Guillaume Néry:
Der Franzose hat bisher vier Weltrekorde aufgestellt und bringt es derzeit auf einen Tauchgang von 125 Metern. Er kann sieben bis acht Minuten die Luft anhalten. Berühmt wurde er außerdem durch spektakuläre Bilder und Filme – er ist einer der Protagonisten im Film „Attention – A Life in Extremes“.
William Trubridge:
15 Weltrekorde konnte der Neuseeländer bisher aufstellen, den letzten im Mai 2016, als er 124 Meter in die Tiefe tauchte. Er ist der erste dem es gelang, ohne jegliche Hilfsmittel 100 Meter Tiefe zu erreichen. Mehr Infos auf:
Herbert Nitsch:
Er ist der aktuelle Rekordhalter im Freitauchen und darf sich nach seinem 214 Meter tiefen Tauchgang „Tiefster Mann der Welt“ nennen. Während seiner Karriere hat er 33 Weltrekorde aufgestellt. Bei einem Versuch, seinen 214 Meter Tauchgang zu überbieten, erlitt er eine schwere Dekompressionskrankheit (Verletzungen durch Einwirkung von Überdruck beziehungsweise von zu schneller Druckentlastung.
Auf den ersten vielleicht zehn Metern unter Wasser gibt die luftgefüllte Lunge dem Körper Auftrieb, sodass man kräftig paddeln muss, um hinunterzukommen. Während man für den Druckausgleich Luft in die Gehörgänge bläst, hat man ein ähnliches Unwohlsein wie im Flugzeug beim Aufsteigen in größere Höhen – nur sehr viel stärker. Wenn man es nicht schafft, die Ohren völlig an den Druck anzupassen, zehrt der Schmerz an den Kräften, und wenn man nicht an die Oberfläche zurückkehrt, riskiert man eine Schädigung der Trommelfelle. Und man hat noch immer neunzig Meter vor sich.
Wenn man tiefer als zehn Meter absinkt, spürt man, wie sich der Druck auf den Körper verdoppelt und die Lunge schrumpft. Man fühlt sich plötzlich schwerelos. Der Körper gerät in einen Zustand, der als neutraler Auftrieb bezeichnet wird. Er schwebt im Wasser. Und dann passiert etwas Seltsames: Wenn man weitertaucht, beginnt das Meer einen hinabzuziehen. Man legt die Arme an den Körper wie ein Fallschirmspringer, entspannt sich und sinkt mühelos weiter hinab.Bei dreißig Metern vervierfacht sich der Druck.
Die Meeresoberfläche ist kaum zu sehen, aber man macht die Augen ja sowieso nicht auf. Sie sind seit dem Eintauchen geschlossen. Die Haut wird kalt, während man sich auf die größere Tiefe mit ihren Hausforderungen vorbereitet. Noch weiter unten, bei fünfzig Metern, gelangt man durch die Zunahme von Kohlendioxid und Stickstoff im Blut in eine Art Trance.Einen Moment lang kann man vergessen, wo man ist und warum. Bei fünfundsiebzig Metern ist der Druck so extrem, dass die Lunge auf Faustgröße schrumpft und das Herz nur noch halb so oft schlägt wie normal, um Sauerstoff zu sparen. Aufgezeichnet sind 14 Schläge pro Minute bei Freitauchern in dieser Tiefe; einige Freitaucher haben sogar von nur sieben Herzschlägen pro Minute berichtet.
Diese Berichte sind nicht von unabhängigen Ärzten oder Wissenschaftlern bestätigt worden, aber wenn sie richtig sind, ist das die niedrigste Herzfrequenz, die Menschen bei Bewusstsein je hatten. Nach Meinung von Physiologen kann ein so niedriger Herzschlag das Bewusstsein nicht aufrechterhalten. Und doch reicht er nach Aussage der Taucher ganz tief unten im Ozean irgendwie aus.
Bei neunzig bis hundert Metern setzt der Tauchreflex richtig ein. Die Wände der Organe und Blutgefäße, die wie Druckventile arbeiten, lassen den freien Zustrom von Blut und Wasser in die Brusthöhle zu. Die Brust schrumpft auf etwa die Hälfte der normalen Größe. Während eines No-Limit-Tauchgangs im Jahr 1996 schrumpfte der Brustumfang des kubanischen Freitauchers Francisco Ferreras-Rodriguez von 127 Zentimetern an der Oberfläche bis auf 50 Zentimeter, als er seine Zieltiefe von 133 Metern erreichte.
Die Stickstoff-Narkose, der sogenannte Tiefenrausch, ist in einer Tiefe von hundert Metern so stark, dass man vergisst, wo man ist, was man tut und warum man hier im Dunkeln herumtastet. Oft kommt es zu Halluzinationen.
Eine Taucherin erzählte mir, sie habe bei einem sehr tiefen Tauchgang vergessen, dass sie unter Wasser war. Stattdessen fiel ihr seltsamerweise plötzlich ihr Hund ein. Sie sah sich selbst in einem dunklen Park nach ihm suchen. Als sie wieder zurück an der Oberfläche war und der Nebel des Tiefenrauschs sich verlor, wusste sie wieder, dass sie gar keinen Hund besaß. Der Tiefenrausch wirkt sich nicht nur auf das Gehirn, sondern auf den ganzen Körper aus. Man verliert die Kontrolle über die Motorik. Alles um einen herum scheint langsamer abzulaufen. Dann kommt der wirklich harte Teil. Die Taucheruhr piept und meldet damit, dass man die Zieltiefe und den Grundteller am Ende des Seils erreicht hat.
Man öffnet die Augen, zwingt die halb gelähmte Hand, eine Marke vom Grundteller zu reißen, und macht sich an den Aufstieg. Jetzt arbeitet die Masse des Meeres gegen einen, und man muss seine mageren Energiereserven nutzen, um Richtung Oberfläche zu schwimmen.
Wenn man in dieser Phase die Konzentration verliert, hustet oder auch nur ein bisschen zögert, kann man das Bewusstsein verlieren. Aber man zögert nicht und wird auch nicht langsamer. Man eilt mit starken Beinschlägen dem Licht entgegen. Während man auf sechzig, fünfzig, dreißig Meter aufsteigt, kehrt der Tauchreflex langsam seine Wirkung um: Das Herz schlägt schneller, und das Blut, das in die Brusthöhle geströmt ist, fließt jetzt in die Venen, Arterien und Organe zurück. Die Lunge schmerzt mit dem fast unerträglichen Drang zu atmen; die Sehkraft schwindet; die Brust verkrampft sich durch die Anreicherung von Kohlendioxid. Man muss sich beeilen, oder man wird ohnmächtig. Oben verwandelt sich der blaue Nebel in eine Ahnung von Sonnenlicht.
Das Ziel ist nahe. Die Luft in der Lunge dehnt sich jetzt schnell aus, und der Körper versucht verzweifelt, Sauerstoff aus der Lunge zu holen und in das Blut einzuspeisen. Aber da ist kein Sauerstoff mehr. Der Körper wird buchstäblich nach innen gesaugt. Wenn dieses Vakuum zu stark wird, kommt es zu einem Blackout. Man kann etwa zwei Minuten ohnmächtig unter Wasser bleiben. Am Ende der zwei Minuten wacht der Körper von selbst noch einmal auf und atmet ein letztes Mal, bevor er stirbt.
Wenn man bis dahin gerettet und an die Wasseroberfläche geholt worden ist, atmet man die so dringend nötige Luft ein und überlebt mit großer Wahrscheinlichkeit. Wenn man noch unter Wasser ist, füllt sich die Lunge mit Wasser und man ertrinkt. 95 Prozent aller Blackouts passieren auf den letzten fünf Metern, gewöhnlich als Folge dieses Vakuums. Doch das wird dir selbst nicht passieren. Du weißt Bescheid, du weißt, wie du die meiste Luft ausatmen musst, wenn du bis auf etwa drei bis vier Meter gestiegen bist.
Etwa drei Minuten, nachdem du mit dem Abstieg begonnen hat, streckst du deinen Kopf aus dem Wasser; die Welt dreht sich; die Leute brüllen dich an, dass du atmen sollst. Du nimmt die Taucherbrille ab, machst das Okay-Zeichen und sagst. „I’m okay“.
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