Vorwort
Dieses Buch ist einzigartig. Es handelt von den vernachlässigten 50 Prozent aller Menschen, von der Minderheit der leisen Menschen.
Ich habe die Autorin dieses Buches, Sylvia Löhken, in einer Vereinigung kennengelernt, in der es zum Berufsbild gehört, „laut“ über sich selbst zu reden. Nach drei Tagen lautstarker Konferenz der German Speakers Association traf ich Sylvia am Ausgang. Ich war vollkommen geschafft. Nicht nur durch die „Überstimulation“ – wie ich jetzt weiß –, sondern von der Übermacht der „Extros“ auf einem Fleck. Meine Energie war nahe dem Nullpunkt. Sylvia verstand mich sofort, und ein, zwei Sätze von ihr genügten, mir das Gefühl zu geben, ich sei nicht allein in dieser weiten, egobesessenen Extro-Welt.
Natürlich weiß ich schon seit Langem, dass ich eher zur introvertierten Spezies gehöre. Als Zen-Meditationslehrerin sind das Leise, die Stille und die innere Kraft mein Metier. Was für mich jedoch neu war, ist, wie weitreichend mein gesamtes Verhalten vom Typus des leisen Menschen geprägt ist. Leise Menschen denken anders, handeln anders und werden von „Extros“ häufig unterschätzt, obwohl sie solide und intelligente, aber „leise“ Arbeit leisten.
Die Fachliteratur der Selbsthilfebücher ist in unserer Kultur – angeführt von US-Autoren – jedoch ganz auf den Typus des erfolgreichen sich selbst behauptenden Extrovertierten ausgerichtet. Auf Extros, wie Sylvia Löhken sie nennt, die sich durchsetzen können, Selbst-PR-Spezialisten sind und gerne den Mund aufmachen. Solche Bücher nützen dem introvertierten Kommunikator ungefähr so viel, als ob ein Adler von Enten Unterricht im Schwimmen bekäme. Er wird niemals gut schwimmen lernen. In der Luft wäre der Adler der König, vorausgesetzt, er besinnt sich auf seine Stärke, das Fliegen. Genauso wenig profitieren leise Menschen von der Mehrzahl der Bücher über Kommunikation. Sie brauchen z. B. keine ellenlangen Kapitel darüber, wie notwendig es sei, Menschen zuzuhören. Im Gegenteil: Sie hören gut zu, wundern sich aber, dass ihnen nicht zugehört wird.
Hier hilft dieses Buch enorm. Es geht von den Stärken der leisen Menschen aus und gibt Tipps, sie richtig einzusetzen. Leise Menschen haben z. B. bei Verhandlungen sehr gute Karten, nur die meisten wissen nicht, wie und wann sie sie ausspielen können. Wie gehen leise Menschen an Meetings heran, wo das Gesetz des Lauten herrscht? Oder auch – wichtig für Führungskräfte und Teamleiter: Wie können Methoden wie Brainstorming an die Bedürfnisse der leisen Menschen angepasst werden, sodass das ganze Team doppelt von den Ideen der Anwesenden profitieren kann?
Dieses Buch ist nicht nur für die eine Hälfte der Menschheit geschrieben. Es ist auch für die Kolleginnen, Partner, Mütter, Väter und Vorgesetzten von leisen Menschen geschrieben. Zum Beispiel: Wie gehen Sie mit Ihrer leisen Partnerin um? Warum tickt sie anders, braucht Zeit nachzudenken, will nicht dauernd reden, hat ein großes Bedürfnis nach Alleinsein?
Sylvia Löhkens Buch gehört auf die ersten Plätze der Bestsellerlisten. Das wäre ein schönes lautes Zeichen für ein leises Buch.
Dr. Fleur Sakura Wöss
Leiterin des Daishin Zen-Meditationszentrums Wien,
Vortrags-Coach und Autorin
Einleitung
Extros und Intros: zwei Welten in einer
Ich heiße Sylvia Löhken. Ich bin eine introvertierte Kommunikatorin. Das ist vielleicht ungewohnt: Introvertiert – das klingt nach dem Nerd, der sich tagelang mit dem Computer verbarrikadiert und unrasiert bestellte Pizzas auf die Tastatur krümelt. Doch dieser Nerd ist nur ein (klischeehafter) Typus leiser Menschen. Es gibt viele von uns. Ich habe gern mit Menschen zu tun – sie sind mein Beruf und meine Berufung. Und dennoch brauche ich nach einem Tag voller Trubel und Begegnungen Zeit zum Alleinsein, um meine Batterien aufzuladen. Unabhängig von meiner Liebe zu dem, was ich tue, kann ich meine Energie nicht wie meine extrovertierten Kollegen aus der so lebendigen und spannenden Arbeit mit Seminarteilnehmern, Zuhörern und Coachees beziehen. Warum aber ist das Intro-Dasein ein Thema für ein Kommunikationsbuch? Das musste ich selbst auch erst herausfinden. Es begann wie folgt:
Für meinen Beruf sind Weiterbildungen eine Selbstverständlichkeit. Doch irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Kommunikationstrainings. Und dies nicht wegen des Inhalts: Das, was zwischen Menschen passiert, gehört zu den Dingen, die mich am meisten interessieren. Nein, ich fremdelte mit den Trainerinnen und Trainern – mit meinen eigenen Kollegen. Sie kamen mir oft zu laut und zu oberflächlich vor, und mir war klar: Das war erst einmal mein Problem. Also begann ich nachzudenken. (Introvertierte Personen denken gern und ständig nach.) Was konkret störte mich an meinen Kolleginnen und Kollegen? Die Menschen, die vorn standen, waren nicht besser oder schlechter als ich, wenn ich vorn stehe. Sie waren allerdings anders – auf eine Weise anders, dass ihr Verhalten oft an meinen Bedürfnissen vorbeiging. Viele etikettierten sich selbst als Elite: „Nummer 1“, „führend“, „Top-Wasauchimmer“ – das fand und finde ich dick aufgetragen. In den Weiterbildungen selbst bekam ich oft Hinweise, die mir mein Anderssein bestätigten. Meine Bewegungen: ausladender, bitte! Mein Redestil: offensiver, bitte! Meine Vermittlung der Inhalte: mit mehr Energieeinsatz, bitte!
All dies stimmte mich unbehaglich. Weder große, ausladende Gesten noch offensive Verhandlungen noch Powerbekundungen im Vortrag hatte ich bisher mit meinem persönlichen Stil in Verbindung gebracht. Und bisher hatte mir das nicht geschadet. Im Gegenteil: Die „leisen“ Klienten und Seminarteilnehmer (die mit den ruhigen, zurückgenommenen Bewegungen, dem kooperativen Stil und den weniger offensichtlichen Gefühlswelten) mochten meine Angebote sehr. Und ich sie: Meine Kunden waren meist sehr besonnen und logisch denkend. „Aha! Sie mögen die ruhigen Blauhirne!“, sagte mir mein (sehr extrovertierter) Coach, als ich ihr meine Lieblingskunden beschrieb. Sie hatte recht. Nach meinen eigenen Erfahrungen als Seminarteilnehmerin genoss ich die intensive Arbeit mit Menschen, die ähnlich tickten wie ich. Dabei erkannte ich: Für meine Lieblingskunden und mich gab es keine Kommunikationstrainings – also Trainings, die speziell auf die Stärken und die Bedürfnisse leiser Menschen zugeschnitten sind.
Mit dem Buch, das Sie gerade lesen, will ich diese große Lücke schließen helfen – zusammen mit Seminaren, Vorträgen und Coachings, die auf introvertierte Persönlichkeiten zugeschnitten sind.
Gute Kommunikation hat, das war (und ist) mein Ausgangspunkt, etwas mit Identität zu tun. Erst wenn ich mich selbst kenne und mit mir selbst gut umgehen kann, kann ich auch mit anderen erfolgreich umgehen: im Vortrag, beim Verhandeln, beim Netzwerken und auch im Privatleben. Was aber macht einen leisen Menschen aus? Da es ja für uns ganz normale (also weder schüchterne noch hochsensible) „Leise“ nichts gab, packte ich mich an die eigene Nase und analysierte meine Kommunikationsgewohnheiten. Fündig wurde ich vor allem in der englischsprachigen Ratgeberliteratur und in der Psychologie. Außerdem schaute ich nun mit einem ganz speziellen Erkenntnisinteresse auf meine Kunden.
Das Ergebnis war spannend: Ich entdeckte zwei Bündel an Eigenschaften, die introvertierte Menschen in die Kommunikation mitbringen, sauber einteilbar in Stärken und Hürden. Nicht alle leisen Menschen haben all diese Eigenschaften – aber viele leise Menschen haben viele dieser Eigenschaften. Damit lässt sich arbeiten!
Wobei Stärken klare Vorteile sind, aber Hürden auf ihre Weise auch – denn wenn ich meine eigenen Hürden kenne, dann kenne ich meine Bedürfnisse besser als jemand, der sich um seine schwachen Seiten nicht kümmert. So hielt ich mich beispielsweise lange Zeit für unsozial, wenn ich während der Zeit, die ich mit Familie oder Freunden verbrachte, plötzlich das Bedürfnis verspürte, mich zurückzuziehen. Jetzt weiß ich: Der Rückzug ist ein ganz logisches Bedürfnis, das mir bei Erschöpfung hilft, meine Energie zurückzubekommen. Schwäche würde ich das nicht nennen – ebenso wenig wie ein extrovertierter Mensch schwach ist, weil er stärker als ein Intro auf die Rückbestätigung seiner Umgebung angewiesen ist.
Hiermit lade ich Sie herzlich ein: Lernen Sie Ihre Stärken und Ihre Hürden kennen. Begrüßen Sie beide als gute Freunde, die Sie im Leben begleiten. Dann können Sie eine Situation viel leichter so beeinflussen, dass sie für Sie „passt“ und Ihnen eine gelungene Kommunikation ermöglicht.
Dabei eignen sich zwei Fragen besonders gut für die verschiedenen Arten des menschlichen Miteinanders:
1. Welche Stärken kann gerade ein leiser Mensch in dieser Situation nutzen?
2. Worauf sollte gerade ein leiser Mensch in dieser Situation achten?
In diesem Buch finden Sie die Antworten, die ich auf diese Fragen gefunden habe, und zwar so aufbereitet, dass Sie sie für Ihr eigenes Leben nutzen können.
Kommentare
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