„Mir gefällt die Haltung am besten, der Humor, das Kämpferische, das Menschliche, ...“
Der Ruhrpott: Das ist mehr als Schalke, Pilsbier und Grugapark. Gerhard Spörl erzählt die Geschichte des Ruhrgebiets seit 1945 als einen faszinierenden Veränderungsprozess, der noch lange andauern wird. Es ist eine Annäherung auf vielen Pfaden.
Der Autor und Journalist hat mit Politikern in Düsseldorf und Berlin gesprochen, mit Sozialdemokraten wie Christdemokraten; mit professionellen Geschichtenerzählern wie dem Regisseur Adolf Winkelmann und dem Schriftsteller Frank Goosen; mit Managern aus Energieunternehmen und normalen Zeitgenossen, die irgendwann ins Ruhrgebiet kamen und hier hängen blieben; mit Professoren, Bürgermeistern, Arbeitsvermittlern, mit dem Geschäftsführer von Borussia Dortmund und mit Werbefachleuten und Parteiberatern.
Er zeichnet so einen neuen Blick auf den radikalen Strukturwandel, den das Ruhrgebiet erlebt. Im Interview gibt er Einblicke zu seinen Erfahrungen im Pott.
Die ersten Worte in Ihrem Buch über das Ruhrgebiet lauten: „Mein Ruhrgebiet“. Ist das eine Liebeserklärung?
Mein Ruhrgebiet ist es geworden, weil ich für das Buch viel unterwegs war und mit interessanten Menschen sprechen konnte. So ist mir die Region ans Herz gewachsen, was ich gar nicht erwartet hatte. Wenn ich in Dortmund aus dem Zug steige und das U sehe, oder die Rolltreppe zur Zeche Zollverein hochfahre, fühle ich mich wohl.
Wenn vom Revier die Rede ist, denken viele an Kohle, an Schwerstarbeit und einen blauen Himmel, der nie zu sehen ist. Sie entdecken ganz andere Narrative. Welches beschreibt Ihrer Meinung nach das Ruhrgebiet am besten?
Mir gefällt die Haltung am besten, die sich in Adolf Winkelmanns Filmen und Frank Goosens Büchern spiegeln: der Humor, das Kämpferische, das Menschliche, der Pragmatismus, das große Trotzdem, weil ja das alte Ruhrgebiet aus Kohle und Stahl erst das neue Ruhrgebiet hervorbringen muss. Das ist ein Prozess, der verspätet in den 1960ern Jahren begann, wofür das Ruhrgebiet wenig konnte, und der immer noch andauert.
In Ihrem Buch geht es um eine Welt, die sich Veränderungen stellen muss. Hat das Ruhrgebiet ein Geheimrezept dafür?
Ich finde es interessant, dass zum Beispiel chinesische Delegationen ins Ruhrgebiet reisen. Sie wollen wissen, wie aus dieser reinen Arbeitsgesellschaft ohne große Verwerfungen eine Bildungs- und Dienstleistungsgesellschaft geworden ist – ohne Aufstände, Aufruhr, ohne Tote und jahrelange Streiks. Die Antwort ist: Weil der Staat durch jahrzehntelange Subventionen Verantwortung für den ökonomischen und sozialen Wandel im Ruhrgebiet übernahm.
Mit dem Ausstieg aus der Steinkohle geht eine Ära zu Ende. Der Weg dahin liest sich bei Ihnen wie ein Krimi. Hat Sie dieser Krimi verblüfft?
Ja, die Verhandlungen zwischen Bundesregierung, Landesregierung, der Gewerkschaft und der RAG, vertreten vor allem durch Werner Müller, waren in jeder Hinsicht dramatisch: politisch, ökonomisch, aber auch menschlich. So ist das immer, wenn viel auf dem Spiel steht und viele mitreden. Was mich fasziniert hat, war der Prozess zwischen 2003 und 2007, in dem eine Idee allmählich reifte, bis alle Beteiligten einsahen, so geht es, es ist zwar riskant, aber Besseres fällt uns nicht ein.
Werden Sie dabei sein, wenn Prosper-Haniel am 31. Dezember 2018 geschlossen wird?
Nichts hat mich mehr beeindruckt, als in Prosper Haniel einzufahren, 1200 Meter unter der Erde herumzulaufen und aus der Nähe zu sehen, wie der Kohlehobel rasend schnell die Kohle aus dem Gestein schneidet. Das ist wie ein Raumschiff unter Tage. Deshalb wäre ich gerne beim Abschied von 200 Jahren deutscher Industriegeschichte dabei.
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