unordnung. Auf einmal hatte Alina das Gefühl, sie sei gekommen, um eine schmerzliche, aber unvermeidliche Regelung mit Joe zu treffen.

Früher war sie hier selbst ein und aus gegangen, hatte hier studiert, auch wenn sie das heute kaum glauben konnte. Sie versuchte, sich an die Inhalte der Lehrbücher zu erinnern, an Details, über die engstirnige Typen mit Pferdeschwanz aufgeregt in der Mensa diskutiert hatten und die im Nachhinein völlig bedeutungslos waren.

„ Und ? “, fragte sie nach einem Moment des Schweigens.

Joe lächelte sie erwartungsvoll an : „ Was › und ‹ ? “

„ Sind hier keine Leute ? “

Außer dem Mädchen, ergänzte sie still und sah zu ihrem Stuhl. Wie viele Monate oder Jahre in dieser ungesunden Sitzposition brauchte es, bis man orthopädische Schäden bekam ? Welche Körperteile, welche Gelenke würde es treffen ?

„ Ja, ziemlich ruhig heute “, sagte Joe und dehnte sich. Wie jemand, der ungezwungen wirken wollte.

Im Kinderwagen wimmerte Samuel leise, dann atmete er gleichmäßig weiter. Alina hatte ihm die gefütterten Wintersachen übergezogen, die Außentemperaturen lagen unter null. Nicht mehr lange, und er würde schwitzen und aufwachen, dann wären auch schon die nächste Mahlzeit und die nächste Windel dran. Das war’s dann also mit dem Besuch in der Fakultät.

„ Ähm. Bleiben wir jetzt hier drinnen ? “, fragte sie und meinte Joes Zimmer.

„ Wo willst du denn hin ? “

„ Hin ? “ Sie starrte Joe an. Sie war davon ausgegangen, dass Joe den Kollegen seinen kleinen Sohn zeigen wollte, ein paar von den Mitarbeitern waren auch alte Bekannte von ihr, jedenfalls früher einmal. War das nicht der Grund für ihren Besuch heute ? Oder nahm Joe an, dass sie mitten am Tag ein bisschen Zeit im Arbeitszimmer ihres Mannes verbringen wolle ? Wartete er darauf, dass Samuel aufwachte ? Sie überlegte, ob sie das, was sie wirklich meinte, tatsächlich so oft ungesagt ließ.

Eine undefinierbare Welle ging über sie hinweg, für die sie keinen Namen fand, die aber zu stark war, um gegen sie anzukämpfen. Alina hätte sich hinsetzen müssen, doch der einzige freie Stuhl gehörte dem Mädchen.

„ Was ist los ? “, fragte Joe.

„ Mir ist nur ein bisschen flau. “

Wahrscheinlich bin ich mal wieder dehydriert vom Stillen, wollte sie gerade hinzufügen, da stand auf einmal das Mädchen im Türrahmen.

Sie hielt eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger und drehte sie hin und her, als sei dies ein Zeichen. Alina dachte schon : Will die etwa hier drin rauchen, mit einem Baby im Zimmer ?

„ Oh. Verzeihung “, murmelte sie auf Englisch und hörte mit der Drehbewegung auf. „ Ich wusste nicht, dass du noch hier bist “, fügte sie auf Finnisch hinzu, schaffte es aber irgendwie, Alina dabei nicht anzusehen.

„ Ich wollte nur eine rauchen gehen “, sagte sie zu Joe und warf einen beiläufigen Blick auf die Zigarette, als wäre allein die für ihre Idee verantwortlich. Ihre Lippen leuchteten in frischem Rot, die kleine blasse Stelle, die Alina vorhin aufgefallen war, hatte sie korrigiert.

„ Aber du rauchst doch gar nicht ! “, entfuhr es Alina.

Die schwarz nachgezogenen Augenbrauen des Mädchens zogen sich bedeutungsvoll nach oben – ahaaa ? –, ihr Blick wanderte wieder zu Joe. Einen kurzen Moment befürchtete Alina, das Mädchen würde loslachen.

„ Er kommt nur zur Gesellschaft mit “, sagte sie, allerdings in einem Ton, als habe sie einen Witz gemacht, zumindest kam es Alina so vor.

„ Heute ist ein bisschen viel zu tun “, wiegelte Joe ab, seine Stimme klang eigenartig offiziell.

Das Mädchen hob wieder die Augenbrauen, als wollte sie sagen : Wir reden weiter, wenn die da drüben weg ist, machte kehrt und verschwand. Die Absätze ihrer schwarzen Schuhe hallten im Flur.

Alina sah Joe an.

„ Ich habe mir manchmal die Füße vertreten “, sagte er und hustete. „ Wenn’s gepasst hat und ich selbst eine Pause brauchte. “

„ Meinetwegen kannst du gerne rauchen “, sagte Alina, „ ich war nur überrascht. “

„ Ich rauche aber nicht. “

„ Es würde mich aber nicht stören, falls doch. Mehr meinte ich gar nicht. “ Sie versuchte, gut gelaunt zu klingen. Joes Gesicht blieb ernst.

„ Wie heißt sie eigentlich ? “

„ Aleksandra. “

 

Alina war mit nach Italien gefahren, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Die Erinnerung daran trieb noch immer ihren Puls nach oben. Immer wenn sie mal wieder das Gefühl hatte, im Leben nichts erlebt zu haben, musste sie an diese Reise denken.

Sie war so jung gewesen. Zwar lag Italien erst eineinhalb Jahre zurück ; trotzdem, sie war so jung gewesen.

Eigentlich wollte sie niemandem Einblick in ihre miese Diplomarbeit gewähren, geschweige denn mit ihr an die Öffentlichkeit treten. Aber Wallenberg hatte die Geschichte runtergespielt und ihr zu verstehen gegeben, dass so eine Konferenz nun mal dazugehörte.

P. Wallenberg würde sich freuen, Sie in seiner Riege begrüßen zu dürfen, hatte Wallenberg gesagt, was für sie unweigerlich auf eine Promotion hinauslaufen würde. Er drückte sich auch in informellen Situationen förmlich aus und wollte damit vermutlich witzig sein. Alina fand das rührend : sechzig Jahre alt, Professor, und doch unsicher. Zu Wallenbergs „ Riege “ gehörte außer ihr derzeit niemand. In Studentenkreisen war bekannt, dass Wallenberg in jedem Jahrgang aufs Neue versuchte, jemanden als Nachfolger zu rekrutieren für seine Arbeit, an deren Zukunft er wohl selbst kaum glaubte ; das hoch spezialisierte Forschungsgebiet drohte künftig brachzuliegen.

Die Teilnahme an der Konferenz war Alinas Selbstbestrafung für ihr Unvermögen, Wallenberg direkt zu sagen, dass sie weder promovieren noch sein Lebenswerk vor dem Untergang retten werde, und stattdessen sogar den Anschein erweckte, sie würde ernsthaft über die Sache nachdenken.

Und dann drängten sich Hunderte Konferenzteilnehmer in den Ausstellungsraum und begutachteten die riesigen Infoplakate. Alina stand allein an ihrem Stand und betete, dass niemand zu ihr käme. Jeder würde sofort erkennen, was für eine Schwindlerin sie war. Sie schämte sich für ihre Abschlussarbeit, ihre Schlussfolgerungen und wie sie diese in der Eile auf dem Poster arrangiert hatte. Die Maße der Ausstellungsplakate waren auf den Millimeter genau vorgegeben gewesen ; die gigantische Größe schien Alina prahlerisch, und sie konnte noch immer nicht glauben, dass das schwarz-weiße Monstrum hinter ihr extra in der Unidruckerei angefertigt worden war, damit sie ihre Diplomarbeit hier in Italien vorstellen konnte. Das musste richtig viel Geld gekostet haben. Sie gab ihr Bestes, um gedankenverloren und abwesend auszusehen, und zu ihrer Erleichterung gingen die Leute schnell an ihr vorbei. Als an den Ständen um sie herum angeregt über die Forschungsergebnisse der anderen diskutiert wurde, verschmolz Alina mit ihrem farblosen Plakat und spürte, wie ihr Herzschlag sich allmählich beruhigte.

Nur noch fünfzehn Minuten, dachte sie und versuchte, nicht so schnell wieder auf die Uhr zu sehen. Am Nebenstand führte eine spanische Studentin ihre Arbeit zum dreißigsten Mal vor. Sie tat das stets gleich, bis aufs Wort, sogar die Witze waren dieselben, inzwischen konnte Alina sie auswendig. Falls du mal aufs Klo willst, ich kann für dich einspringen, dachte sie, während sie der Spanierin mit dem leuchtenden Gesicht zuhörte. Auch alle anderen hörten ihr zu und lachten an den richtigen Stellen.

Sie beneidete das Mädchen um alles : um ihre Versuchsanordnung, die simpler war als ihre eigene, um ihre Schlussfolgerungen, die gemessen an der Ausgangsbasis kühn waren, um ihre Englischkenntnisse, die theoretisch dürftiger waren als ihre eigenen, und um die sympathische Art, mit der das Mädchen die Arbeit vorstellte. Inzwischen hatte sich eine ganze Horde von Leuten um sie geschart, und alle, besonders die Männer, lauschten der Spanierin, als hätten sie ein Leben lang nur auf diesen Moment gewartet.

Als jemand an Alinas Stand trat und ihr Plakat studierte, schreckte sie auf. Ein Mann mit braunen Augen und einem freundlichen, ausländischen Aussehen fragte, ob sie ihm ihre Forschungsarbeit vorstellen könne. Mich da hindurchführen, so drückte er sich aus. Die Formulierung berührte Alina, und auf einmal hatte sie keine Lust mehr auf ihre nervöse Gehemmtheit und das Unbehagen, mit dem sie ihr lachhaftes Diplom und überhaupt alles betrachtete, und so erzählte sie dem Mann von ihrer Arbeit – was sie mit ihr beabsichtigt hatte und was sie über die Ergebnisse dachte –, als wäre es ihr egal, welchen Eindruck er von ihr bekam oder ob sie gerade ihre letzte Chance auf akademische Glaubwürdigkeit verspielte, und das Beste : Es war ja tatsächlich egal. Am Ende, um es dem Mann abzunehmen, wies sie schnell selbst auf die vielfältigen Fehler hin, die sie auf allen Ebenen ihres Experiments gemacht hatte, weshalb sich auch keine vernünftigen Ergebnisse ableiten ließen.

Der Mann runzelte die Stirn und widersprach : Aber so ist es doch gar nicht. But listen, mit dieser Formulierung begann sein Satz, und auf einmal hatte sich das Setting komplett gedreht. Sie war es, die einem international erfolgreichen Konferenzgast, einem echten Wissenschaftler gegenüber ihr Diplom kritisierte, während er es verteidigte und ihren Ansatz sogar für sinnvoll hielt.

Das Wichtigste sei, die richtigen Fragen zu stellen, sagte der Mann und hörte sich so überzeugend an, dass Alina ihm gern geglaubt hätte. Neben ihnen standen Dutzende Wissenschaftler um die fünfzig und älter, alle in Anzugjacken, und lachten über den Spruch der hübschen Spanierin, den Alina zum einunddreißigsten Mal hörte – der Mann mit den braunen Augen zum zweiten Mal, wie sein Blick verriet. Beide unterdrückten sie ein Grinsen, der Mann verdrehte die Augen und zeigte damit, dass er den Spruch lahm fand, und plötzlich hoffte Alina, dass er ein bisschen stehen bliebe.

Der Mann dankte ihr und setzte seinen Weg zum nächsten Stand fort – an dem ein dicklicher Junge in erbärmlicher Kleidung asthmatisch schnaufte ; so jemand konnte nur ein Wunderkind sein –, doch Alina stand jetzt anders vor ihrem Plakat, wie sie sofort selbst bemerkte. Jetzt sah sie den Vorbeikommenden in die Augen und lächelte sie an, die Leute blieben stehen, was wiederum weitere Leute an ihren Stand zog. Alina stellte ihnen allen ihre Ergebnisse vor, als wäre ihre Arbeit ernst zu nehmen und Alina sogar stolz auf sie, und zu ihrer Überraschung stellte niemand sie infrage. Interesting, sagten ihre Zuhörer, und thank you. Und : Haben Sie vor, die Ergebnisse zu veröffentlichen ? Wenn ja, könnten Sie mir Ihren Artikel vielleicht zuschicken ? Alina ärgerte sich, dass sie keine A4-Zettel mit einer Kurzzusammenfassung dabeihatte so wie die anderen, viele ihrer Zuhörer fragten danach. Sie überraschte sich selbst mit dem Wunsch, die Vorstellungsrunde möge länger dauern, gerade erst war sie in Fahrt gekommen. Die Einladung in Wallenbergs Riege sah sie nun in einem neuen Licht, zum allerersten Mal, und sie spielte tatsächlich kurz mit dem Gedanken einzuwilligen ; so könnte das Leben sein.

Während sie die Reißzwecken von der Pinnwand löste und ihr Plakat abnahm, dachte sie an den Mann mit den braunen Augen, seinen freundlichen Blick. An die Worte, die er im Zusammenhang mit ihrer Arbeit benutzt hatte, methodically sound – methodisch solide, von Bestand. Hatte er es wirklich so gemeint ? Oder war das nur die typisch amerikanische Art, etwas Nettes zu sagen, auch wenn man es nicht so meinte ? Sie dachte an den Namen des Mannes, Joe, und die Universität, an der er arbeitete ; sogar ihr war sie bekannt, aus Zeitungen und Filmen. Sie überlegte, was für ein Leben der Mann wohl führte, und dachte an das Leben, das sie selber führte, und für einen Moment war sie traurig, dass sie keine Doktorarbeit schreiben und nicht mehr zu solchen Konferenzen reisen und damit auch nie wieder so höfliche, intelligente Männer aus dem Ausland treffen würde.

Sie hatte ihr Plakat zusammengerollt, es in die extra für die Konferenz gekaufte Transportrolle geschoben und sich die Rolle am Trageband über die Schulter gehängt. Dann sah sie den Mann zurück in den Raum kommen, er wirkte verloren ; als er sie entdeckte, schien er erfreut.

Sie hatte nie herausgefunden, ob Joe ihretwegen zurückgekommen war oder aus einem anderen Grund, und als er sie zum Mittagessen einlud, nahm sie gerne an.

 

Sie müsste das Thema wieder anschneiden, dachte Alina, als ein weiterer Versuch zwei Wochen zurücklag. Vielleicht würde es inzwischen gehen. Sie mussten es auf jeden Fall versuchen, ob es klappte oder nicht.

Doch als sie abends erneut daran dachte und der Moment günstig schien, lag das Mädchen bereits zwischen ihnen im Bett, träge auf dem Rücken, mit einer Zigarette in der Hand, und Joe legte sein Schachbuch weg und nahm die angebotene Zigarette entgegen. Das Mädchen schlug die Decke beiseite, stützte sich träge auf die Ellenbogen und ließ den Kopf nach hinten fallen, reckte sich Joe entgegen, bot sich ihm an.

Alina machte die Augen zu und versuchte zu schlafen, doch das Klacken des silbernen Armreifens, der im Rhythmus des Stöhnens gegen das Kopfende des Betts stieß, an dem das Mädchen sich festhielt, ließ sich nicht überhören. Dann wieder räkelte sich das Mädchen im Bett eines fremden Innenstadt-Apartments, über ihr kniend Joe, auf den Tischen lagen keine Kinderklamotten, sondern Architektur- und Designzeitschriften. Auf einem schmuddeligen Tankstellenklo hielt Joe den festen Hintern des Mädchens umfasst und presste sie an die Wand. Dieselbe Stellung im leeren Vorlesungssaal, als alle Kollegen nach Hause gegangen waren. In einem stickigen Hotelzimmer hockte das Mädchen mit wackelnden Brüsten auf Joe und bewegte sich genau so, wie Joe es sich immer von Alina gewünscht hatte, ohne es je zum Ausdruck zu bringen – wie eine Katze.

Manchmal erschien das Mädchen auch tagsüber, einmal kam sie direkt vom Frisör und trug ein Cocktailkleid mit Rückenausschnitt fast bis zum Steiß, der auch ein dezentes Tattoo auf ihrem Schulterblatt freigab. Alina kannte Tätowierungen zu dieser Zeit nur von Matrosen und Kriminellen. Das Mädchen setzte sich neben sie in den Sessel, Alina schaute sich gerade eine englische Krankenhausserie an, in der die Ärzte sich mehr um die schmachtenden Krankenschwestern als um die Patienten kümmerten, Samuel machte Mittagsschlaf. Das Mädchen sah erst zum Bildschirm, dann zu ihr. Gefällt dir das etwa ?, fragte ihr Blick auf eine gehässige Weise.

Alina wusste, was das Mädchen dachte.

Joe und ich haben so viele gemeinsame Themen, sagte ihre souveräne, siegesgewisse Körperhaltung. Ihr Blick und ihr ganzes Wesen verströmten die Gewissheit, dass die Sache längst entschieden sei. Die praktischen Regelungen schleppten nur wie immer den Gefühlen hinterher.

Alina spürte einen Stich im Herz.

Das Mädchen betrachtete sich längst als Joes wahre Gefährtin, als diejenige, die ihn von seiner kosmischen Einsamkeit erlöste. Das sah man an ihrer gelassenen Art, an ihrer selbstgewissen sexuellen Energie. Du begreifst anscheinend noch nicht, wie du im Vergleich mit mir abschneidest, hatten ihre gehobenen Brauen schon bei Alinas Besuch im Büro gesagt. Ich bin diejenige, mit der Joe über seine Interessen sprechen kann, hatte ihr abschätziger Gesichtsausdruck gesagt, die ihn herausfordern, mit der er sein Leben teilen kann. Deshalb will er nicht mehr weg aus Finnland, hatten ihre bebenden Wimpern gesagt, wie Alina jetzt im Nachhinein verstand.

Es geht ihm so gut mit mir.

Manchmal kam sie ganz ohne Schmuck und Make-up, manchmal spazierte sie im Zwanzigerjahrekleid und mit Schleierhütchen durchs Wohnzimmer, hielt eine Zigarettenspitze und rauchte Filterlose. Sie sah sich gründlich um, befingerte ihren Vorhangstoff und warf ihr einen gönnerhaften Blick zu : ganz okay – wenn man bedenkt, dass. Oder sie lächelte sie an wie ein Kind, das über seine eigenen Füße gestolpert war. Einmal empfing das Mädchen Alina schon im Flur, als sie mit schweren Einkaufstaschen und einem heulenden Samuel atemlos und verschwitzt nach Hause kam. Alina versuchte, so zu tun, als sähe sie das Mädchen nicht, trotzdem spürte sie die mitleidigen, verächtlichen Blicke. Einmal, Joe war auch zu Hause, kniete das Mädchen in nichts als halterlosen Strümpfen in ihrem Schlafzimmer. Als Alina reinkam, nahm sie weder den Zeigefinger von ihren leicht geöffneten Lippen noch korrigierte sie ihren lasziven Blick aus halb geöffneten, rauchig geschminkten Augen.

Wenn Alina nicht auf den Namen eines Politikers oder einer Künstlerin kam, stand das Mädchen neben ihr und blickte spöttisch. Wenn Alina zu einer wichtigen aktuellen Frage keine Meinung hatte, spürte sie den bohrenden Blick in ihrem Nacken. Wenn ihr mühsames, nuancenloses Englisch Joe ermüdete, wartete das Mädchen frisch und jugendlich auf seinen Einsatz, stand für komplexe akademische Gesprächsthemen mit einem flüssigen und humorvollen Englisch bereit, von dem eine stillende Mutter mit chronischem Schlafmangel nur träumen konnte. Wenn sie mit Joe eine Auseinandersetzung hatte, setzte sich das Mädchen mit an den Tisch, wenn Alina Joe beschimpfte, setzte sie sich auf Joes Schoß und tröstete ihn.

Das Mädchen hatte Alinas Diplomarbeit in einem staubigen Winkel der Fakultätsbibliothek gefunden und las Joe jeden Abend die dümmsten Stellen daraus vor. Sie lachten so sehr, dass das Mädchen sich die Tränen abwischen und Joe sich auf dem Fußboden liegend den Bauch halten musste.

Irgendwann begegnete Alina dem Mädchen auch außerhalb von zu Hause, einmal beim Spaziergang mit Samuel im Kinderwagen, sie saß mit einer lässig aussehenden, garantiert ebenfalls kinderlosen Freundin auf der Terrasse eines angesagten Restaurants. Ich sehe dich ja eher nicht als Blondine, du bist immer schon dieser dunkle Typ gewesen, aber warum nicht. Du, und dann hat der Typ gesagt … ich war so was von baff. Ach ja, am Samstag … da habe ich es auch nicht mehr hingeschafft, ich war total k. o.

Warum nur lauerte das Mädchen überall, warum ? Sie hätte alles getan, um sie loszuwerden, wirklich alles.

Das ist lächerlich, sagte Alina sich und schob den Kinderwagen entschlossen weiter, doch das Mädchen winkte ihr nach und lächelte breit, hinter ihren vollen Lippen strahlten perfekte Zähne. Ich bräuchte professionelle Hilfe, dachte Alina, eine Psychoanalyse, möglichst hart und lang. Soll ich dir auch eins mitbringen ?, hörte sie die Freundin des Mädchens fragen, endlich drehte sich das Mädchen weg.

Ja, gerne.

Das ist lächerlich.

 

Erst hatte sie in Italien noch gezögert. Lieber Nein sagen, jedenfalls am Anfang. Das hatte sie in Gedanken auch getan – zumindest so lange, bis die Kellnerin beim Abendessen, ihrer zweiten Verabredung, die Gläser wieder vollschenkte und fragte, ob sie einen Nachtisch wollten. Je länger sie im Restaurant saßen, desto schlechter konnte sie der schummrigen Beleuchtung, der Wirkung des Weins und Joes anerkennenden Blicken widerstehen.

Entgegen allem, was sie von sich selbst dachte, hatte sie sich ihm in ihrer Fantasie bereits im Taxi hingegeben. Und sie wusste genau, was sie tat, als sie ihn nach einem Calvados an der Hotelbar mit möglichst unschuldiger Stimme und klopfendem Herzen auf ein Getränk mit in ihr Zimmer bat.

Als sie am nächsten Tag Julia anrief und mit heißen Wangen von Joe erzählte und dass Weiteres für sie nicht infrage komme – erst wenige Stunden, nachdem sie im rotweingedimmten Morgenlicht überraschend selbstverständlich das Kondom auf Joes Penis abgerollt hatte –, erwiderte Julia, ja, in jedem Leben sollte es eine Urlaubs- oder Konferenzromanze geben.

Die nächsten und letzten zwei Nächte der Konferenz verbrachte sie in Joes Bett. Der September war in Italien so heiß, dass sie das Fenster offen lassen mussten ; das Zirpen der Grillen drang zart und fremd ins Zimmer. Morgens hastete sie über den weichen Teppich im Flur in ihr Zimmer hinüber, für den Fall, dass Wallenberg noch vor dem Frühstück bei ihr anklopfte.

Auf dem Rückflug fragte Wallenberg, ob Alina zufrieden sei mit ihrer Teilnahme an der Konferenz. Alina lief rot an, musste an das denken, was passiert war, und dass es ihr passiert war, dass sie diesmal nicht nur diejenige war, die es von anderen hörte.

Alina hatte nie vorher One-Night-Stands gehabt, trotzdem wusste sie, was von ihr erwartet wurde, und darauf war sie stolz : Sie machte die Geschichte nicht größer, als sie war, ließ die Sache auf sich beruhen und widerstand der Versuchung, Mängel in ihrem Leben mit irgendwelchen Projektionen zu füllen. Sie wusste, dass sie Joe nicht wiedersehen würde. Männer musste man ziehen lassen. Das war Teil des Spiels, das Männer so gern spielten.

Als Joe im Herbst ein verlängertes Wochenende in London vorschlug – er wollte zu einer Konferenz –, willigte sie ein. Schon wieder ?, hatte sie zuerst überrascht gefragt ; Joe hatte gelacht und das für einen frechen Witz gehalten, dabei war ihre Frage ernst gemeint gewesen.

Für die Reise nahm sie das Studiendarlehen in Anspruch, zum ersten und einzigen Mal ; zu ihrem eigenen Erstaunen zögerte sie mit dieser Entscheidung keine Sekunde. Anfangs wollte sie nicht einmal Julia, der sie sonst alles erzählte, in ihre Pläne einweihen, denn damit hätte sie offenbart, wie sie in ihrem Innersten tatsächlich war : absolut blauäugig, vielleicht sogar auch eine lüsterne Schlampe. Aber in Julias Stimme lag dann gar keine Missbilligung, im Gegenteil, alles, was Alina hörte, war freudige Überraschung, wie bei einer Mutter, deren überängstliches Kleinkind sich endlich traut, am Badestrand schon mal die Zehen ins Wasser zu tauchen. Sie dachte darüber nach, ob es tatsächlich schon immer möglich gewesen wäre, mit dem eigenen Leben zu machen, was man wollte, doch die Begeisterung, die dieser Gedanke freisetzte, führte auch schnell zu der Frage, ob Julia sie in all den Jahren ihrer Freundschaft für unsinnlich und verklemmt gehalten hatte.

In London begegnete Joe ihr ausgesprochen aufmerksam und warmherzig, Alina beneidete sich beinahe selbst ; eine Frau, die ohne um Erlaubnis zu fragen für vier Tage nach England reiste, um mit einem ihr nahezu fremden Amerikaner Sex zu haben. Die Intimität zwischen ihr und Joe war viel authentischer als die mit ihrem Exfreund Joni Hakalainen, dessen Wünsche für sie den Beigeschmack unbequemer Akrobatik gehabt hatten ; sie war sich ferngesteuert und unerotisch vorgekommen, hatte jeden unauthentischen Augenblick übergroß wahrgenommen. In London schien es auf einmal möglich, viele der Dinge, die Joni im Bett gewollt hatte, selbst zu initiieren, mit Joe fühlten sie sich nicht peinlich, sondern himmlisch an, und das bestärkte sie in ihrem Eindruck, dass sie ihr ganzes bisheriges Leben versehentlich auf einer seltsamen Nebenstrecke verlaufen war – und das auch noch in einem zu niedrigen Gang – statt auf der ihr bestimmten Hauptstraße.

Erst glaubte sie es nicht so richtig, als Joe von Finnland zu reden begann, doch als er kurz vor Weihnachten mit zwei großen Taschen durch die Automatiktür am Flughafen Helsinki-Vantaa spazierte und sie lange und besitzergreifend küsste, fühlte sich alles vollkommen klar und selbstverständlich an, als wüssten sie genau, was sie taten. Klar und selbstverständlich fühlten sich auch ihre langen Nachmittage im Dezember an, an denen vor den Fenstern ihrer dämmrigen Einzimmerwohnung der Schnee fiel und an denen Samuel entstanden sein musste. Als die Schwangerschaft bestätigt wurde, wunderte sie sich ; so leicht ging das ? Doch selbst wenn Joe und sie die Sache in diesen letzten Tagen des Jahres nicht bis ganz zu Ende gedacht hatten und wohl auch keiner von ihnen damit rechnete, dass wenige unvorsichtige Momente sofort zu diesem Ergebnis führten, so hatten sie es doch gemeinsam getan, in dem Glauben, dass es, falls es einträte, nun mal so sein sollte.

Der lange einsame Frühling nach Joes Abreise Anfang Januar machte Alina nichts aus. Neugierig beobachtete sie die Veränderungen ihres Körpers, ihrer Brüste, ihres Bauchs, der ihr gehörte und ihr trotzdem auf eine aufregende Weise fremd wurde. Nie zuvor war sie so körperlich, so strahlend in die Straßenbahn gestiegen : Seht mich an ! Dabei hatte sie sich bis dahin nie in den Vordergrund gespielt. Doch letztlich ging es auch jetzt nicht um sie, sondern um etwas Größeres ; es war, als würde ihr Körper eine allumfassende, bleibende Wahrheit verkünden.

Ein Großteil ihrer Zufriedenheit bestand in dem vorweggenommenen Gefühl der Erfüllung, in der Vorfreude auf einen herrlichen gemeinsamen Sommer, der Woche für Woche näher rückte. So konnte sie auch den vorsichtigen Fragen der Gynäkologin nach Alinas Partner und den sorgenvollen Blicken ihrer Bekannten auf ihren vaterlos wachsenden Bauch mit amüsierter Gelassenheit begegnen, denn sie wusste, wenn Joe im Sommer endgültig nach Finnland zog, würde sich alles finden, auf noch tollere Weise, als sie es sich hätte wünschen können, und zwar für immer.

 

Wie gern wäre sie an den Anfang zurückgekehrt. Sie hätte alles anders gemacht, wollte sämtliche Erinnerungen korrigieren : Italien und London, das Grillenzirpen, den Akzent der Spanierin, ihre eigene Präsentation, das Hotel am Piccadilly Circus, Joe und sogar sich selbst, alles, was zu diesem Anfang gehörte.

Diese wankenden, irrealen ersten Wochen und Monate, in denen sie schneller atmete und eine elektrisierende Ausgefülltheit verspürte – sie mochte nicht einmal mehr daran denken. Und wenn sie doch daran dachte, an das italienische Hotel im September und die Grillen, dann setzte kein Herzrasen mehr ein, sondern eine leichte Übelkeit, wie von Unterzuckerung.

Aber sie war diese Frau, die während einer Auslandsreise mit einem Fremden geschlafen, sich gleich am ersten Abend dargeboten und alles mitgemacht hatte, die, ohne jedes Sicherheitsversprechen, eine Fernbeziehung eingegangen war. Eine Beziehung, die nur beginnen konnte, weil eine andere Beziehung kaputtgemacht wurde.

So jemand war sie doch gar nicht.

Sie wollte die Dinge so ändern, dass sie ihr entsprachen, dass sie Joe entsprachen, dem, was sie waren : ein Ehepaar, Eltern eines kleinen Kindes. Vertrauenswürdige, verantwortungsbewusste Menschen mit Herz und Verstand.

Wenn sie nachts aufstand, um Samuel zu beruhigen, schaute sie zu dem schlafenden Joe auf der anderen Seite des Betts. Joe war doch gar nicht der Typ Mann, der so etwas tat, dachte sie, mit einer Frau ins Bett gehen, die er gerade erst getroffen hatte, und damit alles aufs Spiel setzen, die eigentliche Partnerin verraten, das ganze Leben für eine wildfremde Frau über den Haufen werfen. So einer war Joe doch nicht.

Doch, genau so einer war Joe.

Es war die Wahrheit : Genau das hatte Joe mit ihr getan, ohne dabei an seine Freundin zu denken, eine Amerikanerin, die Alina nicht kannte. Eine Frau namens Hannah, die sie grob beiseitegeschoben hatte, als sie im Hotelzimmer erschienen war und sich traurig und verletzt zwischen sie und Joe hatte legen, hatte schreien wollen : Wir sind verlobt, kapierst du das nicht, verlobt !, die Alina hatte an den Haaren ziehen wollen, aber Alina hatte dieser amerikanischen Freundin das Maul gestopft und sie zum Fenster rausgestoßen, und deshalb standen sie jetzt da, wo sie standen, als die Menschen, zu denen sie geworden waren. Lag deshalb dieses Mädchen aus der Fakultät auf Alinas Platz neben Joe im Bett, kaum dass sie aufstand und zu Samuel rüberging ? Alina musterte ihr Gesicht. Ohne Make-up sah sie weicher aus, sanfter.

Nachdem Alina Samuel zurück ins Bettchen gelegt hatte, schaute das Mädchen sie fragend an :

Hat der Kleine sich wieder beruhigt ?

Alina ignorierte sie. Sie wusste, wie das Mädchen tickte. Jeder war für sich selbst verantwortlich, so dachte diese Aleksandra. Und sie hatte sich bestens angepasst an das, was heutzutage von allen erwartet wurde. War zu einer jungen Frau geworden, die sich nahm, was sie kriegen konnte. Wenn sowieso auf nichts mehr Verlass war, musste man wenigstens Spaß haben. Was nicht weiter schwerfiel, jung und selbstbewusst und mit einem knackigen Hintern ausgestattet. Wenn man keine Kinder hatte, konnte man tun, was man wollte, mitten am Tag eine Erdbeer-Margarita trinken, einen extravaganten Haarschnitt tragen, sich den Mann einer anderen schnappen.

Alina zuckte zusammen, als das Mädchen sich aufrichtete, sie wütend ansah und den Kopf schüttelte. Sie verstand sofort, was das bedeutete : dass sie in Wirklichkeit absolut nichts über das Mädchen wusste. Ihre festen runden Brüste schimmerten milchweiß im Dämmerlicht. Alina verspürte einen Stich, doch gleich darauf meldete sich eine vorgezogene Schadenfreude : Wir sprechen uns wieder, wenn du stillst.

Aha, so also funktionieren Verbitterung und Missgunst, dachte sie als Nächstes und fühlte sich traurig und schuldbewusst.

Ich sehe, wer du bist, sagte sie dem Mädchen in Gedanken, ich erkenne das an dem, was du tust.

Das Mädchen hob die Augenbrauen, gab sich amüsiert. Ihre schwarzen Brauen waren sogar im Dunkeln gut zu sehen. Sie schüttelte den Kopf : Nie würde sie sich auf eine Beziehung mit einem gebundenen Mann einlassen, schon aus Prinzip nicht. Dann zeigte sie auf Alina : Und du auch nicht.

Das stimmte, dachte Alina und musste husten ; sie wollte nicht glauben, was sie getan hatte. Schon beim Gedanken an Italien und die Grillen glühten ihre Wangen.

Das Mädchen runzelte die Stirn und sah sie fragend an : Wo kommen wir hin, wenn wir Frauen nicht zusammenhalten, nicht aneinander denken ?

Die Wahrheit war : Alina hatte es gar nicht gewusst. Vor London hatte Joe seine Freundin mit keinem Wort erwähnt. Woran hätte sie es erkennen sollen ? An seiner Stimme, kam die Antwort prompt aus ihrem Inneren. An der kurzen Stille, die Joes Antwort vorausging, als sie ihn nach seinen früheren Beziehungen fragte. Außerdem erinnerte sie sich an die große Sicherheit in seinem Werben, ja, und auch das, an eine Souveränität, die sie als Selbstvertrauen hatte deuten wollen, die eine andere Frau aber sofort durchschaut hätte. Als sie später nachhakte, hatte er, als wäre dies ein unwichtiges Detail, in einem Nebensatz erwähnt, dass er liiert und in der Tat auch verlobt gewesen sei und die Beziehung erst nach London beendet habe.

Das ganze verlängerte Wochenende hindurch, bei allem, was sie im Hotel am Piccadilly Circus teilten, war eine Frau namens Hannah mit Joe verlobt gewesen.

Woher hätte sie wissen sollen, was richtig gewesen wäre ? Und wäre es richtig gewesen, sich zu versagen, was sie doch unbedingt wollte ?

Alina warf einen Blick auf Samuel. Er atmete leise schnaufend vor sich hin, friedlich. Auch sie fühlte sich auf einmal friedlich und gelassen, zum ersten Mal seit Langem.

Sie versetzte sich in das Mädchen hinein, überlegte, wie es wohl war, Joes Kollegin zu sein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Vielleicht interessierte sie sich gar nicht weiter für ihn ? Könnte das tatsächlich sein ?

Erst wollte sie diese Möglichkeit nicht zulassen, denn mit solch einer Offenheit schien sie dem Mädchen erst recht freie Hand zu geben, dabei fand ja ohnehin alles in ihrem Kopf statt. Doch zu ihrer Überraschung nickte das Mädchen ihr zu : Alina hatte recht. Das Mädchen interessierte sich nicht für Joe.

Alina sah ihr lange in die Augen. Dann legte sie sich neben sie und fühlte ihren Herzschlag ruhiger werden. Sie stellte fest, dass sich neben Erleichterung auch Enttäuschung in ihr regte. Offenbar wollte sie insgeheim doch, dass das Mädchen Joe begehrte. Ja, sie wollte, dass das Mädchen ihn begehrte – und nicht bekam. Am liebsten hätte Alina sie zur Versöhnung umarmt. Sie wusste, wie ihr Körper sich anfühlen würde, fest und warm, angenehm klein. In diesem Moment wünschte sie ihr das Allerbeste.

Endlich war sie bereit einzuschlafen und schloss die Augen. Noch ein paar Stunden, bis Samuel lautstark seinen ersten Brei einfordern würde. Sie glitt gerade ins tiefe, warme Dunkel, als ein Rascheln sie zurückriss und sie gleich wieder diese Enge im Hals spürte.

Sie machte die Augen auf. Joe und das Mädchen lagen dicht nebeneinander und flüsterten leise, wollten Alina nicht wecken. Nicht lange, und das Mädchen küsste Joes Ohr, Joe antwortete mit langen, sehnsüchtigen Küssen, wie er sie Alina am Flughafen gegeben hatte, und als Nächstes zog das Mädchen Joes Decke weg und küsste mit ihrem feuchten kleinen Mund seine Brust ab. Ganz langsam wanderte sie an seinem Körper hinunter, schob ihre zierlichen Mädchenhände in den Bund seiner Unterhose, Joe schloss die Augen und stöhnte, und Alina wusste, dass sie wieder die ganze Nacht wach liegen würde.

Jussi Valtonen

Über Jussi Valtonen

Biografie

Jussi Valtonen, geboren 1974, war viele Jahre Psychologe, bevor er anfing, Romane zu schreiben. Er hat Psychologie in den USA und Drehbuch in England studiert. „Die Schuldlosen“ ist sein viertes Buch und hat ihn in die erste Liga skandinavischer Autoren katapultiert. Er hat den wichtigsten...

Pressestimmen
Westfälische Rundschau

„Ein starker Roman.“

Ruhr Nachrichten

„Einen spannenden Gesellschaftsroman hat Jussi Valtonen mit ›Zwei Kontinente‹ geschrieben.(…) Der finnische Autor Valtonen erzählt die Geschichte mit vielen Rückblicken und versteht es, den Leser für seine ausführlich beschriebenen Figuren zu interessieren.“

SWR 2 „Buch der Woche“

„Jussi Valtonens Roman ›Zwei Kontinente‹ bietet eine spannende, persönliche, ergreifende Leseerfahrung. (…) Ein Roman, der gut lesbar und doch nicht zu leicht zu konsumieren ist. Ein Roman, der literarisch so viel bietet, wie der Stoff es verlangt.“

Frankfurter Allgemeine Woche

„›Zwei Kontinente‹ ist ein gnadenlos ehrlicher, brennend aktueller Statusbericht über unsere Art zu lieben, zu denken und zu versagen.“

Berliner Zeitung

„Es ist packend zu lesen, wie das Leben eines Mannes, der es in seiner Welt ganz nach oben geschafft hat, zerbröselt.“

Die Presse (A)

„Jussi Valtonens Roman ›Zwei Kontinente‹ liest sich spannend wie ein Krimi, er ist jedoch weit mehr als das.“

Aachener Zeitung

„Der Gesellschaftsroman des finnischen Autors Jussi Valtonen ist fesselnd und verstörend zugleich. Geschickt verwebt er reale Ereignisse des Zeitgeschehens mit fiktiven Erzählsträngen und Zukunftsvisionen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.“

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