7 Fragen zum Minimalismus
Wie sammle ich mehr Erfahrungen als Dinge?
Komme ich mit weniger Konsum aus?
Muss jemand für meinen Konsum leiden?
Komme ich mit weniger Geld aus?
Muss ich wirklich so viel arbeiten?
Was könnte ich sonst mit meiner Zeit machen?
Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein?
Weniger ist oft mehr
Von der Shoppingqueen zur reisenden Minimalistin: Seit fast fünf Jahren lebt Katharina Finke aus dem Koffer. Mit jeder Reise wurde ihr dabei klarer, dass sie zum Leben nicht viel braucht. Zunehmend setzte sie sich mit Nachhaltigkeitsthemen und Materialismus auseinander.
Dabei hat sie erkannt, wie wichtig es ist, manchmal loszulassen: nicht nur Besitz, sondern auch festgefahrene Meinungen – und sogar Menschen.
Im Interview erzählt sie, wie sie sich den Herausforderungen ihres freien, minimalistischen Lebensstils stellte. Wie sie den Mut aufbrachte, sich auf Fremdes einzulassen, ihren Impulsen zu trauen und ihre Ängste zu erforschen. Ihr Ansatz zum Konsumverzicht beeindruckt und inspiriert, sein eigenes Leben zu entrümpeln und Ballast abzuwerfen.
Konsumverzicht als Lebensstil
Fast alles, was ich besitze, passt in zwei Koffer. Bis auf wenige Ausnahmen sind dies Dinge, die ich wirklich brauche: zwei Mäntel, zwei Jacken und zwei Blazer; drei Jeans, zwei Stoffhosen, acht Röcke und zwei Dutzend Kleider; ein Paar robuste Schuhe für den Winter, zwei mit Absätzen, zwei leichtere für den Sommer, Sandalen und Sportschuhe; Socken, Strumpfhosen, Unterwäsche, Sportklamotten; ein Bikini, eine Sonnenbrille, zwei Gürtel, eine Mütze und ein paar Schals; Haarbürste, Zahnbürste, eine Handvoll Kosmetikprodukte sowie Schmuck; ein Fön, zwei Handtücher, ein Schlafsack und ein Bügeleisen, alles in der Reisevariante; außerdem Strickjacken und Pullis, Kurz- und Langarmshirts sowie ein paar Blusen und Tunikas; zwei große und eine kleine Handtasche, ein Geldbeutel, ein Rucksack und ein paar Jutebeutel; zwei Reisepässe; ein Thermobecher, ein Korkbehälter für Salz; Notizbuch, Recherche- und Finanzunterlagen, ein paar Stifte, Kopfhörer und eine Schlafbrille; Adapter für Smartphone, Kamera und Laptop, auf dem sich auch meine digitale Bücher- und Musiksammlung befindet; dazu noch ein paar gedruckte Bücher, die ich nach dem Lesen wieder gegen neue tausche.
Das einzige Stück, das nicht in mein Reisegepäck passt, ist mein Rennrad. Alles andere, selbst mein Kung-Fu-Schwert und die Kung-Fu-Schuhe sowie eine bunte Decke aus Bali kann ich in einer Tasche und einem Koffer verstauen, wenn ich unterwegs bin.
Des Weiteren besitze ich einen Koffer und einen Umzugskarton mit Erinnerungsstücken, die ich bei meinen Eltern untergestellt habe. Darin: ein Tennisschläger, antikes Geschirr und Fotos. Eine Wohnung habe ich nicht. Genauso wenig wie Möbel oder ein Auto. Und das alles ist kein Experiment oder eine Übergangslösung. Es ist mein Alltag seit fast fünf Jahren.
Das Komische ist: Jetzt, wo ich aufschreibe, was ich alles besitze, kommt es mir vor, als wäre es viel. Dabei ist es nur ein Bruchteil dessen, was die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt besitzt: 10.000 Gegenstände nennt beispielsweise jeder Deutsche laut einer Statistik sein Eigen. Tendenz steigend. (aus „Loslassen. Wie ich die Welt entdeckte und verzichten lernte“ von Katharina Finke)
Katharina Finke im Interview
Wo erreichen wir dich gerade?
In Berlin, ich bin gerade von einer dreimonatigen Asien-Reise (Bangladesch, Indien, Myanmar und Thailand) zurückgekehrt.
Wie lebt es sich ohne eigenes Bett?
Sehr gut. Ich kann eigentlich überall schlafen. Manchmal reichen mir auch eine Isomatte, Ausklappsessel oder der Schlafwagen im Zug. Mir ist es nicht wichtig, dass die Möbel, die mich umgeben, mir gehören. Ich fühle mich schnell irgendwo wohl.
Dein ganzes Leben passt in zwei Taschen – worauf würdest du niemals verzichten wollen?
Den Ring, den mir meine verstorbene Großmutter vererbt hat, Fotos, die mein Freund gemacht hat, und die Erfahrungen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Außerdem bin ich sehr dankbar für meine deutschen Pässe, da sie mir ermöglichen, fast überall auf der Welt hinzureisen.
Dein Soundtrack für unterwegs?
Eine Mischung aus Soul/Jazz, entspannender und tanzbarer Musik. Sehr gern lass ich mich von der Musik der Destinationen, die ich bereise, inspirieren.
Dein liebstes Buch für unterwegs?
Ich lese selten Bücher zwei Mal, da ich sie nach dem Lesen nicht behalte, sondern verschenke. Ich lese gern abwechselnd auf Englisch und Deutsch. Als ich jüngst unterwegs war, habe ich folgende Bücher gelesen: „The Vegetarian“ (Han Kang) und „Und das ist erst der Anfang“ (Anja Reschke).
Dein Lieblingsort?
Den gibt es nicht. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich draußen in der Natur sein und Ruhe finden kann und auch wenn mich Menschen umgeben, die ich liebe. In Bezug auf reale Orte mag ich New York, Berlin und Portugal gern. Aber auch Neuseeland, Indonesien, viele Orte in Europa. Es fällt mir schwer, mich da festzulegen.
Dein Tipp für alle, die sich in Verzicht üben wollen?
Nichts überstürzen. Sich erst überlegen, welcher Lebensbereich sich am besten für einen selbst eignet, um Verzicht zu üben. Sich darüber bewusst werden und schrittweise verzichten lernen. Wenn das gelungen ist, einen anderen Lebensbereich dazu nehmen. Wichtig beim Verzicht ist das Bewusstsein und die Nachhaltigkeit, weswegen ein allmählicher Prozess meiner Meinung nach besser ist als Radikalität.
10 Tipps zum Loslassen
- Ehrlich zu sich selbst sein, auf seine Intuition hören und sich selbst vertrauen. Denn es bringt nichts, sich zu irgendetwas zu zwingen.
- Nicht versuchen, die Erwartungen anderer zu erfüllen.
- Eigene Ansprüche runterschrauben bzw. mit weniger zufrieden sein.
- Achtsamkeit und Bewusstsein schulen und sich überlegen, was wirklich wichtig ist (für sich selbst und die Welt).
- Sich Stück für Stück seinen Ängsten stellen und mehr Mut haben.
- Zweifel zulassen, aber den Tatendrang durch sie nicht bremsen lassen.
- Trotzdem nichts überstürzen und Schritt für Schritt loslassen. Dies als Prozess sehen und auf Radikalität verzichten.
- Sich für das Loslassen erst einen Lebensbereich raussuchen und dann beobachten, ob es einem gut damit geht. Wenn ja, einen weiteren hinzunehmen, wenn man bereit dazu ist. Und immer so weiter.
- Menschlich bleiben, Spaß haben und das Leben genießen! Selbstkasteiung ist nicht die Lösung und „perfekt“ gibt es sowieso nicht.
- Den neugewonnenen Raum und die Zeit nutzen, um neue Erfahrungen zu machen. Denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass uns das glücklicher macht als uns mit Materiellem zu beschäftigen.
Foto Bühne: David Weyand
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