Fußballkenner Ronald Reng
Ronald Reng lebte viele Jahre als Sportreporter und Schriftsteller in Barcelona. Seine Biografie über Robert Enke stand zehn Wochen unter den Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste, sein Buch „Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ erhielt den „NDR Kultur Sachbuchpreis“ und wurde als „Fußballbuch des Jahres 2013“ ausgezeichnet ebenso wie 2016 „Mroskos Talente. Das erstaunliche Leben eines Bundesliga-Scouts“. Zuletzt erschien von ihm „Der große Traum“, eine neunjährige Langzeitstudie über drei Fußballtalente und „Fußballbuch des Jahres“ 2022.
Das Buch zur Fußball WM 1974
Deutschland gegen Deutschland – Für 90 Minuten vereint
Ronald Rengs neues Buch beschäftigt sich mit dem geschichtsträchtigen Fußballspiel zwischen der BRD und der DDR während der WM 74.
Wie es der WM Spielplan 1974 wollte, fand am 22. Juni 1974 in Hamburg die einzige Partie der Geschichte zwischen der Bundesrepublik und der DDR statt. Der Tag des Fußballspiels zwischen der DDR und der Bundesrepublik gehört in die Zeit, in der das vermeintlich Unnatürliche Normalität geworden ist: Deutschland ist in zwei Hälften geteilt. Niemand kann sich 1974 eine andere Realität vorstellen. Deutschland ist geteilt, und das würde in der Lebenszeit aller Deutschen auch so bleiben.
Vor diesem Hintergrund traten sich die Mannschaften an einem Samstag im Juni in Hamburg gegenüber. Doch wie bereiteten sich die beiden verfeindeten Staaten auf diesen Tag vor? Wie erlebten Politiker, Spieler und Zeitgenossen diesen Samstag, und welche Bedeutung schrieb man dem Ausgang des Spiels beiderseits der Mauer später zu? Geht es dabei überhaupt um Fußball? Oder anders: Worum geht es eigentlich bei dieser einzigartigen Partie in einer besonderen Epoche deutscher Geschichte?
Basierend auf zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen und ausführlicher Recherche lässt Ronald Reng diesen einzigartigen alltagsgeschichtlichen Moment lebendig werden und illustriert das Damals ebenso wie unser gesamtdeutsches Bewusstsein heute.
Dass ein Fußballspiel als zeitgeschichtliche Klammer für eine ganze Epoche taugt, wäre Historikern in jenen Siebzigerjahren wohl frevelhaft erschienen. Damals war ein Fußballspiel einfach nur ein Fußballspiel. Dass es viel mehr war, davon erzählt dieses außergewöhnliche Buch. Es macht die WM Fußball 1974 zu einem magischen, universalen Moment in der deutsch-deutschen Geschichte.
Fußball WM 1974
Ronald Reng führt uns an jenem Tag vor genau 50 Jahren zu einem RAF-Terroristen ins Gefängnis nach Zweibrücken, der erstmals seine ganze Geschichte erzählt, und er bringt uns ans Deutsche Theater Ost-Berlin, wo an jenem 22. Juni 1974 ein Stück gegeben wird, das in der DDR die pure Sensation ist, „Die neuen Leiden des jungen W.“ In langjähriger intensiver Recherche hat Ronald Reng eine Vielzahl außergewöhnlicher deutsch-deutscher Lebensgeschichten entdeckt, die alle mit jenem Spiel am 22. Juni 1974 verbunden sind und die uns vor Augen führen, wie sich das zweigeteilte Deutschland vor 50 Jahren anfühlte und funktionierte. Als Willy Brandt nach seiner Entspannungspolitik über einen DDR-Spion stürzte, als Erich Honecker nervös wurde, die neue Offenheit, die er selbst propagiert hatte, könne zu weit gehen. Als Kinder stundenlang unbeaufsichtigt durch Wälder und Straßen streiften (selbst wenn sie der Sohn des Bundeskanzlers waren), als ein paar Jugendliche in Jena nur ihre Musik hören, ihre Gedichte veröffentlichen wollten und sich unversehens in der Rolle von Dissidenten in der DDR wiederfanden.
In langen Zeitzeugengesprächen und Archivrecherchen mit exklusivem Zugang zu Polizei- und Stasiunterlagen holt Ronald Reng eine der faszinierendsten Epochen deutscher Zeitgeschichte zurück. Die Siebziger. Eine Zeit, als alle glaubten, die Teilung in zwei Staaten sei, zumindest in ihrer Lebenszeit, in Stein gemeißelt. Es geht in diesem Buch um die große Geschichte und die kleinen Dinge des Alltags, es geht um den jüngsten Sohn des Bundeskanzlers, Matthias Brandt, genauso wie um eine Frau, die in Hamburg Lokalpolitik macht und noch nicht weiß, dass sie einmal eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen des Landes werden wird, oder um eine Schauspielerin aus Ost-Berlin, die Star ist in einem Staat, in dem alle gleich sein sollen – und es geht darum, wie das alles zusammenhängt.
Um Fußball geht es natürlich auch in dem Buch. Wenn sich das einzige deutsch-deutschen Länderspiel der Geschichte während der WM 1974 am 22. Juni dieses Jahres zum 50sten Mal jährt, wird es inmitten der Europameisterschaft 2024 eine große mediale Aufmerksamkeit erfahren – aber mehr Details, mehr Enthüllungen und zurechtgerückte Mythen um einen Elfmeter, um Gerd Netzer, Wolfgang Overath, Jürgen Sparwasser, Gert Kische und all die anderen Helden werden sich nirgendwo finden.
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Teilnahmeschluss ist der 15.07.2024
Ronald Reng über sein neues Buch
Wer im Buch zu Wort kommt – ein Personenregister
Fußballspieler der bundesdeutschen Nationalelf:
- Günter Netzer, Mönchengladbach/Madrid, Popikone der 70er
- Wolfgang Overath, Köln, Freund von Netzer und gleichzeitig dessen Rivale im Kampf um die Spielmacherposition in der Nationalelf, was die größte Fußballfachfrage der 70er war: Netzer oder Overath?
- Bernd Hölzenbein, Frankfurter Lokalmatador, überraschender Profiteur der bundesdeutschen Niederlage gegen die DDR, weil er als Ersatzspieler danach in die Mannschaft rückte und zum entscheidenden Mann beim WM-Sieg wurde.
Fußballspieler der DDR-Auswahl:
- Gerd Kische, rasend schneller Außenverteidiger, Freigeist aus Rostock, der die Stasi jahrelang an der Nase herumführte – und in den Achtzigern von der Stasi als Fußballer eliminiert wurde
- Lothar Kurbjuweit und Konrad Weise, junge Jenaer Fußballfreunde, die in dem Spiel gegen die Bundesrepublik zu Schlüsselfiguren wurden, weil sie ihre direkten Gegenspieler Uli Hoeneß und Gerd Müller ausschalteten. Weise wurde der beste Fußballer der DDR seiner Generation.
Westdeutsche Zeitzeugen:
- Matthias Brandt, Sohn des Bundeskanzlers, größter Fan von Günter Netzer, Vertreter einer Generation für die damals die WM 1974 das Fußballereignis ihrer Kindheit und Jugend war.
- Eckhard Henscheid, Schriftsteller des 70er-Jahre-Zeitgeists, der in seinem bekanntesten Roman „Die Vollidioten“ Fußballer Bernd Hölzenbein verewigte.
- Klaus Jünschke, Mitglied der Roten Armee-Fraktion, der verdächtigt wurde, ein Attentat auf das Fußballspiel zu planen.
- Jutta Hölzenbein, Frau von Bernd Hölzenbein, heute würde man sagen: Spielerfrau.
- Doris Gercke, als Mitglied der (west)deutschen Kommunistischen Partei DKP an jenem Tag vor dem Spiel Fremdenführerin für die DDR-Touristen in Hamburg. Später eine erfolgreiche Krimiautorin, die unter anderem die literarische Figur Bella Block schuf.
- Hans Eiberle, Fußballerreporter der Süddeutschen Zeitung.
Ostdeutsche Zeitzeugen:
- Jutta Wachowiak, Schauspiellegende der DDR. Spielte – was an jenem Abend noch sensationeller als das Fußballspiel war – die weibliche Hauptrolle in dem regierungskritischen Theaterstück „Die neuen Leiden des jungen W.“
- Roland Jahn, in der Jugend spielte er im selben Fußballklub wie Lothar Kurbjuweit und Konrad Weise, bei Carl Zeiss Jena. Später wurde er der führende Dissident der DDR.
- Horst Friedemann, Fußballreporter des Deutschen Sportechos, überzeugter Kommunist.
- Kurt Batt, Lektor, der „Die neuen Leiden des jungen W.“ durch die Zensur brachte.
- Manfred Sommer, Stasi-Offizier, der die DDR-Touristen bei der WM überwachte.
Internationale Zaungäste:
- Leonardo Véliz, chilenischer WM-Spieler und Gegner des Pinochet-Regimes in seiner Heimat.
- Adrian Alston, australischer Fußballer, der am Tag des Spiels Bundesrepublik gegen DDR bei der WM schlagartig auf die große Bühne seines Sports geriet.
- André Krüger, Junge aus Hannover, der vermutlich einzige deutsche Australien-Fan bei jener Weltmeisterschaft. Wurde deshalb später in Australien als Crazy Kruger eine Berühmtheit.
Kommentare
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